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Johanna Busmann
Chefsache Mandantenakquisition
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Johanna Busmann
Chefsache
Mandantenakquisition
Erfolgreiche Akquisestrategien für Anwälte
editor_2. Auflage
editor_Herausgegeben von 
Max Mustermann
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Johanna Busmann, busmann training®, Hamburg.
Zitiervorschlag: Busmann, S. 140
Hinweis:
Alle Angaben in diesem Werk sind nach bestem Wissen unter Anwendung aller gebotenen Sorgfalt
erstellt worden. Trotzdem kann von dem Verlag und die Autorin keine Haftung für etwaige Fehler
übernommen werden.
ISBN 978-3-11-029362-3
e-ISBN 978-3-11-029363-0
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Satz: Medien Profis GmbH, Leipzig
Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen
♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier
Printed in Germany
www.degruyter.com
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Vorwort
Akquise gelingt nicht durch anwaltliche Kompetenzen, sondern durch deren Kommunikation an zukünftige und bestehende Mandanten.
Akquise gehört inzwischen zum Alltag einer jeden Kanzlei und stellt Anwälte
immer wieder in persönlicher, struktureller, organisatorischer und vor allem kommunikativer Hinsicht vor größere Hindernisse.
Dieses Werk begleitet Sie auf diesem „Parcours“. Es erläutert – geordnet nach
den Buchstaben des Alphabets – Voraussetzung und Wirkung hunderter erfolgreich
erprobter Akquisetipps für Kanzleien jeder Größe und für Anwälte aller Rechtsgebiete.
Zahlreiche Tipps sind sofort umsetzbar, andere erfordern und bewirken mittelfristig gewisse strukturelle Maßnahmen und wieder andere betreffen langfristige
Aktionen im Kanzleimanagement.
Mein besonderer Dank gilt den unermüdlichen Lektorinnen ebenso wie den vielen
Anwälten, ihren Mandanten(!) und ihren Assistentinnen, die mir in hunderten von
Interviews ihre Zeit und ihr Wissen zur Verfügung stellten.
Kreativität, Mut und besonders der unbeirrte Wunsch vieler Anwälte, sich durch
mich, eine ehemalige Lehrerin(!), seit 23 Jahren in die Karten schauen zu lassen, inspirierten mich zu diesem Buch.
Eine ganz besondere Rolle spielen dabei mehr als 30 Erfahrungsberichte von Anwälten aus der Praxis, die mit Namen und Telefonnummer über ihre individuelle
Umsetzung dieser Akquisestrategien berichten.
Sie alle drücken durch ihre Mitwirkung an diesem Projekt ein großartiges und mich
berührendes Vertrauensverhältnis zur Idee dieses Buches und zu mir persönlich aus.
Mögen sich Spaß und Tatendrang beim Lesen und Umsetzen stets die Waage halten!
Für Bemerkungen, Anregungen und Kritik bin ich aufgeschlossen und dankbar.
Sie erreichen mich unter:
busmann training ®, Johann-Mohr-Weg 8, 22763 Hamburg
Tel.: 040 / 8 927 22
E-Mail: [email protected]
www.busmann-training.de
Hamburg, im Oktober 2012 Johanna Busmann
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Geleitwort
Mandanten kommen nicht aus der Steckdose…
Es war 1977, als der amerikanische Supreme Court im Rechtsstreit Bates gegen die
Anwaltskammer des Staates Arizona erstmals einem Anwalt die Werbung erlaubte.
Wie ein Erdbeben erschütterte diese Entscheidung die amerikanischen Anwaltschaft – und mit entsprechender Verspätung auch die europäische, deutsche und
österreichische. In den 35 Jahren seitdem haben sich europäische Gerichtshöfe ebenfalls dazu durchgerungen, auch den Anwälten die Erlaubnis zu geben, direkt um
Mandanten werben zu dürfen.
Und damit war der Weg frei! Anwälte durften sich nun vermehrt und aktiv um
neue Aufträge und neue Mandanten bemühen; sie hatten jetzt die Freiheit, Werbung
zu machen, und das hieß im Umkehrschluss: sie mussten es ganz unverhofft auch!
Plötzlich wurde es allen Anwälten bewusst: Der Mandant kommt nicht mehr wie
der Strom aus der Steckdose, sondern er lässt sich auch von inhaltsreicher Werbung,
einem strukturierten Marketing und einer gezielten „Ansprache“ beeinflussen.
Auch heute noch sehen einige Anwälte ihre neue Freiheit als Fluch und beginnen
eher zaghaft, ihre „Marktpositionierung“, ihr „Kanzleimarketing“, ihr „Unternehmensziel“ und ihre „Akquisestrategien“ zu überdenken.
Das vorliegende Werk von Johanna Busmann berichtet nicht nur darüber, was
inzwischen alles möglich ist. Es geht viel weiter: Es ist ein Lernbuch mit sehr konkreten, detaillierten und vielfach erfolgreich erprobten Anleitungen, wie Akquise im
Anwaltsbereich gelingen kann.
Die Autorin berichtet aus ihren Trainings-Erfahrungen in deutschen und österreichischen Kanzleien jeder Größe und beschreibt, geordnet nach den Buchstaben
des Alphabets, was dort zu Akquiseerfolgen geführt hatte – und besonders: wodurch.
Es ist ein Praxisbuch. Besonders wenn namentlich genannte Anwälte jeder
Kanzleigröße und aus allen Rechtsgebieten selbst über Akquisemaßnahmen berichten, die für ihre Kanzleien erfolgreich waren, zeigt sich die Alltagstauglichkeit der
vorgestellten Maßnahmen.
Eine spannende Zusammenstellung, die es meines Wissens in dieser Art auf dem
Büchermarkt in Deutschland und Österreich noch nicht gibt.
Und zum Abschluss noch ein Hinweis: Dieses Werk von Johanna Busmann ist
kein Buch, welches man wie einen Krimi durchliest und nach einigen Wochen vergisst. Es ist ein Buch, das auf den Nachttisch gehört. Und stur soll jeden Abend eine
Seite gelesen und durchgearbeitet werden. Und das Gelesene soll dann am nächsten
Tag in der eigenen Kanzlei umgesetzt werden.
So hat man Zeit, sich ausgiebig mit jedem der wertvollen Denkanstöße zu befassen, diesen in der eigenen Kanzlei einzusetzen und dadurch kurz- und langfristig
davon zu profitieren.
Dr. Ivo Greiter
Greiter Pegger Kofler & Partner
Rechtsanwälte in Innsbruck
15. September 2012
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Inhaltsübersicht
Literaturverzeichnis XXVII
XXIX
Abkürzungsverzeichnis XXXI
Glossar Teil 1 Einleitung
A. Bedeutung 3
3
B. Definition: Was ist Akquise eigentlich? C. Fünf folgenschwere anwaltliche Denkirrtümer über anwaltliche Akquise –
5
nebst Korrektur 6
D. Gebrauchsanleitung in drei Schritten Teil 2 Das ABC der Mandantenakquise
Assistentin 11
39
Beauty Contest 59
Cross-Selling 83
Durchsetzung 121
Ehemalige Mandanten zurück gewinnen 131
Flexibilität Gerichtliche Auftritte – Akquise im Gerichtssaal 151
Honorarinformation 179
In-house Veranstaltungen 211
Journalisten 219
Kanzleimarketing 255
Leistungs-Feedback 263
Mandantengespräche 289
Netzwerke 295
Online-Akquise 309
Public Relations 317
Qualität 333
Reputationsmanagement 347
Small Talk 369
Telefonakquise 383
Umgang mit Mandanten 405
Vorträge 439
Werbung 447
XXS Kleine Kanzleien ganz groß 457
Yes, I can 493
Zielführung 141
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Inhalt
Literaturverzeichnis XXVII
Abkürzungsverzeichnis XXIX
Glossar XXXI
Teil 1 Einleitung
3
A. Bedeutung B. Definition: Was ist Akquise eigentlich? 3
C. Fünf folgenschwere anwaltliche Denkirrtümer über anwaltliche Akquise –
nebst Korrektur 5
D. Gebrauchsanleitung in drei Schritten 6
I. Lesen Sie modulhaft 6
II. Ärgern Sie sich nur kurz 7
III. Nutzen Sie den Akquise-Blog 7
Teil 2 Das ABC der Mandantenakquise
11
Assistentin I.Die Rolle der Anwaltsassistentin – eine Bestandsaufnahme 12
1.Ressourcenargument: Anwälte haben Mitarbeiterführung in ihren
Ausbildungen nicht gelernt 12
2.Investitionsargument: Anwälte fürchten die Investition in hochqualifizierte
Assistenz 13
3.Delegationsargument: Anwälte delegieren ungern wichtige Aufgaben an 
andere Profis 15
II. Der Telefonservice – Aufgaben der Assistentin (I) 17
1.Ihre Assistentin ist angewiesen auf Ihre Anweisungen 17
2.Ihre Assistentin promotet schon durch ihre Meldung die Kanzlei 18
3. Ihre Assistentin bietet im Ersttelefonat eine Anfahrtsskizze an 19
4.Ihre Assistentin erfragt den Kern des Falles/Wunsches und leitet diesen an
Sie weiter 19
5. Ihre Assistentin sagt niemals ein „Nein“ ohne Lösung 21
6.Ihre Assistentin verwendet eine absolut verbindliche Servicesprache 22
7. Ihre Assistentin vermeidet um jeden Preis Telefon-Müll 23
8. Ihr Telefonempfang ist das Dach des gesamten Telefonservice 24
9. Weiterleitung in die Dezernate 24
a) Wenn der Anrufer unbekannt ist 24
b) Wenn Sie seinen Nachnamen nicht oder nicht richtig verstanden 
haben 25
c) Wenn der Mandant bekannt ist 25
d) Wenn der Anwalt nicht sofort zu sprechen ist 25
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XII Inhalt
e) Wenn Sie „Nein“ sagen müssen 26
f) Wenn nicht erfolgreich durchgestellt werden kann 27
III.Die Kanzleiorganisation: Aufgaben der Assistentin (II) 27
1.Ihre Assistentin wird durch Sie dem neuen Mandanten vorgestellt 27
2.Ihre Assistentin schreibt eine Begrüßungsmail an den neuen 
Mandanten 29
3. Ihre Assistentin integriert non-verbale Strategien 29
4.Ihre Assistentin verwendet elektronische Nachrichtensysteme wie 
Outlook 30
5. Ihre Assistentin führt Ihren Terminkalender 31
6.Ihre Assistentin gibt dem Mandanten „Hausaufgaben“ für das 
Erstgespräch 32
7. Ihre Assistentin neutralisiert Attacken und nutzt Beschwerden 32
a) Beschwerdemanagement 33
b) Aggressiv unterlegte oder gewohnheitsmäßige Attacken 33
8. Ihre Assistentin spricht nicht über Honorare 34
IV.Kanzleiführung – Anwälte unterstützen ihre Assistentinnen 34
39
Beauty Contest I. Definition 39
II. Steckbrief 40
III. So werden auch Sie eingeladen 41
IV. Anforderung an die Präsentatoren 42
V. Vorbereitung 44
VI. Präsentationsteam 46
VII. Auswahlkriterien der Anfrager 47
VIII.Rhetorik 49
IX. Fragen der potenziellen Mandanten 50
1. Kosten 50
2. Qualität 51
3. Arbeitseffektivität 51
4. Team 52
X. Aus diesen Gründen scheitern Anwälte im Beauty Contest 1. Kommunikation 52
2. Top Ten Auftragskiller 53
XI. Peer-Review-Verfahren 56
52
59
Cross-Selling I. Was ist Cross-Selling? 59
1. Was ist der Nutzen von Cross-Selling? 60
2. Was macht Cross-Selling zu einem Ärgernis? 60
3. Was sind die Voraussetzungen für effizientes Cross-Selling? Unauthenticated
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61
Inhalt II.Das Problem: Anwälte schöpfen 80 % ihrer Cross-Selling Potenziale 
nicht aus 62
1. Überblick 62
2. Wodurch erscheint Cross-Selling also so schwierig? 63
III. Die Lösung (Überblick): So funktioniert Cross-Selling in einer Anwalts- 
kanzlei 65
1. Arten des Cross-Selling in Kanzleien 65
2. Es bleibt ja alles in der Familie 67
a) Einzelanwälte 67
b) Mittelständische Kanzleien 68
c) Großkanzleien 69
3. Wie organisieren Kanzleien ein strukturiertes „Cross-Selling“? 70
IV. Die Lösung (Details): Die „drei K“ des Cross-Selling 71
1. Kundenmanagement: Strukturierung Ihrer Mandantschaft 71
a) Definieren Sie den Wert Ihrer Mandate und Mandanten – eine Übung b) Richten Sie eine Mandantenstruktur ein 74
c) Ergreifen Sie weitere Maßnahmen 74
2. Kundenbefragung: systematisches Kunden-Feedback 75
3. Cross-Selling erfordert filigrane Kommunikation 77
a) Ansprechen während eines Abschlussgesprächs 77
b) Ansprechen durch die Nutzenargumentation 78
c) Ansprechen durch den Perspektivwechsel 79
d) Ansprechen durch „Matching“ des Katastrophenfokus 79
e) Ansprechen durch Wechsel der Zeitzonen 80
V. Best Practice 80
XIII
72
83
Durchsetzung I. Durchsetzungsstarke Anwälte sind Kult 83
II. Gesprächsführung für die Akquise: Basics 84
1. Die offene Frage – Managerin der Menschenführung 85
2. Die geschlossene Frage – Königin der Kontrolle 86
3. Die Paraphrase – Wegbereiterin der Empathie 88
4. Die Ich-Botschaft – Botschafterin der taktischen Selbstverkleinerung 90
III. Gesprächsführung für die Akquise: Feinheiten 91
1. Wie Anwälte potenzielle Mandanten locker führen – „Matching“ 91
a) Entwicklungsgeschichtliche Einordnung 92
b) „Mismatching“ macht Mandanten misstrauisch 93
c) „Matching“ macht Mandanten munter 93
d) Matching hat mit Imitation nichts zu tun 95
2.Wie Anwälte eine komplexe Antwort für Laien strukturieren – 
Das „Brecht’sche Theater“ 96
a) Was hat Bertolt Brecht damit zu tun? 97
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XIV Inhalt
b) Brecht’sches Theater – Wie geht das? (Struktur) 97
c) Wie können Anwälte das in den Akquise-Alltag übertragen? 98
3. Wie Anwälte ein Gegenargument platzieren – „Gerade weil“ statt: 
„ja, aber“ 99
a) „Ja, aber“ tötet das zuvor Gesagte 99
b) Durch „gerade weil“ oder „gerade deshalb“ wahren beide ihr
Gesicht 100
c) Wie sich Anwälte durch rhetorisches Aikido durchsetzen 101
4. Wie Anwälte negative Nachrichten überbringen – Euphemismus ade 102
5. Wie Anwälte kritische Haltungen drehen – Perspektivwechsel 103
6. Wie Anwälte ihr „Produkt“ an den Mandanten bringen –
Nutzenargumentation 104
a) Anwaltliche Produkte sind nicht-anfassbar und hoch erklärungs- 
bedürftig 104
b) So nutzen Sie die Merkmal-Vorteil-Nutzen-Argumentation 105
c) So verwenden Sie die Nutzenargumentation rückwärts 106
d) Das „kleine Lexikon“ der Nutzen-Argumentation 107
7. Wie Anwälte verbale Attacken nutzen, statt sie zu fürchten – 
die offene Frage 108
8.Wie Anwälte selbst geglaubte Einwände in Lösungen umwandeln: 
Die „Strategie 102“ 109
a) Namensfindung „Strategie 102“ 109
b) Wie Sie durch die „Strategie 102“ selbst geglaubte Einwände 
flexibilisieren 110
c) Wie Sie durch die „Strategie 102“ Vorwände von Einwänden 
trennen 111
9.Wie Anwälte einer negativen Bedeutung eine positive Wendung geben:
„Reframing“ 111
a) Reframing im Bewerbungsgespräch 112
b) Reframing in regionaler Folklore 112
c) Reframing im Witz 112
d) Reframing im Mandantengespräch 112
e) Reframing in der Akquise 113
10. Wie Anwälte ihre Kompetenzen „verkaufen“ – spezifizieren und
quantifizieren Sie 113
IV.Die „Werner Hupe GmbH“ – wie ein Interessent zum Mandanten wird 114
1. Akquise-Phase: Mandatsannahme per Telefon 114
2. Akquise-Phase: Das Erstgespräch 117
121
Ehemalige Mandanten zurück gewinnen I. Wodurch wechseln Mandanten? 121
II. Was tun, um ehemalige Mandanten erneut zu überzeugen? 123
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Inhalt XV
123
1. Räumen Sie zwischen Ihren Ohren auf 2. Besiegen Sie Ihren „inneren Schweinehund“ 124
3. Bleiben Sie verantwortlich 124
4. Sortieren Sie Ihre Mandanten 125
5. Dokumentieren Sie Mandanten-Abschiede 125
6. Telefonieren Sie kurz und kultivieren Sie den langen Atem 126
7. Akzeptieren Sie externe Hindernisse – und bleiben Sie am Ball 126
III.Ein gelungenes Beispiel – Mandantenrückgewinnung am Telefon 127
131
Flexibilität I. Das Konzept „Anders-Sein“ 132
II. Das Konzept „Schneller-Sein“ 133
III. Das Konzept „Strategie“ 134
IV. Das Konzept „Sturheit“ 134
V. Das Konzept „Eigeninitiative“ 135
VI. Das Konzept „Spontaneität“ 136
VII. Das Konzept „Intuition“ 137
VIII.Das Konzept „Inspiration“ 138
141
Gerichtliche Auftritte – Akquise im Gerichtssaal I. Wodurch Sie Richter überzeugen 142
II. Einige taktische Tipps zur Zeugenvernehmung 143
1. Einleitung in Ihren Teil der Zeugenvernehmung 144
2. Die Vorschriften des § 396 Abs. 1 ZPO 144
3. Die Vorschriften des § 396 Abs. 2 ZPO 145
4. Mehr Mut zur Wut 146
5. Lügen(-bereitschaft) enttarnen 147
III. Einige rhetorische Tipps zur Zeugenvernehmung 147
151
Honorarinformation I. Anwälte informieren ungern über ihr Honorar 151
1. Was macht die Information über die Gegenleistung so schwierig? 152
2. Rechtliche Untiefen machen diese Gewässer gefährlich 154
3. Die rhetorische Apokalypse: „Wir müssen jetzt noch über das Geld 
reden“ 155
4. Anwälte negieren ihre eigene Verantwortung 155
5. Anwälte beschädigen ihr eigenes Image 156
II.Effiziente Honorarinformationen machen Spaß und befördern die 
Akquise 158
1. Marktimage durch Preisgestaltung 158
a) Unterschiedlicher Modus 158
b) Unterschiedliche Marketingstrategien 159
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XVI Inhalt
2. Was Sie im Kopf haben, können Sie auch im Leben haben 160
160
a) Ihre Wirkung auf den Mandanten 161
b) Ihre Einstellung zu Ihrem Selbstwert 161
c) Ihr Selbst-Belohnungssystem 161
d) Ihre Preisfindung 162
3. Wie sag ich’s bloß meinem Mandanten? 162
a) Der Anwalt leitet die Honorarinformation ein 163
b) Der Mandant leitet die Honorarinformation ein 164
c) Die Honorarinformation gehört in das Erstgespräch 165
d) Leiten Sie Ihre Honorarinformation durch einen Usus ein 165
aa) Usus Rechtsgebiet 165
bb) Usus Kanzlei 166
cc) Usus Mandant 166
dd) Usus Person 166
e) Vergütungsvereinbarung 167
4. Erwähnen Sie den Nutzen des Mandanten 167
a) Nutzen des Stundenhonorars 168
b) Nutzen des gemeinsam gefundenen Honorars 169
c) Nutzen der Pauschalvergütung 169
d) Nutzen des Vorschusses 170
e) Nutzen des RVG 5.Einwände zeigen die Verbundenheit des Sprechers mit Produkten,
170
Meinungen oder Verhaltensweisen des Gesprächspartners 172
III. Die Zehn Gebote für Rentabilität in Ihrer Kanzlei 173
1. Glauben Sie an sich 173
2. Passen Sie den Honorarmodus an Ihr Kanzleiziel an 173
3. Verändern Sie Ihr Führungsverhalten 174
4. Gestalten Sie Ihre Preispolitik 174
5. Entscheiden Sie Rabatte pro-aktiv – niemals aus Not 175
6. Verringern Sie Ihre Kostenquote 176
7. Klassifizieren Sie Ihre Mandanten 176
8. Verbessern Sie die Zahlungsmoral Ihrer Mandanten 177
9. Räumen Sie zwischen Ihren Ohren auf 177
10. Strukturieren Sie Ihre Sprache In-house Veranstaltungen 179
179
I. Bestandsaufname 181
II. Vom Euro-Grab zur Investition – Ihre Mandanten-Events 181
1. Veranstalten wir selbst ein solches In-house Event oder nicht? 2.Kanzleien nutzen eigene Mandantenveranstaltungen kaum zur Akquise 
182
neuer Mandanten 3.Kanzleien nutzen eigene Mandantenveranstaltungen erfolgreich zur
Mandantenbindung 183
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Inhalt 184
4. Kanzleien delegieren die gesamte Organisation an Profis 5. Weitere Zahlen und Fakten zu In-house Events für Mandanten 186
III.Vom total Tabu zur Lieblingslösung: Acht Akquise-Tipps für Ihre
Mandantenevents 187
1. Verändern Sie Ihre eigene Sicht auf Ihre Veranstaltungen 188
2. Organisieren Sie jedes Detail 188
3. Schwören Sie Ihr Team ein 190
4. Wählen Sie begeisternde Präsentatoren 190
5. Verpflichten Sie ein Gastgeber-Team für die Akquisephase nach dem 
Vortrag 192
6. Üben Sie die „Staffelübergabe“ 192
7. Richten Sie eine zuverlässige Möglichkeit für Feedback ein 194
8. Üben Sie den verbalen Umgang mit Kanzleischwächen 195
IV.Von der Beliebigkeit zur Organisationsfreude: Ihre „Eventarchitektur“ in 
15 Schritten 196
1. Location 196
2. Titel 197
3. Einladungskarten 197
4. Presse 198
5. Namensschilder 198
6. „Save-the-Date“ 198
7. Empfang 199
8. „Walking-Events“ 199
9. Reden 199
10. „Give-Aways“ 200
11. Raucher-Lounge 200
12. Musik 201
13. Verpflegung 201
14. Feedback 202
15. Dankes-E-Mail 202
V.Von Langeweile zu Lernlust: Methodik und Didaktik Ihrer Mandanten- 
seminare 202
1. Aufgaben eines Seminarleiters/Checkliste 203
2. Didaktische Tipps 204
3. Methodische Tipps 205
211
Journalisten I. Journalisten und Anwälte – eine unheilige Allianz? 211
II. Journalisten sind Multiplikatoren. Sprechen Sie sie aktiv an! 213
1. Bieten Sie aktiv Kolumnen an 213
2. Bieten Sie ausformulierte E-Mail-Interviews 215
3. Je breiter die Streuung desto schmaler das Ergebnis 215
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XVII
XVIII Inhalt
4. Strukturieren Sie Ihre Botschaften 215
5. Rufen Sie spezialisierte Multiplikatoren an 216
III. Optimieren Sie Ihre Sprache 216
1. Faszinieren Sie die „bügelnde Hausfrau“ 216
2. Bringen Sie Hauptsachen in Hauptsätze 216
3. Drücken Sie Aktionen ausschließlich in Verben aus 217
4. Ersetzen Sie Fachsprachen durch Laienformulierungen 217
5. Sprechen Sie einfach 218
219
Kanzleimarketing I. Quo vadis, Marketing? 219
1. Internes Marketing hinkt dem externen hinterher 220
2. Tote Pferde tragen nicht 221
II. Kanzleimarketing erfordert Individualkommunikation 223
1. Individualkommunikation ist das Gebot der Stunde 223
2. Persönliche Kommunikation 224
3. Direktkommunikation 224
4. Multimediakommunikation 225
5. Kanzleien in der Öffentlichkeit: Marketing? Werbung? 
Public Relations? 225
6. Marketing = „Meine Arbeit sagt, was ich kann.“ 226
7. Werbung = „ Ich sage, was ich kann.“ 227
8. Public Relations = „Andere sagen, was ich kann.“ 227
III. Kanzleimarketing: Vier „P“ mit großer Wirkung 228
1. Produkt = Was biete ich an? 228
2. Platz = Wo biete ich das an? 228
3. Promotion = Wie biete ich das an? 229
4. Preis = Zu welchem Preis biete ich das an? 229
IV. Kanzleimarketing: 10 Tipps für das Marketing nach innen 229
1. Seien Sie eigenartig, nicht nur einzigartig! 229
2. Lassen Sie die Fachfrau ran – Sie sind ja selbst eine 232
3. Kanzleimarketing braucht ein Konzept 232
4. Kanzleimarketing braucht Zeit 233
5. Kanzleimarketing braucht Geld 233
6. Kanzleimarketing braucht Rückhalt 234
7. Kanzleimarketing braucht die SWOT-Analyse 234
8. Kanzleimarketing braucht ein Client Relationship Management-System 9. Kanzleimarketing braucht das „M Quadrat“ 238
10. Kanzleimarketing braucht das Wissen über die Motivation der 
Mandanten 238
V. Kanzleikommunikation: Kleine Tipps mit großer Wirkung 239
1. Unique Selling Proposition – Das Alleinstellungsmerkmal 239
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236
Inhalt 2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
240
Broschüren Newsletter 243
Warte- und Empfangsbereich Erreichbarkeit 249
Kundenkartei 250
Anrufbeantworter 251
Externe Dienstleister 252
XIX
247
255
Leistungs-Feedback I. Feedback? Lieber nicht! 255
II. Qualitätswahrnehmung und Feedback-Formen 256
III. Beispiel: Ein vielfach erprobter Mandantenfragebogen 258
IV. Akquise-Allianz: Mandanten-Feedbacks und Kundenkartei 260
263
Mandantengespräche I. Was ist die Aufgabe von Anwälten im Mandantengespräch? 264
II.Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen? 1. Denkbares wird lenkbar 265
a) Tilgen Sie negatives Denken 265
b) Nehmen Sie die Mandantensicht ein 266
2. Strukturieren Sie Ihre Mandantengespräche 266
a) Begrüßung 267
b) Paraphrase der Historie 268
c) Was ist der Kern Ihres Problems? 269
d) Was ist Ihr Ziel? 270
e) Wie wird bezahlt? 270
f) Wie kamen Sie auf unsere Kanzlei? 271
g) Wie läuft das Mandat ab? 272
h) Hausaufgaben 272
i) Sekretärin vorstellen 273
3. Tilgen Sie rhetorische Todsünden im Mandantengespräch 274
a) Warum-Fragen 274
b) Bewerten 274
c) Juristensprache 275
d) Lobeshymnen 277
e) Störungen von außen 278
f) Tautologien 278
g) Unterbrechen 279
h) Dozieren 279
4. Nutzen Sie die Wahrnehmungssysteme Ihrer Mandanten 280
a) Wie das Gehirn unsere Wahrnehmung filtert 281
b) Wie Wahrnehmungssysteme erkennbar sind 282
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265
XX Inhalt
c) Wie Wahrnehmungssysteme in Mandantengesprächen nutzbar 
sind 284
d) Wie verbale Zugangshinweise Ihre Akquise erleichtern 286
e) Wie Sie verbale Zugangshinweise im Dialog nutzen 287
III. Best-Practice 288
289
Netzwerke I. Anwälte und Netzwerk? 289
1. Netzwerke sind kein Selbstzweck 290
2. Gut vernetzt – schnell gefunden 290
II. Akquisestarke Anwälte gehen gern anderen „Spinnen ins Netz“ 293
295
Online-Akquise I.Das Internet verändert Akquisekulturen – sieben Ideen zum Mitmachen 1. Chronologie der Kontaktaufnahme 296
2. Kostenstruktur von Akquise 297
3. Organisationsstrukturen von Kanzleien 297
4. Webseiten müssen gefunden, nicht nur gepflegt werden 299
5. Akquisemöglichkeiten über „Social Media“ 300
6. Internet-Rechtsberatung revolutioniert Abläufe 303
7. Reputation ist verletzungsanfällig 304
II. Ist Ihre Webseite K _ R _ E _ A ­_ T _ I _ V? 306
295
309
Public Relations I. Eine Kanzlei ohne PR ist wie ein Klavier ohne Tasten 310
II. Litigation-PR: Öffentlicher Druck kann das Recht lenken 311
1. Litigation-PR – viel gerühmt und wenig bekannt 312
2. Anwälte brauchen Litigation-PR 313
3. „Als das Wünschen noch geholfen hat“ – der Mythos vom unabhängigen
Richter 314
317
Qualität I. Qualität – eine Frage der Wahrnehmung 317
II. Qualität liefern heißt: Bedarf erkennen und decken 318
1. Qualität ist, was der Mandant darunter versteht 318
2. Arbeitsergebnis beeinflusst die Weiterempfehlung 319
3. Empfehlen Sie Weiterempfehlungen 320
III. Qualitätscheck: Ist Ihre Kanzlei reif für die Akquise? 325
333
Reputationsmanagement I. Was ist Reputation? 334
II.„Reputation für Anfänger“ – eine Bauanleitung in acht Schritten Unauthenticated
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335
Inhalt 336
Wählen Sie die für Sie passende Kanzlei Wählen Sie Sprungbrettmandate 337
Optimieren Sie Ihren „Track-Record“ 337
Einmal investiert – sechsmal profitiert 338
Fokussieren Sie 338
„Umwege schärfen die Ortskenntnis“ 339
The „Early Mover Advantage“ 340
Anwaltliche „Sekundärtugenden“ bilden die Basis persönlicher 
Reputation 341
III.Kanzleireputation für Fortgeschrittene – Reputation aufbauen und 
verbessern 342
IV. Ihr guter Ruf ist schützenswert? Dann schützen Sie ihn auch! 344
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
347
Small Talk I. Bestandsaufnahme 347
II. Blitztraining Small Talk in 10 Lektionen 348
1. Leiten Sie den Kontakt aktiv ein 349
2. Nutzen Sie Körpersprachen 349
3. Verwenden Sie Small Talk fördernde Gesprächstechniken 350
4. Wählen Sie unverfängliche Gesprächsthemen 351
5. Meiden und „glätten“ Sie Tabus 352
6. Verwenden Sie „verbreiternde“ rhetorische Stilmittel 353
7. Glätten Sie durch „Downsizing“ 353
8. Beenden Sie Small Talk respektvoll 354
9. Beachten Sie Small Talk-Regeln im Ausland bzw. 
mit Ausländern 355
10. „Das weiße Bild mit weißen Streifen“ – Ein fantasierter Dialog mit 
Aussicht 356
III. Der „Business-Knigge“ erleichtert Ihre Akquise 359
1. Die Reihenfolge der Vorstellung 359
a) Hierarchie geht vor Geschlecht und Alter 359
b) Position („Rolle“) geht vor Hierarchie 359
c) Die Regeln des Gastes dominieren die des Gastgebers 360
d) Lassen Sie sich von Intuition leiten 360
2. Visitenkarte 361
3. Non-verbale Signale 362
a) Ihr Auftritt – Das Problem 362
b) Ihr Auftritt – Die Lösung 363
c) Non-verbale Signale – Ihre Kleidung 363
4. Gast sein 364
5. Gastgeber sein 365
Unauthenticated
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XXI
XXII Inhalt
Telefonakquise 369
I.Drei gute Motivationen, Telefonakquise für immer zu unterlassen 369
II.Zehn gute Motivationen, mit Telefonakquise sofort zu beginnen 371
1. Telefonakquise ist lernbar 372
2. Telefonakquise bietet extravagante Akquise-Chancen 372
3. Telefonakquise braucht Vorbereitung 372
4. Telefonakquise hat kleine Ziele 373
5. Telefonakquise ist eine Störung 374
6. Telefonakquise erfordert eine Nutzenargumentation 374
7. Telefonakquise bedeutet Sprachstruktur 374
8. Telefonakquise braucht klare Selbstbilder 375
9. Telefonakquise erfordert Organisation 376
10. Telefonakquise erfordert „Türsteher-Flirts“ 376
III.Über sieben Brücken musst du gehen – Die sieben Phasen der Telefon- 
akquise 377
IV. Drei erfolgreiche Akquisetelefonate 378
1. Der unverlangte Anruf (Cold Call) bei einem zukünftigen Mandanten 378
2. Unverlangter Anruf (Cold Call) bei einem Multiplikator 379
3. Verlangter Anruf bei einem zukünftigen Mandanten (Warm Call) 380
383
Umgang mit Mandanten I. So entstehen Schwierigkeiten mit Mandanten 384
II. So gelingt die Lösung durch Umdenken 385
III. So gelingt die Lösung durch Prophylaxe 386
IV. Nehmen Sie Ihren „schwierigen“ Mandanten unter die Lupe 387
1. Der Erfolgsmensch 388
2. Der Zweifler 388
3. Der Angsthase 389
4. Der Besserwisser 389
5. Der Sicherheitsfanatiker 390
6. Der Aggressive 391
V.Wie Anwälte Killerphrasen, Einwände und Widerstände nutzen, statt sie zu
fürchten 392
1. Anwälte bekommen besonders oft Gegenwind 392
2. Anwälte nehmen verbale Attacken persönlich 392
3. Anwälte produzieren „Rauflust statt Kauflust“ bei ihren Gesprächspartnern 394
4. Bevor Sie Gegenmaßnahmen ergreifen: ein kurzer Blick ins Gehirn 394
5.Die Lösung: Aktivieren Sie das Denkhirn Ihrer Angreifer, um deren
Stammhirn lahm zu legen 395
VI. Ein Nein ist eine Aufforderung zum Tanz 396
a) Das sachbedingte „Nein“ 397
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Inhalt 397
b) Das „Werte-Nein“ c) Das unbedingte „Nein“ 397
d) Das unausgesprochene „Nein“ 398
VII. Wie Anwälte Beschwerden zu Mandaten machen 399
1. Beschwerdemanagement 399
2. Die 10:10:80 Verhandlung im Beschwerdemanagement 3. Reaktives Beschwerdemanagement 400
4. Pro-aktives Beschwerdemanagement 401
5. Fehlertoleranz als Managementinstrument 401
6. Vogel Strauß – eine Warnung 402
7. Offene Feedback-Systeme 402
XXIII
400
405
Vorträge I. Vier Vorkehrungen vor dem Vortrag 405
1. Vorträge erhöhen die Reputation 405
2. Wer veranstaltet Rechtseminare? 406
3. Vorsicht! Vorträge sind aufwändig 407
4. Vortragsorte drücken Vortragsziele aus 407
5. Vorsicht! Verbrannte Erde bringt keine Frucht 408
II. Wie Anwälte ihre Vortragstechniken verbessern 409
1. Gestalten Sie die Vortrags-Umgebung 409
2. Leiten Sie ein durch organisatorische Eckdaten und inhaltlichen 
Nutzen 411
3. Optimieren Sie Ihre Rhetorik – die „vier Verständlichmacher“ 413
4. So würzen Anwälte ihre Monologe 414
a) So dialogisieren Anwälte ihren Monolog durch Fragen 414
aa) Schätzfrage 415
bb) Erfahrungsfrage 415
cc) Schwierige Informationsfragen 415
dd) Einfache Informationsfragen 415
ee) Fragen zum Thema, die der Vortragende nicht selbst beantworten 
kann 416
ff) Fragen abseits des Themas, die der Vortragende jetzt nicht
beantworten will 416
b) Dialogisieren des Monologs oder: Wie bindet man die Teilnehmer 
ein? 417
aa) Moderatorenstatus 417
bb) Einzelne herausgreifen 417
cc) Brainstorming 418
5. So visualisieren Anwälte effizient 419
a) Spontanvisualisierungen 420
b) Vorbereitete Visualisierungen 422
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XXIV Inhalt
III. So etablieren und optimieren Anwälte ihre Führung im Vortrag 424
1. Der Kampf um die informelle Führung 425
2. Ursachen der Rangfolgekämpfe 425
a) Der Referent brüskiert selbsttätig die nettesten Gäste 425
b) Der Vortragsgast ist nicht hauptsächlich am Inhalt interessiert 426
c) Der Vortragsgast ist selber ein Fachmann im Vortragsthema 426
d) Der Vortragsgast hat Angst vor Anwälten 428
e) Der Vortragsgast ist persönlich defizitär 428
IV.Wie Anwälte ihren eigenen Präsentationstypus erkennen und nutzen 429
1. Visuelle lernen und präsentieren durch Sehen 430
a) Vorbereitung 430
b) Stärken 431
c) Schwächen 431
d) Optimierungen 432
2. Auditive lernen und präsentieren durch Hören 432
a) Vorbereitung 432
b) Stärken 432
c) Schwächen 433
d) Optimierungen 434
3. Kinästheten lernen und präsentieren durch Fühlen/Erleben 434
a) Vorbereitung 434
b) Stärken 434
c) Schwächen 435
d) Optimierungen 435
V. Aktive Akquise beginnt nach dem Vortrag 436
1. Jede Zusatzfrage kann zu einem Mandat werden 437
2. Neugier, Not und Nabelschau sind Schlüssel zur Akquise 437
439
Werbung I. Was ist Werbung? 439
II. Acht Lieblingsfehler und ihre Lösung 440
1. Tun, was andere tun 440
2. Ihre Kommunikation ist nicht wieder erkennbar 3. Anzeigen für ineffizient halten 442
4. Ihre Objekte sind nicht konstant 443
5. Kurzfristdenke 444
6. Nett sein 444
7. Werbung als Geldausgabe verstehen 445
8. Den falschen Ort wählen 446
447
XXS Kleine Kanzleien ganz groß I. Kleine Kanzleien haben große Vorteile 441
447
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Inhalt 449
II. Wer die Qual hat, muss sich die Wahl selbst schaffen III. Auf den Zufall bauen ist dumm – den Zufall nutzen ist schlau IV. Eine Nische finden ist Gold wert 451
450
XXV
457
Yes, I can I. Steuern Sie sich selbst, bevor’s ein andrer tut 458
1. Lektion: Ermitteln Sie Ihren eigenen Anteil an einem Misserfolg 458
2. Lektion: Machen Sie sich Ihre unbewussten Entscheidungen bewusst 459
3. Lektion: Wählen Sie ab, was Sie stört 461
4. Lektion: Geben Sie dem Willen Raum! Er ist Ihr wichtigster Begleiter 462
5.Lektion: Übernehmen Sie die Verantwortung für alle Konsequenzen, 
die Ihre Wahl hat 465
6.Lektion: Meiden Sie Sachzwang-Junkies, Opfer-Gurus und
Verantwortungsflüchter 466
a) Sachzwänge werden von Menschen gemacht 467
b) Sachzwänge sichern den Status Quo und die eigene Bequem- 
lichkeit 467
7. Lektion: „Love it – leave it – change it“; Jammern fällt aus 469
8. Lektion: Wählen Sie als Akquisiteur pro-aktive mentale Entwürfe 471
9. Lektion: Was Du im Kopf hast, kannst du auch im Leben haben 474
10. Lektion: Überprüfen und nutzen Sie Ihre inneren Werte 475
a) Jedes Verhalten hat einen „inneren Grund“ 476
b) Aversions- und Appetenzwerte im Machtkampf: 
Das „Werte-Assessment“ 479
c) Wie lösen Sie Behinderungen durch Aversionswerte auf? 481
II. Die Rollen eines Anwalts – und wie Sie sie kongruent besetzen 482
1. Kongruent besetzte Rollen bringen Energie und Erfolg 482
2. Inkongruente Rollenbesetzungen gefährden das Arbeitsklima in der 
Kanzlei 483
3.Rollenkonflikte blockieren Akquise! Sind Sie „Unternehmer“ oder nur
„Kanzleiinhaber“? 485
4.Mentale Hierarchien sorgen für Kongruenz Ihrer Auftritte – 
Die fünf Stufen mentaler Organisation in der Akquise 486
III. Die Weiterentwicklung Ihrer beruflichen Rolle 489
1. Frühere Rollen 489
2. Verändern Sie Ihre Kanzlei-Rolle: Vom Tante-Emma-Laden zum 
Marktplayer 490
493
Zielführung I. Ein Ziel ist das Gegenteil eines Wunsches 493
II. Persönliche Ziele 495
1. Jede Zielerreichung hat sinnesspezifische Beweise 496
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XXVI Inhalt
2.Jedes Ziel enthält positive Formulierungen ohne Vergleich und beschreibt
konkrete Details 497
3. Jedes Ziel ist erreichbar durch mich selbst 498
4. Jedes Ziel hat Zeitrahmen, Zeiteinteilung und Zusammenhang 
(Kontext) 500
a) Der „Akquisekalender“ – Jedes Ziel hat eine Rückwärts- 
Chronologie 501
b) Jedes Ziel steht in einem angemessenen Kontext 504
5. Integration von möglichen Einwänden 504
6. Beispiel für eine Zieldefinition nach SPEZI mit Einwandintegration 505
III. Unternehmensziele 506
1.Die Herausforderung: Eine Kanzlei ohne Unternehmensziel ist eine
Ansammlung verwirrter Einzelkämpfer 507
2.Die Hindernisse: Die Definition eines Unternehmensziels löst bei vielen
Anwälten Befürchtungen aus 509
3. Das Konzept – die Definition eines Unternehmensziels in drei 
Schritten 511
a) Das Unternehmensziel – Wo wollen wir hin? 511
aa) Kanzleizweck 513
bb) Unternehmensphilosophie 513
cc) Wie kommen nun „Sturm, Stolz & Partner“ zu einer gemeinsamen 
Kultur? 513
dd) Oberstes Kanzleiziel 514
b) Die Unternehmensstrategie: Was planen wir also? 516
aa) Analyse und Erarbeitung der Ist-Situation 516
bb) Erarbeitung eines Positionierungsthemas 518
c) Das operatives Management: Was tun wir also? 519
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Literaturverzeichnis
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Bender, Rolf/Nack, Armin/Treuer, Wolf-Dieter, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 3. Aufl., München
2007 (zit.: Bender/Nack/Treuer)
Blanchard, Kenneth H./ Randolph, Alan/Grazier, Peter, Go Team! Teamarbeit auf höchstem Niveau,
Offenbach 2010 (zit.: Blanchard/Randolph/Grazier)
Buchner, Dietrich, Team-Coaching: Gemeinsam zum Erfolg, Wiesbaden 1995 (zit.: Buchner)
Busch, Wilhelm, Bilder zur Jobsiade, 108.–111. Aufl., München 1958 (zit.: Busch)
Dilts, Robert/Epstein, Todd, Know-How für Träumer – Strategien der Kreativität, Paderborn 1994
(zit.: Dilts/Epstein)
Fombrun, Charles, Reputation: Realizing Value from the Corporate Image, Boston 1996 (zit.: Fombrun)
Fisher, Roger/Ury, William/Patton, Bruce, Das Harvard-Konzept, 23. Aufl., Frankfurt/M. 2009 (zit.:
Fisher/Ury/Patton)
Frankl, Viktor, „... trotzdem Ja zum Leben sagen“ – Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager,
München 1977 (zit.: Frankl)
Heinemann, Gerrit, Multi-Channel-Handel: Erfolgsfaktoren und Best Practices, 2. Aufl., Wiesbaden
2008 (zit.: Heinemann)
Heinze, Roderich, Der Aufschwung beginnt bei mir, Zürich 1997 (zit.: Heinze, Aufschwung)
Heinze, Roderich, Keine Angst vor Veränderungen, Heidelberg 2004 (zit.: Heinze, Veränderungen)
Hofmann, Roland/Rothfischer, Doris/Trossen, Arthur, Mediation – Die Grundlagen der Mediation in
Theorie und Praxis, 2. Aufl., Altenkirchen 2008 (zit.: Hofmann/Rothfischer/Trossen)
Hommerich, Christoph/Kilian, Matthias, Mandanten und ihre Anwälte, Bonn 2007 (zit.: Hommerich/
Kilian)
Heussen, Benno, Anwaltsunternehmen führen, 2. Aufl., München 2011 (zit.: Heussen)
Meffert, Heribert/Bruhn, Manfred, Dienstleistungsmarketing, 6. Aufl., Wiesbaden 2006 (zit.: Meffert/
Bruhn)
Mohl, Alexa, Der Zauberlehrling: Das NLP Lern- und Übungsbuch, 10. Aufl., Paderborn 2010 (zit.: Mohl)
Ponschab, Reiner/Schweizer, Adrian, Kooperation statt Konfrontation: Verhandeln in der Anwaltspraxis, 2. Aufl., Köln 2009 (zit.: Ponschab/Schweizer)
Ruede-Wissmann, Wolf, Satanische Verhandlungskunst und wie man sich dagegen wehrt, 9. Aufl.,
München 2010 (zit.: Ruede-Wissmann)
Friedmann, Michael/Schinkel, Arne/Pestov, Artjom/Levelev, Daniel, Online-Marketing für Rechtsanwälte, E-Book, September 2012, www.123recht.net/anwalt-online-marketing, (zit.: Friedmann/
Schinkel/Pestov/Levelev)
Schulz von Thun, Friedemann, Miteinander Reden 1: Störungen und Klärungen, Allgemeine
Psychologie der Kommunikation, 48. Aufl., Hamburg 2010 (zit.: Schulz von Thun)
Schmuck, Michael, Deutsch für Juristen – Vom Schwulst zur klaren Formulierung, 3. Aufl., Köln 2011
(zit.: Schmuck)
Seiwert, Lother/Buschbell, Hans/Mandelkow, Dieter, Zeitmanagement für Rechtsanwälte, Bonn 1998
(zit.: Seiwert/Buschbell/Mandelkow)
Simon, Hermann, Hidden Champions des 21. Jahrhunderts: Die Erfolgsstrategien unbekannter
Weltmarktführer, Frankfurt/M. 2007 (zit.: Simon)
Scherer, Hermann, Sie bekommen nicht, was Sie verdienen, sondern, was Sie verhandeln:
Strategien für die erfolgreiche Verkaufsverhandlung, Offenbach 2002 (zit.: Scherer)
Tracy, Brian, Verkaufsstrategien für Gewinner, Wiesbaden 1996 (zit.: Tracy)
Watzlawick, Paul/Beavin, Janet/Jackson, Don, Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen,
Paradoxien, 12. Aufl., Bern 2011 (zit.: Watzlawick/Beavin/Jackson)
Weidenmann, Bernd, Wissenserwerb mit Bildern, Bern 1994 (zit.: Weidenmann)
Woodsmall, Wyatt, Timeline, Paderborn 1992 (zit.: Woodsmall)
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Abkürzungsverzeichnis
a.a.O.
AnwBl
am angegebenen Orte
Anwaltsblatt
BB
BerlAnwBl
BGH
BNI BRAK
BRAO
Bspw.
BUND
bzw.
Betriebsberater
Berliner Anwaltsblatt
Bundesgerichtshof
Business Network International
Bundesrechtsanwaltskammer
Bundesrechtsanwaltsordnung
beispielsweise
Bund für Umwelt und Naturschutz
beziehungsweise
ca.
CD
CI
CRM
circa
Client Development
Corporate Identity
Client (Customer) Relationship Management
d.h.
DAT
DHZ
ECTA
EDV
etc.
evtl.
das heißt
Deutscher Anwalts Tag
Deutsche Handwerks Zeitung
European Communities Trademark Association
Elektronische Datenverarbeitung
et cetera
eventuell
FA
Fachanwalt
GAU
ggf.
Größter anzunehmender Unfall (Begriff aus der Kernenergie)
gegebenenfalls
HR
Human Resources
inkl.
INTA inklusive
International Trademark Association
jur.
juristisch
Kap.
KK
Kapitel
Kognitiver Konflikt
m.E.
Mwst.
NLP meines Erachtens
Mehrwertsteuer
Neurolinguistisches Programmieren
o.a.
o.g.
oben angeführt
oben genannten
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XXX Abkürzungsverzeichnis
OVG
Oberverwaltungsgericht
PDF
PKH
PLZ
PMN
PR
Portable Document Format
Prozesskostenhilfe
Postleitzahlen
Professional Management Network
Public Relations
QM
Qualitätsmanagement
RAK
RSS RVG
Rechtsanwaltskammer
Really Simple Syndication
Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
S., s.
SEO sog.
STAR
StPO
u.a.
u.s.w.
u.U.
USA
USP
Seite; siehe
Search Engine Optimizing
sogenannte
Statistisches Berichtssystem für Rechtsanwälte
Strafprozessordnung
unter anderem
und so weiter
unter Umständen
United States of America
Unique Selling Proposition oder Point
vgl.
Vol.
vergleiche
Volume
WIN
WLAN
World Investor Lawyers Network
Wireless Local Area Network
z.B.
z.T.
ZPO
zum Beispiel
zum Teil
Zivilprozessordnung
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Glossar
Add-on
Erweiterung, Zusatz
Allrounder
Rechtsanwalt, der auf vielen Rechtsgebieten tätig ist
Beauty Contest
Wettbewerb mehrerer Anbieter um einen Auftrag, s. Pitch
Billable Hours
abrechenbare Stunden, die ein Anwalt für seinen Mandanten
arbeitet
Blended Fee
durchschnittlicher Stundensatz, der für jeden Anwalt eines
Auftrags gilt
Blog
Internet-Tagebuch
Boutique
kleinere spezialisierte Kanzlei
Break-Even-Point
Punkt, an dem Kosten und Gewinn ausgeglichen sind und
von dem aus die Gewinnzone beginnt
Briefing
Kurzinformation, -besprechung
Bundling
zusätzliche, verwandte Produkte als „Komplettpaket“
anbieten
Cash-Pooling
wird zum Finanzausgleich zwischen verschiedenen
Konzernteilen angewendet
Chat
Unterhaltung mehrerer Personen in einem virtuellen Raum
Client-Relationship
Kundenbeziehung
Client-Relationship-Management Pflege der Kundenbeziehungen eines Unternehmens,
Kundenbetreuung, s. Customer-Relationship-Management
Cloud Computing
Daten und Dienste werden elektronisch ausgelagert und
ortsunabhängig zur Verfügung gestellt
Cold Calls
unverlangte Anrufe zu Akquisezwecken
Commitment Bindung, Verpflichtung
Conditio sine qua non
jur., notwendige Bedingung
Corporate Lawyers
Rechtsanwälte, die auf Gesellschaftsrecht spezialisiert sind
Corporate Identity
stellt visuelle und auditive Wiedererkennbarkeit der
Unternehmensidentität her
Cross-Buying
Zusätzliche Käufe andersartiger Produkte eines Kunden bei
demselben Anbieter
Cross-Selling
Ausweitung derzeitiger Aufträge in Richtung „mehr
desselben Produkts“ oder in Richtung „mehr von
verwandten Produkten“
Customer-Relationship-Management Pflege der Kundenbeziehungen eines Unternehmens, 
s. Client-Relationship-Management
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XXXII Glossar
Dumping
Verkaufspreis, der unter dem durchschnittlich üblichen
Marktpreis liegt
Early-Mover
Vorreiter, jmd., der Strömungen früh erkennt und nutzt
Early -Mover Advantage aus dieser vorausschauenden Aktivität den (Akquise-)Vorteil
haben
Eat what you Kill
Entnahmesystem nach Akquiseleistung, Umsatz bzw.
Billable Hours (s. dort)
Employer Branding
Arbeitgeber überzeugen neu einzustellende
Nachwuchskräfte von der „Marke“ des Unternehmens
Fanpage
Webseite, auf der sich Anhänger einer Person oder eines
Unternehmens austauschen können; „Kleine Webseite“ 
auf Facebook
Full Service
Alles aus einer Hand; s. One-Stop-Shop
Give-Away
Werbegeschenke an (zukünftige) Kunden, meist mit
Kanzleilogo
Handling
Handhabung
In-house Event /Training
Veranstaltung / Seminar in der eigenen Kanzlei
Kognitiver Konflikt
eine sicher geglaubte Information wird durch eine scheinbar
ihr widersprechende, ebenfalls korrekte Information
torpediert, um Denkaktivität zu fördern
Leveraging
Hebelwirkung, hier verwendet als Mehrfachnutzung einmal
durchstrukturierter Inhalte
Litigation
Rechtsstreit vor Gericht
Litigation-PR
prozessbegleitende Kommunikation, besonders bei
prominenten oder imageträchtigen Streitfällen
Liveact
Live-Auftritt vor Publikum
Lockstep-System
Entnahmesystem nach Seniorität, unabhängig vom selbst
generierten Umsatz, regelmäßige Steigerungen nach Dauer
der Kanzleizugehörigkeit bzw. nach Alter
Matching
die partielle Aufnahme der Muster eines Gesprächspartners
in das eigene Repertoire
Meet-the-Need
den Bedarf treffen, Bedürfnisse erfüllen
Meta-Ebene
Kommunikation über die Kommunikation
Modulhafte Rechnungslegung
Eine Rechnung erfolgt zunächst für den ersten Arbeitsabschnitt (häufig: Umfangsermittlung) des Mandats
Non-Sprachen
Körpersprachen
Non-verbal
bezieht sich auf Kommunikationsebenen, wie Gestik, Mimik,
Modulation, Stimme, räumliche Faktoren, wie Sitzordnung
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Glossar 
XXXIII
Of Counsel
ein außerhalb der offiziellen Kanzleihierarchie
angegliederter, oft mit besonderen Funktionen
ausgestatteter Anwalt
One-Face-to-the-Customer
immer derselbe Ansprechpartner steht dem Mandanten 
zur Verfügung
One-Stop-Shop
alle Rechtsgebiete/Bedarfe werden aus einer Kanzlei
angeboten/gedeckt, s. Full Service
Out-of-Office Reply
Mailprogramm versendet automatisch Abwesenheitsmitteilungen
Pareto Prinzip
oder auch 80-20-Regel; hier wird sie verwendet als
wünschenswertes Kanzlei-Organisationsprinzip für die
Akquise
Paraphrase
Zusammenfassung bzw. Umschreibung des Gehörten, 
häufig mit einfacheren, fokussierten, eigenen Worten
Peer Group
soziales Umfeld einer Person mit gemeinsamen Werten,
Einstellungen und Verhaltensweisen
Peer-Review-Verfahren
Befragen der Konkurrenz, um geeigneten Anwalt zu finden
(in den USA verbreitet)
Pitch
Wettbewerb mehrerer Anbieter um einen Auftrag im 
Beratergewerbe, s. Beauty Contest
Podcasts
Serie von Medienbeiträgen, die als Audio- oder Videodatei
im Internet geladen oder abonniert werden können
Post-Bid-Feedback
Feedback der Kunden nach der Präsentation des Angebots
Pro bono
Anwalt übernimmt kostenlose Beratung/Vertretung eines
bedürftigen Mandanten
Proliferation Fee
der Überträger eines Mandates an einen Kollegen erhält
dafür einen Bonus und ist dadurch mit diesem in einer
„Beutegemeinschaft“
Promoten
bekannt machen, bewerben
Pull Communication
locken bzw. anziehen der Kunden durch gezieltes Marketing,
Werbung spricht den Verbraucher direkt an, gerne mit
Feedback
Push Communication
drücken bzw. treiben der Kunden in eine Richtung durch
breit gestreute Werbung/Kommunikation ohne direktes
Feedback vom Empfänger
Ranking
Rangliste; Rang
Real Estate
Immobilienwirtschaft
Reframing
umdeuten, einen anderen Rahmen (frame) geben
Re-Tweet
Antwort auf Twitter
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XXXIV Glossar
Round Table
Entscheidungsprozesse am „Runden Tisch“; Metapher für
„Eigenverantwortung hoch“ und „Hierarchien flach“ sowie
für Projektteams
RSS Feed
Really Simple Syndication – speichert Artikel einer Webseite
oder dessen Kurzbeschreibung und stellt sie maschinenlesbar bereit, wird vor allem für Blogs und für Newsletter
verwendet
Self-Fulfilling Prophecy
sich selbst erfüllende Erwartung: ein Ereignis tritt – durch
eigene Aktivität – erst dadurch ein, dass man es zuvor
erwartete
Save-the-Date
Mitteilung vor der eigentlichen Einladung mit dem Ziel, 
den Event-Termin im Kalender rechtzeitig frei zu halten
Search Engine Optimizing bezeichnet Techniken zur Optimierung der Auffindbarkeit
von Webseiten durch Suchmaschinen
Subtext
der nicht mitgesprochene Text, die Botschaft/Wirkung hinter
den Worten
SWOT-Analyse
Analyse der Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen),
Opportunities (Chancen) und Threats (Bedrohungen),
unterstützt strategischen Planung
Target
Ziel
Teaser
Appetitanreger, Werbemittel, durch das die Neugier
angeregt werden soll
Track-Record
Liste erfolgreich beendeter Mandate bzw. erfolgreich
beratener Mandanten
Trigger
Auslöser
Unique Selling Proposition
Alleinstellungsmerkmal, Besonderheit eines Produkts,
Einzigartigkeit einer Dienstleistung oder eines
Unternehmens, = Unique Selling Point
Usus
Gebrauch, Gewohnheit
Warm Calls
verlangte Anrufe zu Akquisezwecken
What you give is what you get
Vorleistung bringt Ressourcen/Umsatz
Wireless Local Area Network
kabelloser Internetempfang
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Teil 1 Einleitung
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A. Bedeutung
Anwaltliche Akquise ist Alltag. Sie ist in allen Kanzleigrößen abhängig von kongruent besetzten Unternehmerrollen des Anwalts – und damit von einem Unternehmensziel.
Jedes Detail anwaltlicher Akquise ist zu 100 % lernbar; ihre wichtigste Basis
dagegen entzieht sich – glücklicherweise erfolgreich! – jeglicher Trainingsmaßnahme, und das ist der Wille. Der Erfolg eines Anwalts beginnt immer dort, wo auch
seine Niederlage beginnt: Im eigenen Kopf.
B. Definition: Was ist Akquise eigentlich?
Akquise ist die Gesamtheit aller Maßnahmen, die dazu führen, auf direktem oder
indirektem Weg neue Kunden zu gewinnen, ehemalige Kunden zurückzugewinnen und derzeitige Mandate auszuweiten.
Sind Sie ernsthaft an Akquise interessiert? Dann merkt Ihre Umgebung das
ohne Mühe an Ihren eigenen Auftritten: Ihre
 Akquiseaktivitäten folgen einem definierten Unternehmensziel. Aus diesem
resultiert Ihre besondere Spezialisierung. Ohne diese beiden geht es nicht!
Sie segmentieren Ihre Mandantschaft nach Branche, Rechtsgebiet, Geographie, Sprache, Werbepotenzial etc. Dadurch wissen Sie, welche ehemaligen
Mandanten Sie zurückholen, welche neuen Sie akquirieren und welche bestehenden Mandate Sie ausweiten möchten. Mandanten, die nicht (mehr) in Ihr
Segment passen, werden durch Sie an versierte Kollegen weiter geleitet. Sie
wissen: Alles, was dabei schief geht, fällt auf Sie zurück!
 A-Aufgaben1 sind ein Trio aus Akquise, Mitarbeiterführung und Fristsachen.
Alles, wirklich alles andere in Ihrer Kanzlei kann warten, ohne dass die Kanzlei
zusammenbricht. Ihre A-Aufgaben sind nicht delegierbar und nicht verschiebbar! Diese sehr alte Erkenntnis hat in Ihrer Kanzlei zu einer sehr neuen Restrukturierung Ihres Arbeitsalltags geführt. Nichts Organisatorisches kommt mehr
an Ihr Ohr. Terminkalender, Datenerfassung und Unterlagenliste organisiert Ihre
Assistentin. A-Aufgaben nehmen – angelehnt an das PARETO-Prinzip2 – etwa
1 Vgl. Seiwert/Buschbell/ Mandelkow, Abbildung S.132 - Rangfolgedefinition der anfallen Arbeiten
pro Tag nach A-, B- und C- Aufgaben.
2 Das „Pareto Prinzip“ ist die 80-zu-20-Regel. Hier wird sie verwendet als wünschenswertes Kanzlei
Organisationsprinzip für die Akquise: 20 % aller täglichen Anwalts-Aktionen sollten für A-Aufgaben
verwendet werden. Vilfredo Pareto, italienischer Volkswirt (1848–1923).
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4 
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Teil 1
20 % Ihres Netto-Arbeitsalltags ein, um dadurch 80 % Ihres Umsatzes zu
erwirtschaften.
Assistentin ist eine serviceorientierte, herzliche und sachverständige Repräsentantin Ihres Hauses und fühlt sich durch Sie unterstützt. Sie hat viele glasklare
Anweisungen und entlastet Sie von etwa 80 % Ihrer B-Aufgaben.
Sprache ist Laien gegenüber verständlich und reduziert. Sie gehen verstehend
auf den Bedarf des (zukünftigen) Mandanten ein und wirken zu jeder Zeit
empathisch. Sie haben die Anzahl Ihrer Worte halbiert und die Ihrer Fragen
verdoppelt, denn Sie lassen den reden, von dem Sie etwas wollen.
Präsentationen sind spannend: Sie dialogisieren jeden Ihrer Monologe und
ersetzen folgenlose Verallgemeinerungen durch leicht verständliche, wahrheitsgemäße Quantifizierungen und Spezifizierungen Ihrer Kompetenzen. Dabei
präsentieren Sie nur jenen Teil Ihrer Leistung, den der (zukünftige) Mandant
kennen will. Sie langweilen ihn niemals. Sie setzen Ihre jüngeren Anwälte
gekonnt in Szene, denn Sie kennt man bereits! Ihre Vorträge sind begehrte
Lern-Events, denn Sie sprechen nicht vor sondern für Publikum.
Broschüren, Newsletter und Mandantenfragebogen informieren den Leser
zuallererst über dessen Nutzen. Sie sprechen die Sprache des Lesers. Jedes
Feedback wird ausgewertet.
Corporate Identity macht Sie visuell und auditiv wieder erkennbar. Sie bieten
– wie Ihre Assistentin – einen respektvoll-aufmerksamen Telefonservice,
wieder kehrende Visualisierungen nach außen sowie eine kommunikationsund führungsstarke Unternehmenskultur nach innen.
Mitbewerber zeigen Ihnen, wo Sie stehen. Sie würdigen sie jederzeit verbindlich und bieten jedem neuen Interessenten eine Zweitmeinung bzw. einen direkten Leistungsvergleich an, gerade weil er schon einen anderen Anwalt hat.
Mandantengespräche sind und wirken empathisch, effizient und erstklassig
strukturiert. Sie informieren im Erstgespräch verbindlich, gern und verständlich über Ihr Honorar, das ebenso wenig Gegenstand von Debatten ist, wie die
ihm zu Grunde liegende Leistung. Sie geben und kontrollieren „Hausaufgaben“
und stellen Ihre Assistentin persönlich vor.
Beschwerdepolitik basiert auf einer kostenlosen Qualitätskontrolle durch
die Bevölkerung. Sie lieben, fordern und brauchen Lob und Kritik, denn durch
beides werden eigene Fehler zu Lern-Events.
Kanzlei-Veranstaltungen bieten dem Gast eine intellektuelle und emotionale
Heimat: Gästegruppen ohne Anwalt oder Anwaltsgruppen ohne Gast sind in
Ihrem Haus undenkbar.
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Einleitung 5
C.Fünf folgenschwere anwaltliche Denkirrtümer über
anwaltliche Akquise – nebst Korrektur
„Erfahrung ist der Name, den Menschen ihren Irrtümern verleihen“, sagte bereits
Oscar Wilde. Stagnation und Rückschritt sind selbst in gut organisierten Kanzleien
die Folge dieser Irrtümer.
Ungewohnt monokausal reden Anwälte, wenn sie ihre Gedanken über Akquise
verbinden mit ihrer Persönlichkeit („Akquise liegt mir nicht“), mit ihrem Zeitmanagement („Für Akquise fehlt mir die Zeit“) oder mit der bösen Konjunktur
(“Akquise ist momentan zum Scheitern verurteilt“). Solche Denkgewohnheiten blockieren Ihren Akquiseerfolg! Bitte möglichst flexibilisieren! Lesen Sie hier die fatale
Hitliste anwaltlicher Lieblings-Irrtümer über Akquise – nebst Entkräftung.
■■ Irrtum 1: Akquise kann man nicht lernen – entweder hat man Talent oder
eben nicht
Das ist falsch. Anwälte können jede Akquisestrategie lernen, nur die wichtigste
nicht, den Willen! Introvertierte Anwälte können ebenso verbindliche und unwiderstehliche Akquisiteure sein oder werden wie solche, die als „Draufgänger“ seit Jahren
auf den Bühnen der Republik stehen. Der erste lernt die wahrheitsgemäße und verbindliche Quantifizierung und Spezifizierung seiner Kompetenzen, der zweite lernt
die gezielte Zurückhaltung in seiner Präsentation. Ihre Gemeinsamkeit? Sie lernen
beide Akquise. Kein Anwalt muss seit der 6. Klasse durchgängig Klassensprecher
gewesen sein, um ein guter Anwalt zu werden.
■■ Irrtum 2: Akquise ist eine Ansammlung spektakulärer Einzelaktionen
Das ist falsch. Nachhaltige Akquise hat Struktur und ist alltäglich. Manche Anwälte
sehen in Akquise zwar gern spektakuläre und auffällige Einzelaktionen, bekleben Busse mit Werbeschildern, rufen wildfremde Menschen ohne Vorbereitung an,
fördern großflächig Marathonläufe – und sind dabei auch manchmal erfolgreich.
Langfristig erfolgreiche Akquise jedoch hat eine Struktur und durchzieht den Alltag.
Sie nimmt etwa 20 % der täglichen Netto-Arbeitszeit ein. Sich diese Zeit frei zu
halten, das ist höhere Kunst – und Basis für Erfolg. Sie erfordert eine Umstrukturierung Ihres Delegationsverhaltens. Ungestört einen Vortrag vorzubereiten, eine
A-Akte schneller als geplant zu bearbeiten und B-Aufgaben zu mindestens 80%
an Ihre Assistentin zu delegieren, das macht Akquise aus. Das wird vom Mandanten
bemerkt und vor allem weiter getragen.
■■ Irrtum 3: Akquise ist teuer
Das ist falsch. Nicht die Akquise selbst ist teuer, sondern das Nicht-Wissen über die
Wirksamkeit der zu diesem Zweck verwendeten Maßnahmen. Ich höre das Kosten-Argument auch von Anwälten, die eine € 2.500,– teure, dick umrahmte Anzeige
in den gelben Seiten haben, ohne genau zu wissen, wie viele Mandanten durch diese
Maßnahme zu ihnen kommen. Dann ist die Anzeige tatsächlich teuer! In manchen
Kanzleien ist eine solche Anzeige eine reine Geldverschwendung, in anderen Basis
des Geschäfts. Akquise ist immer dann teuer, wenn der Erfolg der ergriffenen Maß-
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6 Teil 1
nahmen nicht schlüssig quantifiziert und dokumentiert wird. Manche Anwälte
fragen ihre neuen Mandanten nicht nach der Herkunft des Kontakts und wieder andere
dokumentieren die Antwort nicht. Viele der hier beschriebenen erfolgreich ausprobierten Akquisestrategien kosten gar kein Geld, andere bringen schnelle Renditen,
manche davon kosten Zeit, wieder andere lediglich Überwindung. Test it!
■■ Irrtum 4: Akquise brauchen wir nicht
Das ist so gut wie immer falsch. Diese Aussage beschreibt einen Status quo („Die Mandanten kommen doch auch so“) und suggeriert dessen Nicht-Veränderung über alle
Zeitzonen. Wer so spricht, berücksichtigt normalerweise die Zeitzonen Vergangenheit und Gegenwart; die Zukunft bleibt unerwähnt, ebenso deren mögliche nur
teilweise beeinflussbare Parameter wie konjunkturelle Entwicklung, Unternehmensziel, Entwicklung am Anwaltsmarkt, Fusionen, Krankheiten etc. Anwälte,
deren stillere Aktionen im normalen Alltag längst der Akquise dienen, lehnen durch
diesen Satz „Klinkenputzerei“ und allzu offensives Vorgehen ab. Der Satz dient
manch älterem Anwalt der Abwehr neuer Zeiten und dem Festhalten an Standesrecht sowie alten inneren Regeln. Anwälte sortieren sich selbst aus dem Wettbewerb aus, wenn sich um sie herum die Umgebung ändert – und sie sich nicht mit!
■■ Irrtum 5: Akquise kostet Zeit
Das stimmt nur kurzfristig. Langfristig hilft die strategische Gewichtung von
Akquise, Zeit einzusparen. Zeit ist subjektiv. Jeder hat 24 Stunden am Tag, und in
längst nicht allen anwaltlichen Rollen erlebt ein Anwalt Zeitnot. Wenn er ein guter
Berater ist, nimmt er sich für seine Mandanten mehr Zeit als sein Kollege, ohne in
dieser Rolle in Zeitnot zu geraten. Wenn er dagegen ungern in der Chefrolle ist,
wird ihm Mitarbeiterführung als Zeitverschwendung vorkommen. Wenn er frisch
verliebt ist, hat er objektiv 2 Stunden pro Tag mit Telefonieren verbracht – und schafft
sein Tagespensum dennoch lockerer als zuvor. Wie kommt das? In der Rolle des
Akquisiteurs geraten Anwälte gern in „Zeitnot“, wenn sie Akquise nicht mögen
oder für „nicht nötig“ halten und lieber ihre Zeit mit B-Aufgaben vertrödeln (Terminkalender, Aktenauskünfte und Datenerfassung).
D. Gebrauchsanleitung in drei Schritten
I. Lesen Sie modulhaft
Akquise ist interdisziplinär: In-house-Seminare sind beispielsweise ineffizient ohne
Mandantenbefragungen. Diese wiederum sind undenkbar ohne eine gut genutzte
Kanzleisoftware und eine exzellent gebriefte Assistentin. Letztere wiederum hat
es schwer ohne die kongruente Besetzung der anwaltlichen Chefrolle. Alles hängt
zusammen. Zahlreiche Verweise in den Fußnoten leiten Sie zu verwandten Kapitel.
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Einleitung 7
Fangen Sie einfach beim interessantesten Punkt an, Sie landen automatisch bei
seinen „Geschwistern“.
Unter jeder Überschrift finden Sie meine prozentuale Einschätzung indirekter (Mandant indirekt angesprochen) und direkter (Mandant direkt angesprochen)
Akquise.
II. Ärgern Sie sich nur kurz
Meine Sprache ist manchmal frech, immer pragmatisch – und niemals respektlos
gemeint. Unhaltbare Verallgemeinerungen wie „Anwälte können nicht gut delegieren“ drücken strukturelle und nie individuelle Dispositionen der Leser aus. Die
männliche Sprachform ist ebenso wenig ein Hinweis auf meinen Sexismus wie
die weibliche Sprachform, wenn ich von Assistentinnen rede; von den etwa 3500
Assistent(inn)en, die ich für den Telefonservice trainiert habe, waren höchstens 30
männlich. Die direkte Anrede soll Sie schützen vor wohlmeinenden „Man sollte
mal...“- Marketing-Ansätzen, und die Erwähnung einiger kommerzieller Beratungsunternehmen weist auch auf die Qualität anderer hin. Manche Akquise relevante
Themen wie z. B. „Messeauftritte“, „Umgang mit nicht-anwaltlichen Rechtsberatern“
oder „Mediatoren und Akquise“ fehlen aus Platzgründen.
III. Nutzen Sie den Akquise-Blog
Seit dem Veröffentlichungsmonat gibt es auf meiner Webseite den „Akquise-Blog“.
Leser beschreiben und diskutieren dort ihre Erfahrungen mit den Tipps dieses Buches.
Jeder Leser, der durch detailreiche Kritik, begründetes Lob oder weiter führende Tipps im Akquise-Blog unter www.busmann-training.de das Buch bereichert
und sich öffentlich namentlich zu erkennen gibt, nimmt an einer Verlosung von fünf
Intensivseminaren pro Jahr im Wert von je € 710,– teil. Die Gewinner werden – ihre
Zustimmung vorausgesetzt – im Blog öffentlich bekannt gegeben.
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Teil 2 Das ABC der Mandantenakquisition
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Assistentin
10 % direkte Akquise
90 % indirekte Akquise
Ihre Assistentin1 ist das Herz des Büros, die Visitenkarte der Kanzlei, erste Anlaufstelle für Interessenten und „Chief Officer“ der Büroorganisation. Sie steht – trotz
ihrer objektiv bedeutenden Rolle – vor subjektiv bedrohlichen Herausforderungen.2
Ihre Hauptempfindung ist die Gratwanderung: Sie sitzt zwischen zwei Stühlen
und navigiert – mehrfach täglich verzweifelt – zwischen Mandanten- und Anwaltsansprüchen. Ihre schlimmste Situation ist gleichzeitig ihre häufigste: Der Mandant will
den Anwalt sprechen, während das umgekehrt nicht der Fall ist!
So hat sie nicht nur mit Mandanten zu kämpfen, die schwierig zu führen sind,
sondern auch mit einer Büroorganisation, die oft „handgeklöppelt“ daher kommt
und vor allem mit Chefs, die sich Mitarbeiterführung und ein Akquise förderndes Kanzleimarketing nicht gerade Freude strahlend auf ihre Fahnen geschrieben
haben.
Dieses Kapitel hilft Ihnen, anwaltliche Anweisungen an die Telefonmitarbeiter zu optimieren. Es bietet der Assistentin und ihrem Chef (bzw. dem Assistenten
und seiner Chefin!) rhetorische und organisatorische Handlungsvorschläge, durch
die die Akquise nachweisbar erleichtert wird.
Das Kapitel ist in vier Bereiche unterteilt:
I. Die Rolle der Anwaltsassistentin – eine Bestandsaufnahme
II. Der Telefonservice – Aufgaben der Assistentin (I)
III. Die Kanzleiorganisation – Aufgaben der Assistentin (II)
IV. Die Kanzleiführung – Anwälte unterstützen ihre Assistentinnen
1 Leser, besonders Leserinnen, mögen verzeihen, wenn in diesem Artikel hauptsächlich von
Assistentinnen gesprochen wird. Männliche Assistenten trauen sich derzeit noch selten in diesen
Multitasking-Beruf!
2 Die Autorin hat etwa 3.000 Anwaltsassistentinnen in Kanzleien jeder Größe für den Telefonservice
trainiert und etwa 1.000 weitere in den öffentlichen Telefonseminaren „Am Draht auf Draht“. Alle
Erkenntnisse dieses Kapitels stützen sich auf die Aussagen der Assistentinnen, ihrer Chefs und auf
meine Beobachtungen während dieser Seminare.
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12 Assistentin
I. Die Rolle der Anwaltsassistentin – eine BestandsaufnahmeI.
Assistentinnen sind häufig die erste Ansprechstation für den Interessenten und
befinden sich damit automatisch in einer dominanten Akquiseposition. Wenn der
Anwalt außer Haus ist oder mit dem Erstanrufer nicht telefonieren möchte, steigt
ihre akquisitorische Verantwortung.
Selbst wenn die Assistentin durchstellen kann, hat sie den Mandanten – zunächst
ganz allein – zu betreuen, ihn im Gespräch mit Informationen zu versorgen, ihm
einen Termin zu verschaffen, seine Daten möglichst vollständig zu ermitteln, ihm
Material zu übersenden, ihm eine Anfahrtsskizze zu mailen, ein Rückrufversprechen
mit Zeitlimit zu versehen und ihm im Ganzen den Eindruck zu geben, dass sein Anruf
hochwillkommen ist.
Um diese komplexe Rolle auszufüllen, benötigen Assistentinnen die unbedingte,
ständige Unterstützung durch ihre Chefs! Diese geben jedoch hauptsächlich drei
Gründe an, warum sie ihren Telefonservice nur unzureichend auf Akquiseaufgaben
einstellen:
–– Ressourcenargument: Anwälte haben Mitarbeiterführung nicht gelernt.
–– Investitionsargument: Anwälte geben ungern viel Geld aus für hoch-qualifizierte
Assistenz.
–– Delegationsargument: Anwälte delegieren ungern wichtige Aufgaben an andere
Profis.
1. R
essourcenargument: Anwälte haben Mitarbeiterführung in ihren Ausbildungen
nicht gelernt
Regelmäßiges Feedback, Motivations- und Kritikgespräche sowie Zielvereinbarungen gelten eher als unerreichbare Sterne am Anwaltsfirmament. Generell können
Menschen schlecht weitergeben, was sie selbst nicht gelernt haben. Sie loben und
kritisieren viel zu wenig und in beiden Fällen gerät unspezifisches Lob entweder
zu „Schleimerei“ oder während der alljährlichen Weihnachtsfeier zu einer lieblos
generalisierten Selbstdarstellung des Chefs: „Wir sind vor allem stolz auf unsere
Mitarbeiter, ohne die wir nicht da stünden, wo wir heute stehen“ mit dem – gewiss
nicht ungern gesendeten – Subtext: „Ich habe ganz schön tolle Leute eingestellt.
Seht Ihr das?“. Über Jahre weiß in solchen Kanzleien kein Mitarbeiter, was er wann
und warum genau richtig gemacht hat. Solche Chefs verwechseln auch gern Kritik
mit dem „Anschnauzen im Ärgerstatus“, das nicht einmal ihnen langfristig dient.
Sie demonstrieren lediglich eine kurzfristig wohltuende Externalisierung eigener
Führungsschwäche auf dem Rücken Unbeteiligter.
Falls Anwälte überhaupt die Unfreundlichkeit ihrer Mitarbeiterin am Telefon
bemerken, attackieren sie sie meist nicht in quantifizierter und nicht in spezifizierter Art und Weise: „Seien Sie mal freundlicher!“ oder: „Immer dieser unwirsche
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I. Die Rolle der Anwaltsassistentin – eine Bestandsaufnahme 13
Ton“ oder: „Hören Sie auf mit diesen ewigen Mandantengesprächen, es gibt genug zu
schreiben“ oder: „Wie können Sie dem sagen, dass ich da bin!“ oder: „Sagen Sie
irgendwas! Mit dem will ich nicht sprechen!“. Die Mitarbeiterin erfährt jedoch keinesfalls, wie genau sie sich optimieren soll. Unter Umständen ist ihr völlig unklar, wie
sie wirkt, weil es ihr noch nie jemand erklärt hat.
Tipp
Ändern Sie das und führen Sie ab sofort Kritikgespräche, aus denen beide Beteiligte als Gewinner
hervorgehen – nicht einer als Sieger und der andere als Verlierer!
Ein Kritikgespräch wird:
–– unter vier Augen durchgeführt zu einem vorher festgelegten Termin,
–– im Zimmer des Chefs stattfinden,
–– herzlich im Ton und hart in der Sache geführt,
–– durch Fragen vom Chef geleitet,
–– einen Redeanteil von 8:2 zugunsten der Mitarbeiterin haben,
–– die Verantwortung für das Beheben des Fehlers auf die Mitarbeiterin über­
tragen,
–– eine Kontrollmöglichkeit des Chefs einrichten,
–– weitere Verbesserungswünsche des Chefs bekanntgeben und
–– auf die Zukunft gerichtet sein.
2. I nvestitionsargument: Anwälte fürchten die Investition in hochqualifizierte
Assistenz
Aus Sicht der Assistentin ist ihr Gehalt niedrig, aus Sicht des Anwalts hoch. Für wohlwollende externe Beobachter sind beide Sichtweisen irrelevant, denn eine Assistentin ist dann gut, wenn sie nachweisbar das Geschäft des Anwalts fördert, indem sie
seine Akquiseraten steigert und seine Abläufe optimiert.
■■ Telefonservice
Ein unfreundlicher und nicht lösungsbereiter „Telefondienst“ vergrault Mandanten,
ein herzlicher, hilfsbereiter und verbindlicher Service bindet sie. Dessen ungeachtet wird in 75 % deutscher Anwaltskanzleien jeder Größe der Telefonservice durch
untrainierte Telefonkräfte ausgeführt(!), bei einem guten Drittel davon gehen Auszubildende im 1. und 2. Lehrjahr ans Telefon, während ausgebildete Sekretärinnen
das Schreiben von Schriftsätzen übernehmen. Diese Umkehrung von Wirkungsnotwendigkeiten behindert anwaltliche Akquise in einem leider noch nicht statistisch
erfassten Ausmaß.
■■ Technik
Einen Teil dieser Herausforderungen können Sie technisch lösen: Umschalten der
Telefonanlage, Ändern der Warteschleifenmusik (der Weg von „Für Elise“ zu einem
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14 Assistentin
coolen Jazzstandard ist kürzer, als Sie denken), eine zweite oder dritte Telefonleitung für den Empfang einrichten, die Telefonanlage selbst austauschen (besetzte
Telefone müssen am Empfangstelefon sichtbar sein, in den Dezernaten muss das
Display anzeigen, ob der Anruf vom Empfang oder von außen kommt), Ausstatten der
Empfangsmitarbeiter mit Pieper oder Funktelefonen, falls diese oft in der Gegend
herumlaufen müssen (Faxe abholen, Konferenzräume einrichten, Gäste zum Fahrstuhl bringen etc.). Anweisung des Anwalts: Telefonate von der Empfangsnummer
auf private Handys umleiten; Mittagspausen3 sollten für Neuanrufer nicht wahrnehmbar sein!
■■ Qualifikation
Ausbildungen zum Rechtsfachwirt4 berücksichtigen längst die gewandelten Anforderungen an diesen komplexen Beruf und bilden Anwaltsassistentinnen zu selbstständig arbeitenden Büromanagern aus, damit der Anwalt sich komplett auf sein
Kerngeschäft zurückziehen kann. Rechtsfachwirte verdienen mindestens 1/3 mehr
als eine ausgebildete ReNo – und das zahlt sich aus.
■■ Personalsuche
Die Suche nach der passenden Assistentin gleicht tatsächlich oft der Suche nach
der Nadel im Heuhaufen! Dazu haben sich einige Tipps bewährt:
–– Werben Sie Empfangsmitarbeiter aus 4-Sterne Hotels ab! Beobachten Sie sie
zuvor von der Hotelhalle aus zwischen 16.00 und 18.00 Uhr beim Einchecken
der Gäste. Mit etwas Glück sehen Sie in diesen beiden Stunden, was in Ihrer
Kanzlei fehlt. Natürlich verdienen erfahrene Hotelkräfte mehr als eine ausgebildete ReNo, doch oft lohnt sich das, denn: Fristenkontrolle kann man schnell
lernen, ­Servicebereitschaft nur mühsam.
3
Vorsicht
Erfahrene Hotel-Empfangsmitarbeiter erwarten Führungsqualitäten von ihrem Chef; sonst sind sie
gleich wieder weg. Und das wird noch teurer!
–– Delegieren Sie die Suche nach Ihrer passenden Assistentin an eine Organisation, die sich damit auskennt.
–– Stellenanzeigen, die nicht ausdrücklich und konkret auf die verlangten Servicequalitäten abstellen, sind häufig Geldverschwendung, da sie allerhand
3 Siehe im Kapitel „Kanzleimarketing“ unter „Anrufbeantworter“.
4 Eine Rollenbeschreibung für Rechtsfachwirte findet sich unter http://www.soldan.de: „Auf Grund
ihrer Qualifikation werden Rechtsfachwirte vornehmlich in Bereichen wie Zwangsvollstreckung
und Verkehrsunfallsachen eingesetzt, leiten das Sekretariat, organisieren den Arbeitsablauf in
der Kanzlei, übernehmen die Urlaubseinteilung der Mitarbeiter und sind für die Auszubildenden
zuständig. Dabei haben Rechtsfachwirte in den Bereichen, in denen sie ausgebildet sind, teilweise
umfassenderes Wissen als viele Juristen – vor allem in Spezialgebieten wie Kosten- und Zwangsvollstreckungsrecht.“
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I. Die Rolle der Anwaltsassistentin – eine Bestandsaufnahme 15
untaugliche Bewerber/-innen anziehen. Präzisieren Sie Ihre Forderungen.
Verlangen Sie Fortbildungsbereitschaft und gewandtes Auftreten am Telefon
ebenso wie eigenständiges Kundenmanagement und Organisationslust.
Denken Sie daran, dass „Teamgeist“ und „Belastbarkeit“ nichts als moderne
Worthülsen sind, die jeder Leser unterschiedlich interpretiert. Spezifizieren Sie
auch hier Ihre Anforderungen.
Tipp
Eine schlechte Sekretärin ist immer überbezahlt, eine gute immer unterbezahlt, egal, wie viel Gehalt
sie erhält!
3. D
elegationsargument: Anwälte delegieren ungern wichtige Aufgaben an
andere Profis
Das hat mit dem Selbstbild eines Anwalts zu tun. Ein Anwalt sieht sich als Vertreter
eines „Besserwisserberufs“ und wird – sachlich betrachtet – für diese Besserwisserei bezahlt, ähnlich wie Steuerberater, Architekten, Ärzte etc.
Obwohl die meisten Vertreter dieser „Freien Berufe“ selbst Unternehmer sind,
verhalten sie sich nicht so: Sie wurden alle in ihren Ausbildungen nie gezielt darauf
vorbereitet, dass es für erfolgreiche Unternehmer neben unbestrittener Fachkompetenz auch noch Managementkompetenzen geben muss. Letztere verhindern, dass
der Besserwisser in seiner Wissenswerkstatt – unbemerkt von der Öffentlichkeit –
vor sich hinwurschtelt und sind behilflich, sein Fachwissen an die Öffentlichkeit und
dadurch die Öffentlichkeit in die Kanzlei zu bringen (externe Wirkung) sowie alle
Grundlagen und Folgen davon zu verwalten (interne Wirkung). Beides haben Freiberufler nicht gelernt.
Der folgende ausgedachte Dialog5 zwischen einem Anwalt und seinem Coach
bringt zum Ausdruck, wie ein Anwalt durch Vorannahmen und unzureichende
Delegation seinen eigenen Erfolg ausbremst:
5 Ein guter Coach redet einfühlsam und respektvoll, vermeidet „Warum-Fragen“ und setzt seinen
Klienten auch sonst niemals unter Druck! Dieses Gespräch würde also als Kunstfehler gelten! 
Es ist eine Zusammenfassung von etwa 1.500 ähnlichen Gesprächen mit Anwälten. Es ist verkürzt auf
Inhalte, verdeutlicht dadurch anwaltliche Vorannahmen über die Rolle ihrer Assistentin und über das
Wesen von „Organisation“ und streift das Thema anwaltlicher Inkongruenzen bei der „Besetzung
der Chefrolle“. Vgl. auch das Kapitel „Yes, I can“.
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1
16 5
Assistentin
Beispiel – Anwaltliche Führungsschwäche ist ein Akquisehindernis
Coach:
„Welche Aufgaben hat Ihre Assistentin?“
Anwalt:
„Sie entlastet mich von allen organisatorischen Aufgaben.“
Coach:
„Welche Aufgaben umfasst das genau?“
Anwalt:„Nun, sie übernimmt eben die ganze Organisation. Sie schreibt Schriftsätze, sie notiert
Fristen, sie macht Wiedervorlagen, sie verteilt die Post, sie schreibt Rechnungen, sie
empfängt Mandanten, sie führt sie ins Konferenzzimmer, sie kocht auch Kaffee.“
Coach:„Ich höre heraus, dass dies Aufgaben sind, die erst beginnen, wenn der Mandant schon
da ist?“
Anwalt:
„Nein, das nicht nur. Sie führt ja meistens auch das erste Telefonat.“
Coach:
„Ach so. Was hat Ihre Assistentin in diesem Ersttelefonat zu leisten?“
Anwalt:„Sie nimmt den Nachnamen und die Telefonnummer auf dem Rückrufzettel auf und
stellt dann durch. Wenn ich nicht da bin, bietet sie einen Rückruf an.“
Coach:
„Das heißt, sie organisiert auch das erste Gespräch mit Ihnen?“
Anwalt: „Ja, das schon.“
Coach:
„Ja, das ist wichtig. Einige organisatorische Aufgaben bleiben da noch offen. Macht
sie die auch? Zum Beispiel: Wer erklärt im ersten Telefonat Ihre Leistungen, wenn Sie
nicht da sind? Führt sie eigenständig Ihren Terminkalender? Macht sie Termine für das
Erstgespräch? Kümmert sie sich um die Vollständigkeit der Mandantenunterlagen für
dieses Erstgespräch? Unterrichtet sie locker über Erstberatungsgebühren, wenn der
Anrufer das wissen will? Nimmt sie die kompletten Daten des neuen Mandanten im
Erstgespräch auf und überträgt sie in die Kundenkartei? Macht sie die Kollisionsprüfung? Übersendet sie die Anfahrtsskizze? Ist sie eine würdige, kenntnisreiche und
sehr freundliche Vertreterin Ihres Kaiserschlosses?6 Nimmt sie den Kern des Falles
oder den Kern des Wunsches auf, bevor sie durchstellt? Erledigt sie wirklich alles
Organisatorische und lässt auch den Mandanten nicht zu Ihnen durch, bevor sie weiß,
was er will?“
Anwalt: „Das meiste davon mache ich meist selbst. Meine Assistentin ist doch keine Pufferzone
zwischen mir und dem Mandanten!“
Coach:
„Warum nicht?“
Anwalt:„Der Mandant will ja, wenn er anruft, nicht meine Sekretärin sprechen, sondern mich!“
Coach:„Oh, Das ist ja bedauerlich. Sie würde das doch bestimmt ganz gut machen. Wer
bestimmt, mit wem er wann spricht?“
Anwalt:
„Na eigentlich ist das meine Aufgabe.“
Coach:„Das stimmt. Im Moment würde das bedeuten, dass Ihr Mandant einige organisatorische Dinge mit Ihnen bespricht?“
Anwalt: „Ja, das kommt schon vor.“
Coach:
„Haben Sie manchmal das Gefühl, dadurch Zeit zu verlieren?“
Anwalt:
„In der Tat. Ziemlich oft sogar.“
6 „Der Kunde ist König, der Anwalt demnach Kaiser“ – mehr zu dieser in schwierigen Situationen
hilfreichen Metapher im Kapitel „Umgang mit Mandanten“.
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II. Der Telefonservice – Aufgaben der Assistentin (I) 17
II. Der Telefonservice – Aufgaben der Assistentin (I)II.
Inzwischen – das war vor zwei Jahren noch anders – rangiert der Telefonkontakt zur
Anwaltsassistentin in der Chronologie der Kontaktaufnahme auf Platz zwei; er ist
zur zweiten Visitenkarte der Kanzlei geworden. Viele Interessenten landen über
Online-Suchmaschinen oder Anwaltssuchdienste auf der Webseite der Kanzlei, bevor
sie erstmals anrufen.
Großartige Erfolge verzeichnen demnach Kanzleien, in deren Webseite die Assistentin des Dezernats „X“ mit vollem Namen, Foto, E-Mail-Adresse und telefonischer
Durchwahl ihre organisatorische Hilfe anbietet, so dass der Erstanrufer sein Telefonat
einleitet mit: „Ich habe Sie hier vor mir und freue mich, dass Sie gleich am Telefon sind.“
Der Einstieg scheint bereits eine Art Vertrauensverhältnis zu begründen. Damit
sich der Telefonservice zu einem veritablen Akquiseinstrument entwickeln kann,
sollten Anwälte und ihre Assistentinnen folgende 15 Tipps beachten:
1. I hre Assistentin ist angewiesen auf Ihre Anweisungen
Anwälte mögen Anweisungen nicht, weil sie folgenreich sind. Was genau soll Ihre
Assistentin dem Mandanten sagen, wenn Sie zum dritten Mal „keine Lust“ hatten,
diesen Anrufer entgegenzunehmen oder zum vierten Mal nicht zurückgerufen haben?
Satirisch anmutende Scheinlösungen, wie „Sagen Sie irgendwas“, „Jetzt nicht“,
„Vertrösten Sie ihn“ oder „Ich habe Ihnen doch gesagt, ich will ihn nicht sprechen“,
dokumentieren Ihre Wahl. Sie wählen hier ein auf die Umgebung destruktiv wirkendes inneres Muster, nämlich die Lust an der Externalisierung eigener Schwäche: Sie
agieren eigene Verfehlungen auf dem Rücken Ihrer Assistentin aus.
Muster erkennen Sie daran, dass sie immer wiederkehren, weil sie dem Inhaber
vordergründig Entspannung verschaffen. Durch ein solches Muster machen Sie
nicht nur die Assistentin krank und den Mandanten zu einem durch berechtigten
Zorn angetriebenen Derwisch, sondern gefährden auch Ihre eigene Integrität und
Gesundheit.
■■ Anweisungen machen Sinn, wenn
–– Ihre Assistentin die Anweisung ohne Haftungsrisiken ausführen kann,
–– Sie und Ihre Kollegen Anweisungen vereinheitlichen,
–– Sie Ihre Anweisungen selbst einhalten und
–– Sie das Ergebnis kontrollieren.
■■ Anweisungen fehlen häufig in Anwaltskanzleien
–– im Umgang mit Ihren Abwesenheiten. Was genau soll sie sagen während Ihrer
Krankheiten und Urlaube? Mit welcher Lösung?
–– für das Durchstellen von Anrufern. Bieten Sie Ihr also eine Liste mit A-Mandanten, Ehemännern/-frauen, Richtern, Kindern etc., die durchgestellt werden
dürfen – und lassen Sie alle Kundengespräche generell ungestört.
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18 Assistentin
–– beim Benennen von Kooperationspartnern, deren Rechtsgebiete Sie nicht
selbst vorhalten. Weisen Sie Ihre Assistentin an, folgenden Text auswendig zu
lernen: „Privates Baurecht bieten wir in unserer Kanzlei gar nicht an. Deshalb
(nicht: „aber“!) arbeiten wir seit x Jahren mit Herrn Dr. Ingo Weißkirch zusammen,
einem Fachanwalt auf diesem Gebiet. Darf ich Ihnen die direkte Durchwahl zu
seiner Sekretärin Frau Schubert geben?“
–– über die Unterlagen, die jeder Mandant zum Erstgespräch mitbringen muss.
Bitte Liste einreichen, damit Ihre Assistentin die Unterlagen aufzählen kann.
–– über den Umgang mit Honoraranfragen. Was soll Ihre Assistentin wörtlich
sagen? Welche Lösung darf sie anbieten?
■■ Anweisungen fehlen, weil der Anwalt
–– nicht weiß, welche sicher zu einem Erfolg führen,
–– nicht wie ein autoritärer Hansel dastehen will,
–– fürchtet, sich damit selbst zu beschränken,
–– fürchtet, seine Kollegen nicht „unter einen Hut zu bringen“.
Ein Horror-Szenario für jede Anwaltsassistentin besteht darin, im Ganzen viel
zu wenige Anweisungen ihres Chefs zu erhalten („Bitte niemanden durchstellen bis
18 Uhr“), diese dann einzuhalten und dafür anschließend kritisiert zu werden: „Sie
haben Dr. Berger nicht durchgestellt! Sie wissen doch, dass ich mit ihm Golf spiele“.
2. Ihre Assistentin promotet schon durch ihre Meldung die Kanzlei
„Anwaltskanzlei Berger und Partner, mein Name ist (Petra) Bertram. Guten Morgen!“
ist eine perfekte Meldung, lächelnd, frisch und deutlich vorgetragen. Der Nachname ist abgesetzt vom Kanzleinamen und dadurch – selbst bei komplizierten
Nachnamen – für den anderen verständlich. Die Stimme ist angenehm, ruhig, verbindlich und strahlt Kompetenz aus. Überlegen Sie, ob ein langer Kanzleinamen
bei der Meldung abgekürzt werden darf. Vermeiden Sie alle Missverständnisse:
„Anwaltskanzlei Berger Traunstein“ kann den nur anfangs lustigen Gruß „Guten Tag
Frau Traunstein“ auslösen, obwohl Traunstein als Stadt gemeint war. Zu peinlichen
Korrekturen führt auch: „Anwaltskanzlei Berger und Schmidt, Bode“ („Hallo Frau
Schmidt-Bode, kann ich einen Anwalt sprechen?“)
Ähnlich unlustig ist es für den Mandanten, wenn er gar nicht weiß, ob der
Empfang ihn an die Assistentin oder direkt an deren Chefin weiterleitet, und extrem
nervig wird es für ihn, wenn er etwas mehr als ein Mal erklären muss oder auf unbestimmte Zeit im Telefonorkus verhungert.
Im Telefonempfang, falls dieser abgetrennt ist von den Dezernaten, darf bei
hohem Telefonaufkommen der Nachname fehlen. Manche Großkanzleien mit mehreren Empfangsassistenten haben folgende Meldung erfolgreich getestet: „X-Anwälte,
hier ist der/Sie sprechen mit dem Empfang, Guten Morgen!“ Alles andere kam den Sprechern zu lang und den Mandanten zu künstlich vor.
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II. Der Telefonservice – Aufgaben der Assistentin (I) 19
Sorgen Sie durch ein Schild auf dem Empfangstisch mit dem Namen der Empfangsdame für eine freundliche, persönliche Ansprache oder für einen Wiedererkennungseffekt beim ersten persönlichen Kontakt. Einen Verstoß gegen Ihre Schweigepflicht begehen Sie, wenn im Empfang wartende Mandanten Nachnamen anderer
Mandanten am Empfangstelefon mithören können. Richten Sie u.U. eine vierwöchige
Probezeit ein bei Namensschildern am Revers für Assistentinnen, die Kundenkontakt haben. Ihre Mitarbeiterin muss sich damit wohlfühlen.
3. Ihre Assistentin bietet im Ersttelefonat eine Anfahrtsskizze an
„Darf ich Ihnen noch eine Anfahrtsskizze per E-Mail übersenden? Dann wissen Sie gleich
den Weg.“ Die Anfahrtsskizze selbst ist in Zeiten serienmäßiger Navigationssysteme
häufig unnötig; das Angebot, sie zu senden, dagegen keinesfalls. Dieses Angebot
dient nämlich hauptsächlich der Ermittlung der persönlichen E-Mail-Adresse des
Anrufers.
Lassen Sie eine eigene Anfahrtsskizze für Ihre Homepage entwerfen, mit selbst
erklärenden Daten wie Tankstelle, Autobahnausfahrt, etc. Durch Anklicken sollte
sich diese Skizze vergrößern und bequem ausdrucken lassen. Ein erfahrener Designer kostet zwischen 60 und 120 € die Stunde. Das ist bedeutend günstiger als sich
durch eine unerlaubte Kopie von Online-Karten eine Unterlassungsklage einzuhandeln. Manche Kanzleien bieten die selbst designte Skizze für die Innenstadt und
einen Link zu „Google Maps“ für die weiträumigere geografische Einordnung.
Die frisch ermittelte E-Mail-Adresse wird sofort doppelt verwendet. Sie wird noch
vor Vertragsschluss korrekt in die Kundenkartei eingetragen. Dadurch können Sie
Ihre neuen Mandanten (und besonders die, die sich gegen Sie entschieden haben)
nach deren Zustimmung zu Vorträgen und Kanzlei-Events einladen.
4. Ihre Assistentin erfragt den Kern des Falles/Wunsches und leitet
diesen an Sie weiter
Der Mandant soll nichts zweimal sagen müssen. Wenn Sie während des ersten
Anrufs abwesend sind oder nicht gestört werden möchten, stellt Ihre Assistentin Ihre
Erreichbarkeit „gefühlt“ sicher. Sie nimmt den Kern seines Falles in ihre Telefonnotiz auf, vereinbart einen Termin und teilt ihm seine Hausaufgaben mit. Wenn Sie
zurückrufen oder Ihr Erstgespräch beginnen, lesen Sie dem Mandanten diese knappe
Fallinformation vor: „Meine Assistentin Frau Bertram hat mir schon aufgeschrieben,
dass Sie...“ und schließen mit der Kontrollfrage: „Stimmt das alles so?“
Spätestens hier wird deutlich, dass Erreichbarkeit zu den delegierbaren B-Aufgaben gehört. Für viele Anwälte ist diese Erkenntnis anfangs erstaunlich, weil sie im
Gegensatz zu statistischen Erhebungen zu stehen scheint, in denen „Erreichbarkeit
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20 Assistentin
des Anwalts“ zu den führenden Qualitätsmerkmalen einer Anwaltskanzlei gehört.
Erreichbarkeit ist sichergestellt, wenn der Mandant sich so fühlt, als habe er
den Anwalt erreicht. Eine gewandte Assistentin nimmt die Nachricht auf und der
Anwalt ruft absprachegemäß zurück.
Lesen Sie hier, wie eine Anwältin (R) ihre Kanzleiorganisation umgestellt und
ihre Assistentin (Ö) „in Szene gesetzt“ hat – und was das bewirkt:
1
Best Practice
R: Seit dem Training konnte ich das Aufgabengebiet von Frau Öttl sehr erweitern. Das gibt mir mehr
Freiraum für meine juristische Arbeit. Die Mandanten spüren sofort, dass sie am Telefon professionell betreut werden. Sie sind seither deutlich stärker als früher bereit, gegenüber Frau Öttl
Informationen „preiszugeben“ und wollen nicht mehr alles nur der Anwältin erzählen. So können
viele Anrufe schon durch Frau Öttl erledigt werden.
Ö: Seit ich Fragetechniken geübt habe, frage ich detailliert nach dem Grund des Anrufs. Die Auskunftsfreudigkeit der Mandanten ist dadurch deutlich gestiegen. Die Infos, die ich erhalte,
sende ich meiner Chefin per E-Mail. Organisatorische Anliegen filtere ich heraus und erledige
sie sofort selbst. Mit dieser Technik erreiche ich, dass viel weniger Gespräche mit der Chefin
notwendig sind und die Anrufer ihr Gespräch trotzdem zufrieden beenden.
R: Im Beratungsgespräch nehme ich Bezug auf die Informationen, die ich schon über meine Assistentin erhalten habe. Die Mandanten sind sehr zufrieden, wenn sie merken, dass tatsächlich alles
angekommen ist. Ich erwähne dabei Frau Öttls Namen und erhöhe damit ihre gefühlte Kompetenz,
auch aus Sicht der Mandanten. Sehr häufig erhalte ich jetzt positive Bemerkungen über unsere
tolle Kanzleiorganisation. Die Mandanten fühlen sich gut aufgehoben und sagen mir das auch.
Ö: Erstanrufer kann ich jetzt gut beruhigen. Ich teile ihnen ohne ihr Nachfragen mit, welche Unterlagen sie zur Besprechung mitbringen sollen. Ich frage nach dem Kern der Sache und nehme ihn auf.
Regelmäßig frage ich jetzt nach zwei Telefonnummern. Das erleichtert uns die Rückfragen, falls
mal etwas dazwischen kommen sollte. Die vereinbarten Besprechungstermine wiederhole ich am
Telefon nochmals mit Wochentag, Datum und Uhrzeit. Das alles gibt den Mandanten Sicherheit.
R: Rückrufbitten betrachte ich als A-Aufgaben. Dafür nehme ich mir Zeit und lasse alles andere für
einen Augenblick liegen. Rückrufzusagen halte ich zuverlässig ein. Das ist sehr gut möglich, da
durch die professionelle Arbeit von Frau Öttl für mich nur noch diejenigen Rückrufe verbleiben,
in denen es wirklich um rechtliche Dinge geht. Sehr angenehm ist für mich, dass ich jetzt vor
Beginn des Gesprächs auch immer schon das konkrete Anliegen des Mandanten kenne. Ich kann
mich viel besser auf das Gespräch einstellen.
Ö: Wir haben seither deutlich weniger ungehaltene Nachfragen von Anrufern. Sollte sich ein
Mandant trotzdem in aufgebrachtem Ton melden, kann ich ihn sofort beruhigen. Ich bin sehr
froh, dass ich jetzt weiß, wie ich solche Situationen souverän bewältigen kann.
R: Frau Öttl stellt den Mandanten über ihre eigene E-Mail-Adresse organisatorische Hilfen in Aussicht. Dieses Angebot nehmen die Mandanten gerne an. Sie wenden sich inzwischen häufig per
E-Mail mit Terminwünschen direkt an Frau Öttl. Wir konnten die Anzahl der Telefonate dadurch
insgesamt deutlich verringern.
Ö: Dadurch kann ich selbst besser planen. Diese E-Mails helfen mir, meinen Tag zu organisieren;
ich beantworte sie, wenn gerade Zeit ist. Den Text unseres Anrufbeantworters haben wir inzwischen auch geändert. Er enthält keine Uhrzeiten mehr. Wir wissen, dass der Mandant nicht
unsere Sprechzeiten, sondern unsere Reaktion hilfreich findet.
Rechtsanwältin Anna Maria Ramelsberger und ihre Assistentin Rosina Öttl, Anwaltskanzlei Ramelsberger & Weber (Bürogemeinschaft), Passau, Tel.: 0851-956780
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II. Der Telefonservice – Aufgaben der Assistentin (I) 21
5. Ihre Assistentin sagt niemals ein „Nein“ ohne Lösung
Alle Telefonate Ihres Hauses bieten aus der Sicht des Kunden eine Lösung! Im
Kommunikations-Alltag untrainierter Anwaltsassistentinnen sind servicefeindlich
wirkende Peinlichkeiten an der Tagesordnung. Selbst wenn Absicht und Wortwahl
der Sprecherin das Gegenteil suggerieren sollen. Mit: „Tut mir leid, er ist in einer Besprechung“, ist dem Anrufer nicht gedient. Die Stimme geht runter und mehr Information kommt nicht. Auch wenn diese Äußerung der Wahrheit entspricht, der Anwalt
also wirklich in einer Besprechung ist, stellen sich dem Ratsuchenden zwei Fragen:
–– Wo bleibt die Lösung?
–– Tut es ihr wirklich leid, dass der Anwalt seine Arbeit macht?
Die Ausdrücke „Tut mir leid“ und „leider“ sind oft semantisch unsinnig eingesetzt:
Rechtsanwalt Berger ist leider in einer Besprechung. Die Sprecherin wird kaum ernsthaft bedauern, dass der Anwalt seine Arbeit macht! „Leider“ gehört nur dort hin,
wo man wirklich etwas bedauert. Dieser Satz wird im trainierten Zustand zu: „Herr
Berger ist momentan in einer Besprechung, so dass ich Sie leider (Das bedauert sie ja
wirklich) nicht direkt (indirekt ist der Anrufer schon verbunden) mit ihm verbinden
kann. Darf ich mir notieren, wie wir helfen können? Dann geht es nachher schneller für
Sie.“ (Nutzenargumentation).
Nach demselben Muster wird „Das ist nicht möglich. Der (!) ist bis morgen Mittag
außer Haus“ zu: „Rechtsanwalt Dr. Burgner ist bis morgen Mittag auf einem Kongress, deshalb würde ich mir gern Ihre beiden Rückrufnummern notieren, unter denen
wir (Falls der Anwalt es nicht schafft, rufe ich selbst an.) Sie bis 18 Uhr zurückrufen
können. Ist Ihnen das Recht?“ (Lösung + Kontrollfrage).
„Keine Ahnung. Da müssen Sie noch mal anrufen.“ wird zu: „Das kann ich leider
momentan nicht sicher sagen. Wissen Sie was? Ich mache mich schlau und rufe Sie bis
15 Uhr zurück. Ist Ihnen das Recht?“ (Lösung + Kontrollfrage).
„Das kann ich auch nicht ändern“ wird zu „Ich weiß im Moment nicht genau, wie
wir das hinkriegen. Ich erkundige mich. Darf ich Sie bis 18 Uhr noch einmal anrufen?“
(Lösung + Kontrollfrage).
Das gruselig reduzierte „Moment“ wird zu „Bleiben Sie bitte einen Moment in der
Leitung. Ich bin gleich mit der Information wieder da. Geht das?“ (Lösung + Kontrollfrage).
Beispiel
In Wien hat eine große Kanzlei fast dieselbe Telefonnummer wie das österreichische Landwirtschaftsministerium. Die Damen vom Telefonempfang der Kanzlei haben inzwischen eine Liste mit den Abteilungen dieses Ministeriums, um die (pro Jahr etwa vier) verirrten Anrufer dorthin kompetent weiterleiten zu können! Dabei wird beidseits viel gelacht! Kein Nein ohne Lösung! (In der Kanzlei laufen
bereits Wetten, in welchem Jahr das Landwirtschaftsministerium Kunde dieser Kanzlei wird.)
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5
22 Assistentin
Signalisieren Sie selbst Ihren Mitarbeitern gegenüber eine proaktive Lösungsbereitschaft und äußern Sie niemals für andere hörbar eine ablehnende Haltung
gegenüber Ihren Mandanten.
6. Ihre Assistentin verwendet eine absolut verbindliche Servicesprache
Jedes Telefonat ist erst gut, wenn der Mandant zufrieden ist! Unter keinen
Umständen ist also der Auftritt der Anwaltsassistentin ein Ärgernis für den Mandanten. Es ist vollkommen gleichgültig, wodurch die Assistentin das herstellt. Hier
einige alltägliche Service-Formulierungen, die ihr den Telefonservice erleichtern:
–– „Das mache ich gern für Sie.“ oder „Das ist mein Beruf!“ (niemals: „Kein Problem“).
–– „Selbstverständlich geht das.“
–– „Tut mir leid, dass es nicht sofort geklappt hat. Wenn es jetzt wieder nicht klappt,
finden wir eine Lösung!“
–– „Wir schauen jetzt, wie wir das hinkriegen“ (nicht: „ob wir das hinkriegen“).
–– „Das habe ich notiert.“ (auditiver Zuhörbeweis, ähnlich wie „ja“, „mhm“ und
„verstehe“).
–– „Darf ich mir vielleicht einige Punkte aufschreiben? Dann geht es nachher für
Sie schneller?“
–– Im Beschwerdemanagement: „Ich entschuldige mich dafür, dass Sie solche
Mühe hatten damit. Ich werde mich persönlich um eine Lösung bemühen. Darf
ich Sie um Ihre Mobilfunknummer bitten, damit ich Sie so schnell es geht informieren kann?“
–– Aus der Warteschleife (in der ein zurückhaltender Jazzstandard und nicht „Für
Elise“ hörbar ist) befreit Ihre Assistentin die Anrufer durch: „Danke für’s Warten,
Frau Berger“.
–– Wenn es einer eilig hat, verwendet er ein Vokabular der Eile: Die Wörter schnell,
unverzüglich, innerhalb von 5 Minuten, sofort etc. sind für solche Mandanten
sexy. Verwenden Sie sie also auch: „Ich stelle Sie sofort zu Frau Berger durch.
Das ist die Assistentin unseres Spezialisten für...“ oder „Ich kann Sie höchstwahrscheinlich innerhalb von fünf Minuten zu ihm direkt durchstellen. Möchten Sie
warten oder soll ich Sie nach seinem Gespräch schnell verbinden?“ (Keinesfalls
muss er noch einmal anrufen!).
3
Vorsicht
Bitte beachten Sie, dass mundartlich behauptete Eile wie z. B. im rituellen schwäbischen „gschwind“
nicht für jeden Hörer zu den Vokabeln glaubhafter Eile gehören.
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II. Der Telefonservice – Aufgaben der Assistentin (I) 7. Ihre Assistentin vermeidet um jeden Preis Telefon-Müll
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„Der ist nicht da.“
„Tut mir Leid, er ist in einer Besprechung“
- „Tut mir Leid, sie hat noch zwei Mandanten drinne.“
„Ich weiß nicht, wo er ist“
„Anwaltskanzlei Berger.“
„Er ist im Moment auf dem Klo.“
„Augenblick, ich leg Sie mal um.“
„Das klappt wahrscheinlich nicht.“
„Das weiß ich nicht.“
„Das ist heute ganz schlecht.“
„Wie war Ihr Name?“
„Wollen Sie nun einen Termin oder nicht?“
„Da kann ich auch nichts machen.“
„Das geht heute nicht.“
„Sie müssen schon deutlicher sprechen.“
„Das haben wir schon öfter versucht.“
„Die Akte ist nicht da.“
„Moment, ich hol’ Ihnen den mal runter.“
„Der ist doch in Urlaub.“
„I cannot follow you.“
„Das muss meine Kollegin gewesen sein.“
„Er war vorhin noch da.“
„Der Schriftsatz müsste schon raus sein.“
„Tut mir leid, ich bin nur Auszubildende.“
„Das kann ich ja nicht wissen.“
„Sie müssen nicht dreimal am Tag anrufen!“
„Das müssen Sie mir schon sagen.“
„Da müssen Sie mit mir vorliebnehmen.“
„Ich weiß nicht, wann er zurückkommt.“
„Ich habe Ihnen doch eben schon gesagt …,“
„Ich weiß nicht, ob er da ist.“
„Da geht keiner ran.“
„Da verbinde ich Sie lieber mal mit dem Rechtsanwalt X.“
„Ich habe da nichts mit zu tun.“
„Woher soll ich wissen, wann das Gutachten kommt?“
„Mir sagt ja keiner was.“
„Und was soll ich nun tun?“
„Wahrscheinlich haben Sie Ihre Rechnung nicht bezahlt.“
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24 Assistentin
8. Ihr Telefonempfang ist das Dach des gesamten Telefonservice
In größeren Kanzleien ist der Telefonempfang von den Dezernaten getrennt. Der Telefonempfang muss Durchlaufzeiten stets optimieren, darf nur kurz mit den Anrufern
sprechen, muss die Freude über den Anruf dokumentieren, den Anrufer sofort an
die richtige Stelle weiterleiten und sollte sein Weiterleitungsvokabular auswendig
lernen. Bitte beachten Sie besonders zwei Schwierigkeiten dabei:
■■ Schweigepflicht
Die Kanzlei verstößt gegen ihre Schweigepflicht, wenn der wartende Mandant die
Namen anderer Anrufer aus dem Mund der Empfangsassistentin hört. Da empört sich
leider nicht nur die Anwaltskammer. Gleich den Wartebereich abschirmen.
■■ Weiterleitung
Weitere Sollbruchstellen entstehen überall dort, wo eine telefonische Weiterleitung
nötig wird. Der Transport des Telefonats vom Empfang zur Dezernatsassistentin ist
an sechs Punkten suboptimal, wenn:
–– der Anrufer länger als 15 Sekunden wartet,
–– der Anruf mehrfach zurück zum Empfang kommt,
–– der Anruf im falschen Dezernat landet,
–– der Anrufer seinen Bedarf mehrfach wiederholen muss,
–– der Anrufer nach dem dritten Versuch aus der Leitung fliegt,
–– der Anrufer in Warteschleifen „Für Elise“ oder gar nichts hört.
9. Weiterleitung in die Dezernate
a) Wenn der Anrufer unbekannt ist
Die Goldene Regel lautet: Der Empfang beheimatet jeden Anrufer. Diese Regel ist
nicht abhängig von Tagesform, äußeren Bedingungen oder Persönlichkeit des
Anrufers! Die Assistentin wiederholt den Nachnamen des Anrufers bei der Begrüßung ein Mal und verwendet seinen Gruß – auch „Grüß Gott“ wird gematcht, selbst
wenn Sie kein Bayer sind.
5
Beispiel
Unbekannter Noch-Nicht-Mandant: „Keller hier, hallo, ich möchte Dr. Gebhards sprechen.“ „Hallo
Herr Keller, ich kann sie sofort zu Frau Bergmann durchstellen. Das ist seine Assistentin. Sie hilft gern
weiter. Kleine Sekunde bitte.“
In diesem Beispiel klingt der Wunsch des Anrufers so sicher, dass die Empfangsassistentin nicht
den Bedarf im Kern erfragen muss, um ins richtige Dezernat stellen zu können.
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II. Der Telefonservice – Aufgaben der Assistentin (I) 25
b) Wenn Sie seinen Nachnamen nicht oder nicht richtig verstanden haben
Für die weitere Aktion ist entscheidend, den Nachnamen schnell richtig zu verstehen, denn dadurch wird er richtig geschrieben, richtig gesprochen und korrekt in
Rückrufmails und Kundenkartei notiert. Auch Kollisionsprüfungen, schnelles
Raussuchen der Akten und schnelles, richtiges Weiterleiten sind sofort möglich.
Es ist immer derselbe Satz, der dazu führt, dass Mandanten Ihnen ihren Nachnamen einigermaßen gern erstmals, nochmals oder nochmals sehr langsam nennen. Der
Satz lautet: „Herr Preccinczky, (Nachnamen auszusprechen versuchen) darf ich mir
Ihren Nachnamen noch einmal korrekt notieren, damit es nachher für Sie schneller geht? (Nutzenargumentation) Ich habe ihn jetzt mit „P, R, E, … geschrieben. (Mit
eigener Leistung voraus gehen!) Ist das richtig? (Kontrollfrage)“ Der Mandant wird
Sie gern korrigieren, da Sie erkennbar bereits einen Versuch gemacht haben; er wird
sich dadurch nicht mehr generell weigern, seinen Namen bekannt zu geben.
Auch bei Allerweltsnamen ist das präzise Nachfragen unerlässlich: Guten
Tag, Herr Meyer, darf ich mit Ihren Nachnamen und Vornamen einmal korrekt notieren,
damit es für Sie nachher schneller geht? Ich habe „Meyer“ jetzt mit EY geschrieben ist
das richtig?“ Niemals lautet Ihre Nachfrage: „Wer ist da überhaupt? oder „Wie war Ihr
Name?“. Bewährt hat sich auch: „Oh je, das klingt wahrscheinlich komplizierter als es
ist. Könnten Sie mir mit Ihrem Namen bitte noch einmal helfen, damit ich es richtig
weiterleiten kann?“ (Nutzen).
Schreiben Sie immer alles mit, was Sie rauskriegen; der Anrufer könnte vor
Datensicherung in der Leitung verloren gehen!
c) Wenn der Mandant bekannt ist
Wenn der Mandant bekannt ist, dann klingt Ihre Meldung herzlicher und enthält
aktive Erkennungszeichen („Herr Dr. Müller, Sie versuchen es bestimmt noch einmal
wegen …) sowie vorweggenommene Beschwerden („Oh je, Frau Spering, hat das
vorhin nicht geklappt? Ich versuche es gern noch einmal.“). Falls die Telefonnummer im Display bekannt ist und der Anrufer leger genug ist, begrüßen Sie ihn doch
einmal als Erste: „Guten Tag, Dr. Kurt, Biermann hier von der Kanzlei Baumeister und
Partner. Was kann ich für Sie tun?“ und „Ein Hallo nach Düsseldorf“ kann Ihr Telefonat
einleiten, wenn Sie im Display sehen, dass aus dem Düsseldorfer Standort Ihre Kollegin anruft. Ein Anruf durch einen Anwalt Ihres Standorts sollte Sie ebenfalls dazu
bewegen, den Namen des Anwalts als Erstes zu sagen, den Sie ja in Ihrem Display
sehen.
d) Wenn der Anwalt nicht sofort zu sprechen ist
Sie lesen hier ein schnelles Beispieltelefonat mit Weiterleitung aus dem Empfang:
–– Empfang zur Anruferin: „Guten Tag, Frau Dr. Weißkirch. Könnten Sie mir bitte
kurz andeuten (das Wort verhindert, dass die ganze Sache detailreich geschildert
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26 Assistentin
wird), worum es geht, damit ich Sie schnell weiterleiten kann?“ (Dr. Weißkirch
sagt ein inhaltliches Stichwort, einen Anwaltsnamen oder ein Rechtsgebiet)
–– Empfang zur Anruferin: „Vielen Dank, dann stelle ich Sie am besten gleich zu
Frau Paul. Das ist die Sekretärin von Herrn Dr. B., unserem Spezialisten für das
Arbeitsrecht. Frau Paul hilft Ihnen gerne weiter.“ (Dr. Weißkirch in Warteschleife)
–– Empfang zur Dezernatskollegin: „Hallo Petra, ich habe hier Frau Dr. Weißkirch
von der Cool GmbH. Ein neues Mandat. Sie will wissen, was zu beachten ist,
wenn man betriebsbedingt kündigen will.“
–– Dezernatssekretärin zur neuen Mandantin: „Guten Tag Frau Dr. Weißkirch.
Hier spricht Petra Paul. Meine Kollegin hat mir schon gesagt, dass Sie eine Frage
in Bezug auf betriebsbedingte Kündigungen haben. (Dr. Weißkirch muss nichts
wiederholen.) Herr Rechtsanwalt Dr. B. telefoniert gerade; darf ich mir deshalb
inzwischen ein paar Details aufschreiben, damit es gleich für Sie schneller geht?“
–– Auch hier wird ein „Nein“ nur mit Lösung präsentiert! Dr. Weißkirch nennt nun
Details (Sie muss in dieser Situation nicht nochmals anrufen). Dr. B hat aufgelegt. „Oh, ich sehe gerade, jetzt kann ich es versuchen. Kleine Sekunde bitte.“
–– Dezernatssekretärin zum Anwalt: „Hallo Herr B., Frau Dr. Weißkirch von der
Cool GmbH ist dran. Sie möchte wissen, was sie bei betriebsbedingten Kündigungen beachten muss. Sie ist Inhaberin dreier Elektronik-Fachhandels-Geschäfte in
Wiesbaden.“
–– Anwalt zur Anruferin: „Guten Tag, Frau Dr. Weißkirch. Rechtsanwalt B. ist hier.
Ich habe schon gehört, Sie sind von der Cool GmbH, betreiben drei ElektronikFachhandels-Geschäfte in Wiesbaden und ziehen betriebsbedingte Kündigungen
in Erwägung. Stimmt das so?“ Der Anwalt wiederholt ebenfalls von sich aus
alles, was er weiß und schließt mit einer Kontrollfrage ab.
Über alle Stationen beweisen Assistentinnen und Anwälte hier, dass sie zuhören,
hilfsbereit sind, einen großartigen Informationsstil pflegen, dass sich der eine
auf den anderen blind verlässt – und dass sie das alles auch noch gern tun!
e) Wenn Sie „Nein“ sagen müssen
Die Goldene Regel lautet „Kein Nein ohne Lösung!“, und das klingt so: „Ich erreiche ihn im Augenblick leider nicht; er ist in einer Besprechung. Darf ich mir deshalb
Ihre beiden Telefonnummern notieren, unter denen wir Sie in den nächsten zwei
Stunden erreichen können?“ Zwei Telefonnummern wie selbstverständlich erfragen
und niemals den Anruf des Anwalts versprechen, wenn dieser nicht ganz sicher
zurückruft; daher das Wort „wir“.
Falls die direkte Weiterleitung zum Anwalt in Ihrer Kanzlei erwünscht ist, der
Anwalt aber gerade telefoniert: „Ich erreiche ihn momentan nicht“ oder „Er telefoniert
gerade, darf ich zu seiner Sekretärin, Frau Goldschmitt weiterleiten? Sie hilft gerne weiter.“
Wenn weder ein Anwalt noch eine Assistentin erreichbar sind: „Herr Berger,
auch dort wird gerade gesprochen. Darf ich mir Ihre beiden Telefonnummern notieren,
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III. Die Kanzleiorganisation: Aufgaben der Assistentin (II) 27
damit wir (keinen bestimmten Anrufer versprechen) Sie innerhalb der nächsten zwei
Stunden (vernünftige, machbare Marge benennen!) zurückrufen können?“
f) Wenn nicht erfolgreich durchgestellt werden kann
Zunächst ist eine Entschuldigung mit Erklärung fällig: „Das tut mir leid; es wird
überall gesprochen.“ Versuchen Sie es nochmals von sich aus und benennen Sie
diesen Versuch ebenfalls: „Ich versuche es gleich noch einmal, und wenn es wieder
nicht klappt, kommen Sie zu mir zurück und ich finde eine Lösung für Sie. Einverstanden?“ Falls es wieder nicht funktioniert und Sie es sich zeitlich leisten können:
„Wissen Sie was? Ich notiere mir jetzt genau Ihre Fragen und dann rufen wir Sie bis 18
Uhr zurück“, oder: „Seine Sekretärin Frau Berger ruft Sie zurück“. Niemals geben Sie
unhaltbare Versprechen.
Bei Rückrufangeboten ermitteln Sie stets die Mobilfunknummer zusätzlich:
„Ihre Telefonnummer habe ich schon abgeschrieben aus dem Display. Darf ich mir
sicherheitshalber noch Ihre Mobilfunknummer notieren?“ Letzteres ist besonders
wichtig, wenn der Anruf aus dem Festnetz kommt und/oder die Anrufnummer nicht
auf dem Display zu sehen ist. In jedem Fall fragen Sie nach der besten Rückrufzeit,
jedoch ohne eine bestimmte Zeit zu versprechen.
III. Die Kanzleiorganisation: Aufgaben der Assistentin (II)III.
1. I hre Assistentin wird durch Sie dem neuen Mandanten vorgestellt
Enorme Vorteile auf allen drei Seiten bringt das folgende Vorgehen: Das Erstgespräch
ist zu Ende. Sie erklären dem Mandanten, dass Sie ihm nun noch Ihre Assistentin
vorstellen möchten, da sie andere Aufgaben hat als Sie. Erläutern Sie, während diese
nach der persönlichen Vorstellung den Dienst- und den Honorarvertrag sowie ggf.
die Hausaufgabenliste „für seine Akten“ kopiert, die genaue Arbeitsteilung in Ihrem
Team: „Frau Bertram und ich arbeiten schon seit drei Jahren zusammen. Sie ist zuständig für den Versand der Abschriften, für die Terminvergabe, für Auskünfte aus der Akte.
Sie weiß immer genau, ob Ihr Gutachten schon eingetroffen oder der Brief raus ist. Sie
weiß alles Organisatorische. An mich wenden Sie sich bitte wegen aller rechtlichen und
taktischen Fragen.“
Vorsicht
Sofern der Mandant unterwegs zum Vorzimmer Namen von anderen Mandanten lesen kann, begehen
Sie einen Verstoß gegen Ihre Schweigepflicht. Holen Sie in diesem Fall Ihre Assistentin zur persönlichen Vorstellung ins Besprechungszimmer.
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3
28 Assistentin
Arbeiten Sie mit Halbtagskräften, erklären Sie auch dies: „Eine meiner Assistentinnen kann ich Ihnen heute bereits vorstellen. Nachmittags ist Frau Bertram für alles
Organisatorische zuständig.“
Wenn Sie 30 Erstgespräche pro Woche beginnen, ist Ihnen dieses Vorgehen vielleicht zu zeitaufwändig; beschränken Sie sich in dem Fall versuchsweise auf „A-Mandanten“. Sie werden feststellen, dass diese sich bedeutend leichter führen lassen als
die „Nicht-Vorgestellten“, und Sie werden feststellen, wie viel teure Arbeitszeit Sie
Ihrer Assistentin und damit sich ersparen würden, wenn Sie alle Mandanten persönlich vorstellten.
Manchmal möchten Anwälte die Assistentin wegen der „Unordnung im Bienenstock“ nicht persönlich vorstellen. Dieser Einwand verkennt m.E. einerseits, dass
der Mandant gewöhnlich selbst auch einen „unordentlichen Bienenstock“ hat und
andererseits, dass Sie Ihre Assistentin auch zur persönlichen Vorstellung ins Besprechungszimmer bitten könnten.
Falls Sie Ihre Assistentin allerdings vorstellen, muss Ihre Assistentin ordentlich auftreten. Sichtlich zu viel und sichtlich zu wenig Make-up sind dabei ebenso
Tabu wie die Präsentation frisurloser, bauchnabelfreier oder mundfauler Erscheinungen.
Die Vorteile dieses Vorgehens liegen für alle drei Seiten auf der Hand:
–– Die Assistentin fühlt sich in Kompetenz und sozialem Status angehoben und
wird nicht mehr krank. Der stets durch unzureichende Mitarbeiter-Führung initiierte „Dienst nach Vorschrift“ gehört genauso schnell der Vergangenheit an, wie
die Angewohnheit mancher Mandanten, die Assistentin am Telefon anzugreifen
oder mit schlechter Laune zu überziehen. Ihre Assistentin erhält etwa 1/3 weniger
der sog. „nicht notwendigen Stress-Anrufe“ dieses Mandanten; die Telefonfrequenz sinkt sofort messbar. Test it!
–– Der Anwalt arbeitet effizient, denn er wird nicht mehr wegen lästiger organisatorischer Anfragen bei A-Aufgaben gestört. Rechnen Sie mal aus, wie viele Minuten
Ihres Tages Sie mit organisatorischen Dingen verplempern. Jede dieser Minuten
ist ein Symptom fehlender oder unzureichender Delegation an Ihre Mitarbeiterin. Diese Erkenntnis steht in krassem Gegensatz zu Äußerungen von etwa 75 %
der In-house trainierten Anwalts-Assistentinnen, die gern „höherranginge Aufgaben“ hätten. Diese Assistentinnen geben an, dass ihre fachlichen Ressourcen
bei weitem nicht ausgeschöpft sind.
–– Der Mandant weiß schon, bevor er den ersten Besuch beendet hat, was hier
gespielt wird: Full-Service und exakte Team-Kooperation mit hohem Respekt
voreinander. Diesen Respekt wird er selbst auch zeigen. Er hat ein eigenes Bild
von beiden Personen und wird dadurch weder die so vorgestellte Assistentin
angreifen noch wird er verlangen, den Anwalt wegen organisatorischer oder
Sachstands-Anfragen zu sprechen. Der Mandant wird wegen dieser Art der Teampräsentation den Eindruck haben, der Kanzlei vertrauen zu können, noch bevor
die erste Sachleistung für ihn erbracht ist.
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III. Die Kanzleiorganisation: Aufgaben der Assistentin (II) 29
Inzwischen haben einige Kanzleien dadurch gute Erfolge erzielt, dass sie das Dezember-Gehalt ihrer Empfangsassistentin um € 120,– aufstocken. Gegenleistung: Die
Assistentin kauft im Weihnachts-Sale einen Hosenanzug in gedeckten Farben, den
sie Ihnen im Januar vorführt und in vielen Kombinationen bei der Arbeit trägt. Durch
diese Maßnahme fällt es auch männlichen Anwälten leichter, derzeitige KleiderFauxpas ihrer Mitarbeiterinnen elegant und sehr wirkungsvoll(!) anzusprechen.
2. Ihre Assistentin schreibt eine Begrüßungsmail an den neuen Mandanten
Der neue Mandant hat gerade den Vertrag und die Honorarvereinbarung unterschrieben, wurde soeben Ihrer Assistentin vorgestellt und verlässt nun Ihr Büro. Da verfasst
Ihre Assistentin per E-Mail von ihrem eigenen Account aus folgenden Brief an den
Mandanten:
„Sehr geehrter Herr Weißkirch, auch ich freue mich auf unsere neue Kooperation
und bin gern behilflich in allen organisatorischen Fragen! Mit herzlichen Grüßen, Ihre
Sybille Bertram (Assistentin von Herrn Rechtsanwalt Dr. Burgner).“
Natürlich ist dieser Brief als Textbaustein gespeichert und lautet bei jedem
neuen Mandanten gleich, es sei denn, Ihre unbezahlbar präsente Assistentin fügt
Individualisierungen aufgrund ihrer Vorinformationen hinzu: „Ich hoffe sehr, Ihre
Rückreise gestaltete sich baustellenlos und zügig“. Begrüßungsmails erreichen das
Büro des Mandanten früher als dieser selbst.
Wieder haben alle drei einen Vorteil: der Mandant kann alle organisatorischen Anfragen und Terminwünsche mitten in der Nacht, während der Mittagspause, aus anderen Zeitzonen oder aus dem Flugzeug elektronisch äußern. Er umgeht auf elegante Weise
jedes Risiko gruseliger Anrufbeantwortertexte7 und anwaltlicher Rückruf-Phobien;
immer erreicht er jemanden und ist endlich nicht mehr von „Öffnungszeiten“ abhängig!
Auch die Assistentin ist in ihrer Zeitplanung unabhängiger, da sie für Antworten auf E-Mail-Anfragen keine besetzten Telefonleitungen, lange Wartezeiten oder
die allseits gefürchtete 11-Uhr-Telefonhäufung in Kauf nehmen muss. Vorteil des
Anwalts: er bekommt von alledem nichts mit.
3. Ihre Assistentin integriert non-verbale Strategien
Ihre Assistentin steht auf, wenn ein Mandant in den Raum kommt. Sie vertritt das
Territorium in dem Augenblick allein! Sie geht auf seine Augenhöhe und spricht
ihn – falls keine Missverständnisse möglich sind – bei seiner Ankunft mit seinem
7 Vgl. auch das Kapitel „Kanzleimarketing“.
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30 Assistentin
Namen an, noch bevor er sie begrüßt. Anwälte teilen ihrem Empfang die Namen
und Ankunftszeit von Besuchern elektronisch mit (nicht der Fall bei Ihnen? Sofort
einrichten!).
Die Assistentin bietet von sich aus an, die passende Anwältin anzurufen und
begleitet den Mandanten zu seinem Platz im Wartebereich oder zu seinem Konferenzraum. Sie nimmt den Mantel ab und bietet Kaffee und Zeitungen an.
Sie steht auch auf, wenn ein Gast mit Anwalt aus dem Konferenzraum kommt;
sie lächelt, und nickt und geht ihm sogar entgegen, falls der Anwalt den Gast bereits
verabschiedet hat. Sie begleitet ihn zur Garderobe, fragt nach Ausfahrticket bzw.
Taxiwunsch, bietet einen Schirm an und wünscht ggf. „Gute Reise“, „Auf Wiedersehen“ oder sogar „Bis bald, Herr Bergmann“.
4. Ihre Assistentin verwendet elektronische Nachrichtensysteme wie Outlook
Richten Sie alle Anwälte darauf ein, einen Computer auf dem Schreibtisch zu haben
und diesen auch zu bedienen! In erstaunlich vielen Kanzleien gibt es Anwälte, die aus
geschmäcklerischen Gründen darauf verzichten.
Richten Sie in allen Computern zumindest Outlook ein (oft besser: eine Anwaltssoftware, die u. a. neben interner Kommunikation auch die Einrichtung einer Kundenkartei mit diversen Suchkriterien ermöglicht) und sorgen Sie dafür, dass alle
interne Kommunikation vereinheitlicht wird, besonders nach Fusionen, Übernahmen anderer Standorte oder Neuausrichtungen Ihrer Kanzlei.
Verwenden Sie im Sekretariat Outlook8 für die elektronische Nachrichtenübermittlung, aktivieren Sie unbedingt die Lesebestätigung9 und treffen Sie mit
Ihrer Assistentin folgende Vereinbarung: Sobald Ihre Assistentin die Lesebestätigung
sieht, ist sie nicht mehr zuständig für die Erledigung des Rückrufs, sondern Sie. So
sind alle drei Seiten sicher, dass niemals ein Versprechen gebrochen wird.
Outlook sichert das Kommunikationssystem während Ihrer Abwesenheiten
sowohl Ihrer Assistentin als auch mit Mandanten. Tragen Sie Ihre Abwesenheiten
jedes Mal ein und aktivieren Sie die „Out-of-Office Reply“. Durch beides ersparen
Sie sich viel Ärger, Ihrer Assistentin das anstrengende Dauerflunkern und Ihrem
Mandanten den Eindruck destruktiv wirkender Unsicherheitsdokumentationen
(„Ich muss mal sehen, ob er da ist“, „Ich weiß nicht, ob er mit Ihnen sprechen kann“,
„Ich weiß nicht, wo er gerade ist“, „Er war vorhin noch beim Essen“, etc.).
8 Diverse Anwaltssoftware bietet viele Extra-Features für die Büroorganisation! Auch wenn in vielen
Kanzleien die gekaufte Software nur unterhalb ihrer Möglichkeiten genutzt wird, es lohnt sich, ein
solches System anzuschaffen!
9 Klicken Sie im Menü Extras – Optionen – auf die Registerkarte Einstellungen und dann auf
Schaltfläche E-Mail-Optionen und weiter auf Verlaufsoptionen. Dann setzen Sie ein Häkchen bei
Lesebestätigung.
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III. Die Kanzleiorganisation: Aufgaben der Assistentin (II) 31
5. Ihre Assistentin führt Ihren Terminkalender
Erreichbarkeit ist eine B-Aufgabe und damit delegierbar. Erfahrungen zeigen,
dass das Vertrauensverhältnis zum Anwalt noch keinen Schaden nimmt, wenn dieser
nicht sofort zu sprechen ist. Der Schaden tritt erst ein, wenn ihm die Assistentin ein
„Nein ohne Lösung“ zumutet oder wenn der Anwalt nicht oder nicht innerhalb der
versprochenen Zeit zurück ruft.
Eine geschulte Assistentin vermittelt stets den Eindruck von Erreichbarkeit des
Anwalts und regiert aus diesem Grund seinen Terminkalender. Manche Anwälte
sind dagegen. Sie geben an, dass
–– es „bei uns nicht anders geht“,
–– sie andernfalls nicht „Herr ihrer Zeit“ sind,
–– ihre „Sekretärin das nicht überschaut“.
Ihre Assistentin wird, so bleibt zu hoffen, für die Erledigung eines Teils anwaltlicher B-Aufgaben bezahlt, die – bei korrekter Delegation – für die Assistentin zu
A-Aufgaben werden.
Falls Sie bislang diese Delegation gescheut haben, weisen Sie Ihre Assistentin
probehalber für vier Wochen an, eigenständig alle Termine zu verwalten. Hier kommt
ein Text, den sie dazu auswendig lernen kann. Mandanten schätzen diesen Text, weil
sie hier „die Wahl haben“. Der Text zur Terminvereinbarung – hunderte von Malen
erfolgreich getestet – lautet:
„Wenn ich das alles richtig verstanden habe, Herr Berger, benötigen Sie dringend
einen Termin bei unserem Spezialisten/Fachanwalt für X-Recht, Herrn Rechtsanwalt Dr.
Burgner. Ich habe schon mal in seinem Kalender geschaut und zwei Termine für Sie
zur Auswahl gefunden. Der erste ist schon Freitag um 14.30 Uhr, der zweite wäre in der
nächsten Woche am Dienstag um 15.15 Uhr. Welchen nehmen Sie?“
Sprachstrategen unter Ihnen bemerken den Indikativ im ersten, den Konjunktiv im zweiten Teil des Satzes. Der erste Termin wird also „nahe gelegt“, während
der zweite „auch möglich“ ist. „Schon“ suggeriert zeitnahe Erledigung, die beiden
Termine und die offene Frage ermöglichen dem Mandanten eine „gefühlte Wahl“.
Der Subtext ist hier dreifach:
–– Wir haben viel zu tun!
–– Wir sind gern für Sie da!
–– Wir sind gut organisiert!
In manchen Rechtsgebieten wird sie vielleicht nach der generell besten Terminzeit
fragen, („Passt es Ihnen besser vormittags oder nachmittags?“), bevor sie denselben
Text aufsagt.
Falls Sie ausnahmsweise selbst einen Termin mit einem neuen Mandanten verabreden, ist Ihr erster Schritt, diesen an Ihr Büro zu übermitteln. Falls Sie einen
elektronischen Kalender verwenden, programmieren Sie ihn bitte so, dass er automatisch Kalender-Daten an Ihr Büro überträgt.10
10 Informieren Sie sich in diesem Zusammenhang auch über „Cloud Computing“!
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32 Assistentin
Gewöhnen Sie sich an, wichtige Besprechungs-Termine als A-Termine in
Ihrem Kalender farblich zu kennzeichnen. Dadurch weiß ihre Assistentin, dass diese
Termine Vorrang haben: sie wird diesem Mandanten vorgestellt werden, sie darf in
der Zeit nicht Mittagspause machen, sie muss andere Termine ggf. verschieben, sie
muss evtl. andere Getränke im Konferenzraum eindecken (nach Cappuccino fragen,
statt nur eine Kanne Kaffee hinzustellen), den besseren Konferenzraum reservieren,
ihn beim Empfang unbedingt mit Namen ansprechen, er darf immer durchgestellt
werden, seine Schriftsätze werden zeitlich vorgezogen etc.
6. I hre Assistentin gibt dem Mandanten „Hausaufgaben“ für das Erstgespräch
Hausaufgaben sind ein wichtiges Akquise-Instrument! Sie beweisen eine gute
Teamkoordination und stärken die Autorität Ihrer Assistentin dem neuen Mandanten gegenüber.
Voraussetzung dafür ist lediglich Ihre Anweisung an Ihre Assistentin, den neuen
Mandanten über alles zu informieren, was er vor dem ersten Gespräch erledigen und
zum ersten Gespräch mitbringen muss. Dazu benötigt sie Listen.
„Darf ich Sie bitten, drei Unterlagen zu Ihrem Gespräch mitzubringen? Dann geht
alles viel schneller. Haben Sie etwas zu schreiben? (warten). Also erstens den Kaufvertrag. Dann die x-Urkunde und drittens die y-Korrespondenz. Schaffen Sie das alles bis
Donnerstag 14.30 Uhr?“ (Termin wiederholen und Kontrollfrage).
Teilen Sie bitte Ihrer Assistentin mit, welche Unterlagen und Vorleistungen sie
für das erste Gespräch anfordern soll. Ein Beispiel: Die Assistentin eines Arbeitsrechtlers sollte – im Falle längerer Abwesenheit des Chefs – aufgefordert sein, den
Erst-Anrufer auf das Erstellen einer Zeugenliste vorzubereiten, wenn es sich bei
diesem um eine fristlose Kündigung handelt.
Der Satz „Bringen Sie bitte Ihre gesamte Korrespondenz schon einmal chronologisch geordnet mit“ wird wegen der fehlenden Spezifizierung und wegen der griechischen Vokabel oft missverstanden und ist damit untauglich.
Bitte bedenken Sie, dass Hausaufgaben nur erledigt werden, wenn sie stringent,
verständlich und charmant genug präsentiert werden; niemand folgt gern einem
Imperativ, wenn er sich ohnehin schon klein fühlt.
7. Ihre Assistentin neutralisiert Attacken und nutzt Beschwerden
Unspezifizierte und unquantifizierte Attacken fordern von Ihrer Assistentin alles.
Gehen Sie mit ihr die zehn hauptsächlichen Einwände und Attacken durch, die
sie am Telefon hört. Sie werden feststellen, dass mindestens die Hälfte davon durch
gebrochene Versprechen ausgelöst worden sind. Das ist wichtig für ihre Reaktion,
denn diese ist bei trainierten Mitarbeitern zwei-geteilt:
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III. Die Kanzleiorganisation: Aufgaben der Assistentin (II) 33
a) Beschwerdemanagement11
Sobald eine Verfehlung der Kanzlei Beschwerden ausgelöst haben, befinden Sie sich
im „Beschwerdemanagement“. Beschwerdemanagement ist ein Akquiseinstrument! Es sind vollkommen andere Kommunikationsstrategien als beim vorherigen
Punkt angezeigt, um Beschwerden in Pluspunkte umzuwandeln!
Zunächst entschuldigt sich die Assistentin sofort: „Es tut mir wirklich leid, was
da passiert ist. Das ist gewiss nicht im Sinne unserer Kanzlei. Ich möchte mich zunächst
dafür entschuldigen und Ihnen anbieten, mich jetzt persönlich darum zu kümmern.“
Ihre Assistentin macht sofort pro-aktive Angebote und gibt bekannt, dass sie mitschreibt, die Beschwerde weiter leiten und recherchieren wird, wie es passieren
konnte. Manch präsentationsstarke Assistentin hat sogar gute Erfahrungen damit
gemacht, nach weiteren Beschwerden zu fragen, die sie selbstverständlich „Optimierungsmöglichkeiten“ nennt: „Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie uns das
so offen sagen. Für uns ist das wichtig, weil wir dann wissen, in welchen Bereichen
wir unsere Leistungen weiter verbessern können. Darf ich fragen, ob Ihnen weitere Optimierungsmöglichkeiten aufgefallen sind? Ich würde sie gern ebenfalls weiter
leiten.“
b) Aggressiv unterlegte oder gewohnheitsmäßige Attacken
Liegt dagegen keine Verfehlung durch Sie oder Ihre Kanzlei vor, befindet sich Ihre
Assistentin im Bereich der Neutralisierung von aggressiv unterlegten oder gewohnheitsmäßigen Attacken.
Solche Attacken deuten auf stammhirnliche Aktivitäten des Sprechers hin und
sind motiviert durch die beiden Impulse Flucht (=„Abhauen“) und Kampf (=„Draufhauen“), in beiden Fällen also durch „hauen“.
Entwicklungsgeschichtlich gesehen sicherten diese beiden Impulse das Überleben der Gattung Säugetier, und tatsächlich bedienen sich untrainierte Zweibeiner
auch heute noch animalisch-reflexhaft dieser beiden Impulse:
–– Rechtfertigung, Schweigen oder Übergehen („Abhauen“)
–– Gegenangriff, Zurechtweisung oder Vortrag („Draufhauen“)
Trainierte Assistentinnen dagegen entmachten Aktivitäten des Stammhirns, indem
sie einen unmittelbaren Denkzwang auslösen. Zu diesem Zweck spezifizieren und
quantifizieren sie jede Art von Angriff durch offene Fragen: „Wann genau ist das passiert? Ich würde mir das gern mitschreiben.“ „Was kann ich tun, um weiter zu helfen?“
„Wie wollen wir verbleiben?“ „Was kann ich noch für Sie tun?“ „Was darf ich ausrichten?“
Diese Technik der Frage zwingt Angreifer zum Denken, minimiert Widerstände
und schlechte Laune und blockiert dadurch die stammhirnlichen Impulse „Flucht
11 Vgl. zum Beschwerdemanagement das Kapitel „Kanzleimarketing“.
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34 Assistentin
und Kampf“ zugunsten des Denkhirns, das trotz seiner entwicklungsgeschichtlichen
Pubertät (es ist einige Millionen Jahre jünger) durchaus erwachsen funktionieren
kann – wen man es lässt.
8. Ihre Assistentin spricht nicht über Honorare
Anfragen häufen sich, in denen Ihre Assistentin am Telefon gefragt wird: „Ich möchte
mich scheiden lassen; wie teuer ist das bei Ihnen?“ Fast jede Assistentin könnte
das von ihren rhetorischen Fähigkeiten durchaus zufrieden stellend beantworten. Sie
sollte es jedoch aus zwei Gründen nicht tun: Sie wird in Debatten verstrickt werden,
die sie nicht gewinnen kann, und die Gegenleistung des Mandanten kann nicht
mehr in direktem Zusammenhang mit anwaltlicher Leistung erklärt werden; das
macht es dem Anwalt schwerer!
Bewährt haben sich zwei Antworten:
–– „Ich habe die Anweisung, über anwaltliche Honorare nicht zu informieren. In
allen Fällen gibt nur der Anwalt darüber Auskunft und das wird er auch erst tun,
nachdem er die Akte eingesehen hat. Alles andere wäre unseriös.“ Der Hinweis
auf die Anweisung und auf die „fehlende Seriosität“ wird weitere Nachfragen an
die Assistentin ganz ohne Drama verhindern helfen.
–– Es gibt nur eine Honorarinformation, die bei Bedarf schon im telefonischen
Empfang ausgesprochen werden sollte. Es ist die Antwort auf die ungeduldig
unterlegte Frage: „Sie müssen doch wissen, was ein erstes Gespräch kostet!“ In der
Situation hat sich vielfach bewährt: „Da haben Sie Recht. Bei einigen wenigen
unserer Mandanten (Perspektivwechsel!)12 hat ein einziges Gespräch ausgereicht,
und das kostet maximal 190 Euro plus MWSt.“
In machen Kanzleien ist der Telefonempfang angewiesen, den Honorarmodus (etwa:
Vorschussforderungen, PKH Anträge etc.) sofort zu erwähnen. Bitte auch in diesem
Fall eine einheitliche Anweisung geben, wie sich verhalten werden soll.
IV. Kanzleiführung – Anwälte unterstützen ihre AssistentinnenIV.
Der Telefonservice ist eine zentrale Managementaufgabe. Anwälte unterschätzen
ihn – bewusst oder unbewusst – vor allem in seiner akquisitorischen Funktion.
Anwälte sind Führungskräfte! Sie haben durch Anweisungen, deren Kontrolle und
durch ein einheitliches, verlässliches Führungsverhalten dafür zu sorgen, dass
der Telefonservice die Akquise befördert.
12 Perspektivwechsel wird erklärt im Kapitel „Durchsetzung“.
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IV. Kanzleiführung – Anwälte unterstützen ihre Assistentinnen 35
Motivation und das Gefühl, in den Kanzleizusammenhang mit festgelegten Aufgaben sicher eingebunden zu sein, gibt den Mitarbeitern Selbstbewusstsein und
wird sie beflügeln, eigenständiger zu arbeiten, den Chef gern und bedeutend umfassender zu entlasten, den „Griffel nicht um 17 Uhr wegzuwerfen“ und die Mandanten
als höchstes Gut der Kanzlei zu sehen. Motivieren Sie Ihre Assistentinnen dazu!
Machen Sie sich bewusst:
Tipp
Wenn einer nur darf, wenn er soll aber nie kann, wenn er will, dann mag er auch nicht, wenn er muss.
Wenn er aber darf, wenn er will, dann mag er auch, wenn er soll, und dann kann er auch, wenn er
muss. Daraus folgt: Diejenigen, die können sollen, müssen wollen dürfen!
Durch die enge Verbindung zwischen Assistenz und Anwalt und durch klar kommunizierte Koordination beidseitiger Aufgaben wird Akquise einfach!
Bei jedem In-house-Telefontraining sind daher die Chefs bzw. Partner der Sozietät oder des Standorts aufgerufen, während der letzten Stunde des Trainings dabei zu
sein. In dieser Stunde erfahren sie in Gegenwart ihrer Assistentinnen, was sie selbst
tun könnten, um den Telefonservice noch effizienter zu gestalten. Die Assistentinnen präsentieren bei dieser Gelegenheit ihren Chefs eine Wunschliste:
■■ Genaue Anweisungen geben, an die sich alle Anwälte halten
–– Sollen wir eigenständig die Terminvergabe regeln?
–– Welche Papiere muss der Erstmandant mitbringen?
–– Wer ist A-Mandant mit welchen Sonderrechten?
–– Sollen wir den Kern der Sache erfragen und auf der Rückrufmail vermerken?
–– Sollen wir die Daten des Erstanrufers komplett erfragen und in die Kundenkartei eintragen?
■■ Rückrufe
Bitte alle Rückrufe unbedingt immer wie versprochen durchführen. Alles andere
vergeudet Zeit und Energie. („Mandanten werden sauer und lassen das bei uns ab.
Sie blockieren 1/3 unserer täglichen Telefonzeit.“).
■■ Nie ein „Nein ohne Lösung“ bieten!
Auch Anwälte halten sich an diese Regel! Wenn „jetzt“ kein Anrufer durchgestellt
werden darf, wann dann? („Wir müssen sonst 30x am Tag lügen und vertrösten.“)
■■ Den Empfang entlasten (besonders in Großkanzleien)
Er hat besonders vor 9.00 Uhr und nach 17.00 Uhr viele Doppelaufgaben mit der Folge,
dass in diesen Zeiten Mandanten-Anrufe zu den Sekretariaten einfach durchgestellt
werden, ohne Ansprache und Weitergabe von Informationen. Weitere Folge davon:
auf dem Display ist meistens noch „Empfang“ zu erkennen, so dass die Assistentin
denkt, dass es sich um einen internen Anruf vom Empfang handelt und sich entsprechend leger mit „Hallo Sabine“ am Telefon meldet.
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1
36 Assistentin
Höflichkeit
Ihrer Mitarbeiterin pro-aktive Höflichkeit zeigen und sagen, wann aus den Sekretariaten etwas benötigt wird, statt wild herum zu suchen („Wir helfen gern.“).
■■ Probezeit einrichten
Eine Probezeit einrichten für das persönliche Vorstellen neuer Mandanten und für
das Senden einer Begrüßungsmail. („Wir würden beides gern mal ausprobieren.“).
■■ Loben
Mehr loben („Wir möchten ernsthafter und konkreter gewürdigt werden.“) und
häufiger konstruktiv kritisieren („Wir wüssten immer gern, wie wir etwas besser
machen können.“).
■■ Kooperation
Unbedingt an einem Strang ziehen! („Der eine sagt das, der andere das; wir können
es keinem Recht machen.“)
■■ Terminkalender
–– Ihre Terminkalender vereinheitlichen und synchronisieren („Acht Anwälte
verwenden vier unterschiedliche Kalender, einer davon ist aus Papier und liegt
im Anwaltszimmer unter einem Meter Akten.“).
–– Alle Abwesenheitszeiten und ungestörte Arbeitsstunden in der Anwaltssoftware eintragen. („Wir müssen uns sonst immer was aus den Fingern saugen. Ganz
peinlich, wenn der Anwalt mit dem Mandanten bereits geredet hatte. Wenn wir
das nicht wissen und auftragsgemäß behaupten, er sei weg, wird unsere Flunkerei auch noch enttarnt!“)
–– Alle Namen von Besuchern eintragen, damit wir die Gäste freundlich mit korrekten Namen begrüßen können. („..., auch wenn sie den Anwalt nur mittags
zum Lunch abholen.“)
■■ Konferenzräume
Alle Konferenzwünsche rechtzeitig mitteilen. („Das Eindecken eines Raums kostet
Zeit. Das geht nicht auf Zuruf!“)
■■ Mandantendatei
Ihre Kundenkartei regelmäßig pflegen lassen („Wir können keine sicheren
Kollisionsprüfungen durchführen, wenn ein Gegner nicht oder nicht vollständig
in der Kundenkartei aufgeführt ist. Wir pflegen die Kundenkartei auch gern selbst,
brauchen dafür aber eine Anweisung.“)
■■ Mitarbeiter-Feedback
Ein regelmäßiges Mitarbeitergespräch einrichten, um Abläufe zu optimieren.
■■
1
Tipp
MMM, der „Montag-Morgen-Muntermacher“ hat sich bewährt, ein „jour fixe“ einmal im Monat; wechselnde Partner/Chefs richten ein Arbeits-Frühstück für alle aus – mit Tagesordnung! – ab 8.00 Uhr
pünktlich. Alle sind zur Anwesenheit verpflichtet.
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IV. Kanzleiführung – Anwälte unterstützen ihre Assistentinnen Erfolgstipps
– Binden Sie Ihre Assistentin viel mehr in die Akquise ein!
– Geben Sie mehr Anweisungen organisatorischer Art – und halten Sie diese selbst ein!
– Fordern und fördern Sie sie viel mehr! (ehrliches Lob und detailreiche Kritik!)
– Richten Sie den „MMM“ ein – Montag-Morgen-Muntermacher! (jour fixe)
– Geben Sie organisatorische Aufgaben an sie ab. Schaffen Sie sich Zeit für A-Aufgaben!
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1
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Beauty Contest
90% direkte Akquise 10% indirekte Akquise
„Das ist ein Mix aus blinde Kuh und russischem Roulette“, beschreibt der Inhaber einer
Werbeagentur1 diese Akquisemethode – und viele Anwälte schimpfen mit ihm: Die verlangte Präsentation einer Kanzleileistung für einen Anfrager wird „Beauty Contest“
oder synonym auch „Pitch“ genannt. Die Methode ist teuer, zeitaufwändig und vollkommen unsicher im Ergebnis.2 Zu viele Faktoren beeinflussen die Entscheidung.
Wer jedoch durch dieses Akquise-Instrument schon Mandate und Mandanten
gewonnen hat, strebt Einladungen zu solchen „Schönheitswettbewerben“ immer
wieder an – und bekommt sie auch!
Dieses Kapitel wird in elf Abschnitten behilflich sein, Ihre Kanzlei für Einladungen zu solchen Pitches zu qualifizieren und Ihre Chancen während eines solchen
Auswahlverfahrens zu erhöhen:
I.
Definition
II.
Steckbrief
III. So werden auch Sie eingeladen
IV.
Vorbereitung
V.
Anforderung an die Präsentatoren
VI. Präsentationsteam
VII. Auswahlkriterien der Anfrager
VIII. Rhetorik
IX. Fragen der potenziellen Mandanten
X.
Aus diesen Gründen scheitern Anwälte im Beauty Contest
XI. Peer-Review-Verfahren
I. DefinitionI.
Der „Beauty Contest“ ist der Wettbewerb mehrerer Kanzleien um ein meist zeitlich
und finanziell umfängliches oder auch sehr spezialisiertes, in jedem Fall imageträchtiges Mandat. Die Anfrager sind oft Rechtsabteilungen eines Konzerns auf der
1 Eduard Böhler, Präsident des Creativ Club Austria (CCA).
2 Viele Kanzleien wurden mehrfach zweite, blieben jedoch positiv in Erinnerung der Anfrager mit
der Folge späterer Mandatierung – und dann ohne weitere Präsentation! Die Mühe lohnt sich nachgewiesenermaßen auch, wenn Sie mehrmals zweiter oder sogar Dritter werden!
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40 Beauty Contest
Suche nach quantitativer oder qualitativer Unterstützung oder auch mittelständische Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung, die vor einer großen Aufgabe stehen
und ein juristisches Beraterteam brauchen.
Die erweiterte Definition umfasst im viel kleineren Bereich alle Situationen, in
denen ein zukünftiger Mandant anruft, um Anwälte in ihren Leistungen zu vergleichen, bevor er das Mandat erteilt.
II. SteckbriefII.
Seit 1995 trainieren deutsche Anwälte3 ihre Präsentationstechniken und Teamauftritte für diese „wichtigsten 45 Minuten meiner Karriere seit dem Staatsexamen“ (ein
Anwalt).
Die telefonische Anfrage nach einem „Beauty Contest“ dauert im Regelfall zwischen 3 und 15 Minuten, die schriftliche per E-Mail oder Brief kann von vier Zeilen bis
zu drei DIN-A-4 Seiten lang sein.
Die Anfrager sind in der Regel Aktiengesellschaften oder größere GmbHs sowie
stark spezialisierte, kleinere Mittelständler. Manchmal stellen Rechtsabteilungsmitarbeiter den Kontakt her, manchmal treten diese gar nicht in Erscheinung. Inhabergeführte Mittelständler melden sich entweder persönlich oder lassen durch ihren
Geschäftsführer den Bedarf skizzieren.
Je höher das erwartete Honorarvolumen, je langfristiger der erhoffte Imagegewinn und je größer die Chancen zu gewinnen, desto mehr Zeit und Geld investieren Anwälte in seine Vorbereitung. Sie bereiten sich zwischen einem halben Tag für
einen Anwalt und zwei Wochen für drei Anwälte vor. Für jede Teilnahme werden zwischen € 1.000 und € 150.000 investiert. Einschlägig arbeitende Kanzleien erhalten bis
zu fünf Anfragen im Monat.
Nicht jede angesprochene Kanzlei darf sich persönlich präsentieren. Bereits das
vorab schriftlich eingereichte Material führt bei etwa jeder dritten Anfrage zur
Absage. Verantwortlich dafür sind unergiebige Referenzmandate4 und unzureichende Deallisten.
Zwischen Anfrage und Präsentation vergehen bis zu 14 Tage. Das Ergebnis erhält
man meist wenige Stunden danach, spätestens nach zwei Wochen.
Die Präsentationsteams bestehen auf beiden Seiten aus jeweils bis zu fünf Mitgliedern. Die Präsentation selbst dauert zwischen 30 und 200 Minuten.
Die benötigten Rechtsgebiete umfassen hauptsächlich M & A, Gesellschafts-,
Arbeits-, Internationales Steuer-, Kartell- und Wettbewerbsrecht. In internationalen
Zusammenhängen werden während der Präsentation per Video oder Telefon Kanz-
3 Amerikanische Anwälte verwenden diese Methode seit 1989.
4 Vgl. auch Kapitel „Reputation“.
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III. So werden auch Sie eingeladen 41
leipartner zugeschaltet. Immer häufiger finden die Präsentationen in Englisch statt
und immer mehr mittelständische, spezialisierte Kanzleien und auch Boutiquen
werden um eine Beteiligung gebeten.
III. So werden auch Sie eingeladenIII.
Wie gelangt man auf die Einladungsliste zu einem Beauty Contest? „Interne Mundpropaganda ist der beste Weg“, berichtet Thomas Lünendonk.5 Er hat 32 Konzerne,
darunter 17 DAX notierte Unternehmen zu ihren Auswahl-Modi für Berater befragt.
Alle haben einen Kriterienkatalog für Beratungsaufträge.
Professionelle Einkäufer von Rechtberatungsleistungen haben eine gute Nachricht für Anwälte mit Expansionswünschen: Diese müssen nicht länger unbedingt
mit dem Vorstand eines Unternehmens Golf spielen, um einen Beratungsauftrag zu
ergattern. Es zählen nicht mehr – wie früher – die Beziehungen nach ganz oben bei
der Akquise, sondern „heute sollten Berater auch in Kontakt bleiben mit Projektleitern
und dem Einkauf. Denn der pflegt die Beraterlisten und hält deren Leistungen nach. […]
Viele Berater versuchen auch, durch kostenlose Workshops und Projekte einen Fuß in
die Firmentür zu kriegen und ihre Referenzlisten aufzuhübschen.“6
Reputation7 ist in jedem Fall entscheidend für die Häufigkeit solcher Einladungen. „Wer keinen etablierten Namen hat, kann hier nicht mitmischen“, beschreibt
Markus Hartung8 die Konsequenz einer hauptsächlich umsatzbasierten Splittung
der deutschen Anwaltschaft in den letzten acht Jahren. Mit einer Vielzahl wegweisender Zahlen erläutert Hartung, dass, wodurch und wie sehr sich in Deutschland
die 30 umsatzstärksten Kanzleien von der Restgruppe abgesetzt haben und warum
das für andere Kanzleien schwer einholbar ist.
Indiziell belegten, laut Hartung, konstant angestiegene Anwaltshonorare in
diesem Segment einen „Nachfrageüberhang“ in Großkanzleien. Dieser sei dadurch
möglich geworden, dass die Anfrager sich bislang nicht um kostengünstigere Alternativen zur Rechtsberatung durch Großkanzleien gekümmert hätten.
Diese Erkenntnis bietet eine großartige und bislang völlig ungenutzte Akquisechance für Boutiquen: Überdeutliches Engagement, kontinuierliche Spezialisierung und ein unveränderter Zielfokus in Verbindung mit der Wendigkeit einer
5 Thomas Lünendonk, Gründer der Lünendonk GmbH – Marktforschungsinstitut in Kaufbeuren
zitiert nach „Berater auf dem Laufsteg“, Terpitz, Handelsblatt online v. 15.5.2007.
6 Susanne Koppelmann, verantwortlich für den Einkauf von Professional Services bei der Bayer AG,
zitiert nach „Berater auf dem Laufsteg“, Terpitz, Handelsblatt online v. 15.5.2007.
7 Vgl. auch das Kapitel „Reputation“.
8 „Marktentwicklung bei großen wirtschaftsberatenden Kanzleien in Deutschland“, Anwbl 2011,
S. 607, 611; Markus Hartung ist Direktor des „Bucerius Center on the Legal Profession“ an der Bucerius Law School in Hamburg.
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42 Beauty Contest
kleinen Organisation, das macht Boutiquen zu relevanten Marktplayern. Alle Faktoren formen gemeinsam den „Namen am Markt“. Boutiquen mit Stärken in allen vier
Bereichen schlagen Großkanzleien schon heute.
Sie schaffen den Einstieg in die „Luxusliste“ der 30 Großkanzleien durch vier
Maßnahmen:
– Nutzen Sie den Kostendruck in Unternehmen nach der Währungskrise und
bieten geringere Stundensätze.
– Senken Sie die Eintrittsschwelle durch inhaltlich begrenzte „Probemandate“
und bieten eine reelle Vergleichsmöglichkeit zu Großkanzleien.
– Beweisen Sie wendige Kompetenz, besondere Flexibiliät (klein ist schnell!),
eine erhabene Publikationspolitik (auch elektronisch) und eine durchgehende öffentliche Vortragstätigkeit auf eingeschränkten Gebieten9 für eine
begrenzte Klientel.
– Weisen Sie ein an den Schnittstellen störungsarmes Kooperationsnetz nach.
IV. Anforderung an die PräsentatorenIV.
Die Anforderungen an die Präsentatoren werden schärfer. Ein Erfolgsfaktor für
den Sieg war unter anderem der Umgang mit den folgenden Punkten.
Anfrager aus Dax Unternehmen haben schon:
■■ umfängliche Angebote über Wochenenden und Feiertage verlangt.
Wie wichtig ist es Ihnen? Falls Sie das Mandat haben wollen, ohne zu murren über
das Wochenende zu arbeiten. Splitten: Nur das wichtigste Drittel zur Präsentation
mitbringen, den Rest mit Zeitlimit ankündigen und, so gut es eben geht, mündlich
vortragen. Zur Not: Falls sich etwas verschieben lässt, ganz verschieben.
■■ viel zu kleine und zu dunkle Räume ohne ausreichende Getränke angeboten.
Manieren sind Glückssache. Egal, ob dies aus taktischen Gründen oder versehentlich oder mangels anderer Räume geschieht: Übersehen, übergehen, das Beste
draus machen! Bestaunen Sie die Riten Ihrer Gastgeber, ohne sie je übel zu nehmen
oder gar zu übernehmen! Dissoziieren Sie sich. Keinerlei Bemerkung dazu, falls
keine vom Gastgeber kommt!
■■ Kanzleien rausgeschmissen, weil ein Anwalt die Abteilungsleiterin (verwechselt mit Sekretärin!) um einen Kaffee gebeten hatte.
Sie haben keine Hoheit in diesem Gewässer! Reißen Sie sich zusammen! Kommen
Sie ohne Kaffee aus oder fragen Sie im Notfall offen den Konferenzleiter! Er ist hier
der Chef. Vorsicht! Normalerweise ist es ihm peinlich, wenn seine Mitarbeiter so etwas
vergessen haben. Beobachten Sie lieber zuvor, ob anderen dasselbe fehlt wie Ihnen,
machen Sie evtl. Allianzen und schauen Sie, wie die anderen das regeln. Dieser Fall
9 Vgl. auch das Kapitel „Reputation“.
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IV. Anforderung an die Präsentatoren 43
ist so selten, denn der Anfrager will nicht Ihre Ich-Resistenz testen, sondern Ihre
Kompetenzen kennen lernen! Daher wird er Sie gut behandeln!
■■ vier Anbieter innerhalb von zwei Stunden eingeladen; alle trafen sich im Flur.
Das ist ein Vorteil! In einem solchen Fall wissen Sie, dass der Anfrager es entweder
bewusst oder unbewusst auf einen Stresstest angelegt hat, übrigens auch für
sich selbst. Vielleicht will er nicht zwei Tage das Hotel bezahlen! Vielleicht kam das
Konsortium nur an dem Tag zusammen. Vielleicht ist es auch für den Anfrager aufreibend und ungemütlich. Lächeln Sie darüber. Freuen Sie sich, dass Sie zu den
Eingeladenen gehören. Nutzen Sie auch die Zeit, um herauszubekommen, wie die
anderen auftreten.
■■ während der Präsentation gegähnt und auf die Uhr geschaut.10
Das ist ein derzeit noch kostenloser Hinweis: Sie lösen Langeweile aus! Selbst nach
einer durchzechten Nacht oder nach Störungen durch drei masernkranke Kinder darf
der Anfrager nicht gähnen müssen, während Sie Ihre Leistungen präsentieren! Sie
haben doch hoffentlich nicht als vierter Präsentator langweilige Informationen von
langweilen PowerPoint Folien abgelesen? Nehmen Sie es immer als Ansporn, Ihre
Präsentation ohne jede Zeitverzögerung zu unterbrechen. Sofort Beamer aus.
Alles dialogisieren. Sofort mehr Fragen stellen! Gehen Sie auf die Meta-Ebene:11
„Bin ich auf der richtigen Spur oder habe ich das Thema verfehlt? Ich glaube, ich
setze noch mal an.“ Oder: „Ich habe den Eindruck, dass ich doch Ihren Bedarf nicht
hundertprozentig treffe. Welche Richtung wünschen Sie?“
■■ sich in Dialoge mit einem Anwalt begeben; alle anderen aus dem Anwaltsteam kommen nicht zu Wort.
Sie beweisen dadurch Ihre schlechte Vorbereitung! In Ihrem Präsentationsteam
sind mehrere Anwälte? Dann obliegt es dem „Senior“ der Runde, dafür zu sorgen,
dass alle in der Runde ihre Kompetenzen beweisen können. Eine Fachfrage, die
ihm gestellt wird, gibt er weiter an seine Teamkollegen! Für den Akquisefehler
„Dialogfalle“ sind immer zwei verantwortlich: der, der sie anstößt und der, der so
etwas zulässt! Wozu haben Sie Ihre Teamkollegen mitgebracht? Ein Desaster, wenn
einer aus Ihrem Team nicht zu Wort kommt! Sie erwecken dadurch den Eindruck, altmodisch patriarchalisch organisiert zu sein und vor allem: dass Sie Ihrem eigenen
Team nichts zutrauen (!), dass das Team selbst nichts kann und keinen Ehrgeiz
hat!
■■ den Termin einen Tag vor der Präsentation abgesagt.
Niemals persönlich nehmen. Nach Gründen fragen. Oft sind die ganz harmlos.
Fragen nach Ersatztermin, wenn der nicht sofort mitgeteilt wird. Fragen, was
mit dem eingesandten Material geschehen soll. Fragen, ob weiteres Material
10 Das ist selbstverständlich eine Folge langweiliger Präsentation.
11 Meta-Ebene = eine Ebene „höher“, nämlich „über das Gesprochene sprechen“ („Ich glaube, jetzt
habe ich es unverständlich dargestellt. Ich fange noch mal neu an.“).
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44 Beauty Contest
gewünscht wird. Nach Themen fragen, die man in der Zwischenzeit vorbereiten
darf. Sich freuen, dass Sie viel Zeit gewonnen haben! Gehen Sie endlich mal vormittags Eis essen!
■■ ihre Einkäufer mitgebracht, nur um den Preis zu drücken.
Niemals persönlich nehmen. Das würden Sie doch auch tun, wenn Sie der Anfrager wären. Das ist also nicht schlimm. Schlimm ist, wenn Sie Ihre Antworten auf das
zu erwartende Gefeilsche nicht genauestens einstudiert und mit allen anderen
abgesprochen haben. Schlimm ist, wenn Sie sich in der Partnerrunde nicht klar
sind, wie Sie gemeinsam mit so etwas umgehen, und schlimm ist, wenn Sie vor Ort
einknicken und von einer einmal geäußerten Honorarforderung abgehen, weil
jemand Einwände hat. Das beschädigt Ihr Image nach außen und sorgt auch nicht
immer für ein kongruentes Selbstbild. Lieber von vornherein die Bedingungen für
Pauschalen nennen oder eine „Einstiegsrate“ für den ersten Teil des Mandates
vorschlagen.
■■ Spezialwissen aus einem Pitch gesaugt, ohne zu beauftragen.
Einzige schlüssige, mir bekannte Lösung: Sich still ärgern und beim zweiten Mal
erneut antreten. Etwas Verlust ist immer! Komplizierte rechtliche Fragen schließen
sich an eine solche Situation an.12 Sie zu verfolgen, hieße: für immer den Kontakt
abbrechen, sich als schlechter Verlierer zeigen und nicht die eigene Prophylaxe zu
optimieren. Die besteht in der Beantwortung folgender Fragen im Vorfeld der Präsentation: Wie groß ist das Auftragsvolumen? Wie viele/welche Mitbewerber habe
ich? Wann wird der Pitch entschieden? Es gibt übrigens „schwarze Schafe“, die für
das honorarlose Abgraben von Spezialinformationen bekannt sind; sie wollen sich
Anwaltshonorare ersparen. Sprechen Sie das an, von Geschäftsfrau zu Geschäftsfrau:
„Sie wissen ja wie das im Geschäft läuft: Irgendwann möchte man ein Ergebnis sehen.
Deshalb meine Frage: Wann dürfen wir mit dem nächsten Schritt rechnen?“
V. VorbereitungV.
„Der Anfrager braucht normalerweise keine Beweise für unser Fach- und Branchenwissen; er will vor allem sicher sein, dass wir sein Vertrauen rechtfertigen.“ So skizziert
ein Partner einer Großkanzlei die Notwendigkeit, sich auf den Anfrager einzustellen.
Vorbereitung, so führt er weiter aus, sei dabei fast alles; suboptimal informiert in
einen Beauty Contest zu gehen bedeute reine Geldverschwendung.
Was ist also zu tun?
Zunächst wird die Webseite des Anfragers akribisch studiert. Sie gibt Auskunft
über die Gesellschaftsform, aktuelle Firmenentwicklungen, Kooperationspartner,
12 Vgl. etwa http://www.karstenundschubert.de/nc/publikationen/designrecht.html, Schubert/
Jehle, „Fallstricke und rechtliche Möglichkeiten bei der Teilnahme an Pitches“.
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V. Vorbereitung 45
Großaufträge, Presseberichte, patentierte Produkte, derzeitige und frühere (Rechts-)
Berater, Öffentlichkeitsarbeit, Personalwechsel in der Führung, Fusionen, hierarchische Strukturen, derzeitige Projekte, Unternehmens- bzw. Branchenvokabular und
neue Geschäftsfelder.
Dann wird das Anschreiben untersucht: Was braucht er wirklich? Welchen Bedarf
skizziert er wörtlich? Welcher gewöhnlich dahinter liegende Beratungsbedarf wird
nicht ausdrücklich erwähnt? Welche Rechtsberatungsfelder sind für ihn derzeit
uninteressant?
An dieser Analyse orientiert sich welches schriftliche Material dem Anfrager
vorab übersandt wird. Relevante Mandate werden in der Dealliste prominent erwähnt.
Gibt es eine Historie mit diesem Anfrager? Wie kam der Anfrager darauf, uns einzuladen? Vertreten wir seine Lieferanten? War schon einmal eine Führungskraft des
Hauses in einem unserer Vorträge? Gab es Messekontakte? In welche unserer Abteilungen oder Standorte bestanden schon einmal Verbindungen oder zu einer seiner
Gesellschaften? Wann war das? Wer war beteiligt? Mit welchem Ergebnis? Welche
Erfahrungen haben wir in der Branche zu bieten? Was kriegen wir außerdem über
unsere interne Dokumentation heraus?
Partner laden den Anfrager in manchen Fällen zum Lunch oder zu Industrieevents ein, besonders wenn sie ihn kennen, wenn Kollegen des Hauses ihn schon
beraten haben oder wenn sie dieses Vorgehen aus anderen Gründen als nicht peinlich oder übergriffig einschätzen.
Welche unserer bestehenden oder ehemaligen Mandate taugen in diesem Fall
als Referenz? Welche davon dürfen wir veröffentlichen? Welche unserer Mandanten
könnten wir zusätzlich um Genehmigung zur Veröffentlichung bitten? Kriegen wir
durch ein Telefonat mit dem Anfrager im Vorfeld der Präsentation weitere relevante
Informationen, die uns bei Auswahl der Unterlagen, bei der Zusammenstellung
des Teams und bei der Kurzpräsentation einer rechtlichen Vorgehensweise helfen
könnten?
Tipp
Die elektronische Standard-Kanzleipräsentation ist für fast jeden Anfrager aus zwei Gründen langweilig:
– Die Präsentation ist visuell intolerabel mit viel zu viel unsortierten Details und
– er kennt die Inhalte längst! Er hätte sich nicht an die Kanzlei gewandt, wenn deren Reputation im
angefragten Bereich nicht tadellos und über jeden Zweifel erhaben wäre. Kanzleipräsentationen
werden daher im Vorwege oft lediglich als elektronisches Handout überreicht.13
13 Anwälte aus Großkanzleien berichten, dass vorab übersandte Kanzleipräsentationen für die
Anfrager sogar so uninteressant sind, dass sie nicht einmal während der Präsentation ausgedruckt
vorliegen.
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1
46 Beauty Contest
Dann wird der Wettbewerb untersucht: Welche Kanzleien sind schon einmal in
der Presse zusammen mit diesem Anfrager aufgetaucht? Wissen wir, gegen wen wir
antreten? Was können wir besser als sie? Was haben dagegen die Mitbewerber, was
wir nicht haben? Wann treten wir an? Sind die Anfrager nach drei Präsentationen
schon müde oder jedenfalls am Anfang noch frisch?
Jede Kanzlei hat in den Augen der Anfrager Schwächen. Kanzleien ermitteln
ihre Schwächen selbst und lernen die Antworten auf besonders kritische Fragen in
diesem Bereich auswendig.
Bei wichtigen Präsentationen trainiert das Team seinen Auftritt. Exakte Abläufe
von Begrüßung bis zum Abschied werden nachgestellt, die Rollen der Teammitglieder festgelegt, der Moderatorenstatus14 wird geprobt, in Rollenspielen
werden weitere Schwächen aufgedeckt und weitere Stärken ausgebaut, kritische
Fragen werden beantwortet und ursprünglich eingeplante Folien werden in Anzahl
der Worte und Anzahl der Folien um mindestens 80 % reduziert.
Die Vorbereitungszeit kann bis zu 400x so lange dauern wie die Präsentation
selbst.
VI. PräsentationsteamVI.
Wer geht mit? Diese Frage richtet sich nicht nach Zeitplänen der Kanzlei, sondern
nach dem Bedarf des Kunden. „Meet the Need“15 ist das Erfolgsrezept! Alle explizit gewünschten Rechtsbereiche haben einen Vertreter am Tisch. Zusätzlich
empfiehlt es sich, nicht ausdrücklich erwähnte Rechtsgebiete zu repräsentieren, falls
diese im skizzierten Fall nötig werden. Teams wirken durch diese Maßnahme visionär und erfahren.
Das „Matching“ von Seniorität, Hierarchieebenen, Personenzahl, Geschlecht
und Sprache ist eine weitere Erfolgskomponente: Ist das Anfragergremium zusammen mit dem 62-jährigen Vorstand hochkarätig besetzt, fühlt es sich gegenüber einer
Runde frisch gegelter 38-jähriger Aufsteiger vermutlich nicht ernst genommen. Investmentbanker dagegen empfinden schlagartig Misstrauen, wenn sie zwei 60jährigen Anwaltsstars gegenüber sitzen. Sie fragen sich: Wo bleiben die jungen Wilden?
Veraltete und patriarchale Kanzlei-Strukturen werden von zwei Geschäftsführerinnen im Anfragerteam assoziiert, wenn eine in Ehren ergraute Herrenriege die
Kanzlei präsentiert. Gleichgültig gegenüber einem Mandat wirkt auch eine Kanzlei,
die nur einen Anwalt zu einer Präsentation vor vier Anfragern entsendet. Will der
Anfrager einen Teil der Produktion nach Polen verlegen, sollte ein polnischsprachi-
14 Der Senior moderiert das Gespräch, verteilt Redebeiträge und bringt selbst keinerlei inhaltliche
Beiträge.
15 In Deutsch etwa: „den Bedarf zufrieden stellen“.
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VII. Auswahlkriterien der Anfrager 47
ger Anwalt mitkommen oder per Video zugeschaltet werden können, zumindest
hätte man Zahlen und Fakten polnischer Kooperationspartner, darunter vor allem
Kenner des polnischen Steuerrechts, präsentationsfertig in der Tasche.
Interkulturelle Kenntnisse können entscheidungserheblich sein: Japaner benötigen für eine positive Grundstimmung dieselbe Anzahl von Personen auf der Gegenseite und empfinden auch ein eigenes „Nein“ als Beleidigung, Amerikaner lieben
Small Talk und sagen frei heraus, was sie denken.
Bei großen Transaktionen begleitet ein Seniorpartner das Team und nimmt die
Moderatorenrolle ein: Kommt eine Frage aus dem Arbeitsrecht, leitet er diese weiter
an seinen 20 Jahre jüngeren Spezialisten. Der Senior präsentiert dadurch sein Team
und zeigt, dass er den jüngeren Anwälten vertraut. Er hat sie eingestellt – und das
nicht ohne Grund! Dieses Verhalten ist überaus ansteckend und entlastet übrigens
während des Mandats in einem kuriosen Umfang Zeitkonten: der Mandant wird in
solchen Fällen nicht mehr verlangen, wegen jeder Frage den Senior zu sprechen.
Kann wegen der oftmals knappen Vorbereitungszeit nicht der passende Partner
zur Stelle sein, wird ein anderer mit den passenden Informationen geschickt. Findet
die Präsentation vor der Rechtsabteilung statt, sollte man sich vor allem auf die Erörterung von Rechtsfragen einstellen. Je mehr Nicht-Juristen auf Seiten der Anfrager
sind, desto weniger diskutieren sie Rechtliches!
VII. Auswahlkriterien der AnfragerVII.
Die Anfrage enthält Eckdaten und normalerweise keine Details. Trainierte Anwälte
fragen nach. Schon beim ersten Nachfass-Telefonat (E-Mails zum Nachfassen sind
suboptimal, um einen persönlichen Kontakt aufzubauen) erfassen sie daher möglichst viele Details des Bedarfs, erkennen vielleicht schon darin die Kaufkriterien
des Anrufers sowie Anforderungen an das Team und das vorab übersandte Material. Welche Fragen werden kommen? Welche sind schwierig zu beantworten? Besonders in Zeiten während und nach einer Kanzlei-Fusion werden darüber hinaus die
neuen strategischen Eckdaten der Kanzlei und die Antworten auf allgemeine und
spezielle Fragen abgestimmt und einstudiert.
Innere Auswahlkriterien der Anfrager, d. h. wichtige innere Werte, wie Qualität, Kompetenz, Zuverlässigkeit und Transparenz werden ebenso bei den künftigen
Rechtsberatern vorausgesetzt, wie untadelige Rechtskenntnisse und eine erstklassige Kosten-Nutzen-Relation. Seine Werte treten hauptsächlich durch folgende
Fragen in Erscheinung:
– Können die Service? Der entscheidende Unterschied liegt für ihn oftmals im
Service: Ist die Kanzlei in der Lage, während des Mandats immer denselben
Ansprechpartner zu bieten („One-Face-to-the-Customer“)? Werden Zeiten eingehalten? Sind die Teams flexibel? Werden Versprechen gehalten? Kommen alle
Informationen rechtzeitig? Machen die auch mal was am Wochenende?
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48 –
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–
Beauty Contest
Können die Empathie? Gekauft wird allein durch Vertrauen; die Rechtskenntnisse gibt es überall! Versteht und durchdringt der Anwalt das Anliegen?
Kennt er unsere Branche? Fühlt er sich in uns ein? Hat er seine Hausaufgaben
gemacht? Geht er ehrlich und lösungsbereit mit eigenen Schwächen um? Versteht er Widerspruch als Chance? Können wir ihm vertrauen? Kann man sich
an diesen Berater anlehnen und ihm andererseits vorgeben, was er tun soll? Wir
wollen keinen selbstverliebten Besserwisser oder sendungsbewussten Guru, aber
auch kein Weichei, das uns nie widerspricht!
Können die „One-Stop-Shop“? D. h. bietet er alles aus einer Hand an – besonders in solchen Fällen, in denen er selbst nicht alle gewünschten Rechtsberatungsleistungen bereit hält sondern durch Kooperationspartner abarbeiten
lässt? Sagen die uns rechtzeitig, wann wir am besten die Steuerrechtler hinzu
ziehen? Geht das alles über einen Tisch, und einer behält immer den Überblick?
Können die Transparenz? Sind die Anwälte bei der Erwähnung unserer Gegenleistung genauso sicher und verbindlich wie bei der Erläuterung ihrer Leistung?
Der Interessent hat Anspruch auf Transparenz. Das gilt für die fachlichen
Leistungen ebenso wie für die Kosteninformationen. Klare Unternehmensentscheidungen der Kanzlei sind Grundlage für Antworten auf Honorarfragen.
Gibt es generell Verhandlungsmöglichkeiten? In welchen Fällen wird pauschal
honoriert? Wann findet eine Deckelung statt? Welche Stundensätze werden für
wen berechnet? Diese Fragen müssen im Sinne der Corporate Identity an allen
Standorten gleich beantwortet werden.
Können die Team? Der Mandant stellt schnell fest, ob es sich hier um ein „lieblos
zusammen genageltes Team“16 handelt, oder um eine an den Bedürfnissen des
Anfragers orientierte situativ-pragmatische Zusammenstellung von „Projektmanagern“, die nur ein Ziel im Kopf haben: das des Anfragers.
Können die „was Besonderes?“ Liefert die Kanzlei Spezialservices?17 Hat sie
eigene Kontakte zu Versicherungen, Gegnern, Multiplikatoren? Teilen sie Hobbies
der Mandanten? Kommen sie manchmal zu uns statt wir immer nur zu ihnen?
16 Jörg Heynlein im Geschäftsbericht 2010 der KSB Intax Gruppe, S. 36, http://www.ksb-intax.de/
fileadmin/user_upload/KSB_INTAX_Gesch%C3%A4ftsbericht_2010.pdf. Ein großartiges Beispiel
von lustvoll und kraftvoll wirkender, verständlicher und ungewöhnlicher Öffentlichkeitsarbeit.
17 Zur Akquisition neuer Mitarbeiter führen manche Kanzleien auch für den Mandanten „Beauty
Contests“ durch und bieten im Bereich HR-Management weitere Dienstleistungen an.
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VIII. Rhetorik 49
VIII. RhetorikVIII.
Rhetorische Grundregeln bringen Sie ein gutes Stück weiter. Hier sind die wichtigsten, die bereits vielen Teams zu Erfolgen verholfen haben:
■■ Fragen18 Sie
Wer fragt, führt. Fragen geben dem Gegenüber Raum. Durch dessen Antworten
erkennen Sie die richtige (oder falsche) Richtung. Durch Fragen spezifizieren und
signalisieren Sie Interesse und Kompetenz. Sie verschieben dadurch den Redeanteil zugunsten des potenziellen Mandanten und erreichen eine unaufdringliche,
üblicherweise angenehm wirkende Führung.
■■ Bringen Sie Hauptsachen in Hauptsätzen
Hauptsätze haben die größte Aufmerksamkeit des Gesprächspartners. Hauptsätze sollten daher auch wichtige Botschaften transportieren. Für den Anwalt ist diese
Regel eine Herausforderung. Die Ausdrucksweise sollte kurz, konkret und präzise
sein. Drücken Sie selbst Unklarheiten klar aus.
■■ Paraphrasieren19 Sie
Die Zusammenfassung des Gesagten beseitigt nicht nur Missverständnisse und
Unklarheiten sondern bewirkt auch den Eindruck, man interessiere sich für Alltag,
Branche, Nöte und Besonderheiten des Anfragers und richte sich auf diese ein.
■■ Versehen Sie jedes „Nein“ mit einer Lösung
Ein „Nein“ ist für den Frager immer irritierend. Egal, ob es sich um Ablehnung, Relativierung oder Widerstand handelt. Kombinieren Sie Ihre „Neins“ sofort mit einer
Erklärung oder gar mit einer Lösung. Der Gesprächspartner gewinnt so den Eindruck, dass die Kanzlei lösungsorientiert ist. „Rechtlich wird das so nicht gehen, da
es gegen Bestimmungen des österreichischen Steuerrechts verstößt. Wir haben stattdessen folgenden Weg erfolgreich gewählt …“
■■ Strukturieren Sie Ihre Botschaften
„Da gibt es drei Dinge zu beachten, nämlich erstens ..., zweitens ... und drittens...
Bei welchem Punkt sollen wir beginnen?“20 Anwaltliche Botschaften haben für NichtAnwälte häufig keinen Anfang und insbesondere kein Ende. Fassen Sie sich kurz,
und lassen Sie Ihr Gegenüber bestimmen, bei welchem Punkt er mehr Informationen
benötigt.
■■ Zitieren Sie Anwesende
Anwälte geraten beim Sprechen gern und schnell in den Paragrafen-Rausch. Unterbrechen Sie den und geben Sie Ihren Hörern das Gefühl, nur für sie zu sprechen:
„Wir können zunächst von einigem Widerstand ausgehen, und das stützt Ihre These
18 Zur akquisitorischen Funktion von Fragetechniken s. das Kapitel „Durchsetzung“.
19 Siehe das Kapitel „Durchsetzung“ zur akquisitorischen Funktion der Paraphrase.
20 Siehe das Kapitel „Durchsetzung“ zur Strukturierung komplexer Botschaften für Laien durch das
„Brecht’sche Theater“.
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50 Beauty Contest
von vorhin, Frau Dr. Weißkirch, die Käufer werden sich wehren. Sie haben auch gute
Gründe dafür. Wir sollten also …“
■■ Spezifizieren und quantifizieren Sie Ihre Kompetenz
Der Anfrager ist an konkreten Zahlen und Fakten interessiert, denn er braucht ein
möglichst konkretes Entscheidungsgerüst. „Allein in den letzten beiden Jahren
(quantifizieren) war ich neunmal (quantifizieren) an der steuerrechtlichen Ausarbeitung von x (spezifizieren) beteiligt, davon dreimal (quantifizieren) in einem vergleichbaren Fall. Es ging konkret um die … (spezifizieren).“
■■ Perspektivwechsel21
Anwälte empfinden die Gratwanderung zwischen kompetenter Darstellung und
arroganter Wirkung wie die Wahl zwischen Pest und Cholera: Die Mandantenfrage
„Können Sie das wirklich?“ verführt sie zu nicht quantifizierbaren, arrogant wirkenden Redeweisen wie: „Wir können alles“, „Wir sind die Besten“, Wir haben
schon Schwierigeres geschafft“, „Wir sind die Nummer 1“, „Es gibt nichts, was wir
nicht können“. Der Sprecher erhebt sich dadurch über den Frager. Um das zu vermeiden, sprechen trainierte Anwälte bei Kompetenzanfragen stets aus der „Position nicht
anwesender Dritter“: „Unsere Mandanten erwähnen immer wieder, dass wir …“
Dadurch macht Angeberei einer nicht-defensiven Zurückhaltung Platz.
IX. Fragen der potenziellen MandantenIX.
Viele der von potenziellen Mandanten gestellten Fragen betreffen die Bereiche
Kosten, Qualität und Effektivität der Arbeit sowie die Zusammenstellung des
Teams. Deshalb sollten Anwälte auf diese Gebiete besonders gut vorbereitet sein. Die
Grundregel für den zum „Beauty Contest“ geladenen Anwalt lautet daher: Je komplizierter eine Frage für den Anwalt ist, desto genauer sollte er die Antwort im
Voraus kennen und vorbereiten. Hier die häufigsten Fragenkomplexe22 in einem
Beauty Contest:
1. Kosten
Hier kommen Fragen nach der Gegenleistung. Die Anfrager kennen die durchschnittlichen Stundenhonorare der Mitbewerber und reagieren darauf gewöhnlich
ungestresst. Stress entsteht eher durch Weglassen der Zahlen und durch unklare,
nicht quantifizierte, wegwerfende oder unwillige Erläuterungen der Honorarmodi
21 Siehe Kapitel „Durchsetzung“ zur akquisitorischen Funktion dreier unterschiedlicher
Perspektivwechsel.
22 Alle Fragen wurden Teilnehmer meiner Trainings in einem Beauty Contest gestellt.
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IX. Fragen der potenziellen Mandanten 51
oder deren Höhe! Üben Sie Klarheit und Transparenz. Möglichst viele eindeutige
Zahlen, das unverlangte Ansprechen des Themas auf eine freundliche, bestimmt
Art sowie eine ruhige, sichere Ausstrahlung sind Erfolgsfaktoren.
–– Was kostet es?
–– Können Sie uns eine Pauschale anbieten?
–– Rechnen Sie alle Anwälte gleich ab?23
–– Wir zahlen nicht für die Fortbildungen Ihrer Junioren! Wie stellen Sie sicher, dass
wir nur notwendige Stunden zahlen?
–– Wie entwickelt sich der Preis, wenn der Fall (un)komplizierter ist?
–– Können wir ein Erfolgshonorar vereinbaren?
2. Qualität
Hier kommen Fragen nach Mitbewerbern, Selbstbild, Marktposition, Mandantenfeedback, Reputation, Erfahrung. Perfekte Wirkung erzielen Sie durch gezielte und
untereinander abgesprochene Antworten, die nicht nur einer gibt. Jeder antwortet
bei Spezialfragen für sein Dezernat und – besser noch – für sich persönlich. Die
Allgemeinfragen beantwortet am besten zunächst der Senior des Teams (und leitet
dann weiter für Details an einen Senior Associate!), zum Beispiel die ersten beiden:
–– Welchen Vorteil haben wir, wenn wir mit Ihnen zusammenarbeiten?
–– Wir haben bis jetzt zusammengearbeitet mit … (Name eines Mitbewerbers). Was
halten Sie von dieser Kanzlei?
–– Sie gelten als Experten für X. Sind Sie Experte auch auf dem Gebiet Y?
–– Sprechen Ihre Anwälte verhandlungssicher … (Sprache)?
–– Wie viele Angelegenheiten hatten Sie in dieser Art in den letzten zwei Jahren?
–– Wie stellen Sie sicher, dass die Arbeit internationalen Standard hat?
3. Arbeitseffektivität
Hier kommen Fragen über alltägliche Abwicklung, Organisation, Arbeitsteilung,
Erreichbarkeit(!), Flexibilität, Verantwortlichkeit („One-Face-to-the-Customer“),
Delegation an Kooperationspartner oder andere Abteilungen („One-Stop-Shop“). Oft
sind die Antworten darauf schlecht vorbereitet. Strukturieren Sie Ihre Antworten.
Fassen Sie Vorteile kurz zusammen.
–– Wer ist verantwortlich für dieses Mandat? Können Sie uns immer denselben
Ansprechpartner garantieren?
23 Das ist meist die Frage nach einem durchschnittlichen Stundensatz = „Blended Fee“.
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52 Beauty Contest
–– Wie funktioniert der Know-how-Austausch zwischen Abteilungen und Standorten?
–– Wie flexibel sind Sie? Was passiert, wenn sich plötzlich unser Bedarf verdoppelt?
–– Wie stellen Sie Ihre Erreichbarkeit sicher? Was passiert, wenn das nicht der Fall ist?
–– Welche Begleitleistungen können wir erwarten? (Headhunter, Unternehmensberater, Interimsmanager)
4. Team
Hier kommen Fragen nach Zusammenstellung (Rechtsgebiet, Hierarchien und
Standorte) des Teams. Tragen Sie Sorge dafür, dass jene jüngeren Teammitarbeiter,
die später mit dem Fall betraut sein werden, unbedingt zur Präsentation mitgehen.
Bereiten Sie genau vor, was sie zu welchem Thema sagen werden! Moderieren Sie
deren Redebeiträge und zeigen Sie sich stolz auf Ihre jungen Leute! Das fördert Ihr
eigenes Zeitmanagement während der Abwicklung des Mandats und vor allem das
Vertrauen des Anfragers in Ihre Teamkompetenzen:
–– Wer leitet die Bearbeitung?
–– Wie können wir sicher sein, dass diese Leitung bestehen bleibt?
–– Wie halten Sie es mit dem „Vier-Augen-Prinzip“?
–– Welche Arbeiten übergeben Sie an Ihre Junioren?
–– Wie viele Anwälte aus ... (Land, Stadt) können bei Bedarf sofort zugeschaltet
werden?
X. Aus diesen Gründen scheitern Anwälte im Beauty ContestX.
1. Kommunikation
„Wir haben mit fünf Kanzleien gesprochen und fünfmal einen nahezu identischen
Monolog gehört.“ Mit diesen Worten bestätigte ein Industrieller,24 was viele Anwälte
befürchten: Die Entscheidung für oder gegen eine Kanzlei fällt nicht durch deren
Rechtskenntnisse, sondern durch Kommunikation. Aus Sicht der Anfrager sind
fachliche Kompetenzen bei allen eingeladenen Kanzleien gleich; noch nie wurde ein
Beauty Contest durch „suboptimale Rechtskenntnisse“ verloren.
24 Dr. Holger Strnad, LL.M., Leiter Recht und Revision, ESG Elektroniksystem-und Logistik-GmbH,
München, berichtete während der Herbsttagung der ARGE Anwaltsmanagement im Oktober 2008 in
Hamburg über die Sicht der Industrie auf anwaltliche Präsentationen.
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X. Aus diesen Gründen scheitern Anwälte im Beauty Contest 53
Folgende Faktoren dagegen haben Anfrager schon als ausschlaggebend für
Niederlagen25 bezeichnet:
–– zu wenig Anwälte,
–– kein eigener Standort in Shanghai,
–– zu wenig Expertise in Polen,
–– zu teuer,
–– keine eigenen Steuerrechtler,
–– zu junge Anwälte,
–– Kanzlei nicht in der passenden Stadt,
–– kürzlicher Wechsel eines ganzen Teams in eine andere Kanzlei,
–– nur eine Person kam zur Präsentation.
Was tun?
Jeder einzelne dieser Faktoren war schon ausschlaggebend für eine Niederlage –
und alle wären durch geschickte Kommunikation ausgleichbar gewesen:
Wenn öffentlich bekannt ist, dass eine ganze Gruppe von Anwälten gerade Ihre
Kanzlei verlassen hat, müssen Sie damit pro-aktiv (also: von sich aus!) umgehen, es
selbst ansprechen – und die Lösung skizzieren, vor allem, wenn diese in der Presse
noch nicht bekannt ist.
Wenn Sie „zu wenig Expertise in Polen“ haben, müssen Sie pro-aktiv darstellen,
wie Sie dieses Manko abstellen werden. Wenn Sie als „zu teuer“ gelten, müssen Sie
pro-aktiv damit umgehen!
Wenn Sie gefragt werden „Können Sie das auch wirklich?“, strahlen Sie den
Frager an und spezifizieren und quantifizieren wahrheitsgemäß, gut gelaunt und
bestens vorbereitet Ihre Kompetenzen, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie schließen
Ihre Erklärung mit einer offenen Frage ab, so dass der Hörer wieder ins Spiel kommt:
„Über welchen Punkt soll ich mehr berichten?“
Tipp
Kommunikation ist der sicherste Erfolgsgarant im Beauty Contest!
2. Top Ten Auftragskiller
Lesen Sie hier die Top 10 der häufigsten Auftragskiller (begleitet von „Kurz-Tipps“)
im „Beauty Contest“.
25 Nur wenige Kanzleien arbeiten mit einem strukturierten „Post-Bid-Feedback“, durch das ihnen
die Gründe für Niederlagen und Erfolge mitgeteilt werden. Ein paar Tage nach Ihrer Niederlage sollten Sie zumindest mit dem Anfrager telefonieren, um die Gründe heraus zu bekommen.
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54 Beauty Contest
Präsentierende Anwälte
–– reden viel zu viel und fragen zu wenig.
Besonders tragisch wirkt der Senior, der den Gastgeber und seine jüngeren Teamkollegen nicht zu Wort kommen lässt – oder beide gar korrigiert.26
Verteilen Sie die Redeanteile nach Rechtsgebieten und Erfahrung im Team. Der
Senior sollte selbst nicht inhaltlich antworten.
– flüchten sich in Rechtfertigungspositionen, Allgemeinplätze oder unklare
Ansagen, wenn die Rede auf das Honorar kommt.
Locker informieren! Die Anfrager wollen genaue Zahlen hören. Von sich aus die
Bedingungen für Pauschalen oder den Usus der „blended fee“27 oder den Usus
der „modulhaften Rechnungslegung“28 nennen. Perspektivwechsel helfen
Ihnen, Unsicherheiten und Angeberei zu vermeiden: „Viele unserer Mandanten schätzen es, dass wir zunächst...“
– wollen immer ihr ganzes Wissen zeigen, statt es auf den Teil zu begrenzen, der
für den Anfrager interessant ist.
Fragen, welcher Teil für den Gastgeber interessant ist. Lassen Sie den Anfrager reden! Führen Sie durch offene Fragen. Verzichten Sie auf peinliche, uninteressante Wissensparaden und Dauergeplapper. Drehen Sie Redeanteile
zugunsten des Anfragers!
– reden öffentlich despektierlich über Mitbewerber.
Ein Satz, zum Auswendiglernen schön (!), hat schon viel Erfolg und Lockerheit
gebracht, wenn der Anfrager mit anderen Kanzleien kooperiert und diese auch
benennt: „Das zeigt uns, in welchem hohen Segment Sie Rechtsrat beanspruchen. Wir sind immer sehr gern in einem direkten Leistungsvergleich mit unseren
Wettbewerbern.“ Beachten Sie vor allem die vier Subtexte: Wir mögen unseren
Wettbewerber, wir loben Ihre bisherige Anwaltswahl, wir sind selbst in einem
hohen Segment – und wir sind ganz sicher, dass wir gut sind.
– verwenden Juristenvokabular gegenüber Nicht-Juristen.
Wichtiges braucht wenig Worte! Lange Sätze, Fachvokabular und Fremdworte
weglassen. Hauptsachen in Hauptsätze!
– verwenden elektronische Folien29 mit überladenen und redundanten Informationen.
26 Das gibt es auch umgekehrt: Der Senior kommt ohne Aktenkenntnis mit in die Präsentation,
er will durch seinen Namen punkten. Der jüngere Kollege ist verzweifelt, beide wirken uneins in 
taktischen Fragen.
27 Durchschnittshonorar, das für jeden Mitarbeiter in diesem Mandat gilt.
28 Eine Rechnung für den Umfang des ersten Arbeitsschrittes im Mandat. Ab dem zweiten Schritt
kann man eine seriöse Schätzung des Aufwandes abgeben.
29 Der Anfrager hat in vielen Fällen vier suboptimale Kanzlei-Präsentationen und ca. 200 Redundanzen an einem Tag zu überleben und bekommt schon Stress, wenn nur der Beamer angestellt wird.
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X. Aus diesen Gründen scheitern Anwälte im Beauty Contest 55
Mindestens die Hälfte der von Ihnen derzeit geplanten Folien kann gewöhnlich
weg. Mehr als die Hälfte der Texte, die Sie derzeit auf jeder Folie haben, ebenfalls.
Anwälte haben so viele Folien, weil sie nicht für jeden Anfrager neue machen
wollen! Das ist Sparen am falschen Ende! Beschränken Sie sich auf zwei
Hauptfolien: eine paraphrasiert den bekannt gewordenen Bedarf, die zweite
dessen Lösung. Halten Sie weitere Lösungsfolien in petto. Kanzleipräsentationen sind für den Anfrager besonders schrecklich: Er hat die Informationen alle
schon; sonst wäre die Kanzlei nicht eingeladen worden!
tappen in die „Dialogfalle“.
Sie schauen und sprechen stets nur den Frager an, wenn sie antworten; die
anderen Mitglieder des Teams – auch des eigenen – verhungern während der
Antwort.
Schon öfter erwähnt: der „Senior“ des Anwaltsteams verteilt die Redebeiträge
auf seine jüngeren Kollegen, um diese in Szene zu setzen!
spezifizieren und quantifizieren ihre Kompetenzen nicht, sondern behaupten sie allgemein.
Das macht Sie unglaubwürdig! Spezifizieren Sie und quantifizieren Sie Ihre
Kompetenzen: „In den letzten sechs Monaten habe ich in vier von sechs Mandaten
die steuerrechtliche Optimierung der Y geleitet, in zwei anderen Fällen, davon einer
übrigens in Schweden, lag der Fokus eher auf dem Z. dabei war ich mit der Ausgestaltung der Verträge in Sachen X befasst.“
sind durch rein kognitiv ausgerichtete Ausbildungen divenhaft und besserwisserisch sozialisiert und wirken daher gegenüber Nicht-Juristen entweder arrogant,
aggressiv oder unterwürfig.
Das sind völlig überflüssige Unsicherheitsbeweise! Blickkontakt halten,
nachfragen, nicken, matchen,30 lächeln, kurze Sätze sprechen, Empathie und
Verständnis beweisen, paraphrasieren, Botschaften strukturieren, Perspektive
wechseln, Einwände nutzen und durch eine über jeden Zweifel erhabene Fragetechnik die Führung halten – diese Erfolgsgaranten setzen Ihre Fachkenntnis
in Szene!
rezipieren mangels Empathie berechtigte Informationsfragen wie „Können Sie
das denn wirklich?“ als Attacken.
Versetzen Sie sich in den Anfrager! Er will Sie mit solchen Fragen nicht ärgern,
sondern erwartet eine sachliche Auskunft. Antworten Sie professionell und sachlich. Griffige Zahlen und konkrete Beispiele runden die Antwort ab.
30 „Matching“ = die partielle Aufnahme der Muster eines Gesprächspartners in das eigene Repertoire;
zu allen anderen in diesem Punkt erwähnten Kommunikationstechniken – s. Kapitel „Durch- 
setzung“.
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56 Beauty Contest
XI. Peer-Review-Verfahren31XI.
„Weißt Du einen guten Insolvenzrechtler in Bayern, der unsere angeschlagene Tochter
wieder auf Vordermann bringt? Einen Anwalt, der uns bei der Umsetzung von Kurzarbeit unterstützt? Einen, der unsere Konzernstruktur so umgestalten kann, dass die
Steuerlast sinkt und das Cash-Pooling funktioniert?“ So leitet das Handelsblatt einen
Artikel32 über einen in Deutschland neuartigen Anwalts-Qualitätscheck ein.
Woher weiß man, ob ein Anwalt etwas taugt? Und wer könnte es wissen?
Seit 25 Jahren veröffentlicht der US-Verlag BestLawyers® Listen mit den Namen
renommierter Wirtschaftsanwälte in den USA. Die Methode dahinter: Das Rechercheteam fragt Wirtschaftsanwälte, welchen Kollegen außerhalb der eigenen Kanzlei
sie ihrem Klienten empfehlen würden, falls sie das Mandat aus Zeit- oder Kollisionsgründen nicht selber übernehmen könnten.
Ein Anwalt empfiehlt also einen anderen Anwalt; in einem extrem kompetitiven Umfeld muss der Befragte erst einmal über seinen eigenen Schatten springen.
Seine Antwort fällt sachlich, verlässlich und vor allem wenig emotional aus.
Die Methode „Anwalt empfiehlt Anwalt“ hat BestLawyers® erstmals im Jahr 2009
auch in Deutschland eingeführt. Herausgekommen sind über 1000 Empfehlungen
zu 41 Rechtsgebieten aus dem Wirtschaftsrecht. Die Ergebnisse veröffentlicht
„Handelsblatt Legal Success“33 im Rahmen einer exklusiven Partnerschaft.
Was sprach gegen Mandantenbefragungen? Mandanten zur Leistung ihres
Anwalts im Wirtschaftsrecht zu befragen, hatte sich nicht bewährt: Die für die Befragung ausgewählten Mandanten fühlten sich geehrt, ausgewählt worden zu sein und
bewerteten ihren eigenen Anwalt daher ausgesprochen positiv, so dass nicht die Mandanten, sondern „die Marketingleiter der Wirtschaftskanzleien einen großen Einfluss
auf das Ergebnis“34 hatten.
Wie können Sie das nutzen? Deutsche Anwälte sollten ihr Networking optimieren, an Fachtagungen teilnehmen, sich öffentlich zeigen, einmal die Woche mit
Kollegen zum Lunch gehen, sich über XING vernetzen, sich auf Kongressen bemerkbar machen, an In-house Veranstaltungen der Mitbewerber teilnehmen, in Mittelstandszeitschriften oder anderen relevanten Zeitschriften der Zielgruppe publizieren, Radius-Arbeit betreiben und selbst Korrespondenzmandate vergeben.
Sollten Peer-Review Verfahren in Deutschland auch außerhalb des Wirtschaftsrechts Fuß fassen, läge darin eine große, noch komplett ungenutzte AkquiseChance für weitere Anwaltsgruppen.
31 Übersetzt etwa: „Kollegen-Begutachtung“.
32 Creutz, Handelsblatt v. 2.5.2009, „Die Stunde der Anwälte“.
33 Erscheint sechsmal im Jahr als Beilage zum Handelsblatt.
34 So Carl Dawson, Pressesprecher von BestLawyers® in: Creutz, Handelsblatt v. 2.5.2009,
„Die Stunde der Anwälte“.
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XI. Peer-Review-Verfahren 57
Erfolgstipps
– Präsentieren Sie, was der Interessent braucht! Grenzen Sie den Bedarf ein durch Fragen!
– Entmüllen Sie Ihre sichtbaren und hörbaren Kanzleipräsentationen!
– Gehen Sie gut vorbereitet oder gar nicht hin!
– Klären Sie Rollen im Team. Wer sagt was? Moderatorenstatus einrichten für den Senior! Junioren
mitnehmen und stolz sein auf sie!
– Ermitteln Sie die Gründe für Niederlagen und Siege! Sprechen Sie intern offen über beides!
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1
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Cross-Selling
30 % direkte Akquise
70 % indirekte Akquise
Das produzierende Gewerbe verdreifacht seit vielen Jahren seine Umsätze durch
Cross-Selling. Marketingspezialisten rufen dazu auf, und auch Dienstleister jubeln
über Ernteerträge auf bislang unbeackerten Feldern. Sie alle haben gemerkt, wie
viel Brachland1 ungenutzt herumliegt, wenn man sich nur um einen Acker kümmert.
Cross-Selling überzeugt!
Die fünf Abschnitte dieses Kapitels werden behilflich sein, derzeitige Mandate
auszuweiten und Mandanten durch weitere Leistungen Ihres Hauses zu binden:
I. Was ist Cross-Selling?
II. Das Problem: Anwälte schöpfen 80 % ihrer Cross-Selling Potenziale nicht aus
III. Die Lösung (Überblick): So funktioniert Cross-Selling in einer Anwaltskanzlei
IV. Die Lösung (Details): Die „drei K“ des Cross-Selling
V. Best Practice
I. Was ist Cross-Selling?I.
Cross-Selling bezeichnet die Ausweitung eines derzeitigen Auftrags2 und ist damit ein
Akquisetool in der Zeitzone Gegenwart. Cross-Selling gilt als Teilbereich des Customer-Relationship-Management3 mit dem Ziel, durch den Verkauf sowohl einander
ergänzender, als auch unterschiedlicher Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und Umsätze zu erhöhen.
Rhetorisch bedeutet ein erfolgreiches Cross-Selling die Gratwanderung zwischen
unangemessener Zurückhaltung und billiger Promotion.
1 Brachland = in der Landwirtschaft ist Brachland die Voraussetzung für die Fruchtbarkeit eines
Ackers. Landwirte lassen einen Acker ein Jahr lang absichtlich ruhen, damit er im Folgejahr umso
bessere Erträge bringt.
2 Anders als in manchen Definitionen wird in diesem Buch das Zurückgewinnen ehemaliger Mandanten aus dem Thema Cross-Selling ausgegliedert. Im Kapitel „Ehemalige Mandanten zurück gewinnen“ finden Sie dazu Tipps.
3 Customer-Relationship-Management ist eine kundenorientierte Unternehmensstrategie, die durch
die systematische Gestaltung und konsequente Ausrichtung eines Unternehmens auf seine Kunden
und die Kundenbeziehungs-Prozesse dazu beitragen soll, Kunden langfristig zu binden.
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60 Cross-Selling
1. Was ist der Nutzen von Cross-Selling?
„Jede Kanzlei hat das Ziel, möglichst viele Mandatsbeziehungen langfristig zu stabilisieren. Dies schafft wirtschaftliche Sicherheit für die Kanzlei, aber auch Sicherheit auf Seiten der Stammkunden, die im Zweifelsfall wissen, welchem rechtlichen
Dienstleister sie vertrauen können. Aus diesem Verständnis heraus muss jede Mandatsbeziehung als Investition einer Anwaltskanzlei in Mandanten gesehen werden,
die langfristige Erträge bringen sollte.“4
Cross-Selling gelingt unabhängig von Konjunktur und Kunden, Zeiten und
Zufällen sowie Branchen und Berufen. Vor allem die Umsätze können, wie eine
branchenübergreifende Studie5 eindrucksvoll nachweist, allein durch Cross-Selling
um bis zu 50 % gesteigert werden.
Finanzielle Investitionen bleiben gering, denn der Kunde ist schon da; er hat
bereits ein Vertrauensverhältnis zu seinem Lieferanten aufgebaut und ist im
besten Fall bereits zufrieden mit dem Erstkontakt.
Wenn ein Kunde mehrfach profitiert, ist er loyaler als zuvor zu seinem Lieferanten; „Cross Buying“ steigert die gefühlte Kundenbindung6. Das verringert seine
„Fremdgeh-Neigung“ und erhöht die Dauer seiner Beziehung zum Lieferanten ebenso
wie die Anzahl seiner Weiterempfehlungen. Er ist darüber hinaus bereit, bei einem
„Alles-aus-einer-Hand“ Service7 einen höheren Preis zu zahlen, weil es für ihn aus
psychologischen und organisatorischen Gründen bequem ist.
Anwender des strukturierten Cross-Selling sind begeistert, denn Anwerbekosten
für neue Kunden und die Pflege der Kundenkartei fallen nur einmal an und bringen
mehrfache Renditen. Außerdem können mehrere Produkte gebündelt und in einer
Aktion vorgestellt werden.
2. Was macht Cross-Selling zu einem Ärgernis?
Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt! Die Kehrseite der Medaille ist ein beständiges
Branchen übergreifendes Ärgernis, und die Ausweitung eines derzeitigen Auftrags
ist vielerorts umstritten: „Nichts nervt die Kunden mehr, als wenn das Verkaufspersonal versucht, weitere Ware ungefragt an den Mann zu bringen. In einer Umfrage
4 After-Sales-Service – Beziehungsmarketing der Anwälte, „Anwalt“, April 2002, S. 18–20.
5 „Cross-Selling: Aus der Kundenbeziehung mehr herausholen“, Homburg/Schäfer, Harvard
Business Manager 6/2000, S.35–44.
6 Besonders eindrucksvolle Zahlen für Cross-Selling kommen von Apple. Wie die amerikanische
Investmentbank RBC Capital Markets in einer Umfrage (v.11.6.2011 „iCloud schafft Kundenbindung“)
unter 4163 iPhone-Usern weltweit heraus fand, wollten bereits zu dem Zeitpunkt hochgerechnet 
150 Millionen (damals 73 %) der iPhone User auch den Cloud-Service nutzen.
7 Entspricht der Strategie des „One-Stop-Shop“ in großen und mittelständischen Kanzleien.
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I. Was ist Cross-Selling? 61
der Unternehmensberatung „accenture“, gaben 70 % aller Befragten an, in diesem
Fall „wahrscheinlich“ oder „sehr wahrscheinlich“ zur Konkurrenz zu gehen... CrossSelling wird sogar als noch lästiger empfunden als unfreundliches Personal, und das
in allen Einkommensschichten.“8
Diese Erkenntnis kommt aus dem Reich der Gebrauchsgüter, deckt sich mit
unseren Alltagserfahrungen und sollte uns alarmieren: Wir trauen uns kaum noch,
ein T-Shirt einzukaufen aus Furcht vor der Kassierer-Frage nach Pay-back Karten.
Auch die Frage beim Arzt: „Soll ich auch noch den Sauerstoffgehalt Ihres Blutes
messen?“ sowie das „bundling“9 bei Amazon sind aus unserem Konsumenten-Alltag
nicht mehr weg zu denken. Diese Art der „Ausweitung der Kampfzone“10 generiert
massenhaft gefühlte Verlierer.
3. Was sind die Voraussetzungen für effizientes Cross-Selling?
Nach Untersuchungen von Marketingspezialisten ist es rund fünf bis zehnmal
teurer, einen Neukunden zu akquirieren, als einen Bestandskunden zu halten.11
Es lohnt sich also in vielfacher Hinsicht, derzeitigen Kunden einen realen – und bis
dahin vielleicht unbewussten – weiter führenden Bedarf bewusst zu machen und
sie dadurch zufrieden zu stellen: Zeit, Energie und sehr viel Geld werden dadurch
eingespart.
Der Erfolg von Cross-Selling ist abhängig von personellen, organisatorischen
und kommunikativen Maßnahmen, die alle ineinandergreifen. Bei einem strukturierten Cross-Selling bleibt nichts dem Zufall überlassen!
Daher richten Unternehmen ein so genanntes Cross-Selling Management System
ein, häufig mit eigenem Budget, eigenem Controlling und eigenen Verantwortlichen. Es koordiniert alle Cross-Selling Maßnahmen.
Um Cross-Selling zu einem nachhaltigen Erfolg zu führen, muss der Anbieter
– dem richtigen Kunden das richtige Produkt zur richtigen Zeit anbieten,
– dem Kunden das weiter führende Produkt so anbieten, dass der Kunde nicht
genervt ist,
– nach strategischen Punkten entscheiden, was sich für wen als „Einstiegsprodukt“ eignet,
8 „Aus der Kundenbeziehung mehr herausholen“, Homburg/Schäfer, Harvard Business Manager
6/2000, S. 35–44.
9 „Bundling“ = (dt. bündeln) zusätzliche Produkte als „Komplettpaket“ anbieten, z. B.: zur Kamera
die passende Tasche.
10 „Ausweitung der Kampfzone“ ist ein preisgekrönter Roman des französischen Schriftstellers
Michel Houellebecq. Durch Verlassen ursprünglicher Umgebungen und Verhaltensweisen versucht
der Ich-Erzähler, neue Erfahrungen für sich zu nutzen.
11 Vgl. Heinemann, S. 74.
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62 –
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Cross-Selling
attraktive weiter führende Produkte im Portfolio haben,
dem derzeitigen Kunden den Nutzen dieser weiter führender Produkte erläutern,
definieren, welche Kunden er derzeit von solchen Angeboten ausschließt,
wissen, wozu, wodurch und wie lange er manche Kunden von solchen Angeboten ausschließt,
alle Kundendaten (mit Zusatzwünschen, Zusatzpotenzialen, derzeitigem Stand,
bisherigem Honorarvolumen, Referenzpotenzial) detailreich verwalten und vor
allem ständig aktualisieren,
in ständigem Kontakt mit dem Kunden bleiben, um geänderte Bedarfe des
Kunden zu verstehen,
beständig seinen Mitarbeitern die nachhaltige Geschäftsrelevanz des
„Pamperns“12 erklären und sie veranlassen, A-Mandanten besonders gut zu
behandeln,
seine Mitarbeiter permanent in Cross-Selling Strategien schulen.
II. Das Problem: Anwälte schöpfen 80 % ihrer Cross-Selling
Potenziale nicht ausII.
1. Überblick
Anwälte haben längst die Notwendigkeit eingesehen, von Handel, Industrie und von
Dienstleistern effiziente Akquisestrategien abzuschauen. Sie praktizieren Kundenfeedback-Systeme, optimieren ihre Mitarbeiterführung, akquirieren pro-aktiv
neue Kunden, arbeiten bewusst und gezielt an ihrer Reputation, richten „Round
Tables“ ein, bereiten Mitarbeitergespräche vor, trainieren ihre Assistentinnen für
den Telefonservice, bearbeiten ihre Mandate im Team, veranstalten Betriebsausflüge und Kundenevents, bloggen, twittern und XINGen, lassen Partnermeetings
extern moderieren, halten Nutzen-orientierte Vorträge, sponsorn Marathonläufe,
agieren nach Business-Knigge, verhandeln Interesse-geleitet, ziehen Hierarchieebenen ein, lernen zu delegieren und das Delegierte zu kontrollieren, informieren einigermaßen locker über ihr Honorar, kleiden sich ordentlich, aktualisieren ihre
Kundenkartei wöchentlich, praktizieren – wenn auch widerwillig –Small Talk, engagieren den QM-Zertifizierer, motivieren und trainieren sich und ihre Angestellten,
tracken den Besucherstrom auf ihrer Webseite, ernennen endlich Anwältinnen zu
Partnerinnen, schreiben verständliche Aufsätze in relevanten Publikationen, geben
Statements ab in WISO und freuen sich jede Woche auf ihren „MMM“, den Montags-Morgen-Muntermacher (wie in einigen Kanzleien die „Brötchenrunde“ getauft
wurde). Anwälte tummeln sich also längst schon auf Spielplätzen des Kundenbe-
12 Englisch für jmd. verwöhnen.
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II. Das Problem: Anwälte schöpfen 80 % ihrer Cross-Selling Potenziale nicht aus 63
ziehungsmanagements; doch spätestens beim Thema Cross-Selling hören Kommunikation, Organisation und Engagement auf.
Anwälte behandeln ausgerechnet die einfachste aller pro-aktiven Akquisemethoden unbegreiflich schlecht. Cross-Selling Potenziale in Kanzleien jeder Größe,
jeder Spezialisierung und jeder Historie sind zu mindestens 80 % ungenutzt!13
2. Wodurch erscheint Cross-Selling also so schwierig?
Abgeschlossen ist der Fall, abgelegt die Akte und abgehakt das Mandat. Während das
Schicksal tausender von Karteileichen unbekannt ist, beginnt nun „die Phase des
Wartens auf eine erneute Mandatierung.“14 Eine derart passive Inszenierung einer
Kanzlei und der dazu gehörigen Personen ruiniert Ruf, Elan und Gesundheit aller
Beteiligten – und natürlich den Geldbeutel. Außerdem geben Karteileichen kein
Feedback!15
Fassungslos beobachten Externe, wie gering anwaltlicher Wille ausgeprägt ist,
Mandate strukturiert auszuweiten. Die Begründungen der Anwälte lassen allerdings aufhorchen. Sie sind „ein Sammelsurium aus psychologischen, kommunikativen und organisatorischen Bedingungen, die schwer aufzulösen sind.“16
Neun von zehn Anwälten vernachlässigen Cross-Selling und geben dafür folgende Gründe an:17
–– Sie haben Angst davor, wie ein Versicherungsvertreter zu wirken: „Billige Geldschneiderei“, „Meine Mandanten wissen selber, was sie brauchen“ (Zitate aus der
Umfrage).
–– Anwälte sehen sich bei der unverlangten Erwähnung möglicher weiterer Bedarfe
schnell in der Rolle desjenigen, der sich „anbiedert“. Sie befürchten, den Eindruck bevorstehenden sozialen Abstiegs zu machen und produzieren Alpträume
bei der Vorstellung, dem Mandanten unverlangt weiteres Geschäft antragen. „Der
hat es ja wohl nötig“ ist hier das häufig imaginierte Todesurteil.
13 Ergebnis aus Umfrage in ca. 60 der durch mich trainierten Kanzleien jeder Größe. Interessant
dabei: ohne lange nachzudenken, konnte jeder Anwalt aus dem Stand drei völlig vernachlässigte
Mandanten nennen, die nicht ein einziges Mal nach Mandatsende gefragt worden waren nach
zusätzlichem Bedarf – und das, obwohl es sich mutmaßlich gelohnt hätte.
14 After-Sales-Service – Beziehungsmarketing der Anwälte, „Anwalt“, April 2002, S. 18–20.
15 Vgl. zur Akquiserelevanz von „Leistungs-Feedbacks“ im gleichnamigen Kapitel.
16 Ein Anwalt auf die Frage, wie er sich brachliegende Umsätze in mutmaßlich sechsstelliger Höhe,
aufgelaufen in zwei Jahren durch fehlende Cross-Selling Aktivitäten, erkläre.
17 Umfrage in ca. 60 der durch mich trainierten Kanzleien jeder Größe; die häufigste Meldung steht
an Position eins.
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64 Cross-Selling
–– Sie fürchten die klare Unternehmer-Rolle und empfinden es als politisch nicht
korrekt, die Mandanten in A, B und C Kunden einzuteilen. Diese Art von innerer
Richtung wirkt auf sie unmenschlich.
–– Damit hängt auch zusammen, dass sie C-Mandanten schlecht „wegschicken“
können. Sie machen sich den Nutzen des „Wegschickens“ für alle drei Beteiligten(!) nicht klar.
–– Sie agieren egoistisch und befürchten, dass ihr Ruhm geschmälert wird, wenn
sie den Mandanten an einen Kollegen „abgeben“. Sie befürchten auch, dass ihre
Kompetenz in Frage gestellt wird, wenn sie überhaupt einen Kollegen hinzu
ziehen.
–– Andere Dezernate bzw. assoziierter Anwälte liefern vielleicht schlechte Arbeit
ab: „Erst gebe ich etwas aus der Hand und dann macht der Kollege seine Sache
nicht gut! Das fällt auf mich zurück!“ (Zitat Umfrage) Qualitätskontrolle Kollegen
gegenüber wird als Misstrauensvotum gewertet. Sie gilt als inhaltlich schwierig
und wird als psychologisch peinlich gewertet.
–– Rhetorische Methoden fehlen, den Mandanten ihren Bedarf unaufdringlich
bewusst zu machen oder neu zu schaffen.
–– Anwälte hören nicht gut zu; sie bemerken angedeuteten, weiter führenden
Bedarf während der Abwicklung des Erstmandats nicht.
–– Manche wollen bewusst das Hauptthema nicht stören und „vergessen“ die
Paraphrase des Folgethemas am Schluss des Gesprächs oder des Mandats.
–– Viele geben Zeitprobleme an: „Zu viele Akten auf dem Tisch; da kann ich nicht
noch überlegen, mit wem ich ein Plauderstündchen einlege!“18 (Zitat Umfrage)
–– Das Image des Jägers (neu akquiriertes Mandat) ist kanzleiintern grandioser als
das Image des Hegers (erweitertes bestehendes Mandat).
–– vor allem in Großkanzleien: die Entnahmepolitik der Kanzlei würdigt erweiterte
Mandate nicht gleichrangig mit neuen Mandaten: „You eat what you kill“19 honoriert die Neuakquise und verhindert das „Weiterreichen“ von Mandaten an
andere Abteilungen bzw. Anwälte. Ein Lockstep-System20 würde ebenso wie die
„proliferation fee“21 das Cross-Selling befördern.
18 Ausgerechnet jene Anwälte, die mit ihrer Mandantenstruktur unzufrieden sind, benennen häufig
„Zeitprobleme“ als Hindernis für Cross-Selling. Dass Cross-Selling ein Mittel ist, mehr einträgliche
bzw. mehr zum Kanzleiziel passende Mandate zu erhalten, ist für manche von ihnen eine provokante
und unglaubhafte Behauptung.
19 „Eat What you Kill“ - Entnahmesystem nach Akquiseleistung und „Billable Hours“; die reine Umsatzorientierung ist üblich in angloamerikanisch fusionierten Kanzleien
20 Lockstep System = Entnahmesystem nach Seniorität, unabhängig vom selbst generierten Umsatz, regelmäßige Steigerungen nach Dauer der Kanzleizugehörigkeit, üblich in deutschen bzw.
deutschstämmigen Kanzleien, ebenso in Österreich.
21 Proliferation Fee (= „Verbreitungsgebühr“); Der Überträger eines Mandates an einen Kollegen
erhält dafür einen Bonus; er ist dadurch mit ihm in einer „Beutegemeinschaft“.
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III. Die Lösung (Überblick): So funktioniert Cross-Selling in einer Anwaltskanzlei 65
–– Datenbanken fehlen oder werden nicht ständig aktualisiert (kommt auf dasselbe raus!). Aktuell angedeutete Bedarfe, frühere Mandate sowie weitere Kontakte zum Target werden nicht festgehalten!
–– Am Ende des Erstmandats steht rituell das Übersenden der Rechnung, denn:
„Wir haben das immer schon so gemacht.“ (Zitat Umfrage) Ein Abschlussgespräch zur ruhigen und eleganten Einleitung eines weiter führenden Mandates,
zum Überreichen der Rechnung und zum Einholen eines aussagestarken Feedbacks wird häufig abgelehnt als „zu teuer“, „zu aufwändig“, „zu viele, kleine
Mandate“, „Mandant geografisch zu weit entfernt“ etc. (Zitate Umfrage)
–– Geschäfts-Mandanten sind oft in benachbarten Rechtsbereichen bereits durch
Kollegen anderer Kanzleien beraten. Ein weiter führendes Angebot in dieser
Situation „fühlt sich doch an wie lauwarmes Bier!“ und wie eine „Einmischung
in die Mandantenbeziehungen von Kollegen“ und nicht zuletzt: „Das macht doch
viel zu viel Druck“. (Zitate Umfrage)
Die Anzahl anwaltlicher Einwände und Befürchtungen steht allerdings bei dieser
einfachsten aller direkten anwaltlichen Akquisemethoden in keinem Verhältnis zu
ihrer Einfachheit.
Sehr viel Wille, einige Organisation und wenige rhetorische Übungen sind notwendig, damit die Gratwanderung zwischen unangemessener Zurückhaltung
und billiger Promotion locker gelingt.
Tipp
Es ist schwieriger, einen neuen Mandanten zu gewinnen, als einen bestehenden an die Kanzlei zu
binden.
III. Die Lösung (Überblick): So funktioniert Cross-Selling in einer
AnwaltskanzleiIII.
1. Arten des Cross-Selling in Kanzleien
In der Anwaltskanzlei bezeichnet Cross-Selling die Ausweitung eines bestehenden
Mandates auf zwei Arten: entweder durch das Prinzip „mehr desselben“ – das heißt,
ein arbeitsrechtliches Mandat wird durch ein weiteres arbeitsrechtliches Mandat
erweitert, und vermutlich kann derselbe Anwalt weiter tätig werden oder durch die
Ausweitung in ein anderes Rechts- (bzw. Beratungs-) gebiet: Ein arbeitsrechtliches
Mandat wird durch eine Intervention im Steuerrecht ergänzt. Dabei wird in der Regel
ein anderer Anwalt das zusätzliche Rechtsgebiet betreuen.
Eine geglückte Mandatsausweitung bewirkt eine langfristige Werbeaktivität Ihres Mandanten! Der zufriedene Mandant vertraut seinem Anwalt. Wenn Letzterer einen weiter führenden Bedarf entdeckt und anspricht, ist das für den Kunden
in jedem Fall glaubhaft und meist inhaltlich sofort nachvollziehbar.
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1
66 Cross-Selling
Cross-Selling erfordert auch eine Analyse der Ist-Situation möglicher Mandanten. Diese Tabelle kann bei der Einschätzung allgemeiner Akquise-Potenziale behilflich sein:
Bedarf des
(potenziellen)
Mandanten
Gedeckt
fremd gedeckt
ungedeckt
Ist-Zustand
Mandant wird derzeit
durch seinen Anwalt
versorgt.
Potenzieller Mandant
wird derzeit durch 
Mitbewerber versorgt.
Potenzieller Mandant
ist noch nicht anwaltlich vertreten, hat noch
keine Auswahl getroffen
bzw. keinen bewussten
Bedarf gespürt
Cross-Selling
Potenzial
Niedrig = Einzelmandat
Mittel = Mandant hat
durch anderen Anwalt
bereits Vertrauen in
Anwälte. Interessiert an
Zweitmeinung, eigene
Mandanten oder andere
Allianzen als Kontakthelfer?
hoch
Beständig und zurück
haltend kontaktieren,
direkte Leistungsvergleiche anbieten, zu
Vorträgen einladen,
aktuelle Rechtsprechung durch „kleine,
frische Aufsätze“ 
kommentieren.
Bedarf schaffen bzw.
bewusst machen durch
Vorträge, Newsletter
(Genehmigung
einholen!), Vergleiche,
Nutzenargumentation,
Perspektivwechsel: 
Wie es meinen
Mandanten ergangen
ist, als...“
Mittel = langfristig
weiterer Bedarf möglich,
auch in anderen Rechtsgebieten.
Hoch = weiter führender Bedarf ist üblich
oder durch Mandanten
angedeutet.
Aktionen
Vertrauen ausbauen,
Erfahrungen anderer
Mandanten und auf
Nutzen zusätzlicher 
Produkte hinweisen,
letztere ggf. ins Programm aufnehmen.
Ein ausgeweitetes Mandat ist in aller Regel die Folge gegenseitiger Vertrauensbeweise. Doch häufig ist der Nutzen für den Mandanten auch in der Sache selbst begründet: sein Rechtsberatungs-Bedarf ist oftmals tatsächlich größer, als er selbst ahnt.
Der Mandant mandatiert sicher erneut, wenn
–– er kein klassischer „Einzelfall-Mandant“ ist,
–– mit dem Erstmandat zufrieden war,
–– der Nutzen für das nächste Mandat für ihn größer ist als seine Bedenken,
–– die Hinleitung zum Ausweitungsthema elegant und kenntnisreich ankommt.
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III. Die Lösung (Überblick): So funktioniert Cross-Selling in einer Anwaltskanzlei 67
2. Es bleibt ja alles in der Familie
Cross-Selling-Großfamilien werden in Anwaltskanzleien ebenso genutzt wie CrossSelling-Kleinfamilien. Eine Ausweitung bestehender Mandate innerhalb dieser
„Clans“ liegt doppelt nahe, sie ist einfach zu kommunizieren und sogar dem
Laien sofort einsichtig:
Typische Cross-Selling-Großfamilien sind:
–– die Prozessfächer (Familien-, Arbeits, Miet-, Straf- und Verkehrsrecht),
–– die Wirtschaftsberatung (Gesellschafts-, Kartell- und Steuerrecht, IP),
–– die Branchenberatung (Immobilien, Medizin, IT, Kommunen).
Typische Cross-Selling-Kleinfamilien sind:
–– Vergabe- und Verwaltungsrecht,
–– Familien- und Erbrecht,
–– Immobilien- und Architektenrecht.
a) Einzelanwälte
Einzelanwälte setzen meist auf die Prozessfächer, also auf eine Kombination aus
Rechtsgebieten wie: Familien- und Arbeitsrecht, Miet-, Straf- und Verkehrsrecht und
haben völlig ungenutztes Cross-Selling Potenzial in deren Gemeinsamkeit: dem
Prozesse führen! So hieße der Trigger für diese Mandanten nicht: „Wenn Sie mal Probleme mit Ihrem Vermieter haben, kommen Sie ruhig wieder“, sondern: „Sie haben
ja gemerkt: „Ich kämpfe gern vor Gericht! Immer wieder gern! Darf ich Sie eigentlich
unverbindlich zu meinen Vorträgen einladen?“
Außerdem lassen Einzelanwälte in der Regel eine strategische Option vollkommen außer Acht: die Kooperation mit einem anderen Büro, das auf ein anderes
(oder überhaupt auf ein) Rechtsgebiet spezialisiert ist. Es wird höchste Zeit, sich
strategisch auszurichten,22 um nicht unter zu gehen! Einzelkanzleien bilden nach
der STAR Analyse von 200823 die größte Gruppe aller deutschen Anwaltskanzleien
und richten immer noch überwiegend ihre Aktionen eher nach Zufällen oder nach
Tagesform aus. Doch es geht auch anders.
22 In Hommerich/Kilian, AnwBl 2008, S. 623–633, mahnen die Autoren den Abschied von jeder
Beliebigkeit in Kleinkanzleien dringlich an, sofern diese nicht untergehen wollen. Das betrifft besonders deren häufig fehlende, offensive strategische Aufstellung. Die Grundthese: Je deutlicher sich
die Anwaltschaft segmentiert in jene, die Wirtschaftsmandanten beraten und jene, die ausschließlich Privatklientel bedienen, desto schwächer wird die Möglichkeit letzterer, sich durch „Quersubventionierung“ am Leben zu halten. Das Prinzip also, dass viele nicht-lukrative Mandate durch einige lukrative ausgeglichen werden können, ist strukturell unzeitgemäß. Umdenken ist angesagt!
23 Vgl STAR Analyse des Instituts für Freie Berufe Nürnberg (IFB) für das Jahr 2008: Die Eìnzelkanzlei einschließlich der Bürogemeinschaft ist die mit Abstand am häufigsten gewählte Kanzleiform
(Westen: 67, 3 %; Osten: 74,4 %).
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68 Cross-Selling
Wenn die Anwälte zweier Einzelkanzleien geschäftlich befreundet sind und klare
Absprachen haben, können sie, um die Mandatsstruktur in beiden Kanzleien zu
klären, die Mandanten für die jeweils nächsten Mandate „tauschen“ und die Rechtsgebiete gleich mit ihnen. Der eine gibt seine Familienrechtler ab dem nächsten Mal
an den Kollegen und „übernimmt“ dessen Verkehrssünder, denn er will den Fachanwaltstitel für Verkehrsrecht machen. Er braucht die Fälle und hat Spaß an dem
Gebiet. Natürlich veranstalten dann beide zusammen gemeinsame öffentliche Vorträge. Und dann nehmen sie noch eine dritte Kleinkanzlei dazu, von der der eine alle
zukünftigen Verkehrsrechtsfälle bekommt, der andere alle Familienfälle, während er
von beiden das Arbeitsrecht übernimmt. Alle Mandatstransfers werden selbstverständlich persönlich vorgenommen; sonst geht das Vertrauensverhältnis nicht mit auf den
Kollegen über, und der Mandant fühlt sich abgeschoben. Die Webseiten werden verlinkt; die Visitenkarten bei den beiden Kollegen ausgelegt. DAS sind Kooperationen!
„What you give is what you get;“ allen dreien zusammen dürften durch solche koordinierten Maßnahmen mehr Anfragen bevor stehen als jemals zuvor.
Der Haupteinwand dagegen wird selten offen ausgesprochen und ist als Akquise
behinderndes Muster zwischen den Ohren vieler Anwälte jeder Kanzleigröße angesiedelt. Dort verfügt es leider über einen – gemessen am Ziel – unangemessen dominanten Status und lautet: „Wir können ganz schlecht abgeben.“
b) Mittelständische Kanzleien
Mittelständische Kanzleien dagegen setzen erfolgreich auf den Branchenfokus und
bieten normalerweise innerhalb dieses Fokus24 erfolgreich die Ausweitung derzeitiger Mandate an. Manche Kanzleien haben den Fokus nochmals aufgeteilt (z. B.
Medizinrecht: Patientenanwälte und Ärztevertreter) oder eine weitere Spezialisierung
hinzu genommen (Sprachen, Länder, Professoren bzw. Industrielle als Of counsel,
mehrere Fachanwaltstitel etc.). Branchenfamilien sind u. a. Immobilien-, Medizin-,
IT-, Verwaltungs- oder Seerecht.
Mittelständische Kanzleien haben ihre Ausrichtung inzwischen häufig erfreulich genau definiert. Sie präsentieren ihre Webseite, Blogs, Newsletter, Veranstaltungen, Vorträge, Broschüren, Rechtsgebietskombinationen, Pressemitteilungen,
Fernseh- und Gerichtsauftritte sowie insbesondere die Mandantenstruktur eng
fokussiert. Je spezialisierter sie sind, desto leichter gelingt ihnen das. Sie haben ein
ausgedehntes Netz von Kooperationspartnern, auf die sie nicht passende Rechtsberatungsbedarfe ihrer Mandanten weiter leiten und verfügen über ein beneidenswertes Netz an Multiplikatoren.
24 Viele erfolgreiche Beispiele sind aufzählbar, in denen dies auch außerhalb des eigenen Fokus
geschieht. Durch jahrelange Kooperationen mit immer denselben Kanzleien „regeln“ die spezialisierten Mittelständler nebengeordnete Rechtsberatungsbedarfe.
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III. Die Lösung (Überblick): So funktioniert Cross-Selling in einer Anwaltskanzlei 69
Mittelständische Kanzleien blockieren sich trotz großartiger, oft jahrelang erarbeiteter Akquisestrukturen leider oft selbst dadurch, dass ihre Anwälte organisatorische Details selbst regeln möchten, statt sich um A-Aufgaben zu kümmern. Manche
von ihnen führen sogar ihren kompletten Terminkalender selbst und vergessen
darüber, ihre Mandanten nach weiteren Bedarfen zu fragen. Das ist eine Verschleuderung von Ressourcen!
c) Großkanzleien
In Großkanzleien ist Cross-Selling am einfachsten, zumindest was die organisatorischen, personellen und fachlichen Ressourcen angeht.25Da normalerweise alle
im Wirtschaftsrecht notwendigen Rechtsgebiete unter einem Dach vorhanden sind,
können sie locker mehrsprachige Projekte stemmen mit zwanzig Anwälten, die zwei
Jahre an einem Fall arbeiten. Allerdings sind sie beim Cross-Selling zu anderen Abteilungen des eigenen Hauses oft nicht durchlässig genug: Häufig wissen „die im Real
Estate“ nicht, was „die im Corporate“ an Aktionen gestartet haben und mit wem, wer
beim Kongress was mit wem besprochen hat, in welchen Bereichen ältere Kontakte
vorliegen und wie sie nutzbar gemacht werden können.
So kommt es vor, dass eine Internationale Transaktionsaktionsgesellschaft im
Immobilienbereich seit zwei Jahren erfolgreich von einer Großkanzlei vertreten wird,
ohne dass die Abteilung Gesellschaftsrecht derselben Kanzlei davon weiß. Letztere
setzt – völlig unnötig!! – große Investitionen in Gang, um an diese Gesellschaft heran
zu kommen. Einzige Ursache dieser großflächigen Verschwendung von Zeit, Geld
und Energie ist die unzureichende Dokumentation bereits erfolgter Schritte im
Intranet.26 Wie nahe liegend wäre es, den bestehenden Kontakt auszunutzen für
eine gemeinsame Vorstellung aller Beteiligten bei einem Lunch.
Selten auch hören Anwälte in Großkanzleien aufmerksam auf Bedarfe ihrer Mandanten in anderen Rechtsgebieten, dies vor allem, weil sie annehmen (häufig zu Recht),
dass ihr Mandant in dem anderen Rechtsgebiet schon von einer anderen Großkanzlei
betreut wird. Der Mandant würde gewiss nicht Nein sagen zu einem „direkten, unverbindlichen Leistungsvergleich mit unseren Mitbewerbern im Bereich X.“27 Test it!
Die linke Hand weiß in Großkanzleien manchmal nicht, was die rechte tut. Das
Intranet ist zwar eingerichtet und jeder nutzt es auch. Doch auch in diesen Kanzleien
25 Rein umsatzbasierte Entnahmesysteme sowie eine suboptimale Dokumentation machen diesen
Vorteil meist wieder zunichte.
26 In Einzelfällen kommt es auch vor, dass Abteilungen gar nicht ins Intranet schauen, was an Kontakten anderer Abteilungen bereits vorhanden ist.
27 Großartiger, in allen Kanzleigrößen hundertfach erfolgreich erprobter Satz im Umgang mit
Mandanten, die durch Mitbewerber betreut sind: „Wir sind immer interessiert an einem direkten Leistungsvergleich mit unseren Mitbewerbern. Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen unverbindlich in
einem kleinen frischen Aufsatz vorstelle, was wir unseren Mandanten in dieser Lage empfehlen?“
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70 Cross-Selling
wird bisweilen der neue Blog früher eingerichtet und aktualisiert als die interne Kundendatenbank, die es technisch locker erlauben würde, jeden neuen Kontakt nach
jedem Vortrag unter dem Stichwort „Interessent“ einzutragen – mit bisherigen Aktionen, Vereinbarungen, Gesprächsthemen, Beratern, Angeboten oder Spezial-Interessen.
Die in jeder Großkanzlei eingestellten CD-Beaufragten28 verzweifeln nicht selten
darüber, dass auch sie die Informationen nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erhalten.29 Auch das ist eine Verschleuderung von Ressourcen.
Eine der größten Ressourcen von Großkanzleien ist aus Mandantensicht der „OneStop-Shop“. Großkanzleien werben damit, und ihre Mandanten lieben und brauchen diese Mischung aus Bequemlichkeit, geballter Kompetenz und „RundumSorglos-Paket“. Der „One-Stop-Shop“ ist eine institutionalisierte Voraussetzung für
Cross-Selling, und Großkanzleien setzen diese Ressource geschickt in Szene – sogar
bei der Veröffentlichung von Personalentscheidungen wie hier nach der Gewinnung
einer Außenrechtsspezialistin:
„Die Rechtsanwältin Dr. Bärbel Sachs ist eine hoch angesehene Expertin des Außenwirtschafts- und des Exportkontrollrechts, ... Ihre Entscheidung für Noerr ist auch ein
Beleg für die ausgezeichnete Aufstellung unseres Fachbereichs im Markt....“
Dr. Sachs selbst sagt: „Die internationale Vernetzung von Noerr stellt eine ideale
Plattform für das europäische und internationale Außenwirtschaftsrecht dar. Der fokussierte Full-Service-Ansatz bietet zudem ein hohes Cross-selling-Potential.“30
Vielleicht können Kanzleien jeder Größe hieraus lernen, dass die Erwähnung
von Cross-Selling Potenzialen lange vor jedem Gedanken an ein Mandat bereits
Sinn macht.
3. Wie organisieren Kanzleien ein strukturiertes „Cross-Selling“?
Die strukturierte und flächendeckende Einführung von Cross-Selling als Akquisestrategie in einer Anwaltskanzlei erfordert mehrere organisatorische Optimierungen. Um
Cross-Selling auszuschöpfen, müssten Anwaltskanzleien
–– auflisten, bei welchen Mandanten sich die Ausweitung des Mandats lohnt:
Umsatz, Image, Ausweitung des Portfolio, Expansion in ein neues Rechtsgebiet,
Radiusakquise etc.
–– Mandanten vom Cross-Selling generell ausschließen, wenn eine weiter führende Betreuung keine entsprechenden Umsatz-, Image oder Expansionsvorteile
generiert. Damit dieser Punkt ohne Imageverluste funktioniert, ist ein Delega-
28 Client Development.
29 Dies hat auch negative Konsequenzen auf die vollständige Zusammenstellung von Deallisten
und Kontakten zur Vorbereitung eines „Beauty Contest“, vgl. gleichnamiges Kapitel.
30 http://www.noerr.com/desktopdefault.aspx/tabid-55/140_read-4330/.
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IV. Die Lösung (Details): Die „drei K“ des Cross-Selling 71
tionssystem unabdingbar: Wer betreut meinen Mandanten im nächsten Mandat
weiter? Solche Mandanten sollen zu Referenzträgern werden und daher regelmäßig verständliche Newsletter erhalten.
ihre Mandantenstruktur besser kennen: welcher Umsatz und welcher Gewinn
wurde mit welchen Mandanten erzielt? Wie schätzen wir die zeitliche Entwicklung über die Jahre ein? Welche unbearbeiteten Felder sehen wir? Wo liegt der
geografische Fokus? Welcher Mandant hat uns weiter empfohlen? Bewährt hat
sich eine monatlich aktualisierte Matrix.
eine Datenbank führen, (Interne Dokumentation, Intranet) aus der hervor geht,
was der Mandant benötigen könnte, wann und wozu er schon einmal da war,
wer bei welcher Gelegenheit diesen Mandanten wieder ins Boot holen bzw. weiter
beraten könnte.
Ergebnisse im Kollegen- bzw. Partnerkreis präsentieren und offen diskutieren; die meisten vergebenen Chancen entstehen durch mangelhafte oder gar
fehlende Kommunikation innerhalb der Kanzlei; insbesondere werden Anwälte
anderer Dezernate nicht häufig, nicht früh und nicht offensiv genug in das Folgemandat eingebunden.
Vergütungsmodelle vorhalten, die erweiterte Mandate als vollwertige Akquise
einstufen und honorieren.
Cross-Selling zur Unternehmenskultur machen und „One-Stop-Shop“ auch in
kleineren Kanzleien anbieten, auch dann, wenn die Fachleute anderer Gebiete
NICHT in derselben Kanzlei sind. Die Rechnungen laufen über einen Tisch. Haftungsfragen sind geklärt. Für dieses vereinfachte Handling sind Mandanten
bereit, einen höheren Preis zu zahlen und anwaltliche Leistungen ungefragt
zu promoten.
IV. Die Lösung (Details): Die „drei K“ des Cross-SellingIV.
Die „Drei K“ des Cross-Selling sind unverzichtbar, greifen ineinander und beeinflussen die Kanzleistruktur erheblich:
–– Kundenmanagement: Cross-Selling erfordert eine Strukturierung Ihrer Mandantschaft.
–– Kundenbefragung: Cross-Selling erfordert ein systematisches Kunden-Feedback.
–– Kommunikation: Cross-Selling erfordert eine filigrane Kommunikationskultur.
1. Kundenmanagement: Strukturierung Ihrer Mandantschaft
Ein systematisches Kundenmanagement ist die Grundlage für eine zuverlässige und
strukturierte Akquise in der Gegenwart. Ein solches System fehlt in den meisten
Kanzleien. Das heißt: Es fehlt die Sortierung der Kunden, mit denen Sie Ihr
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72 Cross-Selling
Geschäft weiter führen möchten. Auf dem Weg dorthin ist Ihr wichtigstes Geschäftsfeld bekanntlich der Bereich zwischen Ihren Ohren. Dort entstehen Niederlagen und
Siege! Dort entsteht der Wille! Dort entstehen Ideen!31 Einige Empfehlungen daher für
diese Schaltzentrale vorweg:
a) Definieren Sie den Wert Ihrer Mandate und Mandanten – eine Übung
Cross-Selling muss sich lohnen. Nicht jedes Mandat und nicht jeder Mandant eignen
sich dafür! Gestehen Sie sich das als erstes ein und beginnen Sie zu sortieren!
Es gibt eine ruhige Methode, die Sie allein abends beim Glas Wein oder mit
Kollegen in der Kneipe beim Bier mit Papier und Stift machen können.32 Diese
Methode macht Spaß, ist vielfach erprobt und leitet den Prozess „Einrichtung einer
Mandantenstruktur“33 (nächster Abschnitt) ein:
Definieren Sie in einer Matrix den Wert eines jeden Mandanten, zunächst aus
den letzten sechs Monaten. Es geht nur um Mandanten, die Sie unbedingt halten
bzw. wieder gewinnen wollen!
Die sollten als A-Mandanten spürbar und in vielen Details einen besseren
Status haben als Mandanten, die Sie nicht wiedersehen möchten. Definieren Sie
auch, durch wen, durch was genau und ab wann Sie sie das spüren lassen. Überlegen
Sie eine Methode, durch die Sie sie am besten ansprechen können.
Verwerten Sie dafür alle Erkenntnisse aus Ihrem Small Talk! Aktualisieren Sie
künftig diese Matrix wöchentlich bei kleineren, monatlich bei größeren Mandaten.
Die Matrix sieht etwa so aus:
Mandant
Peter
Gregor
Mandat/
Volumen
Bedarf?
Kündigungsschutz
1100 Euro
beendet
3.4.2012
Abfindung
Mietrecht
(wohnt in
Wohnanlage,
Vermieter
macht
Stress)
(auch
vermuten!)
Aktionen
bislang
Aktionen
Zukunft
Referenzpotenzial?
Kategorie
keine
Einladung
RA Berger
zum Vortrag
„Alles unter
Dach und
Fach“
Mittel;
Mitglied im
„Aviation
Club“
B
31 Vgl. „Selbstmanagement für die Akquise“ im Kapitel „Yes, I can“.
32 Manche Anwaltssoftware enthält Berechnungen nach einem Punktesystem: Wieviel ist ein
Mandant „wert”...
33 Alltagstaugliche und pragmatische Ausführungen dazu bei Heussen, S. 151. Rechtsanwalt
Prof. Dr. Benno Heussen recherchiert seit Jahren über anwaltliche Managementprozesse und hilft,
sie zu optimieren.
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Tischlerei
Marks
73
IV. Die Lösung (Details): Die „drei K“ des Cross-Selling Holzlieferung nass,
4500 Euro
beendet
5.6.2012
Wandlung
Arbeitsrecht?
Kündigung
Mitarbeiter
ArbeitsrechtsNewsletter
geschickt
Gegner
Lunch?
Derzeitiger
Anwalt:
Meier
Rechtsanwälte
Hoch;
Mitglied im
Hauptverband
Deutscher
Holz- 
industrie
A
Jeder Ihrer Mandanten hat einen unterschiedlichen Wert für die Kanzlei. Jeder
Mandant ist wertvoll, der
–– Umsatz bringt: Überprüfen Sie, ob Umsatz und aufgewandte Zeit in einem
betriebswirtschaftlich sinnvollen Rahmen sind.
–– die Ausrichtung der Kanzlei unterstützt: Der nächste ist vielleicht wertvoll,
weil er durch seinen Bedarf genau in die zukünftige Ausrichtung der Kanzlei
passt: Ein Minimandat im gewerblichen Rechtsschutz kann auf jeden Fall ein
A-Mandat sein. Wenn Sie gerade in diesem Gebiet Ihre Fachanwaltsausbildung
anstreben, symbolisiert er nicht nur den Beginn einer respektablen Fallliste
sondern auch den Beginn einer großen Freundschaft!
–– im Radius des langfristig angepeilten Ziels ist: Auch ein Mandant im Radius
eines angepeilten, größeren Mandanten oder im Dunstkreis eines angestrebten Rechtsgebiets oder eines angepeilten Multiplikators (im Tischlerbeispiel
oben der „Hauptverband Deutscher Holzindustrie“) ist immer ein A-Mandant!
Das können der Lieferant, Berater, Nachbar, Tenniskollege, Mitarbeiter, Ihr
eigener Zahnarzt – und natürlich auch der Gegner des eigentlichen Akquiseziels
(!) sein. Geben Sie alles, damit er sich wohlfühlt und Sie oft mandatiert!
–– der Kanzlei Image bringt: Ein weiterer klassischer Wert eines Mandanten
besteht in dem Image, das er der Kanzlei bringt: ein Türöffner zu einer ganz neuen
sozialen Schichtung oder einer bislang völlig unbekannten Branche Ihrer
Mandantschaft kann unverhofft ins Haus schneien. Über private Kontakte, etwa
über Schule oder Kindergarten, kann ein Mandatsverhältnis aus einer bislang für
die Kanzlei sozial völlig neuen Umgebung entstehen. Dieses Mandat kann eine
Änderung der kompletten Mandantenstruktur hervorrufen. Zugreifen!
–– ein hohes Referenzpotenzial hat: Das gilt auch für einen potenziellen Multiplikator, der einen nur kleinen Fall bringt, etwa ein Vereinsvorsitzender oder
ein Journalist. Solche Mandanten haben manchmal so unschätzbare „Referenzpotenziale“, dass das Honorarvolumen auch noch beim zweiten Mandat eher
nebensächlich ist!
–– bei Ihnen eine Passion auslöst: Dasselbe gilt manchmal für einen Mandanten mit einem unmöglichen Fall, in den Sie sich erst einarbeiten müssen. Viele
Anwälte haben sich dabei in ihr heutiges Rechtsgebiet verliebt – und sich dann
darauf erfolgreich spezialisiert!
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74 Cross-Selling
–– eine Innovation in der Kanzlei- oder Berufsausrichtung bewirkt: Wieder
ein anderer kann für Sie wertvoll sein, wenn er Sie auf die Entwicklung neuer
rechtlicher Dienstleistungen aufmerksam macht, dadurch dass er sie gerade
braucht.
b) Richten Sie eine Mandantenstruktur ein
Eine Mandantenstruktur einzurichten, bedeutet die Frage: „Welche Gemeinsamkeiten
werden alle meine Mandanten haben?“ Dabei reicht es nicht festzustellen: Sie haben
„alle ein Problem“, und es reicht meistens auch nicht, wenn sie „alle ein Problem im
Arbeitsrecht“ haben.
Innerhalb einer Branche wird auf Messen, Tagungen, Round Tables viel mehr
getratscht als unter Inhabern desselben Rechtsproblems! Die Branche schweißt
Menschen zusammen, das Rechtsproblem trennt Menschen eher – auch aus
Scham!
Das Prinzip „Ich vertrete Zoodirektoren, und sie kriegen bei mir alles aus einer
Hand“ wirkt also unter Umständen akquiseförderlicher als das Prinzip „Ich vertrete
Arbeitgeber, und unter ihnen ist auch ein Zoodirektor“.
Sobald Sie wissen, welche Mandantschaft Sie anpeilen, können Sie Cross-Selling sinnvoll betreiben. Sie können sowohl alle Mandanten, die nicht in Ihr „Raster“
passen, an Kollegen abgeben, die ein anderes Raster haben, als auch Mandanten, die
aus den o. g. Gründen Ihren Mandantenfokus begünstigen, stützen, halten, verwöhnen und so zu Multiplikatoren in der relevanten Gruppe machen.
1
Tipp
Bestimmen Sie Ihre Klientel eher durch deren Branchen- als durch deren Problem-Gemeinsamkeiten!
c) Ergreifen Sie weitere Maßnahmen
Stellen Sie äußeres Erscheinungsbild der Kanzlei, Telefonservice, Struktur im Mandantengespräch, Delegation an Ihre Assistentin, ggf. Honorarstruktur etc. sofort
um, wenn Sie anfangen, strukturiert durch Cross-Selling Ihre Bindung zu einigen
Mandanten zu vertiefen. Animieren Sie diese Mandanten, mit Ihnen im Gespräch
zu bleiben, indem Sie mit ihnen in Kontakt bleiben.
Mandanten werden „weiter gehenden Bedarf an rechtlichen Informationen, an
Rechtsberatung und rechtlicher Vertretung nicht ohne weiteres artikulieren. Vor
allem Mandanten, die Hemmschwellen im Umgang mit Anwälten empfinden,
werden auf diese Weise nicht optimal bedient. Potenziale rechtlicher Beratung und
Vertretung bleiben ungenutzt.“34
34 After-Sales-Service – Beziehungsmarketing der Anwälte, „Anwalt“, April 2002, S. 18–20.
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IV. Die Lösung (Details): Die „drei K“ des Cross-Selling 75
Erläutern Sie Ihrer Assistentin unbedingt, wer A-Mandanten sind und weisen
Sie sie an, wie sie diese zu behandeln hat: am Tag des Live-Kontakts Mittagspause
verschieben, Hosenanzug ja – sichtbares Piercing(!) nein, Cappuccino statt Kaffee
anbieten, Small Talk ausweiten, freundlich und herzlich sein, Arbeitsplatz erklären
(„Hallo Herr Bergmann, mein Name ist Birgit Schnieder. Wir haben ja schon telefoniert.
Ich bin hier zuständig für alles Organisatorische, also natürlich auch für das Kaffee
servieren. Was darf’s sein?“) etc.35
Auch der Anwalt selbst hat Pflichten im Umgang mit A-Mandanten: Er sollte
–– ständig in Kontakt bleiben,
–– die Genehmigung zum Übersenden regelmäßiger Mandantenbriefe erfragen,
–– diese Mandantenbriefe (Newsletter) mandantentauglich verfassen,
–– den Mandanten immer zu Vorträgen einladen,
–– den Mandanten zwischendurch immer mal anrufen,
–– Produkte erstellen, die den Mandanten interessieren könnten und
–– direkt nach Gerichtsurteilen „kleine frische Aufsätze“ versenden.
2. Kundenbefragung: systematisches Kunden-Feedback
Eine aktuelle Studie überrascht: 85 % der Anwälte jeder Kanzleigröße kennen nach
eigener Einschätzung die Bedürfnisse und Anforderungen ihrer Mandanten, doch
nur 9 % derselben (!) befragten Anwälte gibt an, regelmäßige Mandantenbefragungen durchführen.36 Da reibt sich doch der geneigte Laie erstaunt die Augen: Woher
könnte das Wissen über Mandanten stammen, wenn nicht von ihnen?
Gerade durch solche Mandantenbefragungen,37 so kommentieren die Autoren der
Studie, wäre doch die „tatsächliche und nicht nur die gefühlte Zufriedenheit des Mandanten zu erfahren“. Die Autoren vermuten weiter, dass sich bei den Anwälten nicht
verifizierte, irreale Annahmen und „möglicherweise ein gewisser Hang zur Selbstüberschätzung und zur Unterschätzung der Risiken latenter Unzufriedenheit“
breit machen könnten.38
35 Zur eigenständigen Kommunikation der Assistentin mit dem Mandanten vgl. das Kapitel
„Assistentin“.
36 Sieben/Klostermann, BB 41/2011, S. VI, Im Blickpunkt: Kanzleibarometer 2011 – Herausforderungen und Erfolgsfaktoren, Ergebnis einer Befragung von 74 Kanzleien im Jahr 2011. 35 % der
befragten Kanzleien haben weniger als 5 Berufsträger (BT), 32 % bis zu 30 BT, 8 % bis 100 BT und 
24 Prozent mehr als 100 BT. 59 % der befragten Kanzleien sind an einem Standort, 16 % an mehr als
vier Standorten.
37 Vgl. das Kapitel „Leistungs-Feedback“.
38 Beide Zitate ebenfalls aus der o.a. Studie.
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76 Cross-Selling
Bei einer Befragung von 75 Top-Kanzleien39 sieht das Ergebnis etwas beruhigender aus; dort sind es immerhin 53 % der Kanzleien, die strukturierte Mandantenumfragen durchführen. Vielleicht könnte an dieser Stelle die These gewagt werden:
Je größer die Kanzlei, desto flächendeckender werden Mandantenbefragungen zur
Akquise eingesetzt.
Allerdings fragt fast die Hälfte der befragten Großkanzleien nicht nach der
Wirkung, die sie auf ihre Mandanten erzielt haben. Diesen Kanzleien entgehen
dadurch einerseits massenhaft kostenlose Hinweise über Optimierungsbedarf und
Lernpotenziale in der Kanzlei, andererseits versagen sie sich das pro-aktive Herstellen einer Wellnessoase („Du bist uns wichtig!“) gerade zum Ende des Mandats.
Sie würde weitere Mandatierungen lang- oder sogar kurzfristig ermöglichen und in
jedem Fall die für jegliche Akquise unabdingbare „Weiter-Tratsch-Quote“ schlagartig erhöhen!
In diesem Kanzlei-Segment ist die Klientel normalerweise ökonomisch potent,
sozial gut versorgt, hat ein ungewöhnlich hohes Referenzpotenzial und ist gewöhnlich von vielen anwaltlichen Mitbewerbern umgeben, die sich gern um die Abtrünnigen kümmern! Ein Jammer! Es gibt keinen Grund, das nicht selbst zu erledigen!
Immerhin gut die Hälfte (55 %) der befragten Anwälte aus der Umfrage des
„Betriebsberater“ hinterlegt Informationen zu Mandanten und Interessenten in
einer einheitlichen Datenbank. Die Autoren weisen allerdings auf die Struktur
üblicher anwaltlicher Datenbanken hin: In der Regel finden sich dort lediglich Rahmendaten, die durch die Kanzleisoftware abrufbar sind. Die für das Cross-Selling
unabdingbaren Informationen fehlen dort! Das sind: Kontakthistorie, derzeitige
Aktivitäten, bisherige Kontakte nach dem Erstmandat, Vortragseinladungen, kurze
Anrufe zwischendurch, Einladungen zum Lunch, geplante Aktivitäten anderer Kollegen derselben Kanzlei bezüglich dieses Mandanten sowie Veränderungen in seinem
Umfeld werden nicht oder nur sporadisch eingetragen.
Gerade kleine Mandate verdecken anfangs einen Beratungsbedarf, der weit
über ein einzelnes Mandat hinausgeht und richtig einträglich werden kann. Auch
dazu dient die Erfassung des Potenzials. Wie wird das Weiterempfehlungsverhalten eines Mandanten eingeschätzt, und welches „Referenzpotenzial“ hat er? Richten
Sie eine Suchabfrage „Referenzkontakt“ ein. Dort tragen Sie alle Mandanten ein,
die nicht wiederkommen, sondern nur weiter empfehlen sollen. Diese Mandanten
bekommen von Ihnen zweierlei: einen anderen guten Anwalt (seine Arbeit fällt auf
Sie zurück!), der sie beim nächsten Mandat weiter versorgen wird sowie regelmäßige
verständliche Newsletter, eingeleitet durch einen unwiderstehlich ausgedrückten
Leser-Nutzen.
39 Schieblon, 3. PMN Benchmark Studie Anwaltsmarketing Juli 2011, S. 32 (Ergebnis einer Befragung
von 75 TOP Kanzleien – nach Ranking in JUVE Rechtsmarkt 10/2010).
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IV. Die Lösung (Details): Die „drei K“ des Cross-Selling 77
Sogar in Kanzleien, in denen die Software solche Eintragungen ermöglicht und
nach unterschiedlichen Suchbegriffen auswerfen könnte, werden diese Eintragungen häufig nicht gemacht. Die Software ist in solchen Fällen fast so teuer wie die
Verluste, die trotz ihrer Anschaffung monatlich (!) billigend in Kauf genommen
werden.
Tipp
Die Cross-Selling Datenbank muss detailreich gefüllt, ständig aktualisiert und automatisch mit allen
Anwalts-Rechnern der Kanzlei synchronisiert werden. Investieren Sie!
3. Cross-Selling erfordert filigrane Kommunikation
Anwälte vollbringen aus dem Stand Glanzleistungen, wenn sich der Mandant nach
seinem ersten Mandat von sich aus erneut meldet. Anwälte fühlen sich dadurch zu
Recht geehrt und bestätigt! Doch umgekehrt verhalten sich Anwälten merkwürdig
scheu. Sie weisen ihre Mandanten nach dem ersten Mandat nicht von sich aus auf
weitere Mandanten-Bedarfe hin, die die ursprünglichen Rechtsberatungsleistungen sinnreich komplettieren würden. Sie halten auch nicht freiwillig beständigen
Kontakt zu Cross-Selling Kandidaten.
Untersuchen Sie, welcher Grund Sie hauptsächlich hindert und entmachten
Sie diesen Grund! Denn alle Seiten haben Vorteile durch ein geglücktes „Cross-Selling“: Der Mandant ist nachhaltig geschützt durch die erfahrene Voraussicht seines
Anwalts und wird nicht wechseln wollen. Der Anwalt gewinnt neben einem zuverlässigen Kooperationspartner und einem langfristig verdoppelten Umsatz etwas
viel Wichtigeres: einen sicheren, jahrelangen Multiplikator seiner Leistung.
Der Mandant hat gute Gründe, seine Rechtsberatungsbedarfe nicht oder nicht
sofort komplett bekannt zu geben: vielleicht berät ihn ein anderer Anwalt in dieser
Sache, vielleicht scheut er die Offenlegung seiner Probleme aus Scham oder aus
Kostenfurcht –oder vielleicht kennt er sie selbst gar nicht.
Um dem bestehenden oder ehemaligen Mandanten Cross-Selling Potenziale
bewusst zu machen oder ihm zu ermöglichen, diese selbst zu benennen, sollten
Anwälte ein paar rhetorische Regeln beachten:
a) Ansprechen während eines Abschlussgesprächs
Trainierte Anwälte hören großartig zu. Sie paraphrasieren einen Nebensatz des
Mandanten im Erstgespräch und verschieben dessen Beantwortung auf später:
„Herr Berger, da sprechen Sie einen weiteren wichtigen Punkt an. Wenn Sie einverstanden sind, verschieben wir den auf etwas später; er gehört indirekt zum Thema. Ich
mache mir hier eine Notiz.“
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1
78 3
Cross-Selling
Achtung
Am Ende des Gesprächs auf die Notiz zurückkommen und sagen, was mit ihr passiert.
Sobald eine Mandatsausweitung allseits attraktiv erscheint, laden Anwälte ihn zu
einem (u.U. auch telefonischen) Abschlussgespräch ein. Das Abschlussgespräch
stellt drei Dinge sicher:
–– Der Mandant erhält die Rechnung überreicht (beim Telefonat Informationsrechnung gemailt). Sie wird Punkt für Punkt besprochen. Die Rechnungen trainierter
Anwälte enthalten keinerlei Überraschungen (schon gar keine negativen!) für
den Mandanten und werden dadurch schneller bezahlt.
–– Er erhält eine Feedback Möglichkeit. Manche Anwälte füllen einen Feedback
Bogen selber aus.40
–– Ein im Erstgespräch verschobener, später ermittelter oder statistisch wahrscheinlicher Bedarf wird skizziert und paraphrasiert: „Herr Berger, darf ich abschließend noch mal zurück kommen auf eine Frage, die anderen meiner Mandanten in
Ihrer Lage Sorgen macht, (oder: „..., die mir unterwegs aufgefallen ist“) und das
ist: „X“. Abhängig von seiner Reaktion können Sie ihn sofort mit einem Fachanwalt zu diesem Gebiet in Kontakt bringen. Dieser sollte zuvor Bescheid wissen,
dass er evtl. gegen 16 Uhr wegen einer neuen Mandatsanbahnung angerufen wird.
5
Beispiel
Die Anwältin lädt den Mandanten zur Rechnungsübergabe ein in ihre Kanzlei. Nachdem sie alle Details
der Rechnung nochmals erklärt und ein Feedback über Verbesserungspotenziale ihrer Kanzlei eingeholt hat, weitet sie das Thema aus (Mandant hatte Bedarf angedeutet) durch Paraphrase: „Herr
Berger, Sie hatten da vor drei Monaten eine Bemerkung gemacht, die hatte ich mir damals notiert
(Paraphrase). Sie deuteten etwas an über Ihren Sohn, der demnächst aus den USA zurück kommt
und gern in das Unternehmen einsteigen würde. Viele meiner Mandanten sind froh (Perspektivwechsel), wenn sie rechtzeitig für eine steuerfreundliche Übergabe sorgen können. Wie steht’s damit bei
Ihnen?“ (Sie sagt nicht: „Ich rate Ihnen“ oder „Sie müssen“)
b) Ansprechen durch die Nutzenargumentation
Der Anwalt zeigt auf, welchen Nutzen sein Mandant hätte, würde er sein Mandat
ausweiten. Dabei ist die direkte Empfehlung eine verbreitete Methode für das Cross-
40 Diese Methode ist aus exzellenten Hotels abgeschaut, in denen die Rezeptionistin während des
Check-out die Fragen durchgeht und selbst die Antworten notiert: „Haben Sie zwei Minuten Zeit für
ein kleines Interview?“ Das ist genau das Gegenteil von lieblos auf den Nachttisch geworfenen oder
dezent versteckten DIN A 5 Bögen mit viel zu viel Text oder mit Noten zum Ankreuzen! Von derselben
Rezeptionistin erhalten Gäste dann eine Mitteilung per Email, was genau durch eine Beschwerde in
die Wege geleitet wurde, begleitet von einem Upgrade beim nächsten Besuch. Denn: „Sie haben uns
geholfen, unsere Qualität zu optimieren. Wir laden Sie ein zu einem Test...“
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IV. Die Lösung (Details): Die „drei K“ des Cross-Selling 79
Selling. „Herr Berger, wenn Sie erlauben, würde ich Sie gern hinweisen auf eine weitere
Möglichkeit, die wir noch nicht besprochen haben: Wenn wir jetzt auch noch X in die
Wege leiten, könnten Sie dadurch rechtzeitig sicher stellen, dass...“ Wenn er zögert,
lässig nach Hause gehen lassen zum Nachdenken. Bewährt hat sich der Perspektivwechsel auch, wenn der Mandant noch zweifelt: „Viele meiner Mandanten überdenken das Ganze noch mal eine Nacht und rufen dann am nächsten Morgen an, ob
wir das so machen sollen oder nicht.“ Achtung: „Erwähnen Sie diesen Rat auf keinen
Fall mehrmals, denn: „Ratschläge sind Schläge!“ Ihr Mandant muss Ihnen trauen,
damit er Ihrem Rat folgt!
c) Ansprechen durch den Perspektivwechsel
Der Anwalt erläutert, welchen konkreten Nutzen ANDERE seiner Mandanten schon
hatten, wenn sie rechtzeitig auch noch „X“ abgesichert haben: „Herr Berger, andere
Mandanten in Ihrer Situation hatten zusätzlich die Befürchtung, dass sie durch
X in Schwierigkeiten geraten könnten. Wie steht es damit bei Ihnen?“ Sie bewirken
den Eindruck unaufdringlicher Kompetenz mit dem Subtext: „Das habe ich schon
oft gemacht; ich bin kompetent.“ Wenn Sie erprobte Verfahren mit deren Vorteil
erwähnen, erreichen Sie zumindest ein Nachdenken des Mandanten. Achtung: Die
erwähnten Situationen anderer Mandanten müssen vergleichbar sein! Je konkreter
Sie skizzieren, in welchen Situationen „X“ schon sinnreich war und mit welchem
Nutzen, desto weniger aufdringlich wirken Sie!
Beispiel
Der 58-jährige Mandant, ein selbstständiger Tischler, möchte zwei seiner 13 Mitarbeiter wegen schlechter Leistungen entlassen. Er macht sich Sorgen um die Zukunft seiner Tischlerei, die seit 87 Jahren in
Familienbesitz ist. Die Umsatzzahlen sind schlecht; ein Großauftraggeber ist seit 8 Jahren der Garant
für einigermaßen stabile Auslastung. Der Anwalt recherchiert alle Details des ursprünglichen arbeitsrechtlichen Bedarfs und weitet dann die „Kampfzone“ aus: „Herr Berger, viele meiner Mandanten
in Ihrer Situation stehen zusätzlich vor der Herausforderung, ihr traditionsreiches Unternehmen in
verlässliche Hände zu übergeben und dabei noch Steuern zu sparen. Wie steht es damit bei Ihnen?“
(Er sagt nicht: „Ich rate Ihnen“). Für den Fall seiner sofortigen Zustimmung steht ein Spezialist für die
Unternehmensnachfolge bereit, telefonisch oder live dazu zu kommen.
d) Ansprechen durch „Matching“41 des Katastrophenfokus
Mandanten mit dem Metaprogramm „Weg von“42 benötigen zu ihrer eigenen Motivation das Aufzeigen von Katastrophen, damit sie aktiv werden. Sie „müssen“
41 Siehe Kapitel „Durchsetzung“.
42 Metaprogramme sind Wahrnehmungsfilter und damit wichtig für die Motivation. Inhaber des
Metaprogramms „Weg von“ sind extern motivierbar durch das besondere Betonen einer Katastro-
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80 Cross-Selling
immer wissen, welcher Katastrophe sie zu entgehen haben. Sie torpedieren eigene
und fremde Ziele immer dann, wenn sie „eine bunte Blumenwiese erreichen, statt
ein graues Trümmerfeld verlassen“43 sollen. Der trainierte Anwalt zeigt, um das
System zu matchen, in diesem Fall Katastrophen auf, die der Mandant meiden
möchte: „Wenn wir jetzt nicht „X“ veranlassen, passiert wahrscheinlich Y.“ Trainierte
Anwälte arbeiten in diesem Fall sogar mit dem Einrichten einer Katastrophe, ohne
selbst die Lösung zu sagen: “Im schlimmsten Fall kann ja auch noch ... passieren, da
sind wir dann in Bezug auf „Y“ fast machtlos und geraten in eine gefährliche Defensive.“ Sie warten, bis der Mandant selbst fragt: „Was können wir dann dagegen tun?“
Und selbst danach noch mögen manche Mandanten Katastrophen: „Naja, einfach
wird das nicht. Auf jeden Fall MÜSSEN44 wir dann...“
e) Ansprechen durch Wechsel der Zeitzonen
Auch durch den Wechsel der Zeitzonen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft
kann Cross-Selling gelingen. Manche Anwälte verfünffachen den Ursprungsbedarf
bereits bei der Anamnese(!) des Ursprungsfalls durch geschicktes Fragen in unterschiedlichen Zeitzonen und aus unterschiedlichen Perspektiven. Der folgende
Fall zeigt das. Er ist außerdem ein großartiges Beispiel für die Akquise eines Gegners
(Referenzkunden) durch aufmerksames Zuhören und gute Arbeit.
V. Best PracticeV.
Hier verfünffacht eine Bremer Anwältin die Anzahl ihrer Mandate. Normalerweise –
so auch hier – berichtet der Mandant von seinem Fall zunächst in der Gegenwart:
Mandat 1: Vertragsrecht
„Die Leasinggesellschaft X hat unseren Leasingvertrag gekündigt und klagt auf Herausgabe von 15 Sonnenbänken. Wir sind Betreiber eines Sonnenstudios und haben
phe, von der sie weg möchten. Sie enttarnen sich vor allem als „Negativsprecher“, die zuerst Mängel
wahrnehmen und sofort aussprechen. Sie erkennen immer als erstes, was „fehlt“, was „nicht ausreicht“ und was „äußerst fraglich ist“. Sie reagieren allergisch auf positive Bemerkungen und gehen
sofort dagegen an! Dieses Muster nutzt ein geschickter Verhandler aus: Er spricht – u.U. gegen
seine eigene Auffassung! – negativ, so dass der andere auch dagegen angeht. („Leicht ist das nicht
zu schaffen; ich sehe da kaum Chancen“, bis der andere sagt: „Es sei denn, wir...“).
43 Roderich Heinze, „Der Aufschwung beginnt bei mir“ und „Keine Angst vor Veränderungen“,
Dr. Heinze war mein Ausbilder. Er sprach stets in unvergessenen Bildern.
44 Das Wort „müssen“ sollten Sie sich in allen anderen Akquisesituationen verbieten! Anwälte mit
dem entgegen gesetzten Metaprogramm „Hin-Zu“ müssen anfangs lachen, wenn sie diese Negativsprache verwenden. Das geht vorbei. Test it!
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V. Best Practice 81
monatliche Leasingraten in Höhe von insgesamt 20 000 Euro nicht bezahlt. Wenn wir
die Bänke abgeben müssen, sind wir erledigt.“
Die Anwältin könnte sich nun mit einem Mandat begnügen und lediglich wegen
der Klage auf Herausgabe der Sonnenbänke tätig werden. Stattdessen wechselt die
Anwältin die Zeitzone: Sie erfragt, wie es zur Kündigung des Vertrags kam, d. h. sie
erforscht die Historie (Vergangenheit):
Mandat 2: Mietrecht
„Was war Ihr Grund, nicht zu zahlen?“ Die Anwältin erfährt dadurch, dass die Kunden
des Mandanten wegen einer Baustelle vor dem Sonnenstudio ausblieben, dass dadurch
außerdem Mietrückstände für die vergangenen fünf Monate in Höhe von 5000 Euro
entstanden waren – und dass der Vermieter bereits mit Kündigung der Gewerberäume
gedroht hatte.
Dadurch entstehen weitere Fragen aus gewechselter Perspektive (Vergangenheit)
wie etwa:
Mandat 3: Mietrecht
„Hat Ihr Vermieter Sie darüber informiert, dass diese Baustelle eingerichtet wird?“ Es
kommt raus, dass dies nicht der Fall war. Die Anwältin deutet dem Vermieter schriftlich und sehr freundlich die Möglichkeit einer Schadenersatzforderung Ihres Mandanten an.
Nach Mandatsabschluss ruft der ehemalige Gegner (Vermieter) an und teilt mit,
dass die Anwältin ihn beeindruckt habe durch ihre unnachgiebige und freundliche
Art. Er berichtet dass die Stadt die obige Baustelle nun schon zwei Monate länger als
es ihm angekündigt worden war, betreibe.
Mandat 4: Verwaltungsrecht
Durch diese Information und durch schriftliches Androhen einer weiteren Schadenersatzklage, diesmal gegen die Stadt, bekommt die Anwältin die Stadt und den Vermieter an denselben außergerichtlichen Verhandlungstisch.
Erneut zeigt sich der Mandant beeindruckt, diesmal durch ihren geduldigen und
scheinbar sanften Stil gegenüber Behördenvertretern.
Mandat 5: Mietrecht
Später überträgt dieser Vermieter von 13 Gewerbeobjekten weitere Mandate im
gewerblichen Mietrecht .
Die Anwältin gewinnt nicht nur deutlich mehr an Umsatz, sondern vor allem ein
belastbares Vertrauensverhältnis zu einem weiteren gewerblichen Mandanten ihrer
Stadt.
Rechtanwältin Nicole Mertgen, Partnerin bei Dr. Fuchs, Schönigt und Partner,
Bremen, Tel. 0421-1655293
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82 1
Cross-Selling
Erfolgstipps
– Cross-Selling lohnt sich immer! Tun Sie alles dafür! Es ist die einfachste aller pro-aktiven Akquisemethoden, denn das Vertrauensverhältnis besteht bereits.
– Richten Sie eine Mandatenstruktur ein. Sortieren Sie aktiv!
– Veranstalten Sie Abschlussgespräche mit drei Tagesordnungspunkten: Rechnung überreichen,
Feedback einholen, weiteren Bedarf paraphrasieren oder durch Perspektivwechsel etablieren.
– Optimieren Sie Ihre interne Dokumentation und führen Sie strukturierte Mandantenbefragungen
durch. Ohne sie geht es nicht!
– Bieten Sie A-Mandanten nach dem ersten Mandat online und live permanenten Zusatznutzen an.
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Durchsetzung
10 % direkte Akquise
90 % indirekte Akquise
„Wenn sich Meinungen, Löwenmännchen und all-inclusive Reisen durchsetzen, dann
können Anwälte das doch auch!“1 Was als Einleitung zu einem Vortrag vor Anwälten ziemlich gewagt klingt, ist im Anwaltsalltag längst Gewissheit: Durchsetzung ist
Pflicht, Lust und ökonomische Notwendigkeit zugleich.
Dieses Kapitel wird behilflich sein, Durchsetzung vom Geruch des Zufalls zu
befreien. Es besteht aus vier Teilen, davon bieten die mittleren beiden die rhetorische Grundausstattung für erfolgreiche Akquisiteure:
I. Durchsetzungsstarke Anwälte sind Kult
II. Gesprächsführung für die Akquise 1: Basics
III. Gesprächsführung für die Akquise 2: Feinheiten
IV. Wie die „Werner Hupe GmbH“ Mandant wird – ein Akquise-Dialog in zwei
Phasen
I. Durchsetzungsstarke Anwälte sind KultI.
Mandanten tragen keine anwaltliche Fähigkeit häufiger und leidenschaftlicher in die
Öffentlichkeit als die Durchsetzungskraft ihres Anwalts. Sie bezahlen ihn ja genau
dafür! In allen Sprachniveaus dokumentieren sie öffentlich ein starkes „Wir“Gefühl mit ihrem Anwalt: „Der hat’s ihm aber ordentlich gegeben!“, oder: „Die Lieferbedingungen wurden erneut optimiert. Das haben wir allein der Anwältin zu verdanken!“ sind unbezahlbar nachhaltige Imagekampagnen.
Tipp
Mandanten werben jahrelang für ihren durchsetzungsstarken Anwalt!
Durchsetzung ist Anwalts-Alltag
Anwälte setzen in ihren Kanzleien einigermaßen locker Arbeitsaufträge, Hausaufgaben, Vorgehensweisen, Terminverschiebungen, In-house-Events, Chefstatus, Honorarvereinbarungen, Strategien, Verständlichkeit, Marketing-Etats, Rechtsmeinungen,
■■
1 Diese Einleitung zu meinem Vortrag „Ein Nein ist eine Aufforderung zum Tanz“ wird stets variiert,
meist durch provokante „Wachmacher“ aus der Auftrittsregion.
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1
84 Durchsetzung
Arbeitsstile, Telefontermine, eine weitere Putzfrau, Fortbildungen, Öffnungszeiten,
MMMs2 und sogar die Anschaffung einer Cappuccino-Maschine durch.
Sie setzen auch außerhalb ihrer Kanzleien Rechtsmeinungen, Strategien,
Anweisungen und Interessen durch. Durchsetzung ist das Salz in der Suppe anwaltlicher Argumentation. Noch nie gab es Richter, die ihr Territorium kampflos aufgaben oder gegnerische Anwälte, die ihre Positionen freiwillig zurücksteckten. Ebenso
„kampfbereit“ zeigen sich bisweilen Mitarbeiter, Kollegen und sogar eigene Mandanten, wenn sie frustriert sind oder sich unverstanden fühlen.
■■ Durchsetzung ist ein zentrales Akquise-Tool
Sie beeindruckt Mandanten, Gegner, potenzielle Mandanten, den inneren Schweinehund, Gerichte, Presse, den Kanzleivermieter, Mitarbeiter, Kollegen und – nicht zu
vergessen – die privaten Partner.
■■ Durchsetzung gilt in Akquisesituationen als schwierig
In Akquisesituationen dagegen geben Anwälte manchmal zu früh auf, manche
meiden sogar Akquisesituationen. Es erscheint ihnen schwierig, sich freundlich
gegenüber dem Mitbewerber zu positionieren, sich weder angeberisch noch zu
schüchtern zu verhalten, ihre Leistungen glaubhaft zu quantifizieren, bei kritischen Fragen locker zu bleiben, sich Zweiflern gegenüber zu beweisen, cool über
das Honorar zu informieren und dem inneren Schweinehund zu zeigen, wer der
Boss im Haus ist.
Sie verlassen sich gern mal auf wackelige Faktoren wie Tagesform, schwache
Gegner oder Glück – natürlich auch, um sich im Misserfolgsfall nicht zu viel Verantwortung aufzubürden. Doch Glück, Tagesform oder schwache Gegner sind höchstens
sporadische Vollzugshelfer und keinesfalls verlässliche Erfolgsfaktoren!
II. Gesprächsführung für die Akquise: BasicsII.
Den wichtigsten Schritt haben Sie bereits getan, das ist die Entscheidung, diesen
einen Mandanten, diese eine Firma oder dieses eine Mandat zu gewinnen.
Wie mehrfach in diesem Buch ausgeführt, ist diese Entscheidung die Basis für alles
andere. Das „Wer“ ist entschieden, das „Was“ ist entschieden, und am „Wie“ sollte es
nun nicht mehr scheitern!
2 „MMM“ ist der Montag-Morgen-Muntermacher, in manchen Kanzleien die Wochenbesprechung,
in anderen eine gemeinsame Mini-Frühstücksrunde, in wieder anderen der jour fixe mit Anwalt und
Mitarbeitern. Besonders in kleinen Kanzleien, die mit dem Instrument der „festen Rückrufzeiten“
(vgl. Kapitel „Kanzleimarketing“) arbeiten, werden beim MMM die Zeiten für die ganze Woche festgelegt, zu denen der Anwalt Mandanten zurückruft.
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II. Gesprächsführung für die Akquise: Basics 85
Der Mandant sitzt vor Ihnen, ist jetzt im Augenblick bzw. in wenigen Minuten am
Telefon oder steht zehn Meter entfernt von Ihnen bei einem Empfang. Jetzt geht es nur
noch um rhetorische Methoden.
Vier Basics dienen ihnen als rhetorische Grundlage. In allen Akquisegesprächen werden sie Sie stützen, deshalb sollten Sie alle vier stets im Gepäck haben:
1. Die offene Frage – Managerin der Menschenführung
2. Die geschlossene Frage – Königin der Kontrolle
3. Die Paraphrase – Wegbereiterin der Empathie
4. Die Ich-Botschaft – Botschafterin der taktischen Selbstverkleinerung
1. Die offene Frage – Managerin der Menschenführung
„Wer fragt, führt!“ Diese uralte rhetorische Regel mag allein durch die Häufigkeit
ihrer Erwähnung den einen oder anderen Leser langweilen – im Gespräch weicht
diese Langeweile schnell einer nachhaltigen Faszination – übrigens auch auf der
Seite des Sprechers. Die offene Frage beginnt mit einem Fragewort (Wie? Was?
Welcher? Wessen? Wann? Wohin? Wodurch? Wozu? Wo?) und hat immer mehr als ein
„Ja“ oder „Nein“ als Antwort.
■■ Indikation der offenen Frage
Die offene Frage ist Gesprächseröffner, Gesprächsstrukturierer, Krisenmanager, Energiesparlampe, Sachverhaltsermittler und Garant für eine sensationell
elegante Durchsetzung in kritischen Situationen. Sie garantiert einen lockeren
Gesprächseinstieg – auch im Small Talk3 – eine blitzschnelle Sachverhaltsermittlung,
eine freundliche Überlegenheit, eine geschickte Neutralisierung von Einwänden,
Ihren unangreifbaren Kaiserstatus in kritischen Momenten – mit einem Wort: Die
offene Frage garantiert Ihre Führung.
Sie beginnt mit einem Fragewort und wird normalerweise mit mindestens einem
vollständigen Satz beantwortet. Die offene Frage öffnet den Gesprächspartner
(„Worum geht es Ihnen in erster Linie?“). Sie regt ihn an, aktiviert ihn, zwingt
ihn auf Ihr Terrain – und Sie als Frager verzichten mit der korrekt gestellten offenen
Frage auf eine eigene Wertung. („Was war Ihre Intention?“) Sie erfordert von Ihrem
Gesprächspartner eine ausführliche Antwort („Wie kam es zu dem Streit?“) und
verleitet ihn zum Darlegen seiner eigenen Position. Sie bringt den anderen zum
Denken und Sortieren („Welche Möglichkeiten hätte Ihr Geschäftsführer gehabt?“)
und entschärft dadurch Killerphrasen, präzisiert Einwände und pragmatisiert
Widerstände („Welche Alternative sehen Sie?“). Die offene Frage versachlicht auch
Sie in emotional belasteten Kontexten. Die Antworten sind normalerweise ausführlich und nicht fokussiert. In aller Regel ermöglicht und erfordert die Antwort
3 Vgl. auch das Kapitel „Small Talk“.
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86 Durchsetzung
auf die offene Frage eine spätere Paraphrasierung (Zusammenfassung) des für Sie
brauchbaren Antwortteils.
–– „Was hat Sie dazu gebracht, Ihr Angebot zurückzuziehen?“
–– „Wie erklären Sie sich dieses Verhalten des Geschäftsführers?“
–– „Seit wann wissen Sie von den Lizenz-Verhandlungen?“
–– „Was passierte dann?“
–– „Welche Ziele verfolgen Sie damit?“
–– „Was ist aus Ihrer Sicht die Alternative?“
–– „Was soll diese Regelung hauptsächlich bewirken?“
–– „Was brachte Sie dazu?“
Wirkung der offenen Frage
Die offene Frage wirkt wie das Gegenteil der „Entweder-Oder“ – Disposition in der
Juristenausbildung und fällt Anwälten daher zunächst schwer. Geübte Akquisiteure
lassen durch die offene Frage auch dann dem Gesprächspartner viel Raum, wenn sie
die Antwort längst kennen. Sie ist also ein taktisches Instrument der Führung,
wirkt empathisch und interessiert und ist darauf gerichtet, dem Gesprächspartner
ein Wohlbefinden, dem eigenen Argument das Siegertreppchen und sich selbst
den Führungsstatus zu verschaffen.
Offen gestellte Fragen nach der Taktik im Mandat („Wie gehen wir nun vor?“)
beantwortet der Mandant mit einer direkten Machtübertragung an Sie: „Das weiß
ich doch nicht. Sie sind doch der Anwalt“.
Anwälte fürchten diese – oft patzig klingende – Antwort. Zu Unrecht! Besonders
der anfangs kritische Mandant erteilt seinem Anwalt die volle taktische Verantwortung und wird ihm folgen. Arbeiten Sie auf diesen Moment hin und schätzen Sie
ihn stets mit einem inneren Lächeln! Denn in diesem Augenblick überträgt der
Mandant Ihnen nicht nur die Lösung (Sachebene) und die taktische Verantwortung
(Macht) sondern auch sein Vertrauen (Beziehungsebene).
■■
2. Die geschlossene Frage – Königin der Kontrolle
Sie ist die – hoffentlich freundliche – Stimme im Navigationsgerät der Fokussierung
und die – hoffentlich nur aus taktischem Grund angewandte – analytische Meisterin der Kontrolle. Verkaufstrainer und ihre Jünger nennen sie die „klassische
Abschlusstechnik“.
Sie beginnt mit einem Verb oder Hilfsverb und wird mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet. Sie erfragt Informationen in einem sehr präzisen, eingeschränkten Bereich.
■■ Indikation der geschlossenen Frage
Die geschlossene Frage ist indiziert, wenn Sie einen potenziellen Mandanten dazu
bringen wollen, sich festzulegen, sich präzise auszudrücken, das Augenmerk auf
einen bestimmten Punkt zu legen und sich von Weitschweifigkeit zu verabschie-
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II. Gesprächsführung für die Akquise: Basics 87
den. („Wurde der Vertrag von beiden Seiten schriftlich unterzeichnet?“) Die geschlossene Frage leitet Commitments ein („Können wir das so machen?“) und kontrolliert
z. B. „Hausaufgaben“4 („Schaffen Sie das alles bis Mittwoch 14.30 Uhr?“). Mit ihrer
Hilfe können Sie die Ergebnisse der bisherigen Anamnese Schritt für Schritt rekonstruieren. Sie ist als Instrument der Fragetechnik immer dann unerlässlich, wenn Sie
sachliche bzw. logische Zusammenhänge recherchieren („Haben Sie den Betriebsrat schon informiert?“) oder einen Interessenten auch im positiven Sinne „bedrängen“ („Geben wir also noch Zeit bis Mittwoch?“) wollen.
Vorsicht
Die geschlossene Frage wird oft an der falschen Stelle – meist zu früh – gestellt, und das ist der häufigste rhetorische Fehler im Akquisegespräch. Sie lässt dem Interessenten zu wenig Raum zur Darstellung seiner eigenen Sicht, hat hohe suggestive Anteile und legt den anderen in Richtung, Redestil
und Selektion der Wahrnehmung fest („Wollen Sie nun Ihren Schwager verklagen?“).
––
––
––
––
––
––
„Soll ich zuerst die rechtlichen Möglichkeiten erläutern?“
„Wissen Sie, was die Käufer damit vorhaben?“
„Sind Sie einverstanden?“
„Ist Ihnen klar, dass die Geschäftsbeziehung dadurch beendet wird?“
„Wollen Sie das wirklich?“
„Gibt es noch einen Einwand dagegen?“
Wirkung der geschlossenen Frage
Anwälte verwenden geschlossene Fragen viel zu früh und viel zu häufig. Dadurch
vergeben sie sich die Möglichkeit, Informationen zu gewinnen, Gespräche zu
führen und Energie zu sparen. Geschlossene Fragen sind Manipulationsveranstaltungen mit hohen Energieverlusten auf Seiten des Fragers, während der Befragte
sein Gehirn absolut nicht aktivieren muss. Geschlossene Fragen sind durchschnittlich dreimal so lang wie offene; allein die Anzahl der Worte spricht Bände! Je mehr
Antwortteile in die Frage aufgenommen werden, desto kleiner wird der Raum für den
Antwortenden; der Befragte hat stets nur die Wahl zwischen ja und nein.
Besonders tragisch ist die falsche Verwendung der geschlossenen Frage während
einer Zeugenvernehmung. Sie finden im folgenden Frage-Beispiel elf manipulative
Antwortteile: „Stand (?) er (?) bereits länger (?) hinter (?) der Tür, als der Herr Z. (?)
mit dem Dokument (?) in der Hand (?) den Raum (?) durch die halboffene (?) Tür (?)
betrat (?)?“
Allein das Wort „betrat“ manipuliert den Hörer zu der Annahme, keinesfalls
könnte der Raum durch „poltern“, „rennen“ oder „kriechen“ betreten worden sein.
■■
4 Vgl. zur Bindewirkung von „Hausaufgaben“ das Kapitel „Mandantengespräch“.
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3
88 Durchsetzung
Und natürlich hat niemand den Hauch einer Ahnung, auf welchen Antwortteil
sich der Zeuge bezieht, wenn er diese Frage mit „Nein“ beantwortet! Der Zeuge selbst
übrigens erst recht nicht.
Anwälte verwenden geschlossene Fragen leider nicht aufgrund taktischer Überlegungen sondern einzig und allein aufgrund unüberprüfter Gewohnheiten, und
die sind die schlechtesten Ratgeber aller Zeiten! Geschlossene Fragen kosten
Energie, Zeit und Nerven – und sicher manches Mandat.
1
Tipp
Verwandeln Sie daher generell 90 % Ihrer geschlossenen Fragen in offene.
Geschlossene Frage:
Offene Frage:
„Haben Sie sich bezüglich der Abwicklung Ihrer
Angelegenheit schon entschieden?“
„Wie machen wir weiter?“
„Haben Sie das Ziel, die Geschäftsbeziehung 
unter diesen Umständen fortzusetzen?“
„Was soll mit der Geschäftsbeziehung 
geschehen?“
„Wollen Sie eine genaue Aufstellung der 
anfallenden Nebenkosten oder reicht Ihnen 
eine Pauschalrechnung?“
„Wie sollen wir bezüglich der Rechnung 
vorgehen?“
„Kennen Sie die Interessen der Verkäufer 
bezüglich des Umweltgutachtens genau?“
„Welche Interessen vermuten Sie auf der 
Verkäuferseite?“
3. Die Paraphrase – Wegbereiterin der Empathie
Sie drücken mit Ihren Worten aus, was der Gesprächspartner meint. Oft vereinfacht
die Paraphrase seinen Wortbeitrag. („Das heißt also, er hatte gelogen?“). Manchmal
klärt sie Wortbeiträge durch eine provokante Verkürzung, die auf eine Korrektur
abzielt. („Wenn ich das richtig verstanden habe, war Ihnen im Grunde nur wichtig,
dass Sie eine Entschuldigung bekommen?“), manchmal dient sie auch „nur“ als
Sachverwalter („Wenn ich mal zusammenfassen darf: Sie sind bereit, doch auf eine
Klage zu verzichten, wenn ein Teil der Summe sofort gezahlt wird?“). Auch wenn Sie
selbst eine Zusammenfassung des Besprochenen nicht benötigen; beim Gesprächspartner kommt die Paraphrase empathisch und fürsorglich an.
■■ Indikation der Paraphrase
Sie stellen durch die Paraphrase Ihre eigene Welt zugunsten der Welt Ihres Gesprächspartners zurück, um Vertrauen des Gesprächspartners zu gewinnen („Das bedeutet,
dass Sie vor allem um das Wohl Ihrer Kinder fürchten?“). Die Paraphrase hilft Ihnen,
eigene Wertungen zu unterbinden und den Gesprächspartner im Fokus des Interesses zu halten („Ihnen geht es also hauptsächlich darum, Ihre Ehe zu erhalten?“)
Die Paraphrase löst fünf Vorteile im Akquisegespräch aus:
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II. Gesprächsführung für die Akquise: Basics 89
Empathie: Der Gesprächspartner fühlt sich verstanden, wenn Sie korrekt
paraphrasieren. Die Paraphrase ist für ihn der Beweis des Zuhörens, der Beweis, dass seine Geschichte, sein Unternehmen oder
seine Denkweise für Sie interessant und wichtig sind.
Verstehen: Sie selbst schließen inhaltliche Missverständnisse aus. Jeder
Mensch hat ein unterschiedliches Wahrnehmungssystem. Missverständnisse sind der Beweis für Kommunikation und selbst bei
allseitigem Schweigen unvermeidlich. „Das heißt für Sie also,
dass Sie an Ihren alten Arbeitsplatz zurück wollen?“
Effizienz: Sie sparen Zeit und blockieren Vielredner. „Herr Berger: Bis jetzt
habe ich drei Punkte heraus gehört, nämlich x, y und z. Gibt es
einen vierten?“ (Kontrollfrage)
Struktur: Sie strukturieren das Gespräch und sich selbst. Durch die Paraphrase fassen Sie die schon genannten Punkte zusammen. Die
noch unbesprochenen bleiben übrig. Dadurch erreichen Sie eine
hohe Konzentration auf die noch fehlenden Bereiche – auch bei
Ihrem Gesprächspartner.
Manipulation:5 Sie beeinflussen die Richtung des Gesprächs. Ihr Gesprächspartner schimpft über die Zustände in seiner Tischlerei, über viele
Aktionen einzelner Tischler im Besonderen und über „Undankbarkeit in der Gesellschaft“ im Allgemeinen. Er kann sich kaum
beruhigen. Die manipulative Paraphrase schafft das für ihn und
bringt ihn in ein verhandlungsfähiges Fahrwasser („Sie machen
sich also so richtig Sorgen um den Fortbestand Ihrer Tischlerei.“). Sie streift eine höhere Ebene6 (Sorge) als der Gegenstand
des Schimpfens (Aktion): Mit dieser Paraphrase ist der sachliche Grundstein für das Mandat gelegt. Bei der Sorge können
beide ansetzen; der Schimpfer stimmt zu, und alle irrelevanten
Themen wurden durch die Manipulation abgespalten.
5 Hier verwendet im ursprünglichen, neutralen Sinn: manipulare (=etwas mit den Händen geschickt
handhaben, drehen). Die negative Konnotation des Wortes ist eine neuzeitliche Erfindung und
wird gefühlt gleich gesetzt mit „über den Tisch ziehen“ oder „bewusst täuschen“. Jeder Mensch
manipuliert übrigens: Ob er schweigt oder redet, seine Sätze zu Ende bringt oder schon vor dem
erste Akkusativobjekt abbricht. Da die Wirkung Kommunikation ausmacht, ist sie auf den anderen
unausweichlich. Es versteht sich ebenfalls von selbst, dass jeder Mensch, der sich durch Sie über
den Tisch gezogen fühlt, einen Krieg gegen Sie beginnt. Auch das ist nicht unbedingt abhängig von
Ihrer Absicht.
6 Vgl. zur Kongruenz der Kommunikations-Ebenen das Kapitel „Yes I can“.
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90 5
Durchsetzung
Beispiel
Zusammenfassend könnte ich also sagen, dass...?
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ...?
Für Sie ist also wichtig,…?
Sie meinen also,...?
Habe ich Sie richtig verstanden, dass...?
Das heißt also, dass...?
Würden Sie mir zustimmen, wenn...?
Ich habe das so verstanden, dass...
Ist es also richtig, dass...?
4. Die Ich-Botschaft – Botschafterin der taktischen Selbstverkleinerung
„Wenn du wirklich was von jemandem willst, präsentiere dich 1,7 cm unterhalb der
normalen Demutslinie.“ 7 Die Ich-Botschaft tilgt versehentliche oder absichtliche
Angeberei und autoritär wirkende Zurechtweisungen („Sie geben dem Käufer
zu viel Raum“ wird zu: „Mir ist noch nicht ganz klar, wie Sie sich gegenüber dem
Käufer positionieren wollen“) und verwandelt die unangemessene Härte mancher
anwaltlicher Akquisiteure in eine freundliche, abwartende Haltung („Da sind Sie ja
selbst Schuld an dem Streit“ wird zu: „Ich habe noch nicht ganz verstanden, wie es
zu diesem Zerwürfnis kam.“). Die Ich-Botschaft beeindruckt insbesondere genervte
Interessenten und Mandanten durch ihre unaufgeregte Eleganz und bemerkenswerte Schlichtheit („Sie widersprechen sich doch. Entweder X oder Y.“ wird zu: „Ich
bin derzeit noch etwas ratlos, was Ihr Ziel angeht.“).
■■ Indikation der „Ich-Botschaft“
Sie löst Widerstände von Gesprächspartnern wie von selbst auf und verwandelt
so ganz nebenbei auch den ungeübten Anwalt in einen taktisch versierten Kaiser.
(„Ich sehe noch nicht ganz klar in dem Punkt zur Positionierung Ihres Sohns in der
Geschäftsführung.“)
Übrigens: Ein Satz, der mit „Ich“ beginnt, ist nicht automatisch eine Ich-Botschaft. „Ich finde, du hast nichts verstanden“ ist sogar das Gegenteil!
Die Ich-Botschaft verändert den Fokus der Kommunikation, besonders in kritischen Gesprächssituationen. Sie ersetzt den automatischen Attacke-Charakter
der Du-Botschaften durch den automatischen Eigenverantwortungston der IchBotschaft.8 Sie lädt dadurch alle möglichen Missverständnisse von vornherein auf
die eigenen Schultern und vergrößert (!) so den Gesprächspartner.
7 Dr. Roderich Heinze.
8 Üben Sie das auch mal zu Hause: „Du hast mir wieder nicht zugehört“ wird auch privat ersetzt
durch „Ich habe mich bestimmt unklar ausgedrückt“.
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Beispiel
Du-Botschaft:
Sie reden so schnell.
Sie drücken sich unklar aus.
Sie verwechseln ja die Zeiträume.
Sie widersprechen sich.
III. Gesprächsführung für die Akquise: Feinheiten 91
Ich-Botschaft:
Ich bin nicht so schnell mitgekom­men.
Ich habe das nicht ganz verstan­den.
Ich habe noch ein Problem mit den Zeiträumen.
Ich sehe noch nicht ganz klar in dem Punkt X.
Tipp
Vergrößern Sie Ihre potenziellen Mandanten, denn: Von welcher Masse sollte ein Gesprächspartner
abgeben, der sich klein fühlt?
III. Gesprächsführung für die Akquise: FeinheitenIII.
Dieses Kapitel erläutert zehn weitere, komplexere rhetorische Interventionen,
durch die Kanzleien einen Mandanten zunächst gewinnen, später für rechtliche
Strategien begeistern und schließlich zu einem Multiplikator der Kanzleileistungen machen können. Sie werden im Folgenden aufgelistet und an Beispielen erklärt.
Die folgenden zehn Tipps machen den Anwalt unabhängig von Zufällen und
unterstützen seine Durchsetzung. Jede dieser Methoden ist in hunderten Kanzleien
und tausenden von Verhandlungen erfolgreich getestet und wird hier jeweils anhand
von typischen Akquisesituationen dargestellt.
Wie Anwälte:
1. Mandanten locker führen: „matching“;
2. Komplexe Antworten für Laien strukturieren: Das „Brecht’sche Theater“;
3. Ein Gegenargument platzieren: „Gerade weil“ statt: „ja, aber“;
4. Negative Nachrichten überbringen: „Euphemismus ade!“
5. Kritische Haltungen drehen: „Perspektivwechsel“;
6. Ihr Produkt an den Mandanten bringen: „Nutzenargumentation“;
7. Verbale Attacken nutzen, statt sie zu fürchten – die „offene Frage“;
8. Selbst geglaubte Einwände in Lösungen umwandeln: Die „Strategie 102“;
9. Einen negativen Gehalt in einen positiven drehen: „Reframing“;
10. Ihre Kompetenzen „verkaufen“ – Spezifizieren und quantifizieren Sie!
1. Wie Anwälte potenzielle Mandanten locker führen – „Matching“9
Matching bezeichnet eine Verhandlungsstrategie, die den Gesprächspartner innerhalb von Sekunden innerlich vergrößert, so dass er gern abgibt. Matching funktio-
9 Vgl. „Matching der Wahrnehmungssysteme“ im Kapitel „Umgang mit Mandanten“.
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5
1
92 Durchsetzung
niert durch die partielle Übernahme von Mustern10 des Verhandlungspartners in
das eigene Repertoire und betrifft fünf Bereiche:
–– Sprechtempo,
–– Lautstärke,
–– Wortwahl,
–– Befindlichkeit,
–– Non-Sprache.
Achten Sie auf diese Muster bei Ihren Mandanten, damit Sie die Nachrichtenwelten11 Ihrer Mandanten verstehen. Das ist die Grundlage jeder Motivation!
1
Tipp
Menschen lassen sich nur in ihrer eigenen Welt bewegen. Ermitteln und verwenden Sie also die 
Muster derjenigen Menschen, die Sie bewegen wollen.
a) Entwicklungsgeschichtliche Einordnung
Matching sichert etwa seit 50 Millionen Jahren das Überleben der Gattung Säugetier12 und ist auch im Stammhirn13 der Zweifüßer unveränderbar verankert. Besonders in Bedrohungssituationen verhalten wir uns animalisch: wir suchen nach
Allianzen mit Gesinnungsgenossen, wir meiden, fürchten oder bekämpfen Angreifer
und Andersdenker und nähern uns denen an, die wir mögen. Wir stärken uns durch
unsere Spiegelbilder. Das Wort „spiegeln“ gilt als deutsche Übersetzung für „matching“ und erinnert uns an zweierlei:
–– Manche Menschen sind uns „aus dem Stand“ sympathisch14. Mit denen haben
wir „sofort einen Draht“, mit denen werden wir „schnell warm“, und mit denen
verstehen wir uns „ohne Worte“ und ohne jedes Nachdenken: Babybrabbeln
wird kopfstimmig imitiert, Verliebte im Restaurant beginnen zeitgleich beim
10 Ein Muster hat mit dem Inhalt nichts zu tun. Es bezeichnet die Art und Weise, durch die ein
Inhalt nach außen transportiert (Kommunikationsmodus) bzw. nach innen gestützt (Werte, Befindlichkeiten) wird. Oft wird das Wort synonym mit „Angewohnheit“ verwendet.
11 „Nachrichtenwelt“ = Gesamtheit aller Gehirn-Filter, durch die Wahrnehmungen kanalisiert und
nutzbar gemacht werden. Ob Angewohnheiten zu Filtern werden können oder Filter von Anfang an
Angewohnheiten hervorrufen, ist in der Gehirnforschung ein Dauerstreit. Sicher ist, jeder Mensch
hat andere Filter.
12 Definitorische Differenzen in Wissenschaftskreisen müssen hier keine Rolle spielen. Nach dem
Ende der Kreidezeit vor rund 65 Millionen Jahren lebten Säugetiere zeitgleich mit Dinosauriern auf
der Erde.
13 Zu Wechselspiel und Einordnung von Stammhirn und Denkhirn vgl. das Kapitel „Umgang mit
Mandanten“.
14 Beachten Sie in diesem Zusammenhang die gehirnphysiologischen Forschungen zu „Spiegelneuronen“. Buchtipp: „Warum ich fühle, was du fühlst“ von Wolfgang Bauer.
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III. Gesprächsführung für die Akquise: Feinheiten 93
Anblick der Speisekarte zu flüstern, Fußballfans im Stadion umarmen gemeinsam hüpfend unbekannte Nachbarn, und das Gelächter ist unter gleichgesinnten Fremden automatisch gleich laut! In solchen intuitiven Allianzen werden
Fehler schnell verziehen, Allianzen noch schneller geschlossen und Verträge
ohne jede Anstrengung über Jahre gehalten und optimiert (unbewusstes matching).
–– Manche Menschen sind uns „aus dem Stand“ unsympathisch. Solche meiden
oder bekämpfen wir intuitiv, es sei denn, wir wollen sie als Kunden. Hier kommt
das Denkhirn ins Spiel: gute Verhandler stellen matching „künstlich“ her: Sie tun
und geben einfach, was der andere braucht – und nicht, was sie zufällig übrig
haben (bewusstes matching).
b) „Mismatching“ macht Mandanten misstrauisch
Anwälte, die die Muster Ihrer Gesprächspartner missachten, riskieren Ärger und verlieren viel Zeit und Energie. Sie werden wirken, als stellten Sie sich über den Mandanten; schlimmer noch: als sei er Ihnen gleichgültig. Beides verletzt die Regeln
einer guten Kundenbeziehung. Die immer noch viel zitierte Auffassung von Anwälten, der Mandant sei „der größte Feind des Anwalts“ dokumentiert – mit Verlaub!
– eine zynische Sicht auf eine Personengruppe, die auch den hinterletzten Stapel Klopierpapier in der Kanzlei finanziert!
Misstrauen gegenüber einem Anwalt entsteht, wenn er „nicht dieselbe Sprache
spricht“, „ganz anders tickt“, wenn er „in einem anderen Film ist“ oder „abgehoben
daher redet“. Beispielsweise erregt in Sekundenschnelle „ein dynamischer, extrovertierter Verkäufer bei jenen Kundentypen Misstrauen, die ein hohes Bedürfnis nach
Individualität und/oder nach Sicherheit haben.15
c) „Matching“ macht Mandanten munter
Mandantengespräche werden durch mismatching kompliziert und durch matching
federleicht. Folgende Beispiele dokumentieren das:
■■ Sprechtempo/Lautstärke
–– Problem: Ein 90 Dezibel Dampfplauderer wird ein sorgfältig entwickeltes und
bedächtig präsentiertes Argument seines Anwalts als dessen Schwäche auslegen
und kaum auf den Inhalt hören können. Umgekehrt wirken zackige Repliken und
abgehackte Kommentare auf den langsam und vorsichtig sprechenden Mandanten hektisch, vorschnell und arrogant.
15 IPM- Institut für persönlichkeitsorientiertes Management AG, Schweiz, Handbuch der IPM Systematik, S. 8.
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94 Durchsetzung
–– Lösung: Sprechen Sie ein paar Sekunden lang ähnlich laut/leise und ähnlich
schnell/langsam wie Ihr Gegenüber. Kehren Sie dann allmählich zu der von
Ihnen präferierten Sprechweise zurück. Ihr Gegenüber wird Ihnen folgen und
dann selbst so ähnlich sprechen wie Sie! Test it!
■■ Wortwahl
–– Problem: Ein Unternehmermandant wird im Arbeitsrecht durch das Wort „Massenentlassungen“ ebenso ideologisch alarmiert sein wie ein Betriebsratsmitglied durch das Wort „Freisetzung“, das er als Euphemismus empfindet. Der
anwaltliche Satz „Das erfordert eine langfristige rechtliche Absicherung“ löst vollkommen entgegen gesetzte Reaktionen bei den Zuhörern aus: Der Mitarbeiter der
Rechtsabteilung findet ihn richtig und wichtig, während der neben ihm sitzende
Controller sofort Ausgaben in Millionenhöhe assoziiert und durch denselben Satz
die nackte Panik entwickelt!
–– Lösung: Bedienen Sie die Nachrichtenwelten der Anwesenden verbal und
auch nonverbal nacheinander und vergessen Sie dabei niemals einen Entscheider: „Das erfordert, wie Sie wissen, (Blick zum Anwalt, nicken) eine langfristige
rechtliche Absicherung, und erst die Kosten-Nutzen-Relation wird langfristig
(Blick zum Controller, nicken) über den Erfolg der Maßnahme entscheiden“.
Alle werden nicken. Test it! Sogar kleine rhetorische Angewohnheiten Ihrer
Gesprächspartner lösen großes Wohlbefinden aus, sobald sie von Ihnen verwendet werden: Jemand, der dauernd das Wort „wahrscheinlich“ benutzt, wird
„wahrscheinlich“ an dem Wort großen Spaß haben.
■■ Befindlichkeit
–– Problem: Auf einen Mandanten in einem Zustand extremer Verzweiflung, Sorge
oder Wut wird die sofortige anwaltliche Konzentration auf die Sache abwehrend
und unsensibel wirken.16 Typisch anwaltliche Redeweisen wie: „Wir sollten
zunächst dafür sorgen, dass...“ (Aktionismus) oder „Das kriegen wir schon wieder
hin“ (Billigtrost) oder „Machen Sie sich keine Sorgen, ich bin Fachanwalt für...“
(Kompetenzkasperei) sowie „Ist Ihnen eigentlich klar, dass...“ (Vortrag) sind für
den verzweifelten Mandanten – falls überhaupt! – erst nach schlüssigen Empathiebeweisen erträglich.
–– Lösung: Empathie ist zu 100 % lernbar! Drücken Sie aus, was der Mandant
braucht, wünscht, fühlt oder denkt, bevor Sie zur Sache übergehen: „Das
muss Sie schwer gekränkt haben“ oder „Andere meiner mittelständischen Mandanten erhoffen sich in dieser Lage vor allem, dass...“ oder „... und jetzt wissen
Sie natürlich nicht mehr, wo Ihnen der Kopf steht, wo man anfangen soll und
was jetzt nötig ist, stimmt’s?“ oder „Am wichtigsten ist Ihnen also zunächst...“
Warten Sie, bis ihr Gesprächspartner nickt oder zustimmt. Bis dahin verstär-
16 Über den Zusammenhang von Absicht und Wirkung in der Kommunikation vgl. das Kapitel „Umgang mit Mandanten“.
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III. Gesprächsführung für die Akquise: Feinheiten 95
ken Sie notfalls nochmals Ihr Verständnis für seine Situation. Und glauben Sie
niemals, dass Geschäftsmandanten „so etwas“ nicht brauchen! Vertrauen ist der
Anfang von allem!
■■ Körpersprache
–– Problem: Ein im Erstgespräch kerzengerade aufrecht sitzender Mandant wird
wahrscheinlich den in seinem Sessel lässig zurück gelehnten Anwalt als desinteressiert und arrogant empfinden, während der Anwalt, der während
des Gesprächs beide Unterarme auf seinen Schreibtisch gelegt hat, bedürftig,
schwach oder zu dominant auf einen Mandanten wirken kann, der zurück
gelehnt im Sessel kauert.
–– Lösung: Gleichen Sie Ihre Non-Sprachen ebenfalls an! Auch dabei werden Sie
feststellen, dass Ihre Gesprächpartner sich Ihrem äußeren Habitus anpassen,
sobald Sie etwa zwei Minuten lang auf dessen Symmetrie achten. Sie können
übrigens indiziell ermitteln, wie sympathisch Sie auf den zukünftigen Mandanten wirken, indem Sie den Grad der Symmetrie zwischen sich und ihm ab und
zu registrieren. Vorausgesetzt, Sie wollen den Mandanten gewinnen, erhöhen Sie
den Grad der äußeren und inneren Symmetrie, so gut es geht. Imitieren Sie
nicht! Das Bild von der äußeren und inneren Symmetrieachse ist oft hilfreich, um
sich an diese ungewohnte Aufgabe zu erinnern. Haben Sie niemals Angst, dass
der andere diese Vorkehrungen bemerken wird. Störend ist für den anderen
immer nur das mismatching, und mit etwas Übung kriegen Sie den für Sie „richtigen“ Grad der Anpassung heraus.
■■ Daraus folgt:
Beachten und verwenden Sie verbale und non-verbale Muster Ihres Mandanten, so
gut es geht und so lange Sie das mit Ihrer Persönlichkeit in Einklang bringen.
Diese Aufforderung gilt nur für die ersten Minuten der ersten Begegnung. Sobald
ein Vertrauensverhältnis besteht, wird der Mandant seine Muster abschwächen
und schließlich sogar Ihren folgen. Selbstverständlich gilt das auch am Telefon! Der
lauteste Mandant wird nach wenigen Sekunden in erträglicher Lautstärke sprechen,
wenn Sie seine Lautstärke einige Sekunden selbst verwendet haben und dann leiser
werden. Test it!
Einige Leser werden erlebt haben, dass matching im Gespräch mit manchen
Gesprächspartnern automatisch und ohne Nachdenken geschieht. Diese Beobachtung hat eine lange Geschichte.
d) Matching hat mit Imitation nichts zu tun
Bewusstes Matching ist für viele Anwälte anfangs schwierig. Stammhirnliche Impulse
befehlen dem Gehirn unweigerlich, unsympathische Menschen zu meiden oder
zu bekämpfen (Flucht oder Kampf). Bewusstes Matching ist anfangs an eine gewisse
Überwindung gekoppelt: die permanente Konfrontation mit unbekannten und
ungeliebten Mustern ist zunächst anstrengend und löst große Bedenken aus: „Bin
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96 Durchsetzung
ich dann noch ich selbst?“ Dieser Einwand ist einerseits eine gute Gelegenheit, die
Schlagkraft des eigenen Ziels zu untersuchen („Ist mir dieser Mandant so viel wert,
dass ich seine Muster in den Griff kriegen möchte?“) und unterstellt andererseits eine
gewisse Nähe zur Imitation.
Imitation jedoch ist hier nicht gemeint: Meiden Sie übertriebene (anbrüllen,
weinen), sozial unverträgliche (am Kopf kratzen, als Norddeutscher Bayerisch zu
reden versuchen, gähnen) oder Ihnen unsympathische Kommunikationsmuster
des anderen. Falls Ihnen das Ausdrücken fremder Befindlichkeiten „schleimig“ vorkommt („Ich kann mir gut vorstellen, wie sehr Sie das gekränkt hat“) ersetzen Sie
es durch die sachlichere Paraphrase („Das bedeutet, dass Sie den Vorschlag für
unangemessen hielten?“). Der Mandant wird beides goutieren, sich allerdings wohler
fühlen, wenn Sie das auch tun.
2. W
ie Anwälte eine komplexe Antwort für Laien strukturieren –
Das „Brecht’sche Theater“
Anwälte haben ihre Argumente, deren Ausnahmen und deren Relevanz regelmäßig
vollständig im Kopf. Sie vergessen ebenso regelmäßig, ihr hochkomplexes Fachwissen sprachlich und strukturell zu vereinfachen, damit der zukünftige Mandant
ihnen folgen kann.
Anwälte hoffen vergeblich, dass allein der Inhalt sachlicher Argumentation
ein Vertrauensverhältnis zum Mandanten begründen könnte. Aus Mandantensicht
dagegen ist Fachkompetenz eine „conditio sine qua non“,17 wird also bereits vor der
Anfrage vorausgesetzt. Nur, was darüber hinausgeht, beweist dem Mandanten
Qualität und macht für ihn den Unterschied zum Mitbewerber aus!
1
Tipp
Nicht nur der Inhalt einer Antwort bewirkt die Aufmerksamkeit des Laien, sondern auch dessen
Präsentation!
Der Interessent an einer anwaltlichen Leistung möchte ohne Umwege verstehen,
welche Leistungen und Vorteile der Anwalt ihm bringt oder bringen würde. Das
betrifft den arbeitslosen Sozialarbeiter ebenso wie den Geschäftsführer, den Vortragsbesucher ebenso wie die zufällige Bekanntschaft und den Dauermandanten
ebenso wie den „Neuling“. Anwälte scheuen dramatische Vereinfachungen und
sprachliche Banalisierungen ihres Wissens aus Furcht, inkompetent zu wirken.
Besonders Anwälte in den ersten drei Berufsjahren berichten, sich schon zu Beginn
17 Nicht diskussionsfähige Voraussetzung.
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III. Gesprächsführung für die Akquise: Feinheiten 97
einer Antwort unwohl zu fühlen, wenn sie Details überhaupt nicht oder nicht gleich
erwähnen.18
a) Was hat Bertolt Brecht damit zu tun?
Bertolt Brecht stand vor demselben Problem. Er wollte sein Publikum überzeugen
und komplexe Ideologien vermitteln. Er hatte schließlich eine Präsentations-Idee, die
die Theaterwelt revolutionierte: Er projizierte auf den noch geschlossenen TheaterVorhang den Inhalt des gleich folgenden Aktes.19 Der Theatergänger, der nun schon
weiß, was passieren wird, achtet dadurch konzentriert auf das Wie, auf die Methoden. Er ist also „am Gang, nicht am Ausgang“20 interessiert.
Der Theaterbesucher wird zu einem analytisch-distanzierten Betrachter der
handelnden Figuren statt zu einem emotional eingespannten Konsumenten.
b) Brecht’sches Theater – Wie geht das? (Struktur)
Anwälte erklären Laien permanent rechtliche oder taktische Vorgehensweisen.
Sie verwenden das Brecht’sche Theater, um dem Laien eine komplexe Information
hindernisfrei verständlich zu machen. Sie vermeiden dabei Details, Umwege und
Rechtsvokabular. Das Brecht’sche Theater besteht aus drei Punkten:
Anwälte
■■ benennen Thema und Anzahl der gleich folgenden Argumente
(Vorhang ist noch zu). Dadurch weiß der Hörer, dass er sich in Kürze nur auf eine
bestimmte Anzahl von Punkten und nur auf ein eingegrenztes Thema zu konzentrieren hat und kann sein Gehirn fokussieren.
■■ benennen die angekündigten Themen stichpunktartig nacheinander
(Vorhang ist offen). Die Aufzählung hat keine Details, eine einfache Sprache und
wird dem Mandanten live an den Fingern visualisiert, bzw. am Telefon durch
„erstens …, zweitens..., drittens... strukturiert“. Dadurch bekommt der Hörer leicht
verständliche Eckdaten, eine Art „abgestecktes Areal“.
18 Verständlich, denn die juristischen Ausbildungen in Deutschland und Österreich sind ausgerichtet auf das fehlerfreie Abspulen aller Eventualitäten. Spätere Haftungsregeln bestrafen ebenfalls die
„Auslassung“ von Details.
19 Bertolt Brecht wollte ein analytisches Theater, das den Zuschauer eher zum distanzierten Nachdenken und Hinterfragen anregt als zum Mitfühlen. Zu diesem Zweck „verfremdete“ und desillusionierte er das Spiel absichtlich, um es als Schauspiel gegenüber dem wirklichen Leben erkennbar
zu machen (Brecht nannte dies den „Verfremdungseffekt“). Zuschauer und auch die Schauspieler
selbst sollten analysieren und synthetisieren, das heißt, von außen an eine Rolle herangehen. 
(Information nach Bertelsmann Lexikon, episches Theater)
20 Die „Checkliste Galileo Galilei“ mit dem Zitat „Nicht der Ausgang, sondern der Gang der Handlung ist deshalb für Brecht wichtig“ finden Sie unter www.bts.imbach.com.
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98 Durchsetzung
schließen die Aufzählung durch eine Frage ab,
damit der Hörer wieder „ins Spiel kommt“. Dadurch kann der Hörer entscheiden,
welchen Punkt er wichtig oder unwichtig finde, in welchem Bereich der Anwalt
weiterreden soll. Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit steigen signifikant und
zeitgleich an.
■■
c) Wie können Anwälte das in den Akquise-Alltag übertragen?
In den folgenden Akquisesituationen erfragt ein potenzieller Mandant komplexe
Strategien in einfachen Worten. Verhandlungsstarke Anwälte und ihre Assistentinnen „matchen“ diese Kombination durch das „Brecht’sche Theater“.
Die Frage am Schluss ist jeweils ein wichtiger Test für Verstehen und Vertrauen. Hier sind einige Beispiele aus diversen anwaltlichen Akquisesituationen.
■■ Vortrag
Ein Hörer fragt: „Was muss man eigentlich bei einer Scheidung zwischen einer Deutschen und einem Ausländer beachten?“ Der vortragende Anwalt21 bedankt sich für
die Frage, setzt sich, schaut alle Zuhörer an und sagt: „Wichtige Frage! Also ganz generell, ohne dass ich genaue Hintergründe Ihrer Frage kenne, sind immer dieselben drei
Dinge (Vorhang ist noch zu) wichtig: nämlich (Vorhang auf): „X“, (Daumen hoch), „Y“
(Finger hoch) und „Z“. (Finger hoch). Welchen Punkt soll ich näher erklären?“
■■ Mandantengespräch
Der Mandant fragt: „Wie gehen wir am besten vor?“ Der Anwalt strukturiert die
Antwort so, dass der Mandant sie sich gut merken kann und aktiviert den Mandanten
am Schluss durch die Frage: „Also wir gehen am besten in einem Dreierschritt vor:
(Daumen hoch) „Zuerst ersuche ich X um ein Gespräch, dann (Finger hoch) informieren Sie Ihre Y, und schließlich (2. Finger hoch) bitten Sie um eine Z. Mit welchen
Schwierigkeiten müssen wir dabei rechnen?“
■■ Kanzleipräsentation
Diese telefonische Anfrage eines Interessenten leitet eine direkte Akquise ein: „Wir
sind im gewerblichen Mietrecht bislang ganz gut vertreten durch die Kanzlei X
und suchen jetzt nach zweiten Meinungen. Was sollte uns veranlassen, mit Ihnen
zusammen zu arbeiten?“ Eine Kombination aus Perspektivwechsel (Verbindlichkeit
erhöhen, Angeberei minimieren) und Brecht’schem Theater (Struktur) bietet sich
an: „Vielleicht berichte ich zunächst von drei Vorteilen, von denen unsere Mandanten
immer wieder berichten, bevor wir in Details einsteigen? Unsere Mandanten schätzen
an uns vor allem unsere 13-jährige Erfahrung im Bereich X sowie unsere Aufstellung
Y. Auch unser Z führt immer wieder zu Zufriedenheit. Welcher dieser Punkte ist für
Sie am wichtigsten?“
21 Mehr Vortragstechniken unter dem Kapitel „Vorträge“.
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III. Gesprächsführung für die Akquise: Feinheiten 99
Small Talk
Small Talk Situation im Zugabteil. Man gerät ins Plaudern. Ein Passagier fragt den vor
ihm sitzenden Anwalt:22 „Was machen Sie denn da so in Ihrer Kanzlei?“ Der Anwalt
antwortet: „Wir vertreten ausschließlich Unternehmer und haben drei Schwerpunkte
im Arbeitsrecht: Wir kümmern uns erstens um die X, zweitens um die Y und drittens
um die Z. Welcher Bereich ist für Sie interessant?“ Durch den ersten Teil der Antwort
sortiert der Anwalt bewusst seine Mandantschaft und ermittelt dadurch zügig den
Status des Fragers. Durch den zweiten sagt er „klar und angenehm, was erstens, zweitens und drittens käm“.23 Er strukturiert seine Botschaft, macht eine Liste seiner Kompetenzen und vermeidet dabei Details, denn er weiß noch nicht, was den anderen
interessiert.
■■ Ersttelefonat mit Assistentin
Die Assistentin erklärt dem Mandanten, welche Unterlagen er zum ersten Besprechungstermin mitbringen muss. Sie sagt: „Herr Berger, es gibt drei Dinge, die Sie bitte
mitbringen zu Ihrem ersten Gespräch. Haben Sie etwas zu schreiben? (Warten, bis
er mitschreiben kann) Erstens: Wir brauchen den Arbeitsvertrag, zweitens das Kündigungsschreiben und drittens, falls vorhanden, eine Rechtsschutzversicherung.
Schaffen Sie das alles bis morgen 14 Uhr?“ (geschlossene Kontrollfrage).
■■
3. Wie Anwälte ein Gegenargument platzieren – „Gerade weil“ statt: „ja, aber“
Anwälte müssen permanent Gegenargumente im Kopf der Gesprächspartner platzieren. Kritische Verhandlungspartner, unsichere Mandanten, halsstarrige Gegner
und vor allem anspruchsvolle zukünftige Mandanten fordern alles! Gegenmeinungen sind Alltag im Anwaltsberuf. Mandanten bezahlen ihren Anwalt für die Durchsetzung einer „Gegenmeinung“.
a) „Ja, aber“ tötet das zuvor Gesagte
Wer durch die Formulierung „ja, aber“ die „feindliche“ Meinung des anderen
kommentiert, torpediert nicht nur den „feindlichen“ Inhalt (Meinung des anderen)
sondern auch dessen subjektive Berechtigung (Entstehung der gegnerischen
22 Reisezeit ist Akquisezeit! Akquisewillige Anwälte steigern die Neugier der Mitreisenden durch
öffentliche Lektüre der NJW oder anderer für Laien erkennbarer Berufsinsignien und warten, bis sie
angesprochen werden! Investieren Sie in eine 1. Klasse Bahncard und buchen Sie einen Abteilplatz!
Beim Lesen der NJW werden Sie immer von Nicht-Juristen angesprochen! Bester Zeitpunkt: Nach
der Fahrkartenkontrolle Mitreisende anlächeln, in Small Talk verwickeln und erst dann wieder in die
Lektüre vertiefen. Sie können auch in die drei Jahre alte NJW die „Gala“ (das hat die Autorin selbst
getestet) oder „Wild und Hund“ einschlagen und in Wahrheit diese lesen. Es klappt immer noch!
23 Busch, Fünftes Kapitel.
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100 Durchsetzung
Meinung). Daher wirkt das „ja aber“ auch aggressiv gegen den Inhaber einer Meinung,
nicht nur gegen die Meinung selbst. Verwender von „ja, aber“ transportieren daher –
oft ungewollt – aggressive Subtexte.24
5
Beispiel
An kleinen, privaten Dialogen wird das bereits deutlich:
A: „Ich würde gern auch Tante Herta einladen.“
B: „Ja, aber Tante Herta wohnt viel zu weit weg.“
„Ja, aber“ – Sprecher transportieren auf der Sachebene einen Einwand und auf der
Beziehungsebene eine Attacke. Der Einwand von B wirkt monolithisch. Da die
Beziehungsebene jegliche Kommunikation dominiert,25 wird der Redebeitrag von
A faktisch entwertet. „Ja, aber“ produziert Subtexte wie: „Du hast die Sache nicht
durchschaut“ oder: „Du hast wirklich keine Ahnung“. Sie lösen beim Mandanten – je
nach seiner Persönlichkeit – Auflehnung oder Frust aus. Gesteigert wird das noch
durch die Modulation von B: die Stimme geht runter; es kommt nicht der Ansatz einer
Lösung, denn es ist ja alles gesagt.
„Ja, aber“ wirkt aggressiv – unabhängig vom Wunsch des Sprechers und unabhängig von der Korrektheit des Inhalts. „Ja, aber“ wird gern von Menschen verwendet, die über ihre Wirkung auf andere nicht nachdenken oder nachdenken müssen,
ist also in strategischen, kundenorientierten Berufen wie dem Anwaltsberuf
deplatziert. Selbst wenn beide sachlich korrekt reden, bleibt der schlechte Nachgeschmack einer ungewollten und doch nicht minder systematischen Zurechtweisung des Gesprächspartners.
b) Durch „gerade weil“ oder „gerade deshalb“ wahren beide ihr Gesicht
Wer seine Gegenmeinung durch ein „gerade weil“, „gerade wegen“ oder „gerade
deshalb“ einleitet, tastet die subjektive Berechtigung der Ursprungsbotschaft
nicht an. Der andere wahrt sein Gesicht und bleibt „auf Linie“, ist vermutlich sogar
gern mit der gemeinsamen Lösungssuche befasst.
5
Beispiel
A: „Ich würde gern auch Tante Herta einladen.“
B: „Ja, deshalb (oder: dann) sollten wir überlegen, wie wir das mit der Reise hinkriegen. Sie wohnt
ja so weit weg (Ursprungseinwand eingebettet). Was müssten wir beachten?“
24 Subtext = der nicht gesprochene Text, also: die Wirkung unterhalb der Worte.
25 Ausführliche Erläuterungen zur Dominanz der Beziehungsebene über die Sachebene bei Watzlawick/Beavin/Jackson, S. 22 ff.
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III. Gesprächsführung für die Akquise: Feinheiten 101
Der „Sockel“ des anderen bleibt unversehrt. Der Einwand von B ist nun in eine
Frage bzw. einen Vorschlag eingebunden. Diese Durchsetzungstechnik schließt stets
mit einer Frage ab, so dass Führung immer gesichert bleibt und A wieder zum Zug
kommt. Dadurch wird der andere entweder bei der Behebung des Problems behilflich sein oder ohne Gesichtsverlust – und ohne Streit! – umschwenken.
c) Wie sich Anwälte durch rhetorisches Aikido26 durchsetzen
Niemand ändert ohne Grund seine Meinung. Falls es doch geschieht, geschieht es
innerhalb des gegnerischen Systems durch Überzeugung, nicht außerhalb durch
Überreden, Drohen oder Appelle.27 Es ist hohe Schule der Verhandlungskunst, eine
feindliche Meinung unangetastet stehen zu lassen und sogar zu würdigen, ohne
ihr jemals zu folgen.
In der rechten Spalte der jetzt folgenden Tabelle vermeidet der Anwalt „ja, aber“
und lässt dadurch die Meinung des Mandanten (links) unangetastet. Sprachlich wird
sie sogar verstärkt, obwohl der Anwalt vom Gegenteil überzeugt ist. Der Mandant
gewinnt so Sicherheit und die innere Ruhe, das Gegenargument überhaupt anzuhören.
Die Abschlussfrage signalisiert auch hier wieder, dass der Mandant „die Wahl
hat“. Auch dadurch verdeutlicht der Anwalt, dass alle Argumente gleichrangig eine
gewisse Berechtigung haben:
Mandant:
„Bei dem Geschäftsführer
kommen wir damit nicht
durch.“
Anwalt „aber“:
Anwalt „gerade weil“:
„Ja, aber wir haben noch
längst nicht alle Möglichkeiten
ausgeschöpft“.
„Deswegen lassen Sie uns alle
Möglichkeiten untersuchen, die 
wir haben. Ist Ihnen das Recht?“
„Ja, aber haben Sie sich gut
“Ich möchte den Arbeitsplatz
überlegt, was dann passieren
auf jeden Fall behalten“.
kann?“
„Meine Gesellschafter raten
mir davon ab.“
„Das kann schon sein, aber...“
„Gerade wegen Ihrer Zukunfts- 
sorgen lassen Sie uns alle 
Möglichkeiten mal genau unter- 
suchen. Einverstanden?“
„Gerade weil die Reaktionen
eher kritisch sind, sollten wir
alle Sachargumente sorgfältig
abwägen. Was halten Sie davon?“
26 Aikido = betont defensive asiatische Kampfsportart. Der Name setzt sich zusammen aus
Ai (Harmonie), Ki (Lebensenergie) und Do (Lebensweg). Naturmetaphern verdeutlichen die Idee der
Durchsetzung: Der Sturm knickt die starre Eiche, nicht aber den flexiblen Bambus.
27 Vgl. das Kapitel „Umgang mit Mandanten“.
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102 Durchsetzung
4. Wie Anwälte negative Nachrichten überbringen – Euphemismus ade
Steuereintreiber im zaristischen Russland lebten gefährlich – und nie lange! Sie waren
Verkünder neuer Steuern – z. B. auf Bärte, Särge und Salz – und Eintreiber enormer
Summen für den ungeliebten Zarenhof, und viele von ihnen verbluteten qualvoll, aufgespießt auf einem Dreizack, Lieblingswaffe wütender Bauern und Handwerker. Der
Überbringer schlechter Nachrichten wurde in der öffentlichen Wahrnehmung
immer schon mit dem Produzenten derselben gleich gesetzt. Kein Wunder, dass
daher das Überbringen negativer Nachrichten auch heute für Anwälte eine Herausforderung darstellt:
Wie kommuniziert man diesen ungeliebten Teil des Alltags elegant und verbindlich? Angst und Unsicherheit in dieser schwierigen Situation führen zu Wortbrei,
Rechtfertigungen und Schleifchenargumentation.28 Vor allem lösen sie Angst
und Unsicherheiten beim Mandanten aus. Doch Hilfe naht: Das Überbringen von
schlechten Nachrichten ist eine A-Aufgabe, wird also durch Sie selbst und sofort nach
Bekanntwerden der Nachricht vorgenommen und besteht aus fünf Etappen:
–– Ankündigung, dass gleich eine solche Botschaft kommt – mit Allianzangebot!
–– Aussprechen der Botschaft ohne Beschönigung in einem einzigen Hauptsatz;
–– Erklärung(-sversuch), wie es dazu kam;
–– Wechsel der Zeitzone (Problem = Gegenwart, Lösung = Zukunft);
–– Zustimmung für Lösung einholen.
1
Tipp
Reden Sie nicht drumrum!
5
Beispiel – „Der Böse ist ein Dritter“
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Sie rufen selbst und sofort den Mandanten an und präsentieren folgenden Text: „Herr Berger, ich habe heute eine Nachricht, die Sie nicht freuen wird (Ankündigung), und mich hat es ebenfalls (Allianz) völlig überrascht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (Hauptsatz ohne Euphemismus), und wir haben heute zu überlegen, wie wir weiter vorgehen
wollen (sofort Zeitzone wechseln)“.
Der Mandant will in der Regel wissen, wie es dazu kam. „Wenn ich es genau wüsste, würde ich
es Ihnen gern erklären. Wir haben auf die schriftliche Begründung zu warten. Ich kann nur vermuten (Erklärungsversuch), dass das Gericht unserer Argumentation nicht gefolgt ist. Deshalb (nicht:
„aber“!) sollten wir jetzt gleich Plan B besprechen (Zukunft). Sind Sie damit einverstanden?“ (Kontrollfrage, um die Zustimmung zu bekommen).
Sollte Ihre Kanzlei selbst den Fehler begangen haben, sieht die Sache anders etwas aus und Sie
landen im Beschwerdemanagement.29
28 Schleifchenargumentaion = jemand begründet etwas nochmals, nachdem der andere es schon
längst akzeptiert hat. Eine gruselige, zeitraubende und unsicher bzw. eitel wirkende Angewohnheit
mancher Anwälte. Sofort abstellen!
29 Details zum Beschwerdemanagement im Kapitel „Umgang mit Mandanten“.
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III. Gesprächsführung für die Akquise: Feinheiten 103
5. Wie Anwälte kritische Haltungen drehen – Perspektivwechsel
„Erklären Sie es mir, als sei ich sechs Jahre alt“. Dieser weltberühmte Perspektivwechsel30 bringt einen Mandanten dazu, seinem Anwalt gegenüber in einfachster
Sprache und ohne emotionale Umwege den Kern des Falles zu präsentieren.
Perspektivwechsel sind höchst effiziente Verhandlungstricks. Anwälte setzen
sie ein, wenn sie sich mit wenig Aufwand durchsetzen und durch eine unaufgeregte Selbstdarstellung sowie durch einen schnellen Zugang zu fremden Sachverhalten punkten möchten.
Für die anwaltliche Akquise sind drei unterschiedliche Perspektivwechsel
relevant:
Perspektivwechsel 1
Perspektivwechsel 2
Perspektivwechsel 3
Wie
es geht:
Ich versetze mich in die
Situation des anwesenden
Zweiten oder umgekehrt.
Ich begebe mich selbst in
die Position eines nicht
anwesenden Dritten.
Ich bewerte die ganze 
Situation aus den Augen
eines nicht anwesenden
Dritten.
Wozu
es dient:
Verständnis erzeugen, 
Empathie beweisen und
andere motivieren
Sprache banalisieren, 
vor allem geeignet für 
Gutachtervernehmungen 
vor Gericht
Cross-Selling einleiten,
Information beschaffen,
Angeberei vermeiden
„Erklären Sie es mir bitte,
als hätte ich von Arbeitsrecht noch nie etwas gehört.
Was ist passiert?“
(Besserwissern juristisches
Vokabular abgewöhnen und
deren Halbwissen elegant
kritisieren)
„Viele mittelständische
Mandanten in Ihrer Situation
haben zusätzlich die Sorge,
dass...“
(Cross-Selling einleiten)
„Könnten Sie mir das so
erläutern, als hätte ich 
noch nie mit Lebensmittelchemie zu tun gehabt?“
(Sprachniveau banalisieren,
hier Sachverständiger vor
Gericht)
„Einige meiner Mandanten
haben das ganz in Ruhe
durchdacht und am nächsten
Morgen mitgeteilt, ob wir
das so machen können. Ist
das für Sie auch ein Weg?“
(Honorarkritik annehmen +
locker Kompetenz beweisen)
Wie
„Wenn ich mich in Ihre Lage
es klingt: versetze, kann ich sehr gut
verstehen, dass Sie...“
(Empathie beweisen)
„Wenn Sie jetzt der Anwalt
wären, wie würden Sie dann
reagieren?“
(Unmut über fehlende Unterlagen verständlich machen)
30 Aus dem Kinofilm „Philadelphia“ von Jonathan Demme, 1993.
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104 Durchsetzung
Perspektivwechsel 1
Wie
„Wenn ich in Ihrer Lage wäre,
es klingt: wäre mir besonders wichtig,
zunächst....“
(Ideen geben ohne Vorschlag)
„Wenn ich jetzt selbst Ihr
Problem hätte, was würden
Sie mir raten?“
(„Dissoziierte“ Sicht herstellen, Mandanten einbinden und verhandlungsfähig
machen)
Perspektivwechsel 2
Perspektivwechsel 3
„Bitte erklären Sie es mal
so, als sei ich Ihr Postbote.“
(Furcht vor Autoritäten
nehmen)
„Was wird schlimmstenfalls
Ihr Arbeitgeber vor Gericht
über Sie behaupten?“
(peinliche Informationen bei
fristloser Kündigung locker
rauskriegen)
„Viele Mandanten loben
besonders drei Punkte:
1......2.......3.....“ 
Welcher davon ist für Sie
interessant?“
(Antwort auf Akquisefrage:
„Warum sollte ich mit Ihnen
zusammen arbeiten?“ 
Angeberei keine Chance)
6. Wie Anwälte ihr „Produkt“ an den Mandanten bringen – Nutzenargumentation
„Möchtest du mal mit einem 12 Zylinder 5,3 Liter Hubraum fahren?“ Was vielleicht
für manchen Autokenner ein sofortiges „Ja“ zur Folge hätte, ist für Nicht-Abonnenten
der „Auto-Motor-Sport“ möglicherweise eher ein gleichgültiges Schulterzucken wert:
„Woher soll ich so etwas wissen? Was bringt es mir?“
Die Merkmale eines Produkts sind bemerkenswert irrelevant für Menschen, die
die Auswirkungen dieser Merkmale nicht kennen. Deshalb hat der nächste Anbieter einer Probefahrt bessere Chancen: „Möchtest du mal in einem Auto abheben?
Eine superbequeme, sanft schaukelnde, sehr leise schnurrende und wahnsinnig
starke Luxuskarosse wartet da hinten auf eine Probefahrt mit dir.“ Da können doch
auch mal Mädchen bei starken Autos schwach werden, oder?
a) Anwaltliche Produkte sind nicht-anfassbar und hoch erklärungsbedürftig
Anwälte sollten aus diesem Dialog lernen, denn anwaltliche Produkte sind nicht
einmal Probefahrt tauglich. Das anwaltliche Produkt ist das Gegenteil von einem
Kühlschrank: nicht anfassbar, nicht selbst zu bedienen und erst recht nicht bei
Nichtgefallen austauschbar. Es muss sogar dann bezahlt werden, wenn es unzureichend erklärt, suboptimal designt und schließlich auch noch erfolglos ist.
Nicht anfassbar und hoch erklärungsbedürftig – durch diese prekäre Kombination sind Beratungsprodukte so schwer an den Verbraucher zu bringen. Sichere
Prognosen über Wirkung und Haltbarkeit des Produkts fallen schwer und der
Mandant rollt genervt die Augen über dümmliche, weil stets unbewiesene Leerfloskeln wie: „Bei uns stimmt die Qualität“ oder: „Wir sind für unsere Mandanten da“.
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III. Gesprächsführung für die Akquise: Feinheiten 105
b) So nutzen Sie die Merkmal-Vorteil-Nutzen-Argumentation31
Der potenzielle Mandant fragt Sie, aus welchem Grund er mit Ihnen zusammenarbeiten sollte. Sie zählen klassischerweise einige Merkmale Ihrer Kanzlei auf: „Wir haben
2 Familienrechtler, beide sind Fachanwälte.“
Der Interessent denkt: „Aha. Ja und? Was bringt mir das?“ Ihm wird diese Information nicht reichen. Er muss wissen, was er davon hat, welchen Nutzen ihm
das bringt. Also fügen Sie hinzu, was der potentielle Mandant dadurch gewinnt:
„Sie haben dadurch immer Zugriff auf eine kompetente Beratung. Das wiederum
sichert Ihnen Zuverlässigkeit und Qualität unserer Leistungen.“
Merkmal
Was habe ich? Was biete ich?
„Ich bin Fachanwalt für Arbeitsrecht seit 6 Jahren.“
Nutzen
Was ist der Haupt-Nutzen des Mandanten?
„Meine Mandanten sparen dadurch viel Zeit und Geld“.
Die Merkmal-Vorteil-Nutzen-Argumentation ist eine Verkaufsargumentation, die
an dem Hauptinteresse des Kunden „aufgehängt“ ist. In der ersten Akquisitionsphase gilt es, diesen Kunden-Nutzen herauszuhören und immer wieder selbst zu
erwähnen. Ein Interessent, dessen Hauptkaufreiz in einem guten Preis-Leistungsverhältnis besteht, benötigt also einen anderen Inhalt als einer, dem es vorrangig
um Qualität geht.
Wer hauptsächlich „Geld sparen“ will, wird nervös, wenn ihm dauernd „hohe
Qualität“ versichert wird – und umgekehrt. Der Qualitätsfreak hält das kurzfristige
Sparen für eine sichere Geldverschwendung, und wer hauptsächlich „Sicherheit“
für den Bestand seines Unternehmens anpeilt, wird „Imagefragen“ für oberflächlich
halten.
31 Diese Verkaufstechnik ist Standard in Verkaufsschulungen. In der Literatur zur Verkaufspsychologie (z. B. www.verkaufscoach-online.de) werden Sie viel über die „Merkmal-Vorteil-NutzenArgumentation“ finden. In anwaltlichen Akquisegesprächen scheint die Erwähnung des Vorteils zu
wenig vom Nutzen unterscheidbar zu sein. Der „Vorteil“ fehlt daher als Überzeugungsschritt in diesem Buch. Hier wird lediglich die verkürzte Variante „Merkmal-Nutzen“ erklärt. In der Tabelle (s.u.)
kommt der „Vorteil“ allerdings aus Vollständigkeitsgründen noch vor.
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106 Durchsetzung
Wenn Sie den dominanten Kundennutzen selbst benennen, hält der Mandant
Sie schon in den ersten Minuten des Gesprächs für einen Sachkenner und für einen
empathischen Gesprächspartner.
Hier ist die Merkmal-Vorteil-Nutzen Argumentationskette einer beliebige
Kanzlei:
Merkmal – das haben wir:
Vorteil – das bieten wir:
Nutzen für den Kunden:
1
8 unserer 10 Anwälte sind
Fachanwälte.
Wir arbeiten mit Spezialisten.
Qualität gesichert
2
Wir sind an 3 deutschen 
Standorten präsent.
Wir kommen überall hin.
Flexibilität gewährleistet
3
Wir arbeiten in Teams.
Wir bearbeiten Mandate
effektiv.
Zeitersparnis ermöglicht
4
Wir sprechen verhandlungs- 
sicher Französisch.
Wir vertreten effektiv – 
auch im Ausland!
Internationalität geboten
5
Wir haben Steuerrechtler 
auch an Bord.
Wir bieten „alles aus einer
Hand“.
Geld gespart
c) So verwenden Sie die Nutzenargumentation rückwärts
Geübte Anwälte präsentieren die Merkmal-Nutzen-Argumentation rückwärts, erläutern also das Attraktivste (den Nutzen) zuerst, schaffen dadurch Neugier auf das,
was kommt und eine besonders hohe Konzentration auf den Inhalt.
Die folgenden Sätze entwickeln die Nutzenargumentation rückwärts aus der
Tabelle oben und kombinieren ihn mit dem Perspektivwechsel. Durch letzteres
werden Angeberei und der Eindruck unbewiesener Behauptungen vermieden:
–– Unsere Mandanten (Perspektivwechsel 3) können sich auf unsere gleich bleibende Qualität (Nutzen) verlassen, denn wir arbeiten mit ausgewiesenen Spezialisten: 8 unserer 10 Anwälte sind Fachanwälte (Merkmal).
–– Unsere Mandanten (Perspektivwechsel 3) schätzen unsere Flexibilität (Nutzen).
Die gewährleisten wir dadurch, dass wir geografisch perfekt verteilt sind: Wir
haben drei Standorte in Deutschland (Merkmal).
–– Durch unsere Arbeit sparen unsere Mandanten (Perspektivwechsel 3) viel Zeit
(Nutzen). Wir sind in Teams organisiert (Merkmal) und arbeiten dadurch – auch
in mehreren Rechtsgebieten zeitgleich – äußerst effektiv.
–– Unsere Mandanten (Perspektivwechsel 3) schätzen unsere Internationalität
(Nutzen). Wir verfügen allein in Frankreich über ein weites Netz an Kooperationen und sprechen fließend Französisch (Merkmal).
–– Unsere Mandanten (Perspektivwechsel 3) sparen Geld (Nutzen) dadurch, dass
wir „alles aus einer Hand“ anbieten und vor allem rechtzeitig unsere eigenen
Steuerrechtler (Merkmal) einbinden.
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III. Gesprächsführung für die Akquise: Feinheiten 107
d) Das „kleine Lexikon“ der Nutzen-Argumentation
Doch nicht nur die Inhalte sind wichtig, um das Nutzensystem zu matchen. Jeder
Interessent benötigt auch ein spezielles Vokabular, um sich sofort wohl zu fühlen.
Zu jedem Kundennutzen gehören passende, aktive Verben.
Lesen Sie hier die typischen Zugangsvokabeln zu dem bevorzugten System
Ihrer Interessenten und unter der Tabelle deren Anwendung:
Nutzen des Kunden
Zugangs-Vokabel
Gewinn/Wirtschaftlichkeit
vermehrt, erhöht, steigert, rationalisiert, verringert,
beschleunigt, erspart, optimiert
Sicherheit, Zuverlässigkeit
garantiert, verhindert, vermeidet, sichert, bewahrt, 
gewährleistet
Kostenreduktion
spart, reduziert, vermindert, verringert, minimiert, 
kontrolliert
Schnelligkeit/Flexibilität
beschleunigt, rationalisiert, vereinfacht, unterstützt, 
verbessert, ermöglicht
Rationalisierung
treibt voran, gewährleistet, steigert
Geltung, Anerkennung, Prestige
bestätigt, verbessert, demonstriert, zeigt, belegt, 
ermöglicht, steigert, dokumentiert
Beispiel 1
Und so klingt es, wenn Sie aktive Verben zur Verdeutlichung des Kundennutzens im Akquisegespräch
verwenden:
– Das beschleunigt die Einigung. (Zeit)
– Das reduziert unseren Aufwand erheblich. (Kostenreduktion)
– Das steigert die Produktivität der Zusammenarbeit in dieser Phase. (Gewinn)
– Das garantiert, dass die Geschäftsführer rechtzeitig eingebunden werden. (Sicherheit)
– Das bestätigt Ihre These von der... (Prestige)
– Das gewährleistet eine ungestörte Abwicklung. (Rationalisierung)
– Das vereinfacht die Kombination beider Strategien. (Flexibilität)
– Das minimiert die Ausgaben. (Gewinn)
5
Beispiel 2
Kombinieren Sie nun noch das Nutzenvokabular mit dem Perspektivwechsel:
– Das erspart unseren Mandanten (Perspektivwechsel) viel Ärger.
– Viele unserer Mandanten (Perspektivwechsel) konnten dadurch Ihr Risiko verringern.
– Unseren Mandanten (Perspektivwechsel) war dadurch eine flexiblere Abwicklung möglich.
– Dadurch konnten unsere Mandanten (Perspektivwechsel) ihre Budgets besser kontrollieren.
– Unsere Mandanten (Perspektivwechsel) konnten dadurch ihre Bonität dokumentieren.
– Dadurch verbessern unsere Mandanten (Perspektivwechsel) ihre Position gegenüber der
Versicherung.
5
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108 Durchsetzung
7. Wie Anwälte verbale Attacken nutzen, statt sie zu fürchten – die offene Frage
Ein akquisestarker Anwalt macht durch offene Fragen aus jeder unsachlichen Kritik
Pluspunkte, aus jedem Einwand einen Image-Gewinn und aus jeder Attacke eine
sachliche Verhandlungsbasis.
Manche Einwände eines Interessenten sind nicht selbst geglaubt. Sie bezeichnen eher seine ungerichtete, generelle Unzufriedenheit („Das sind doch alles nur
Spekulationen“), dokumentieren schlechte Laune („Der redet viel, wenn der Tag
lang ist“) oder entwickeln sich zu verallgemeinerten Attacken („Das verhindern die
schon, keine Sorge“).
Vorwürfe, Zynismus und Aggressionen gegen andere oder gegen sich selbst dokumentieren „schlecht formulierte Wünsche“32 des Sprechers und verdeutlichen
dessen derzeitige mentale Disposition.
Sie sind weit entfernt von ernsthaften Beschreibungen realer Hindernisse. Trainierte Anwälte freuen sich über Einwände, Widerstände und sogar über unsachliche Attacken aller Art, solange sie geäußert werden, denn dadurch haben sie jedes
Mal zwei Vorteile: Sie wissen,
–– wie der Sprecher denkt und fühlt – und können ihn dadurch „handeln“,
–– dass der Sprecher mit der Sache verbandelt ist. Stünde er gleichgültig dem
Anwalt und seinem Angebot gegenüber, schwiege er.
1
Tipp
Der sprechende Kritiker ist manchmal schwer zu führen, der schweigende nie.
Die offene Frage blockiert das Stammhirn33 eines unsachlichen Kritikers, zwingt ihn
zum Denken und macht aus ihm einen denk- und verhandlungsfähigen Strategen.
Die offene Frage sichert nicht die Entscheidung in der Sache selbst, sondern die
Bereitschaft zum Nachdenken über die Sache! Der Anwalt wirkt unerschrocken,
verbindlich und lösungsorientiert, wenn er offene Fragen stellt und behält dadurch
in kritischen Situationen die Führung.
5
Beispiele
„Sie sind Dienstag schon wieder in Urlaub? 
Wann arbeiten Sie überhaupt?“
„Was kann ich vor meinem Urlaub für Sie tun?“
„Sie haben doch keine Ahnung von der 
Werbebranche.“
„Welche Informationen genau fehlen mir?“
„Ausgerechnet jetzt? Das hat keinen Sinn.“
„Welcher Zeitpunkt passt Ihnen besser?“
32 Martin Haberzettl, österreichischer Managementcoach, www.haberzettl-schinwald.com.
33 Weitere Ausführungen zu „Stammhirn“ und „Denkhirn“ im Kapitel „Umgang mit Mandanten“.
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III. Gesprächsführung für die Akquise: Feinheiten 109
„Das ist viel zu gefährlich. 
Bloß keine Experimente!“
„Welches konkrete Risiko sehen Sie?“
„Das haben wir noch nie so gemacht.“
„Was kann schlimmstenfalls passieren, 
wenn wir es probieren?“
„Die Kanzlei Y ist günstiger“
„Das ist gut möglich. Was machen wir jetzt?“
„Ich muss es mir noch mal überlegen.“
„Bis wann dürfen wir mit Ihrer Entscheidung
rechnen?“
8. W
ie Anwälte selbst geglaubte Einwände in Lösungen umwandeln:
Die „Strategie 102“
Andere Einwände sind vom Sprecher selbst geglaubt und dokumentieren dessen
begründete Sorge. Diesen Sprechern fehlt oft eine Idee, durch die sie eine derzeitige Schwierigkeit überwinden können. Anwälte, die diese Idee vermitteln, sind Kult!
Die „Strategie 102“ ist ein rhetorischer Trick, durch den der ursprüngliche Denkrahmen eines Probleminhabers zugunsten eines neuen Lösungsweges aushebelt
wird. Durch die „Strategie 102“ sind drei Dinge sicher gestellt:
–– Die Sorge des Sprechers wird ernst genommen,
–– ein neuer Denkraum wird eröffnet,
–– der Probleminhaber erkennt selbst einen neuen Weg zur Lösung.
a) Namensfindung „Strategie 102“
Die Bezeichnung „Strategie 102“ geht zurück auf den folgenden denkwürdigen
Dialog im Privatumfeld der Autorin. Zwei siebenjährige Kinder werden zum Tennistraining gefahren. Beide Kinder sind in der ersten Klasse und haben bis 100 rechnen
gelernt. Der Fahrer gibt Rechenaufgaben nach hinten:
Fahrer:
„Wie viel ist 68 + 4?“
Kinder:
(schwere mathematische Gewitterwolken auf der Stirn) beraten sich mit
Hilfe von Fingern und Debatten und antworten: „72?“
Fahrer: (begeistert) „Richtig!“ Er macht die nächste Aufgabe schwieriger; sie geht
„rückwärts über den Zehner“: „Und wie viel ist 31 – 3?“
Kinder: (pechschwarze Unwetterwolken auf der Stirn) überlegen hin und her,
Finger etc. und antworten schließlich: „28“
Fahrer: (sehr begeistert) „Ja!“ Er macht die nächste Aufgabe noch schwieriger:
„Und wie viel ist 98 + 4?“
Kinder: (drohender Tornado auf der Stirn) legen los, debattieren, Finger etc., setzen
sich plötzlich kerzengerade hin und schimpfen empört: „Wir haben nur
bis 100 rechnen gelernt!“
Fahrer:
(großer Verhandler) „Stellt euch mal vor, Ihr hättet schon weiter
rechnen gelernt als nur bis 100. Wie viel wäre es dann?“
Kinder:
nun ohne jedes Zögern: „Na dann 102.“
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110 Durchsetzung
Diese Situation zeigt die Macht der Kommunikation: Der Fahrer hebelt den sicher
geglaubten Denkrahmen der Kinder aus. Er ermöglicht ihnen einen neuen Denkraum, den sie allein nicht hätten betreten können.34 In diesem neuen Denkraum
befindet sich die Lösung, die sie nun durchaus selbst finden können. Die mathematischen Fähigkeiten reichen vollkommen aus, um auch jenseits bisheriger Grenzen
richtige Lösungen zu produzieren.
b) Wie Sie durch die „Strategie 102“ selbst geglaubte Einwände flexibilisieren
In Akquisesituationen gibt es immer wieder selbst geglaubte Einwände der potenziellen Mandanten, und immer wieder lohnt es sich, ihre eigenen mentalen Begrenzungen zugunsten erreichbarer Lösungen zu flexibilisieren.
Die „Strategie 102“ besteht sprachlich aus drei Teilen:
–– Sie leitet einen hypothetischen Status im Gehirn des Gesprächspartners ein durch
–– Nehmen wir mal an, die beiden gäben uns...
–– Tun wir mal einen Moment lang so, als sei...
–– Angenommen, wir könnten...
–– Sie eröffnet einen attraktiven, noch nie betretenen, neuen Denkraum.
–– Sie endet mit einer offenen Frage, die den anderen aktiviert und zur Lösungsfindung motiviert.
Die Strategie 102 macht Undenkbares denkbar, flexibilisiert sicher geglaubte
Vorannahmen und gibt Raum für neue Lösungen.
5
Beispiele aus Akquisegesprächen
Mandant: „Das ist bei unserer derzeitigen Personaldecke nicht vorstellbar.“
Anwalt: „Nehmen wir mal an, wir könnten das durch ein paar Vorkehrungen (neuer Denkraum)
auch bei Ihrer derzeitigen Personladecke etablieren. Was wäre dann?
(Mandant betritt erstmals diesen Denkraum.)
Mandant: Anwalt:
Mandant:
Anwalt:
„Dem stimmen meine Gesellschafter niemals zu!“
„Angenommen, wir könnten sie überzeugen, dass sie selbst einen Nutzen (neuer Denkraum) durch ihre Zustimmung hätten; was wäre dann?“
(Mandant betritt erstmals diesen Denkraum.)
„Die rücken niemals die Unterlagen freiwillig raus!“
„Tun wir mal so, als könnten wir sie sogar dazu bewegen, uns längerfristig behilflich
(neuer Denkraum) zu sein, was wäre dann?“
(Mandant betritt erstmals diesen Denkraum.)
34 Manche Leser werden sich erinnern: Die Mathematikbücher für die erste Klasse hatten noch zu
Beginn der 90er Jahre den didaktisch fahrlässigen und erstaunlich manipulativen Titel „Rechnen
bis 100“. Er wurde aus gehirnphysiologisch nachvollziehbaren Gründen inzwischen umgewandelt in
„Zahlen bis 100“. Logisch: Wer bis 100 rechnen kann, kann auch sehr viel weiter rechnen!
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Mandant:
Anwalt:
III. Gesprächsführung für die Akquise: Feinheiten 111
„Das ist mir zu teuer. Wir wissen ja ohnehin schon nicht mehr, wie wir die Lieferanten
bezahlen sollen.“
„Angenommen, Sie würden heute durch diese Investition spätere Zahlungen bedeutend verringern (neuer Denkraum). Was wäre dann?“
(Mandant betritt erstmals diesen Denkraum.)
c) Wie Sie durch die „Strategie 102“ Vorwände von Einwänden trennen
Die „Strategie 102“ hilft auch, Vorwände (Jemand hält den wahren Grund seiner
Kritik zurück und behauptet einen vorgeschobenen Grund) von Einwänden (Jemand
sagt, was aus seiner Sicht tatsächlich dagegen spricht) zu unterscheiden. Sie eröffnet
den neuen Denkraum, die Forderung sei komplett erfüllt und fragen dann nach
dem verbleibenden Rest. Gewöhnlich erreichen Sie dadurch ein Bewusstsein, dass
die zunächst geforderte Position das Problem gerade nicht löst.
Beispiel
Mandant:
Anwalt:
Mandant:
Anwalt:
„Der Gartenzaum muss höher! Sonst läuft da gar nichts!“
„Angenommen, der Gartenzaun wäre genau so hoch, wie Sie es wünschen, wie würde
sich dann das Problem entwickeln?“
„Ihre Strategie ist mir noch nicht einsichtig. Die Reihenfolge stimmt doch nicht.“
„Nehmen wir mal an, wir würden Ihren Zeitplan wählen, wäre dann alles in Ordnung?“
9. W
ie Anwälte einer negativen Bedeutung eine positive Wendung geben:
„Reframing“
„Reframing“ ist eine der elegantesten rhetorischen Durchsetzungsmethoden.
Diese geniale Kommunikationstechnik arbeitet mit oft völlig unerwarteten inhaltlichen „Umdeutungen“, bringt Humor in aussichtslose Situationen und sorgt für ein
zügiges Umdenken. „Reframing“ heißt der Wortbedeutung nach: „einen anderen
Rahmen (= frame) geben“. Es kommt unter geübten Sprachanwendern35 in allen
Lebenssituationen vor.
35 Kinder im Alter bis zu etwa acht Jahren reframen intuitiv, da sie „erwachsene“ Konnotationen
noch nicht verstehen. Beispiel: während eines Abendessens erzählt ein Gast von seiner Passion für
Gartenarbeit und führt unter anderem aus: „Und dann pflanze ich gern Blumen, gieße die auch. Und
besonders gern grabe ich.“ Das Kind fragt: „Nach was?“ und löst damit größte Heiterkeit unter den
Erwachsenen aus. Das Kind ist übrigens durch das Gelächter der Erwachsenen beleidigt, da in der
Kinderwelt ein objektbefreites Graben noch nicht existiert. Das Kind kennt noch keine zwei Bedeutungen von Graben.
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112 Durchsetzung
a) Reframing im Bewerbungsgespräch
Jeder Leser kennt das typische Reframing in einem Bewerbungsgespräch: „Was sind
Ihre Schwächen?“ fragt der Chef. Der trainierte Bewerber antwortet: „Auf jeden Fall
meine Ungeduld. Ich kann es nie abwarten, bis die Lösung sich abzeichnet.“ Der letzte
Teil der Antwort kehrt den ursprünglich negativen Gehalt („Schwäche“) in den positiven Gehalt „Lösung nicht abwarten können“. Die Bedeutung des Wortes „Schwäche“
wird hier umgedeutet in eine Stärke.
b) Reframing in regionaler Folklore
Auch in regionaler Folklore kommt eine Umdeutung der Werte durch reframing
vor: „Wie ist das Wetter in Hamburg?“ Hamburger antworten: „Super Arbeitswetter
heute!“ Rheinländer oder Bayern antworten: „Na dann nichts wie auf die Elbwiesen/
in den Biergarten!“ „Oh, nein, damit warte ich lieber noch; es regnet in Strömen.“
Der Hamburger dreht Regenwetter kurzerhand in „Tolles Arbeitswetter“ und gibt dem
Regen eine positive Bedeutung.
c) Reframing im Witz
„Reframing“ legt es auf elegante semantische Kollisionen an, torpediert unüberprüfte Vorannahmen und bereichert daher oft Witze: „Gnädigste, ist Ihnen klar,
dass Sie hier mit 80 durch die Innenstadt gebrettert sind?“ beschwert sich der Polizist bei der Autofahrerin. „Oh, Officer, das muss wohl der Hut sein, der mich so alt
macht.“ Oder: Schweizer Polizist zu Tourist: „Stopp. Hier geht es nicht weiter. Die
Schweizer Pässe sind gesperrt.“ Tourist: „Das macht nichts; wir haben deutsche.“
Oder „Mathelehrer: „Eigentlich müssten 70 % von Euch eine 6 kriegen.“ Schüler: „So
viele sind wir doch gar nicht.“
d) Reframing im Mandantengespräch
Im Mandantengespräch dient das Reframing dem Ausbau anwaltlicher Macht. Es
minimiert dort Einwände und Widerstände. Der Anwalt positioniert sich durch Reframing als Beherrscher der Situation und beruhigt den Mandanten schlagartig, oft
unter Beimischung von Humor und immer in Kombination mit anderen Techniken:
–– Mandant: „Ich weiß nicht mehr, wo oben und unten ist. Jetzt kommt auch noch
mein Schwager mit dem Angebot X. Ich steh mit dem Rücken zur Wand.“
–– Anwalt: „Eine so verfahrene Situation schildern meine Mandanten oft.“ (Perspektivwechsel) Sie hat wirklich nur einen einzigen Vorteil: wer mit dem Rücken zur
Wand steht, hat den ganzen Raum im Blick. (reframing dreht negative Konnotation) „Welche Punkte sollten wir zuerst ordnen?“ (offene Frage = Führung)
„Mit dem Rücken zur Wand stehen“ bekommt plötzlich eine positive Bedeutung, die
sogar eine Art „Schutz“ ausdrückt.
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III. Gesprächsführung für die Akquise: Feinheiten 113
e) Reframing in der Akquise
Geschulte Anwälte drehen negative Bemerkungen über das Honorar: „Und das
machen Ihre Mandanten mit? So einen hohen Preis?“ in positive Bemerkungen über
ihre Leistung: „Oh ja, sie sind von unseren Leistungen begeistert“.
Oft können Anwälte eine defokussierte Aggression des Mandanten nicht direkt
für ihre rechtliche Strategie nutzen. In Mandantengesprächen drehen sie daher den
Zorn über „die Verhältnisse“ in die „Sorge über die Zukunft“. Das Reframing hilft
ihnen also, den Fokus der Befindlichkeit zu drehen und Ideologien zu übergehen.
Beispiel
Mandant: Anwalt: „Unglaublich, wie die mit uns umgehen! Da arbeitet man 23 Jahre am Band, stützt das
Unternehmen mit allem, was man hat, und dann fliegt man einfach so raus! Und die
Bosse sitzen oben und feixen sich eins!“
„Ja, diese Situation ist extrem ungerecht und unangenehm (matching Befindlichkeit)
und viele meiner Mandanten (Perspektivwechsel) machen sich – genau wie Sie – in
dieser Lage große Sorgen um ihre Zukunft.“
Der Anwalt dreht die Befindlichkeit „Zorn auf die Fremden da oben“ zu „eigene Sorge
über die Zukunft“, da er erstere nicht als Basis für seine Rechtsberatung nutzen kann.
10. Wie Anwälte ihre Kompetenzen „verkaufen“ – spezifizieren und quantifizieren Sie
Nicht nur in anwaltlichen Webseiten und Broschüren sorgen Leerfloskeln für betretene Gesichter. Auch in Akquisegesprächen irritieren sie Gesprächspartner; selbst
dann, wenn diese bis dahin von dem anwaltlichen Auftritt überzeugt waren. „Wir
haben viel Erfahrung auf dem Gebiet des Energierechts.“ (Ach, wirklich? Wie viel ist
viel?) „Wir arbeiten langjährig in vielen Fachgebieten zusammen.“ (Tatsächlich? In
wie vielen? Wie lange?) „Wir verfügen über große Expertise in Sachen Familienrecht.“
(Wie groß denn? Da kann ja jeder kommen!) „Wir sind seit einigen Jahren spezialisiert auf die Beratung von Kommunen.“ (Soso; in welcher Hinsicht?) Alle Allgemeinplätze sorgen für eine Reduzierung zuvor aufgebauter Kompetenz – oder machen
einen kompetenten Eindruck im Ganzen schwierig.
Spezifizierungen und Quantifizierungen gehören zum Vertrauensaufbau.
Der Mandant erwartet klare Aussagen über das, was er – neben dem Vertrauensverhältnis – am dringendsten benötigt: glaubhafte Kompetenzen. Glaubhafte Aussagen
unterscheiden sich von unglaubhaften durch exakte Quantifizierungen (Wie viel
genau?) und aussagekräftige Spezifizierungen (Was genau?).
So wird „Wir haben viel Erfahrung auf dem Gebiet des Energierechts“ zu „Ich
selbst berate seit sechs Jahren (Quantifizierung) Energieunternehmen; derzeit vier
(Quantifizierung) davon in der Erstellung rechtssicherer Lieferverträge (Spezifizierung). Dabei war ich in zwei Fällen (Quantifizierung) hauptsächlich mit der X (Spezifizierung) befasst. Möchten Sie weitere Details?“
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114 Durchsetzung
IV. D
ie „Werner Hupe GmbH“ – wie ein Interessent zum
Mandanten wirdIV.
Im letzten Teil dieses Kapitels wird die Anwaltskanzlei einen Mandanten gewinnen.
Viele der zuvor benannten zehn rhetorischen Durchsetzungs-Strategien werden
dabei behilflich sein und in Klammern erläutert.
Ausgangslage: der Fall „Werner Hupe GmbH“
Die „Werner Hupe GmbH“ ist Vertragshändler in der Automobilbranche in einer 150 000 Einwohner-Stadt
und dort Betreiber einer Kfz-Werkstatt mit 52 Mitarbeitern. Die Krise der Automobilwirtschaft hatte sie in
Zeiten der Abwrackprämie einigermaßen gemeistert. Die „Werner Hupe GmbH“ ist nun existenzbedroht:
Marktsättigung und geringe Nachfrage an Reparaturen – klassische Branchenkiller nach der Abwrackprämie – sowie der emotionale Charakter des Chefs, Herrn Werner Hupe, haben dazu geführt.
Letzteres will der Chef nicht wahrhaben; Zerwürfnissen mit Mitarbeitern und besonders die Kündigung zweier empörter Mitarbeiter in der Buchhaltung bereiten ihm seit Wochen schlaflose Nächte.
Die beiden haben aus Rache Dokumente aus dem aktuellen Controlling verschwinden lassen. Herr
Hupe hatte sich an seinen Anwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, gewandt und wenig Aufschlussreiches gehört, außer, dass ein Fehlverhalten in dieser Situation strafrechtliche Konsequenzen haben
könnte. Das machte ihn zusätzlich sauer. „Wozu bezahle ich Euch Idioten eigentlich?“ hatte er ins
Telefon gebrüllt.
Hupe weiß nicht, ob er kurz vor der Insolvenz oder schon mittendrin ist. Er weiß auch nicht, wie
er die Gehälter seiner Mitarbeiter in den nächsten Monaten noch bezahlen soll. Der Betriebsrat ist
„auf Krawall gebürstet“; von dem ist keinerlei Unterstützung zu erwarten.
In dieser Situation ruft er – nach einem weiteren schlaflosen Wochenende – in einer von seinem
Hausanwalt empfohlenen Kanzlei am Montagmorgen um 9.10 Uhr an.
1. Akquise-Phase: Mandatsannahme per Telefon
Empfang: Bergmann & Partner, mein Name ist Kerstin Wodrack. Was kann ich für
Sie tun? (offene Frage, Eröffnung, Raum geben)
Hupe:
Hallo Hupe hier. Ich brauch einen Anwalt. Und zwar jetzt gleich.
Empfang: Hallo (matching der Begrüßungsformel) Herr Hupe. Darf ich mir notieren (Eigeninitiative voraus!), um was es etwas genauer geht, damit ich Sie
sofort (matching Befindlichkeit = Eile, Sorge) richtig verbinden kann?
(Nutzenargumentation)
Hupe:
(aufgebracht) Notieren? Bei mir geht alles drunter und drüber! Ich schlafe
seit Wochen schon nicht mehr! Und Sie wollen notieren? Ich will einen
Anwalt sprechen! Jetzt!
Empfang: Herr Hupe, deshalb (niemals: aber!) will ich Ihnen gern sehr schnell
helfen. Sie brauchen ja schnelle Hilfe (matching Befindlichkeit); das
höre ich sofort raus. Ich brauche ein paar Stichwörter, damit ich weiß,
welcher Anwalt Ihnen helfen kann. Was ist Ihr Hauptproblem? (durch
offene Frage die Führung übernehmen)
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IV. Die „Werner Hupe GmbH“ – wie ein Interessent zum Mandanten wird Hupe:
115
Ich bin mit dem Kopf unter Wasser! Mein Geschäft geht den Bach runter!
Das ist mein Hauptproblem! Meine Mitarbeiter sind mit Unterlagen abgehauen, ich weiß nicht, wie ich Gehälter zahlen soll und der Betriebsrat
stellt sich quer!
Empfang: Ich verstehe, Herr Hupe, ich hab schon geschaut. Unser Fachanwalt für
Insolvenzrecht (Kompetenzen der Anwälte promoten) ist Herr Dr. Markgraf. Er telefoniert gerade. Damit es am schnellsten (matching Eile) für
Sie geht, verbinde ich mit seiner Assistentin Frau Berger (persönliches Kümmern, Problem lösen, Teameffekt betonen) Bitte einen kleinen
Augenblick.
(Warteschleife. Jazzmusik. 10 Sekunden.)
Berger:
Hallo Herr Hupe, mein Name ist Berger. Ich bin die Assistentin von
unserem Spezialisten für das Insolvenzrecht, Herr Dr. Markgraf (Anwälte promoten). Er telefoniert noch. Ich habe schon von meiner Kollegin gehört (Mandant muss niemals etwas zweimal sagen!), dass Sie
ein Problem haben mit gestohlenen Unterlagen, mit den Gehältern und
mit dem Betriebsrat. Ist das alles richtig wieder gegeben? (korrekte Paraphrase signalisiert Aufmerksamkeit, Interesse und Super-Informationsfluss in der Kanzlei)
Hupe:
Ja, leider. Kann ich jetzt bitte endlich den Anwalt sprechen?
Berger:
Ich mache das so schnell es geht (matching Eile) möglich. Darf ich schon
einige Details notieren, damit es gleich für Sie noch schneller geht?
(Halten am Telefon durch Nutzenargumentation, Wirkung: Wir sind auf
Ihrer Seite)
Hupe:
Wenn es sein muss. Was denn?
Berger:
Ich nehme schon mal Ihre Daten auf, dann kann ich sofort schauen, ob
wir Sie vertreten dürfen (Nutzenargumentation) Ist Ihnen das Recht?
(geschlossene Kontrollfrage. Falls er „nein“ sagt, festen Telefontermin
vereinbaren!)
Hupe:
Hupe, Werner. Werner Hupe GmbH, Autowerkstatt, Mittelring 38 in Reifenhausen, 52 Mitarbeiter. Seit 134 Jahren im Besitz der Familie, Absatzprobleme seit mindestens zwei Jahren, werde von eigenen Leuten beklaut.
Was noch?
Berger:
Habe ich alles notiert (Sicherheit geben!). Darf ich Ihre Telefonnummern (immer im Plural!) und Ihre E-Mail Adresse noch notieren
(eigene Aktion voraus! Nicht: „Wie ist Ihre Telefonnummer?“), damit wir
Sie immer erreichen können? (Durchsetzen durch Nutzenargumentation)
Hupe:
(aufgebracht) Mein Gott, ist das so wichtig? Ich will doch erstmal einen
Anwalt erreichen, nicht umgekehrt! Das ist ja wohl bei Ihnen nicht so
einfach... Also 01234-567890 und 0172-7654321 und [email protected]
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116 Durchsetzung
Danke. Herr Hupe, ich sehe gerade, Dr. Markgraf hat aufgelegt. Ich probiere (nicht versprechen, was Sie nicht sicher halten können) es jetzt.
Sekunde bitte!
(Warteschleife. Jazzmusik. 10 Sekunden. Assistentin klärt Chef auf)
Markgraf: Hallo Herr Hupe, Markgraf hier! Tut mir Leid, dass Sie warten mussten
(Entschuldigung für das Warten = Ich mache mir hauptsächlich deinen
Kopf) Ich hab schon von Frau Berger gehört ( = Informationsfluss und
blindes Vertrauen zur Assistentin): in Ihrer Autowerkstatt gibt’s eine
Reihe von Herausforderungen? (vom „Problem“ zur „Herausforderung“
= Lösbarkeit angedeutet) Gehälter schwierig, Betriebsrat schwierig, Unterlagen weg? Schwierige Lage für Unternehmer, wenn das alles so zusammen kommt (matching Befindlichkeit und Erwähnung der attackierten
„Rolle Unternehmer“ = Vertrauensmaßnahmen), das kenne ich! (sofort
Paraphrase des Gehörten, Mandant sagt nichts zweimal! Kombiniert mit
„kenne ich“ = Kompetenz!)
Hupe:
Ja, kann man wohl sagen. Endlich erreiche ich Sie! Hat ja lange genug
gedauert!
Markgraf: Ja, alle Mandanten sprechen bei uns ganz in Ruhe zu Ende. Sie auch!
(Regeln des Kaiserschlosses ruhig bekannt geben. Anrufer sofort in die
bestehende Mandantengruppe integrieren = „Auch du hast jetzt bereits
Rechte bei uns“ – leitet einen gefühlten vorvertraglichen Status ein.)
Sind Sie einverstanden, wenn wir beide zusammen (Allianz) jetzt alles
mal ordnen? (ruhige Struktur und anbieten durch geschlossene Frage,
„ordnen“ ist ein attraktives Wort, denn Ordnung fehlt ihm vor allem) Sie
schildern mir in großen Zügen (Details im Live-Gespräch), was Sie auf
dem Herzen haben, und danach entscheiden wir, wir wir’s angehen,
einverstanden? (Alle Statements schließen mit einer Frage ab; Vertrauensverhältnis entsteht, denn der Mandant hat immer die Wahl)
Hupe:
Ja. (die erste nicht relativierte Zustimmung, Anerkennung des anwaltlichen Machtstatus)
Markgraf: Legen Sie einfach los. Ich schreib mit. (schriftliche Dokumentation =
gefühlter vorvertraglicher Status) Das Schlimmste am besten zuerst.
(Diese Aufforderung kommt selbst in den subjektiv schlimmsten Problemstellungen des Mandanten interessiert und nicht ganz ohne Humor
an. Test it!)
Hupe: Gut. Also: Die beiden Controller haben... der Betriebsrat hat... die Gehälter sind...
Frau Berger vereinbart anschließend mit ihm einen Termin in seinem Unternehmen.
Berger:
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IV. Die „Werner Hupe GmbH“ – wie ein Interessent zum Mandanten wird 117
2. Akquise-Phase: Das Erstgespräch
Dr. Markgraf betritt am Tag danach um 16.30 Uhr die Räume der „Werner Hupe GmbH“.
Da er auch noch mit dem Betriebsrat reden wird, hat er Jackett, Krawatte und kalbslederne Aktentasche im Auto gelassen. Hupe kommt im Flur auf ihn zu:
Hupe:
Guten Tag, Dr. Markgraf. Gott sei Dank sind Sie da – hier geht alles drunter
und drüber. Auch unser einziges Konferenzzimmer ist besetzt. Da sind
schon wieder Lieferanten, die auf ihr Geld warten. Wir gehen einfach in
die Küche.
Markgraf: Gern. Kriegen wir dort einen Kaffee? (erfüllbare, einfache Wünsche äußern)
Hupe:
Na klar. Den serviere ich heute selbst (eigene Miniaktivität entspannt);
unsere Frau Schmitt hat schon Feierabend.
Markgraf: Ich hab mir Ihre Informationen durch den Kopf gehen lassen („Ich bin für
Sie da, auch wenn ich nicht da bin“); am besten ist, wir (vorvertragliche
Allianz) fangen gleich an, die Wichtigsten zu ordnen.
Hupe:
(nickt. Steht am Kaffeeautomaten)
Markgraf: Also vielleicht das Wichtigste für Sie vorweg: Ihre Lage ist nicht außergewöhnlich schwierig, auch wenn es sich für Sie so darstellt (Empathie,
Beruhigung, Kompetenz). Sie haben mir bislang noch nichts gesagt, das
meine Mandanten nicht fast jedes Mal vorgetragen haben (Perspektivwechsel: „Andere haben es auch geschafft.“). Es gibt sogar mehrere
erprobte Wege zu einer Lösung (positives Vokabular).
Hupe:
Das kann man kaum glauben, wenn man drin steckt. Ist alles total verfahren!
Markgraf: Ja, das stimmt. Meine Mandanten sind anfangs ebenfalls alle ziemlich
verzweifelt in einer solchen Situation. (Perspektivwechsel: „Du bist
nicht allein!“) Bei Ihnen kommt ja noch dazu, dass sich das Unternehmen
seit 134 Jahren im Besitz der Familie befindet. Da fühlt man sich nicht besonders toll, wenn das gefährdet ist. (matching Befindlichkeit: „Ich verstehe Dich.“)
Hupe:
Allerdings. Im Tennisclub hab ich davon noch nichts erzählt.
Markgraf: Gut so (Lob). Erzählen Sie es erst, wenn Sie auf dem Weg sind. Jeder
braucht mal den Blick von außen (Anwaltliche Leistung unerlässlich).
Herr Hupe? Ich würde zunächst gern einen Überblick geben über Ihre
Themen und über die Struktur der Lösung (Sogar die Lösung hat eine
Struktur), wenn Sie einverstanden sind.
Hupe:
Da bin ich ja mal gespannt. Ich habe jedenfalls die erste Nacht seit drei
Wochen durchgeschlafen.
Markgraf: Ja. Es geht voran, wenn man die Punkte nach und nach analytisch beleuchtet! (Zustimmung und Empathie = Lösung). Ich möchte Ihnen
zunächst drei Punkte (Brecht’sches Theater) erläutern: 1) Der Betriebsrat muss aktiv werden. Das ist seine Funktion. Er dürfte im Moment gar
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118 Durchsetzung
nicht auf Ihrer Seite stehen. Er steht immer auf der Seite der Belegschaft.
Das hat mit Ihnen persönlich nichts zu tun (Perspektivwechsel: „Nicht
jeder ist dein Feind, der sich wie einer verhält“). 2) Wir unterteilen die
Lösung Ihres finanziellen Problems in eine rechtliche und eine kaufmännische. Für beides sind Fachleute zuständig. Die Zahlen übernimmt
immer (Usus = Absolutheitswort = Nicht diskussionsfähig!) ein so
genannter Sanierungsmanager, die Paragraphen ein Anwalt. Mein Rat ist
hier in allen ähnlichen Fällen (Perspektivwechsel: „Führt auch woanders
zu Erfolg“): Holen Sie Spezialisten an Bord, die Ihnen helfen, die Dinge
wieder voll in den Griff zu kriegen. Halten Sie mir gegenüber auf keinen
Fall Informationen zurück; ich muss jetzt nämlich sehr schnell den
Dingen auf den Grund gehen. Wir erarbeiten (Allianz) dann ganz schnell
gemeinsam einen vernünftigen Schlachtplan. 3) Die Controller sind
mit den Buchungs-Unterlagen auf und davon. Das erleben wir häufig
(Kompetenz und Empathie: „Du bist nicht allein“ = Erleichterung). Sie
verfolgen mit dem Diebstahl der Unterlagen eigene, oft sogar verständliche Interessen (Gegenseite durchschauen = Zorn und Angst abbauen).
Diese Interessen müssen wir rauskriegen; in manchen Fällen kann man
sie schnell zufrieden stellen (Perspektivwechsel = den Gegner zu Verbündeten machen). Alternativ können wir versuchen, aus den noch vorliegenden Unterlagen den derzeitigen Status zu ermitteln. Habe ich die
wichtigsten Punkte erwischt?
Hupe: Ja. Ich glaube schon. Die beiden müssen wirklich eins auf’s Maul kriegen.
Die machen mir zusätzliche Probleme. Ich will die verklagen! Wieso kriegen die nicht mindestens so viele Schwierigkeiten wie ich?
Markgraf: Sie wollen sich rächen. Die wollen sich rächen. Das versteh ich. Nur:
Was sollte uns Rache nützen? (Offene, rhetorische Frage = Denkanstoß)
Unser Ziel ist doch: Wir wollen ein Traditionshaus retten (matching der
Befindlichkeit: warmherzige Formulierung; Familienunternehmen!) und
nicht Hans und Franz ärgern, stimmt’s? (Zielklärung) Nehmen wir mal
an, wir könnten sie sogar dazu bewegen, uns zu helfen. Was wäre dann?
(Strategie 102 = Undenkbares denkbar machen = positiver, neuer Denkraum aktiviert das Gehirn des Probleminhabers)
Hupe:
Sie glauben doch wohl nicht, dass die uns die Unterlagen wieder rausrücken? Die nicht! Klappt das denn bei Ihren anderen Mandanten? (erstes
Indiz für Umdenken; Mandant beginnt, dem Anwalt zu folgen)
Markgraf: Manchmal schon, manchmal sogar erstaunlich schnell. Herr Hupe, mal
ganz unter uns: Verklagen, Polizei, Rache und so weiter, das dauert
alles viel zu lange. Diese Zeit haben wir gar nicht. Wir können drei
Sachen tun: 1) Rauskriegen, was sie bezwecken mit dem Diebstahl
und ihre Interessen befrieden, damit sie die Unterlagen rausrücken.
2) Testen wie sie reagieren, wenn wir ihnen sagen, dass sie vielleicht
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IV. Die „Werner Hupe GmbH“ – wie ein Interessent zum Mandanten wird 119
auch wegen Insolvenzverschleppung Schwierigkeiten kriegen könnten
und 3) könnten wir versuchen, ohne die geklauten Unterlagen den aktuellen Status zusammen zu stellen. (Brecht’sches Theater bringt erneut
Struktur in die Lösung!)
Hupe:
Klingt vernünftig. Das wär ja der Hammer!
Markgraf: Das stimmt. Manchmal haut das hin (matching Sprachniveau; eigentlich
zu leger, nach dieser Bemerkung von Hupe ist klar: er braucht das so). Wir
sollten den Gegner zu einem Verbündeten machen. Da wäre noch was:
Die meisten meiner Mandanten fürchten im Vorfeld eines Insolvenzantrags auch die strafrechtlichen Seiten (Perspektivwechsel = Der
Schrecken der Botschaft wird minimiert, da alle das befürchten müssen).
Ihr Arbeitsrechtler hat das ja – ganz zu Recht – schon angedeutet. (Umgang mit Mitbewerb = Souveränität)
Hupe:
Kriege ich da etwa noch ein weiteres Problem?
Markgraf: Das ist nicht ausgeschlossen, wenn wir uns nicht umgehend um folgende drei Punkte (Brecht’sches Theater) kümmern: 1) Ein Unternehmer
kurz vor einem möglicherweise notwendigen Insolvenzantrag darf unter
Umständen gar nichts mehr zahlen oder ggf. nur noch absolut betriebsnotwendige laufende Kosten. Alles andere vermindert die sog. Insolvenzmasse, und das wird rechtlich bewertet wie eine Steuerhinterziehung.
(Ein klares Wort zur rechten Zeit bringt immer Freude und Heiterkeit) 2)
Mit den Lieferanten muss dringend eine rechtlich saubere Lösung gefunden werden. Wir müssen sofort mit denen reden und Vertrauen zurück
gewinnen. Einer sitzt ja gerade in Ihrem Konferenzraum. Manche von
ihnen neigen in ihrer Sorge zu unkalkulierbaren Aktionen. Das fängt mit
Lieferstopp an und endet mit dunklen Akten auf dem Hof. Das wollen
wir doch beides keinesfalls, oder? (matching Sprachniveau = gleiche
Ebene schaffen, Allianz) 3.) Wir besprechen am besten jetzt gleich mein
Honorar, damit ich sofort für Sie Schritte einleiten kann (Honorarinformation eingeleitet = „Sonst kann ich für Sie nichts tun“)
Hupe:
Ja, das habe ich gelesen, dass Anwälte keinerlei Angst haben, die Insolvenzmasse zu verringern!
Markgraf: Ja, stimmt, ohne Profis kommen Sie da nicht raus! (reframing = negativer Gehalt der Ursprungsbotschaft „Du bist sicher teuer“ in positiven
Gehalt drehen: Profis kosten und bringen immer was. Reframing signalisiert auch, dass die ursprüngliche Botschaft nicht kommentiert werden
wird.) Meine Mandanten zahlen (Perspektivwechsel) mein Honorar
immer auf Stundenbasis. Das heißt, sie zahlen genau nur die Minuten,
die ich für Sie tätig bin. In der Stunde beträgt das x Euro + MWSt., und wir
verfahren nach einem 6 Minuten-Takt laut Rechtsprechung. Wissen Sie,
was das bedeutet? (die geschlossene Kontrollfrage in einem Detailthema
signalisiert, dass über die Zahl nicht diskutiert wird).
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120 Durchsetzung
Hupe:
Markgraf:
Hupe:
Markgraf:
Das glaube ich jetzt nicht!
Was genau?
X Euro pro Stunde? Wer soll das bezahlen?
Womit vergleichen Sie das Honorar? (Offene Frage zur Neutralisierung
von Einwänden.)36
Der Vertrag zwischen der Hupe GmbH wird acht Minuten später schriftlich geschlossen, und die Arbeit beginnt.
1
Erfolgstipps
– Entmachten Sie alle Einwände durch offene Fragen, Reframing, Strategie 102 oder durch manipulative Paraphrasen!
– Üben Sie das Übermitteln negativer Nachrichten! Denken Sie an 80 % Zukunftsanteil dabei.
– Strukturieren, kürzen und banalisieren Sie Ihre Botschaften! Üben Sie das „Brecht’sche Theater“!
Stimme runter am Schluss!
– Setzen Sie Fragetechniken nach taktischen Kriterien ein!
– Spezifizieren und quantifizieren Sie Ihre Kompetenzen!
36 Weiter mit der Behandlung von Einwänden s. Kapitel „Honorarinformation“.
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Ehemalige Mandanten zurück gewinnen
30 % direkte Akquise
70 % indirekte Akquise
„Du brauchst keinen Grund zu gehen, wenn du keinen mehr hast, um zu bleiben“,
singt Ina Müller1 über den nicht immer sprachlich kommunizierten Wechselwillen
privater Begleiter. Anwälte können davon ebenfalls schaurig-alltagstaugliche Lieder
singen. Wenn der Mandant während des Mandates oder nach dem Mandat zu einem
anderen Anwalt wechselt, ist der Anwalt normalerweise „not amused“. Sein persönliches Image leidet; die negative Publicity für die Kanzlei ist garantiert.
Nichts als Nachteile bringt ein solcher Anwaltswechsel mit sich. Das sind keine
guten Voraussetzungen, diese missliche Situation aktiv zu bereinigen!
Anwälte mögen das aktive Zurückgewinnen von ehemaligen Mandanten nicht.
Diese Akquisestrategie in der Zeitzone Vergangenheit konfrontiert sie mit unschönen Hindernissen, und viele Anwälte geben daher „verloren gegangene“ Mandate
vorschnell auf.
Dabei ist erwiesen: Neun von zehn Kunden sind „bereit zurückzukommen,
wenn Unstimmigkeiten von früher behoben werden“.2
Viel Geld und noch viel mehr Energie sparen Anwälte ein, wenn sie ehemalige
Mandantenbeziehungen – und mit ihnen die ehemaligen Vertrauensverhältnisse –
reaktivieren.
Dieses Kapitel wird in drei Abschnitten behilflich sein, ehemalige Mandanten, die
Sie zurück gewinnen wollen, unabhängig von deren Wechselgrund wieder an Ihre
Kanzlei zu binden:
I. Wodurch wechseln Mandanten?
II. Was tun, um ehemalige Mandanten erneut zu überzeugen?
III. Ein gelungenes Beispiel – Mandantenrückgewinnung am Telefon
I. Wodurch wechseln Mandanten?I.
Mandanten wechseln ihren Anwalt offensiv (Grund erklärt) oder defensiv (Grund
nicht erklärt). Wechselgründe werden manchmal von Mandanten, manchmal vom
Anwalt selbst und manchmal gar nicht erläutert. Der Anwalt, der Mandant selbst
oder ihn umgebende externen Faktoren können für den Wechsel verantwortlich sein.
1 Ina Müller, aus dem Lied „Der Grund“ auf der CD „Liebe macht taub“ (2010).
2 Sagt Anne M. Schüller, Managementtrainerin in ihrem Hörbuch „Effiziente Kundenrückgewinnung“.
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122 Ehemalige Mandanten zurück gewinnen
Ermitteln Sie in jedem Fall, welcher Grund Ihren Mandanten zu einem Wechsel
bewegt hat; dieser Grund ist Ihr „Hebel“ für die Rückgewinnung. Drei Faktoren
können für einen Anwaltswechsel ausschlaggebend sein:
■■ Manchmal liegt es am Anwalt
Häufig wurde „Feedback“ nicht als integraler Bestandteil der Kanzleipolitik eingeführt und der Anwalt fragt daher aus strukturellen Gründen nicht nach der Zufriedenheit der Mandanten. Statt weiter führenden Bedarf zu ermitteln, hält ein solcher
Anwalt seine Arbeit nach Ende des Mandats für erledigt.
Dies ist ein flächendeckendes Drama mit komplett unterschätzten ökonomischen Folgen in deutschen Anwaltskanzleien. 80 % aller Chancen laufende Mandate
auszuweiten bleiben ungenutzt!3
Manchmal fragt der Anwalt auch aus inhaltlichen Gründen nicht nach weiterem Bedarf oder Feedback, weil er
–– einen Cross-Selling Bedarf für nicht gegeben oder für unwirtschaftlich hält;
–– den Mandanten für unsympathisch hält und eine weitere Zusammenarbeit
ablehnt;
–– seinen Arbeits-Schwerpunkt gewechselt hat und Fälle in den nun „unpassenden Rechtsgebieten“ an einen erfahrenen Kollegen delegiert;
–– sich aufgrund von Misserfolgen schämt oder diese nicht verbindlich und
freundlich erläutert.
■■ Manchmal liegt es – zumindest aus Anwaltssicht – auch am Mandanten selbst
Bei näherem Hinsehen entpuppen sich allerdings alle hier genannten Gründe als
Folgen eines suboptimalen Anwaltsverhaltens. Der Mandant
–– geht begründungslos, denn der Grund ist dem Mandanten unbekannt oder peinlich. Er kann vielleicht keinen echten Anwalts-Fehler benennen, sondern
fühlt sich „einfach so“ unwohl;
–– geht begründungslos, denn er ist von seinem Anwalt so genervt, dass der
„Anwalt keinen Anspruch mehr hat“ auf eine Erklärung;
–– wechselt begründungslos und ohne böse Absichten nach dem ersten Mandat,
um „Anwaltsleistungen zu vergleichen“;
–– geht begründungslos, weil er das Leistungsspektrum der ersten Kanzlei nicht
kennt. Später stellt sich heraus, er hatte gar nicht gewusst, dass die Kanzlei „das
auch macht“.
–– hatte nur ein Einzelmandat. Klassischer Fall: ein kleinerer Verkehrsunfall ohne
Spätfolgen.
■■ Manchmal liegt es an externen Faktoren
Die Rückgewinnung eines ehemaligen Mandanten ist schwierig (und bleibt manchmal unmöglich), wenn externe Faktoren im Umfeld des Mandanten eine weitere
Kooperation verhindern: Umzug, Firmenfusionen, neue Geschäftsführer (bringen
3 Vgl. „Ausweitung derzeitiger Mandate“ im Kapitel „Cross-Selling“.
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II. Was tun, um ehemalige Mandanten erneut zu überzeugen? 123
eigene Anwälte mit), Generationswechsel in Unternehmen, strategische Neuorientierungen oder Verlagerungen von Unternehmen im Zuge der Globalisierung können
einen erheblichen Einfluss auf Anwaltswechsel haben.
II. Was tun, um ehemalige Mandanten erneut zu überzeugen?II.
Grund genug, diese von allen Anwälten als unbequem empfundene Situation zu entzerren. Jeder Anwalt kennt dieses Schreckgespenst: der liebste Mandant steht zwei
Monate nach Mandatsende mit dem bösesten Konkurrenten auf dem Gerichtsflur. Im
Diplomaten-Slang heißt so etwas: eine ungeliebte Herausforderung.
Was also tun, wenn ein Mandant mitten im Mandat den Anwalt wechselt oder
nach einem Mandat nicht mehr zu Ihnen zurückkommt? Und Anschlussfrage: Was
bewegt Ihre Mandanten, zu Ihnen zurück zu kommen? Lesen Sie hier sieben Ideen:4
1. Räumen Sie zwischen Ihren Ohren auf
Innere Einwände gegen die Rückgewinnung „verloren gegangener“ Mandanten
machen Interventionen zunächst schwierig. Begründungen für die anwaltliche
Zurückhaltung erscheinen unbeteiligten Betrachtern wie Reflexe, die sich äußern in
–– Sarkasmen: „Reisende soll man nicht aufhalten.“
–– Passiver Aggression: „Gegen dessen Dumpingpreise habe ich ohnehin keine
Chance.“
–– Beschwichtigungen: „Der kommt schon zurück; der ist jetzt bei so einem Billigheimer gelandet.“
–– Offener Empörung: „Ich bin immer loyal zu meinen Kunden. Wenn die (!) das
nicht würdigen, sind sie nicht die richtigen für mich.“
Tipp
Statt sich aufzuregen über den Mandanten oder dessen Weggang zu verharmlosen, überlegen Sie,
wie Ihre Prophylaxe ab sofort aussehen wird. Überlegen Sie auch, wen Sie zurück holen wollen. Bedenken Sie, dass alle verloren gegangenen Mandanten, deren Weggang Sie mit verantworten, über
Sie schlecht sprechen. Darum: verlieren Sie keine Zeit! Übernehmen Sie das Zepter wieder!
4 Prophylaxe ist natürlich das Gebot der Stunde. Das ganze Buch handelt davon, wie Anwälte Mandanten gewinnen und halten. In diesem Kapitel wird daher die Frage: „Wodurch bleibt der Mandant
immer bei mir?“ nicht erneut beantwortet.
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1
124 Ehemalige Mandanten zurück gewinnen
2. Besiegen Sie Ihren „inneren Schweinehund“
Anwälte, die sich aufmachen, ihre ehemaligen Mandanten zurück zu gewinnen,
haben oft einen besonders mächtigen Gegner besonders nah bei sich: es ist ihr
innerer Schweinehund. Der versucht, sich um jeden Preis um die eigene Verantwortung zu drücken und ist daher ein denkbar schlechter Berater.
Der innere Schweinehund überträgt die Verantwortung für den Wechsel des
Mandanten auf den Mandanten und entmachtet dadurch sein eigenes „Herrchen“.
Der innere Schweinehund übersieht beispielsweise gern, dass es einst der Mandant
war, der sich für Sie entschieden hatte. Selbst wenn aus Mandantensicht etwas
schief gelaufen ist, bestand einst ein Vertrauensverhältnis zu Ihnen – und Vertrauen ist die Grundlage aller Geschäfte.
1
Tipp
Ein gefährdetes oder gar zerstörtes Vertrauensverhältnis zum Mandanten ist stets die Folge anwaltlichen Verhaltens!
3. Bleiben Sie verantwortlich
Wenn ein Mandant Sie verlässt, haben Sie ihn dazu veranlasst. Dies klingt zunächst
nicht wie eine besonders erfreuliche Mitteilung. Deshalb überprüfen Sie doch einmal
folgenden Gedankengang: Wären allein die Konjunktur, der neue Geschäftsführer,
die Dumping-Preise Ihres Mitbewerbers, die Persönlichkeit Ihres Mandanten oder
die wachsende Anwaltsdichte in Ihrer Stadt für den Weggang verantwortlich, hätten
Sie keinerlei Spielraum für eigenes Handeln mehr, denn keinen dieser Faktoren
werden Sie selbst und allein beeinflussen können. Ermitteln Sie also stets, welchen
Anteil Sie selbst am Weggang des Mandanten haben. Sie finden immer etwas.
Ein unter Anwälten verbreitetes Denkmuster wie „Reisende soll man nicht aufhalten“ sorgt erst für jene Passivität, die Ihnen zwar subjektiv Entlastung („Den
Nörgler bin ich los“), objektiv jedoch vor allem Umsatzeinbußen einbringt. Manche
dieser Denkmuster lähmen Ihre Eigenaktivität und verhindern fahrlässig jene analytische Haltung, für die Sie sonst gerühmt werden.
Auf diese Weise gefährden Sie unmittelbar Ihren Unternehmerstatus. Sie sehen
die Rücklichter leider nicht nur von Ihrem frustrierten Mandanten, sondern auch
von den durchschnittlich zehn (!) weiteren, potenziellen Mandanten, die er vor
Ihnen gewarnt hat.5
5 Diese Zahlen erforschte erstmals 1978 Noriaki Kano, Professor an der Universität Tokio, im KanoModell. Er maß und segmentierte Kundenzufriedenheit in der ersten weltberühmt gewordenen
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II. Was tun, um ehemalige Mandanten erneut zu überzeugen? 125
4. Sortieren Sie Ihre Mandanten
Nicht jeder Mandant „passt“ zu Ihnen und Ihrem Kanzleiziel. Sortieren Sie: welche
Ihrer ehemaligen Mandanten möchten Sie wieder zurückholen? Machen Sie eine
Liste! Wenn ein Mandant Ihnen umsatz-, branchen- oder marketingrelevante Vorteile bringt, sollten Sie ihn in jedem Fall wieder gewinnen. Umsatzvorteile bringt
der mit dem Honorarvolumen X, Branchenvorteile bietet der, der exakt in das von
Ihnen angepeilte oder bereits realisierte Portfolio passt. Marketingvorteile bringt der,
der für Sie Radiusarbeit betreiben kann und sich in für Sie relevanten Netzwerken
oder sozialen Umgebungen aufhält.
5. Dokumentieren Sie Mandanten-Abschiede
Abgewanderte Mandanten müssen – ihre wichtige Rolle für die Kanzlei vorausgesetzt – systematisch registriert und unter eigenem Suchbegriff in der Kundenkartei geführt werden. Kanzleifehler, die zu ihrem Weggang führten, werden sofort
behoben, denn sie sind gefährlich, wenn sie häufiger als einmal auftreten. Ermitteln
Sie diese Fehler furchtlos, besonders Ihre eigenen. Geben Sie sie ebenso furchtlos
in der Kanzlei bekannt und verpflichten Sie alle Mitarbeiter sowie sich selbst, es in
Zukunft besser zu machen. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Dadurch flexibilisieren Sie Ihre Fehlerpolitik6 und machen Ihren Mitarbeitern Mut, eigene Fehler
ebenfalls einzugestehen und selbst zu beheben. Analysieren Sie akribisch die Wechselgründe jedes Einzelnen und notieren Sie sie dazu. Ein Frühwarnsystem kann
für Prophylaxe sorgen; ein Kontrollsystem überwacht den Umgang mit früheren
Fehlern.
Mandanten, die unvermittelt mit alten Gewohnheiten brechen, sind ein
schlechtes Zeichen. Jemand, der sich nie meldete und nun zu Telefonitis neigt oder
umgekehrt: Mandanten, die zu Telefonitis neigten und nun plötzlich gar nicht mehr
von sich hören lassen, sind häufig in schwerer Sorge wegen der Qualität ihres
Anwalts. Beachten Sie solche Signale!
Kundenzufriedenheits-Studie für Mitsubishi. Seine Ergebnisse sind – obwohl für die Autoindustrie
ermittelt – bis heute auch für den Dienstleistungssektor unwiderlegt. „Unverlangte Publicity“ macht
nur der begeisterte Kunde. Er wartet also nicht, bis er gefragt wird nach einem guten Anwalt, sondern berichtet über diesen spontan. Statistisch gesehen tut er das einmal, während der unzufriedene Kunde 10-fache unverlangte (!) Antiwerbung für die Kanzlei macht.
6 Mehr zur „erweiterten Fehlertoleranz“ als Marketinginstrument im Kapitel „Kanzleimarketing“.
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126 Ehemalige Mandanten zurück gewinnen
6. Telefonieren Sie kurz und kultivieren Sie den langen Atem
Wer langatmig telefoniert und dabei kurzatmig ist (oder aus Nervosität wird), sollte
das Telefonieren zu Akquisezwecken generell unterlassen. Jede der beiden Angewohnheiten wirkt bedürftig und unsicher; gemeinsam sind diese beiden unausstehlich!
Vorsicht, Ihr Fuß in der Tür sichert nicht die geöffnete Tür! Selbst wenn Sie
pro-aktiv Kontakt aufgenommen haben und selbst wenn Ihr ehemaliger Mandant
erneut zu einem Kontakt bereit ist und sogar, wenn er sich durch Sie zum Lunch einladen lässt: das heißt noch gar nichts: Sie werden weiter werben müssen.
Es wird sich weiter so anfühlen, als liefen Sie hinter dem Mandanten her. Sie
haben Image-Beschwerden sich selbst gegenüber. Sie empfinden Ihre Selbstoffenbarung als „schleimig“ und die 90-Dezibel-Zwischenrufe Ihres inneren Schweinehundes als berechtigt („Du machst dich zum Gespött der Leute!“).
Trost naht: Sie wissen ja, dass Einwände Ihre Beteiligung an der Sache anzeigen. Beantworten Sie für sich selbst die Frage: „Was wird mir entgehen, wenn ich
diesen Mandanten laufen lasse?“ Beherzigen Sie nach selbstkritischer Prüfung
aller weiteren Aspekte stets die Binsenweisheit: „Wer kämpft, kann verlieren, wer
nicht kämpft, hat bereits verloren.“7
7. Akzeptieren Sie externe Hindernisse – und bleiben Sie am Ball
Gemein: Externe Faktoren sind manchmal stärker als Sie. Wer höchste Bearbeitungsqualität liefert und alle Mandanten begeistert, kann sie dennoch verlieren.
Externe Faktoren wie Fusionen, Umzüge und neue Ansprechpartner sind das zweitgrößte Hindernis bei der Rückgewinnung von Mandanten. Der Mandant war begeistert über die Arbeit seines Anwalts, und er ist es noch; plötzlich wird ihm – zeitgleich
mit dem neuen Chef – auch ein neuer Rechtsberater „vor die Nase gesetzt“. Er muss
sich fügen. Hier ist der Anwalt leider nicht mit verantwortlich für den Wechsel
seines Mandanten.
1
Tipp
Nur wer einen suboptimalen Zustand mit verantwortet, kann ihn selbst und allein verändern.
Besonders langer Atem ist hier gefragt. Nur besondere Maßnahmen halten Sie
im Gespräch. Diskutieren Sie solche Maßnahmen mit Ihren Kollegen. Halten Sie auf
jeden Fall regelmäßig Kontakt und docken Sie auch im Umfeld des Ex-Mandanten
(Lieferanten, Gegner, Nachbarn, Konkurrenten, Kollegen etc.) mit Angeboten an.
7 Wird Bertolt Brecht und Rosa Luxemburg zugeschrieben.
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III. Ein gelungenes Beispiel – Mandantenrückgewinnung am Telefon 127
Unter Umständen müssen Sie ihn und seine Umgebung zwei Jahre lang unbeirrt zu Ihren Vorträgen und In-House Veranstaltungen einladen und persönlich
ab und zu anrufen, um sich unverbindlich durch einen „kleinen, frischen Aufsatz“
zu einer sehr frischen Rechtslage im Gespräch zu halten. Übersenden Sie diesen
Aufsatz per E-Mail während Ihres Telefonats. Machen Sie Eindruck: Handeln Sie
schneller als seine derzeitigen Anwälte!
Die Zeit ist anstrengend, bis er wieder ein „Testmandat“ vergibt. Falls das geschieht, wissen Sie: Er hat selbst lange gebraucht, sich in seiner Umgebung durchzusetzen. Danken Sie ihm das! Schätzen Sie seine Minisignale und geben Sie immer
wieder Ihre.
III. E
in gelungenes Beispiel – Mandantenrückgewinnung
am TelefonIII.
Eine erfolgreiche Akquise in die Zeitzone Vergangenheit ist pro-aktiv, erfordert einen
langen Atem und ziemlich viel Mut, berücksichtigt alle drei Zeitzonen und besteht
aus sieben Schritten.
■■ Ausgangslage
Der Gründer und Namensgeber einer Sozietät mit fünf Anwälten in einer Stadt mit
120.000 Einwohnern, ausgestattet mit 22 Jahren Berufserfahrung und 2 Fachanwaltstiteln sowie nach eigenen Angaben mit dem Image, „Platzhirsch“ am Ort zu sein,
verliert innerhalb eines Jahres drei Mandate, darunter ein sehr einträgliches. Einen
der ehemaligen Mandanten trifft er vor Gericht mit dessen neuem Rechtsbeistand
wieder. Der Anwalt gibt an, gekränkt und ratlos zu sein. Er selbst erklärt sich diese
Häufung von Niederlagen durch „erstarkte Konkurrenz am Ort“, deren „Dumpingpreis-Politik“ er nicht teilt und gutheißt. Der Anwalt, früher ausgestattet mit
der festen Überzeugung „Die Kunden kommen von selbst zu mir“ und der Erfahrung
„Aktive Akquise liegt mir nicht“ möchte nun seiner Rolle als „Platzhirsch“ ernsthaft gerecht werden und sein „Rudel zusammen halten“. Er verliert die Furcht, als
schwach da zu stehen, wenn er „hinter den Dreien her läuft“ (Zitat) und erkennt:
Schwach ist ein Platzhirsch nur ohne Rudel.
Fast zwei Jahre später (!) nimmt er zu allen Kontakt auf. Der Anwalt hatte akzeptiert, dass seine Umsätze gefährdet sind, wenn er nicht bereit ist, flexibel auf Veränderungen seiner Umgebung zu reagieren. Er holte zwei der drei Mandanten
mehr als zwei Jahre nach deren Weggang durch folgendes Vorgehen wieder in sein
Boot.
■■ Ziel festlegen
Sie definieren, welcher Mandant zurückkommen soll (Liste, am besten mit Begründung). Tragen Sie diesen Plan in der Partnerversammlung vor. Legen Sie die Zeit
fest, zu der der Anruf ihn am besten erreicht. Sehr effizient: Ein Beschluss in der
Partnerversammlung: Jeder Ihrer Kollegen benennt drei lohnende Mandanten, die
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128 Ehemalige Mandanten zurück gewinnen
er zurück holt. Überlegen Sie, in welchen Fällen Sie beim ersten Gespräch auch einen
späteren gemeinsamen Auftritt anbieten könnten. Das ist sinnreich, wenn Sie über
seinen individuellen oder branchentypischen Bedarf etwas erfahren haben oder
wenn neue Gesetzeslagen einen solchen Bedarf wahrscheinlich machen.
■■ Anruf vorbereiten
Sie recherchieren alles, was Sie herausfinden können über Ihren ehemaligen Mandanten. Ist er nach Mandatsende noch einmal bei einem Ihrer Vorträge gewesen? Ist
er umgezogen? Hat er sein Geschäft verändert? Sind neue Lieferanten da? Hat sich
etwas verändert am ursprünglichen Mandatsthema? Haben Sie seine Durchwahl?
Hat er noch dieselbe Sekretärin? etc.
■■ Anruf tätigen
„Herr X, hier spricht Rechtsanwalt Meyer. Es ist ja schon eine Weile her, dass wir
unser Mandat gegen die Y hatten. Sie werden sich bestimmt wundern, dass ich Sie
anrufe, und ich habe gleich zwei Gründe dafür. Haben Sie in diesem Moment etwa
fünf Minuten Zeit für mich?“ (Zeitkorsett eingrenzen und einhalten!)
■■ Gemeinsame Historie paraphrasieren
„Wir haben es denen ja ganz schön gezeigt damals bei der Y und hatten viel Pech
wegen der X. (Vergangenheit). Darf ich fragen, wie es Ihnen inzwischen mit der...
geht? (Gegenwart) Gut aufpassen, dass er sich nicht ausgeforscht vorkommt.
■■ Fehler zugeben durch Selbstoffenbarung
„...und es ist ja noch etwas schief gelaufen. Ich glaube, dass Sie sich damals sehr
geärgert haben über mich, weil ich mehrfach nicht zurück gerufen habe,
stimmt’s? (Warten, bis er antwortet) Wir haben das zum Anlass genommen, die
Organisation in der Kanzlei zu optimieren.“ Wieder gut aufpassen: selbstkritisch
ja, „schleimig“ nein! Bei diesem Punkt raufen sich viele Anwälte die Haare; sie
glauben, „so etwas“ nicht zu können. Gestehen Sie Fehler offen ein. Verstehen Sie
Ärger. Beweisen Sie Empathie! Testen Sie bitte auch diesen Satz: „Und – ganz offen
gesagt: Es hat mich schon sehr beschäftigt, Sie auf dem Gerichtsflur mit dem Kollegen
Dr. Weißkirch zu sehen. Ich rufe Sie heute an, weil ich gern Ihr Vertrauen zurück
gewinnen möchte. Würden Sie uns unter Umständen eine weitere Chance geben?“
Sprechen Sie ehrlich und ganz direkt den Grund Ihres Anrufes aus. Er wird sowieso
erkannt! Darum herum reden und so tun, als sei nichts geschehen, wird einen weiteren schlechten Eindruck machen.
1
Tipp
Probleme auf der Beziehungsebene können nicht auf der Sachebene gelöst werden! Sprechen Sie daher das zwischen Ihnen Stehende direkt an. Machen Sie dabei kurze Sätze, die Sie nicht relativieren!
Zum Lunch einladen
„... und deshalb würde ich Sie gern in der nächsten Woche zum Mittagessen einladen und dort mal in Ruhe ausloten, ob irgendwann eventuell eine neue Kooperation für Sie denkbar ist. Was halten Sie davon?“
■■
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III. Ein gelungenes Beispiel – Mandantenrückgewinnung am Telefon 129
Aufsatz schicken
Der „kleine frische Aufsatz“ ist ein vielfach erfolgreich erprobtes Instrument zur
Neu- und Rückgewinnung von Mandanten und wirkt wie eine Vorleistung. Sie
geben immer etwas, bevor Sie nehmen können: „Ich habe übrigens einen ganz
neuen, kleinen Aufsatz für meine Mandanten (Perspektivwechsel)8 verfasst, den
ich auch Ihnen gern übermitteln würde. Er beschreibt, wie Unternehmer Y verhindern können, ohne X zu fürchten. (Nutzen!) Ist das interessant für Sie?“ (Kontrollfrage). „Ja, den kann ich natürlich auch sofort mailen. Ist Ihre E-Mail-Adresse noch
dieselbe?“
■■
Erfolgstipps
– Identifizieren Sie, welche Mandanten zurückkommen sollen.
– Besiegen Sie Ihren inneren Schweinehund! Laufen Sie hinter Ex-Mandanten her.
– Laden Sie ihn zum Lunch ein. Richten Sie dafür ein festes Budget ein. Bieten Sie Nutzen.
– Selbstoffenbarung macht Eindruck! Stehen Sie zu Ihren Fehlern. Trauen Sie sich.
– Handeln Sie schneller als seine jetzigen Anwälte! Ein „kleiner, frischer Aufsatz“ zu einer frischen
Rechtslage hält Sie im Gespräch.
8 Mehr über den Perspektivwechsel im Kapitel „Durchsetzung“.
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Flexibilität
20 % direkte Akquise
80 % indirekte Akquise
In Deutschland erwirtschaften 156.000 Anwälte in 46.500 Kanzleien ein jährliches
Honorarvolumen von € 18 Milliarden. 1.200 dieser Kanzleien haben mehr als 10
Anwälte und kommen zusammen auf einen Marktanteil von 42 % aller Honorare. 89 %
dieser Kanzleien sind Einzelkanzleien oder arbeiten mit weniger als fünf Anwälten.1
„Einsatz statt Umsatz“ – ist das die Konsequenz für kleinere Kanzleien? Keineswegs. Dieses „Schicksal“ ist nicht Pflicht. Anwälte kleiner Kanzleien können auch
anders: „Umsatz durch Einsatz“ lautet ihre Devise. Sie wissen, wer sich auf die
schiere Größe seiner Kanzlei nicht verlassen kann, braucht nachhaltigen Ersatz.
Mandanten von Kleinkanzleien gehen immer wieder zu „ihren“ Kleinkanzleien
zurück, wenn sie dort eine bestimmte Kombination von Qualitätssignalen vorfinden. Durchsetzung2 (als Fähigkeit) und Flexibilität (als Eigenschaft) ihres Anwalt
bewirken zusammen mit der Empathie (weitere Fähigkeit) für die Situation des Mandanten ein Vertrauensverhältnis und markieren meist den „Beginn einer großen
Freundschaft“.
Durch immer wieder kehrende Qualitätssignale können kleine Kanzleien ihre
Mandanten an sich binden. Sie werden dadurch zu einer echten Konkurrenz für
größere Organisationen.
In diesem Kapitel stellen Anwälte aus kleineren und mittleren Kanzleien ihre
spezielle Art von „Flexibilität“ und deren Folgen für die Akquise in sieben Berichten selbst vor.
Jeder Bericht zeigt unterschiedliche Spielarten (Konzepte) von „Flexibilität“.
I.
Das Konzept „Anders-Sein“
II.
Das Konzept „Schneller-Sein“
III. Das Konzept „Strategie“
IV.
Das Konzept „Sturheit“
V.
Das Konzept „Eigeninitiative“
VI. Das Konzept „Spontaneität“
VII. Das Konzept „Intuition“
VIII. Das Konzept „Inspiration“
1 Creutz, „Deutschlands Top-Juristen“, Handelsblatt v. 24.10.2011.
2 Vgl. Kapitel „Durchsetzung“.
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132 Flexibilität
I. Das Konzept „Anders-Sein“I.
Es darf gestaunt werden: Eine Kanzlei ohne Anrufbeantworter, ohne Mittagspause,
ohne behördliche Dienstzeiten, mit Handynummern der Anwälte und Fachkräfte,
Sprechstunden – auch samstags – von sechs Uhr früh bis spät abends und telefonischer Wochenendbereitschaft.3
So lautet das Angebot auf der Webseite einer Düsseldorfer Kanzlei. Während
Mandanten der Konkurrenz sich noch mit bemerkbaren Mittagspausen und arbeitnehmerfeindlichen Arbeitszeiten ihrer Anwälte sowie mit deren gruseligen Telefonanrufbeantwortertexten, postalisch versandten Anträgen und langwierigen
Anspruchsschreiben herumschlagen, erwarten ihn und andere Mandanten dieses
Büros ein ganz besonderer Service, wie folgendes Beispiel zeigt:
1
Best Practice
„Wir geben das, was die Mandanten brauchen und nicht das, was hier zufällig übrig ist. Dabei führen
wir die Mandanten streng, effizient und ausschließlich nach unseren Regeln. Unsere Flexibilität ist
Ergebnis einer jahrelang voran getriebenen, totalen Vernetzung in alle Bereiche der Gesellschaft. Wir
sind umgeben von Problemlösern jeglicher Couleur. „Gestern Crash, heute cash“ ist unser Leitspruch
bei Verkehrsunfällen. Unser roter Anhänger mit dieser Aufschrift steht vor der Automeile in Düsseldorf. Wir verstehen den Spruch wörtlich: Der Reparaturkostenvorschuss wird von uns selbst seit 
18 Jahren direkt nach dem Auftrag des Mandanten in einer kleinen, hoch spezialisierten und qualitativ über jeden Zweifel erhabenen Reparaturwerkstatt eingezahlt. Die Reparaturkosten dort liegen
erheblich unter denen der Vertragswerkstätten und erheblich unterhalb der errechneten Sätze aller
Gutachten. Unsere Mandanten sparen durch unverschuldete Unfälle immer Geld!
Besonders Vertriebsleute brauchen ihr Auto sofort. Auf Wunsch bekommen sie nicht nur um
sechs Uhr am Tag nach dem Unfall den ersten Besprechungstermin, sondern auch während dessen
eine Telefonleitung zum Kfz-Sachverständigen, der bereits um sieben Uhr einen Mietwagen mitbringt,
den er wiederum durch Mobiltelefon mit immer derselben Autovermietung in zwei Minuten anmietet.
Der Reparaturtermin beginnt um acht Uhr und endet fünf Stunden später. Der Kunde kann alle Termine
wie geplant wahrnehmen.
Bei Hausbesuchen erweitern wir Mandate in Mietsachen: Ursprüngliche Beschwerden über Mieterhöhungen ziehen oft Hausbesuche in der Wohnung des Mandanten durch einen unserer Mitarbeiter nach sich. Durch sein Lasermessgerät stellt er fest: Die Wohnung ist kleiner als im Mietvertrag
behauptet. Wir fordern für die gesamte Mietzeit die entsprechende Miete zurück.
Unsere Mitarbeiter begleiten auf Wunsch Eltern zum Jugendamt, Ausländer zur Ausländerbehörde und mich bei jedem Mandantengespräch. Stellt sich heraus, dass der Mandant kompliziert ist
3 Auf Facebook mit folgender Ankündigung: „Sie treffen auf einen hemdsärmligen tatkräftigen
und schlagfertigen und beileibe nicht arbeitsscheuen Vollblutanwalt aus Leidenschaft mit Humor,
der Ihnen rundheraus und ungeschönt die Wahrheit über Ihren Fall und seine Aussichten sagt....
In den allermeisten Fällen diktiert er seinen Schriftsatz in Ihrem Beisein ab und Sie freuen sich,
dass endlich jemand genau Ihre Position richtig und prägnant darstellt. Bereits am Folgetag finden
Sie die Abschrift in Ihrem E-Mail-Account. Mandatsanfrage/Vorgespräch sind immer kostenlos:
Fragen kostet nix!!!“
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II. Das Konzept „Schneller-Sein“ 133
und rechtlich irrelevante Dinge erzählen möchte, dient ihm mein persönlicher Assistent, ein ausgebildeter Sozialpädagoge, als Stütze und ‚seelischer Mülleimer’.
Wenn ich dazu komme, schildert er mir in vier Minuten den Fall. Er empfängt gegnerische Gutachter im Haus der Mandanten, wo er protokolliert, Fachfragen stellt und zur Not später als Zeuge
fungiert. Der Mandant hat immer den Eindruck, den ‚langen Arm‘ seines Anwalts bei sich zu haben.
Eine ehemalige Staatsanwältin leitet mein Büro. Sie telefoniert mit Richtern und Gegnern auf
Augenhöhe und erledigt viele rechtliche Fragen sowie über 90 % aller organisatorischen Anfragen.
Ich vergebe auf Wunsch Abendtermine, oft auch zum Abendessen. Pauschalpreise benenne ich
dafür vorab, und der Mandant kann ganz in Ruhe seinen Fall vorstellen.
Sehr gern lade ich bei Scheidungen den Gegner ebenfalls zum Abendessen oder in ein Café ein.
Eine schnelle und finanzamtsoptimierte Einigung spart Geld und Energie und schützt das Kindeswohl.
Besonders überzeugend wirkt offensichtlich mein Satz: ‚Jetzt haben wir beide es ja zwei Jahre lang
miteinander zu tun. Da sollten wir uns vielleicht kennen lernen und überlegen, wie wir das am besten
mit dem Finanzamt regeln?‘“
Rechtsanwalt Martin Lauppe-Assmann, 40233 Düsseldorf, Tel.: 0211-6999050-0, Mobil: 0171-5115851,
www.lauppe-assmann.de
II. Das Konzept „Schneller-Sein“II.
Die reine Geschwindigkeit und die sofortige Erreichbarkeit können über Mandate
entscheiden. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Mandanten selber immobil
sind. Strafverteidiger berichten von der Erleichterung inhaftierter Mandanten
über den sofortigen Anwaltsbesuch. Manche Strafverteidiger schließen weit über
50 % ihrer Mandatsverträge im Gefängnis ab. In manchen Wirtschaftsstrafsachen reist weder der Mandant zum Anwalt noch der Anwalt zum Mandanten; dort
wird gemeinsam ein neutraler Ort ge- und besucht, um Details zu klären.
Besuche bei Stadtfesten, bei Weihnachtsfeiern der Firma des Nachbarn und
unverlangte Anrufe beim Kindergarten der eigenen Tochter, nachdem Lärmbeschwerden der Nachbarn bekannt wurden, haben schon zu langfristigen Mandantenbeziehungen geführt. Besonders als „Retter in der Not“ sehen Mandanten ihre
Anwälte gern. Lesen Sie selbst:
Best Practice
Der Mandant ruft wegen eines Verkehrsunfalls an. Meine Assistentin bietet einen sofortigen Termin
an, den der Anrufer ablehnt, weil er im Krankenhaus liegt. Sie ist angewiesen, in diesem Fall dort
für denselben Tag einen Lokaltermin zu vereinbaren. Ich nutze die Mittagspause, um in die 50 km
entfernte Stadt zu fahren und erfahre, dass der Mandant bereits drei Anwaltskanzleien seiner Stadt
angerufen hatte. Alle drei hatten ihm einen Termin nach seiner Entlassung angeboten und „Gute Besserung“ gewünscht. Das Ursprungsverfahren brachte uns nicht nur € 2.500 Honorar ein sondern auch
drei weitere Mandate aus der benachbarten Stadt mit einem Gesamtvolumen von € 6.500 sowie das
– vermutlich unbezahlbare – Image, immer sofort zur Stelle zu sein.
Rechtsanwalt Rudolph, Minden, Tel.: 0571-85314
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1
134 Flexibilität
III. Das Konzept „Strategie“III.
Patentanwälte arbeiten seit Jahren mit dem Mittel der „geografischen Flexibilität“.
Viele Akquisegespräche finden auf Kongressen und im Unternehmen des Mandanten statt. Was beim Steuerberater längst zum Alltag gehört und beim Hausarzt ebenfalls wieder in Mode kommt, kann auch beim Rechtsanwalt nicht verkehrt sein.
Wenn Sie ohnehin viel reisen, überlegen Sie, welche Mandanten Sie unterwegs
besuchen können. Geografische Flexibilität stärkt auch bestehende Kundenbindungen und ist eine Methode des „Cross-Selling“.4 Besuche beim Mandanten
bewirken immer den Eindruck von Servicebereitschaft und besonderer Fürsorge.
Das gilt auch in der eigenen Stadt: Sich selbst auf den Weg zu machen, um mit
möglichen Gegnern zu sprechen, bevor diese von einem Rechtsstreit überhaupt
etwas erfahren, erweist sich als vorausschauend und Ressourcen schonend – auch
für die Mandanten – wie Sie an diesem Beispiel sehen:
1
Best Practice
Die Mandantin verlangt die Herausgabe ihrer beiden Lederjacken von ihrer Reinigung, an die sie
vorab bereits € 155,– bezahlt hat. Die Reinigung findet bei der Abholung die Jacken nicht. Statt ein
Anspruchsschreiben aufzusetzen, begibt sich ihre Anwältin, selbst zu dieser Reinigung in einem ganz
anderen Stadtteil Bremens und gibt eigene Kleider zur Reinigung ab. Sie „gerät ins Plaudern“ und
erfährt etwas über den kürzlichen Inhaberwechsel und über die kürzliche Auslagerung der Lederreinigung an eine andere Spezial-Leder-Reinigung. Die Anwältin klärt daraufhin ihre Identität und ermutigt den neuen Inhaber, nochmals zu suchen. Sie lässt ihre Visitenkarte da. Der neue Inhaber findet
nach zwei Wochen die ungereinigten und unversehrten Jacken und entscheidet sich, die Reinigung
„erneut“ durchzuführen und die Anwaltskosten zu zahlen.
Die Mandantin ist selbstständige Friseurin, neu in der Stadt und überträgt innerhalb von zwei
Jahren zwei Folgemandate im gewerblichen Mietrecht mit einem Gegenstandswert von je € 36.000
sowie ein erbrechtliches Mandat mit € 80.000 Gegenstandswert an die Anwältin.
Nicole Mertgen, Partnerin bei Dr. Fuchs, Schönigt und Partner, Bremen, Tel 0421-1655293
IV. Das Konzept „Sturheit“IV.
Das Ziel ist unbeweglich, die Methoden flexibel – und nicht umgekehrt! „Fest dran
glauben und flexibel dran bleiben“ – dieser Glaubenssatz machte aus der ersten
angestellten Position einer Rechtsanwältin eine Erfolgsgeschichte. Sie beschreibt,
wie ihr Glaube an ihr eigenes Ziel und ein gewisser – mit ihrer Persönlichkeit
untrennbar verbundener – „Biss“ zu einem veritablen „Sprungbrett“5 wurde. Die
Geschichte handelt von „befristeten Verträgen und unbefristetem Vertrauen“ und
beschreibt, wie aus „Dranbleiben“ eine Lebensphilosophie wird:
4 Vgl. das Kapitel „Cross Selling“.
5 Mehr zu „Sprungbrettmandaten“ im Kapitel „Reputation“.
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V. Das Konzept „Eigeninitiative“ 135
Best Practice
„Alles begann mit einer Feuerwehrstelle bei einer großen Versicherung. Durch meine Zuverlässigkeit, durch mein intensives Nachfragen (Meine Chefs wichen mir schon aus, weil ich auf sie zuverlässig kompliziert wirkte!) und besonders durch mein Nachfassen beim Gegner half ich im Alter von
32 Jahren beim detaillierten Aufbereiten eines seit fünf Jahren anhängigen Falles. Keiner traute sich
richtig ran. Er war im Giftschrank versteckt, als ich begann. Sein Gegenstandswert betrug über eine
Million Euro, und ich machte mich in nächtelanger Detailarbeit daran, Risiken und Chancen aufzudröseln. Wir haben uns schließlich verglichen.
Mein befristeter Vertrag, dieser großer Vergleich und meine unverhohlene Ehrlichkeit in Bezug
auf Defizite in der Organisation der Abteilung waren offenbar meine Pluspunkte! Ich durchbrach jahrelange Regeln der Versicherung, indem diese nicht „Listenanwälte“ beauftragte sondern mich. Ich
erhielt dadurch die Chance, nun als Externe mit eigener Kanzlei, mich mit großen renommierten und
bundesweit agierenden Kanzleien zu messen.
Auch für mich war diese Zeit eine Lehrstunde! Noch heute halte ich den telefonischen Kontakt
zu meinen Mandanten in mindestens monatlichen Abständen. Unsere Bürotechnik ist inzwischen
unserem Bedarf angepasst – nicht umgekehrt wie früher!
Ich garantiere trotz eines aus Kostengründen nicht immer besetzten Sekretariats einen Rückruf
innerhalb von max. 24 Stunden und schaffe den meistens noch am selben Tag. Ich rufe persönlich
zurück und erfreue meine Kunden durch meine Durchsetzungsfreude und meine Herzlichkeit. Diese
Kombination ist mein wichtigstes Erfolgsrezept!
Allein im Jahr 2011 hatte ich allein aus dem Umfeld dieser Versicherung zehn neue Mandanten,
die auf mich durch Empfehlung aufmerksam wurden. Honorarvolumen dieser zehn neuen Mandate
ca. € 8.000,00.
Ich mache regelmäßig Abschlussbesprechungen, bei denen ich die Rechnung überreiche und
taste mich an weiteren Bedarf meiner Mandanten heran. Oft kommen dabei weitere Mandate heraus.“
Rechtsanwältin Claudia Peine, Hannover, Tel.: 0511-70033515
1
V. Das Konzept „Eigeninitiative“V.
Wer schon einmal an einem See gestanden und einen Stein hinein geworfen hat, versteht das Bild als Symbol für eine kongruente, gleichmäßige Akquisetätigkeit! Von
innen nach außen werden die Kreise immer größer. Was „seine Kreise zieht“ ist ungestört, beruhigend, unbegrenzt – und vor allem selbsttätig ausgelöst. An dieses
Bild erinnert die folgende Geschichte:
Best Practice
„Im Jahre 2000 wurde ich in die berühmte Focus Große Anwaltsliste II mit dem Fach Sozialrecht aufgenommen. Durch diese Liste und zahlreiche gewonnene Prozesse wurden Kreissozialämter und Jobcenter auf meine Leistungen aufmerksam. Für sie fertigte ich Widerspruchsbescheide und begann,
zukünftige Mitarbeiter von Jobcentern auszubilden.
Diese Sozialberater sprechen – gegen einen anrechnungsfreien Betrag von € 100,– monatlich – mit
meinen Mandanten und potenziellen Mandanten über ihre Sorgen und Nöte. Sie nehmen die Unterlagen
entgegen und sorgen dafür, dass Beratungshilfe und Prozesskostenhilfeunterlagen stimmen. Dieser
Service ist kostenlos. Die Sozialberater werden von mir wöchentlich rechtlich geschult. Bei dieser Gelegenheit werden gleich die Vorträge für Selbsthilfegruppe und ähnliche Einrichtungen entwickelt.
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1
136 Flexibilität
Für meinen Blog „sozialrechtsexperte“ gewann ich einen Frührentner, der täglich neue Entscheidungen einstellt und kommentiert. Außerdem verbreitet er den Inhalt des Blogs in Foren für Harz
IV-Betroffene, z. B. Tacheles, Elo forum, Sozialticker usw. Ich habe jetzt ca. 1.000 Leser pro Tag (Besucherzahlen sind im Blog registriert) und konnte die Zahl meiner neuen Mandate seit Juni 2010 mehr
als verdoppeln.
Rückblickend wurde mein Erfolg am Markt möglich durch eine
– extreme Spezialisierung,
– erfolgreiche Werbung, die den Zielmandanten „abholt“,
– „gut geschmierte“ Kanzleiorganisation für die Abwicklung des Massengeschäfts,
– gute anwaltliche Leistung (m.E. in diesem Fall tatsächlich erst an vierter Stelle).
Ludwig Zimmermann, Fachanwalt für Sozial- und Arbeitsrecht Potsdam, Tel.: 0331-2709271, www.sozialrechtsexperte.blogspot.com
VI. Das Konzept „Spontaneität“Vi.
Die schnellen Entschlüsse sind ja oft die Besten. Nicht alles ist durchdacht. Manchmal
geht was schief. Der Weg ist lang, manchmal beschwerlich. Die Aktion ist für andere
nicht unbedingt verständlich. Für einen selbst manchmal auch nicht. Und doch,
fast scheint es, als hätten gerade die spontanen Entscheidungen ein unsichtbares
Band zum Gehirn, zur Seele des Entscheiders. Ein Anwalt berichtet von den jahrelangen, segensreichen Folgen jenes „kleinen Augenblicks“:
1
Best Practice
Meine Kanzlei ist in „Suburbia“; die Kinder meiner Mandanten heißen oft Kevin, Danny und Dustin. In
sozialen Brennpunkten ist eine nachhaltige Akquise wichtig. Alle kurzfristigen Erfolge kann man sich
abschminken. Wirtschaftlich schwache Mandanten haben Angst vor Anwälten und sind sich unsicher,
ob sie überhaupt erwünscht sind. Ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufzubauen, kann Jahre dauern.
Ich habe aus dem Stand durch selbst entworfene Plakate („Schnelle Hilfe bei Hartz IV“ und „Kündigung – was nun?“) am Fenster meiner Kanzlei den Laden zum Laufen gekriegt und etwas später
gemerkt, dass Hartz IV-Mandanten Super-Multiplikatoren sind. Sie
– entfalten die meiste Dynamik in Sachen Mundpropaganda, auch zuverlässig für andere Rechtsgebiete. Familienangehörige, Nachbarn und Freunde erfahren schnell über „den Anwalt“;
– haben häufig wirtschaftlich potente Verwandte, die sich sehr erkenntlich zeigen, wenn man die
„Sorgenkinder“ erfolgreich vertritt;
– bergen auch ein ziemliches Potenzial im Erbrecht (z. B. als geprellter Pflichtteilsberechtigter).
Dann habe ich Flyer verteilt in Lokalen, durch die viele Mandanten anfangs aufmerksam wurden.
Ich habe viel Laufkundschaft, vielleicht 40 %, und inzwischen sind 80 % meiner Mandanten Hartz
IV-Empfänger. Ich bin nicht mehr so streng mit Terminen wie früher. Ein Termin ist für einige meiner
Mandanten offensichtlich bereits ein Hinderungsgrund zu erscheinen. Ich habe stattdessen meine
Wartezimmer-Situation optimiert: Meine Mandanten lesen dort in Laiensprache abgefasste Urteile
und Gesetzes-Neuregelungen. Sie können schon einen Fragebogen ausfüllen und den Kuli mitnehmen.
Ich trinke mit meinen Mandanten auch hin und wieder mal so einen Kaffee im Büro, höre was die
so erzählen und finde die meisten nett. Das ist für mich eine wichtige Geschäftsgrundlage.
Ich habe wenig Mitbewerber: Sozialrecht ist rechtlich komplex, arbeitsintensiv, haftungsträchtig und gilt als nicht lukrativ. Den letzten Punkt kann ich bestreiten. Ich verdiene bis zu € 1.000 pro
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VII. Das Konzept „Intuition“ 137
Mandat, durch die Kombination von Prozesskostenhilfe, streitwertunabhängigen Rahmengebühren
und Kostenerstattung beim Gegner. Die Verfahrensgebühr erhöht sich dann noch mal um 30 %.
Über die Kosten zu sprechen, erschreckt meine Mandanten. Ich brauche viel Fingerspitzengefühl.
Michel Lensmann, Rechtsanwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt Sozialrecht, Recklinghausen, Tel.:
02361-6581952
VII. Das Konzept „Intuition“VII.
Mandanten möchten starke Anwälte. Anwälte tun Alles, um diesen Erwartungen
gerecht zu werden. Was jedoch geschehen kann, wenn Mandanten Stärke ausgerechnet in einem Rechtsgebiet benötigen, das nicht zum eigenen Spezialgebiet
gehört, das erklärt die folgende Geschichte doppelt. Sie ist nicht nur ein Beweis für
eine großartige Intuition (die ja im landläufigen Sinne „Wissen ersetzen“ kann),
sondern ein Lehrbuch-Beispiel dafür, wie eine eher „zufällige“ Begegnung den Griff
zu unüblichen Verhandlungsmethoden sinnvoll machen kann. Wie ausgerechnet
durch eine kleine Drohung ein mittleres Geschäft und eine große Reputation entstehen können, das zeigt der folgende Bericht:
Best Practice
„Meiner 86-jährigen Mandantin waren Anlagefonds mit einer Laufzeit von 16 Jahren(!) und einem
Anlagewert von rund € 100.000 verkauft worden. Erst ihr Neffe hatte sie danach über diese fragwürdige Anlage aufgeklärt. Obwohl die Widerrufsfrist bei Mandatsannahme verstrichen war, nahm ich
das Mandat an. Meine Erfahrung im Bank- und Anlagerecht war damals zwar begrenzt, aber einer
Dame in dem fortgeschrittenen Alter einen Anlagenfonds mit derart langer Laufzeit zu verkaufen,
„stank zum Himmel“. Ich vereinbarte für den Erstkontakt mit der Bank eine Pauschale von € 250,– mit
der Mandantin.
Ich stieg in das Telefonat mit der Bank ein: „Ich könne nicht nachvollziehen, wie Sie in diesem
Fall unseriösen Geschäftsgebarens Gefahr laufen wollten, dass die Geschädigte sich an die Presse
wendet“ und wurde danach direkt zur Geschäftsführung durchgestellt, die sich für dieses „Versehen“
relativ schnell entschuldigte. Das Signal für die Rückabwicklung des Kaufs kam vereinbarungsgemäß
telefonisch vier Tage später von der Bank, die auch die Anwaltskosten in Höhe von € 1.500 zahlte. Das
Protokoll der Rückabwicklung blieb der einzige Schriftwechsel in diesem Fall.
Die betagte Dame beauftragte mich bereits in der Woche darauf mit der Regelung ihres Erbes.
Meine Mandantin wohnt in einem Pflegeheim und organisierte dort einen Tischvortrag mit mir. Ich
wählte dafür den Titel „Betagt und gewagt? Rechtsfragen in höherem Alter“ und hielt vor 30 Bewohnern eine Frage-und-Antwort-Präsentation im Speisesaal am Tisch. Zehn Fragen hatte ich als Stichwortliste für jeden Zuhörer kopiert. Hieraus entstanden weitere Mandate“.
Rechtanwältin Nicole Mertgen, Partnerin bei Dr. Fuchs, Schönigt und Partner, Bremen, Tel 04211655293
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138 Flexibilität
VIII. Das Konzept „Inspiration“VIII.
Kreative Köpfe nutzen den Augenblick. Ein paar Tage dreht sich eine plötzliche
Idee vielleicht – „wie ein Mühlrad bei mir im Kopf herum“,6 doch dann nimmt sie
„Gestalt“ an und „der Pudels Kern“ tritt hervor. In der folgenden Geschichte beschreibt
ein Anwalt, wie er als „lachender Dritter“ langfristiger Profiteur eines Streits zwischen anderen wurde. Tun, was man wirklich kann und wirklich können, was
man tut, erweist sich als Erfolgskomponente und als lebenslanger Luxus, wie
diese Geschichte andeutet:
1
Best Practice
„Räuber! Verbrecher! Gauner!“ So beschimpften sich gegenseitig lautstark Steuerberater und Betriebsprüfer in einer Verhandlung – und brachten mich auf eine Idee:
Sobald Steuerschulden eines Unternehmens bei Tilgung der Gesamtsumme die Existenz des
Unternehmens gefährden, steht viel mehr auf dem Spiel als nur diese Summe, das ganze Unternehmen steht zur Disposition – mit seinen Arbeitsplätzen, seinem Image und mit all den Gründerideen
dahinter.
Mein Mandant, Betreiber zweier Großrestaurants war durch eine Betriebsprüfung ins Visier des
Finanzamtes geraten. Auf der Grundlage eines in der Restaurantbranche üblichen Schätzwertes forderte das Finanzamt eine Nachzahlung in Höhe von € 350.000 bei einem durchschnittlichen Bruttojahresumsatz von € 650.000. Die Insolvenz stand im Raum.
Mein Mandant wusste sofort, dass ich vom Steuerrecht keinerlei Ahnung habe. Vom Umgang mit
Behörden dagegen umso mehr (Baubehörde, Finanzamt, Ausländeramt, Wirtschaftskontrolldienst, usw.)
So entstand der Vorschlag, das Mandat als „Vermittler“ zwischen Steuerberater und Finanzamt
einzusetzen und alle Vorgänge über meine Kanzlei abwickeln zu lassen.
Ziel war die außergerichtliche Einigung verbunden mit einer drastischen Reduktion der Steuerschuld. Im ersten meiner inzwischen vier Fälle in diesem Bereich (ein fünfter ist gerade im Anmarsch!)
gelang eine Schuldenreduktion um 70 %!
Ich kann drei Tipps verallgemeinern:
– Immer mit einer Frage – nie mit einer Forderung (!) – in eine Behörde gehen.
– Die Stellschrauben der Steuerschätzung kennen und aushebeln (im meinem ersten Fall gelang
das über den Nachweis höherer Produktionskosten).
– Nichtwissen immer sofort bekennen – und an Wissende delegieren! (in meinem Fall: Steuerfachmann hinzuziehen!).
Ich habe das Hauptmandat im ersten Fall mit ca. € 7000 abgerechnet. Der Honorarumsatz in diesen
Mandaten bewegt sich zwischen € 3.500 bis € 8.000. Ein Erfolgshonorar ist möglich, hängt aber von
der Finanzkraft und dem Charakter des Mandanten ab. Aufgrund der Honorarvereinbarung nach Stundensatz rechnet sich aber jedes Mandat.
Rechtsanwalt Volker Stöckmann, Stuttgart, Tel.: 0711-7457700
6 Goethe, Faust I.
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VIII. Das Konzept „Inspiration“ 139
Erfolgstipps
– Seien Sie Querdenker! Tun Sie etwas, was Sie noch nie taten – und andere erst recht nicht.
– Begutachten Sie alles aus der Sicht des Mandanten. Was braucht er? Das macht flexibel.
– Machen Sie aus der Not mehrere Tugenden, aus Müssen Wollen und aus Wünschen Ziele!
– Halten Sie durch! Verändern Sie nicht das Ziel, sondern die Methoden, die dorthin führen.
– Erwirtschaften Sie sich Reputation durch viele kleine Schritte – statt durch einen spektakulären.
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Gerichtliche Auftritte – Akquise im Gerichtssaal
100 % indirekte Akquise
Wie bei allen Machtspielen sind auch im Gerichtssaal manche Hauptrollen verdeckt, andere treten offen hervor. Richter sind Zeremonienmeister und halten
prozessuale Zügel. Sie spielen unbestritten die formellen Hauptrollen. Ihr Drama
ist, sie haben das dafür notwendige Instrumentarium nicht gelernt.1 Sie verzögern
manchen Prozessverlauf – ohne dies zu beabsichtigen – durch ein zu autoritäres
oder zu nachgiebiges Regime und wirken dadurch unsicher den Anwälten gegenüber.
Anwälte haben ihrerseits kommunikationstaktische Komponenten ihrer
Gerichtsauftritte nicht gelernt. Sie präsentieren daher Inhalte, Argumente und Positionen häufig nicht optimal.
Vielleicht haben deshalb Gerichtsveranstaltungen nicht nur aus Sicht von Laien
den Charakter von Showveranstaltungen – die letzte Bühne, auf der Juristen
öffentlich streiten.
Akquise im Gerichtssaal gelingt auf vielerlei Arten. Ihr eigener Mandant berichtet von Ihrem Engagement, Ihr gegnerischer Mandant beauftragt Sie mit dem nächsten Mandat, der gegnerische Kollege überträgt Ihnen ein Korrespondenz- oder
Kollisionsmandat, Journalisten berichten über Sie, das Publikum erlebt Sie, und
auch manche Ihrer Zeugen behalten Sie im Gedächtnis. Vor und nach gerichtlichen
Verhandlungen können Presseagenturen informiert, Nachrichten auf Facebook
gepostet und Pressekonferenzen abgehalten werden. Gerichtsreporter warten
stets auf Futter und sind längst nicht nur an Mord und Totschlag interessiert.
Dieses Kapitel wird in drei Abschnitten aufzeigen, wie Sie „Ihre Bühne“ für die
indirekte Akquise nutzen können:
I. Wodurch Sie Richter überzeugen
II. Einige taktische Tipps2 zur Zeugenvernehmung
III. Einige rhetorische Tipps3 zur Zeugenvernehmung
1 Die Autorin trainiert Richter aller Gerichtsbarkeiten in Sachen „Kommunikation im Gerichtssaal“
seit dem Jahr 1995.
2 Das Thema ist so komplex, dass im Rahmen dieses Buchs nur wenige Tipps zur Geltung kommen.
Ausgewählt sind solche, die nachgewiesenermaßen Gegner, Öffentlichkeit und Richter beeindrucken.
3 Das Thema ist so komplex, dass im Rahmen dieses Buchs nur wenige Tipps zur Geltung kommen.
Ausgewählt sind solche, die nachgewiesenermaßen Gegner, Öffentlichkeit und Richter beeindrucken.
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142 Gerichtliche Auftritte – Akquise im Gerichtssaal
I. Wodurch Sie Richter überzeugenI.
Anwälte verlieren Zeit, Energie und manchmal sogar Erfolgsaussichten, wenn sie
unnötige Auseinandersetzungen mit den Inhabern von Territorien wählen.
Richter gehören zu den territorialen Verhandlern. Damit stehen sie – verhandlungspsychologisch gesehen – auf einer Stufe mit Türstehern, Kellnern, Parkplatzwächtern, Sekretärinnen und Polizisten, also mit allen anderen Inhabern von
Territorien. Wer in solchen Territorien gewinnen oder sogar siegen will, muss die
Territorien würdigen!
Inhaber von Territorien verteidigen ihr Territorium mit Zähnen und Klauen,
sobald ihre Macht angezweifelt wird. Der Kellner muss sich wehren, wenn Sie
ungefragt drei Tische in „seinem“ Restaurant zusammen schieben, damit Ihre
Gruppe zusammen sitzt. Der Polizist kann immer ein Ticket für nachgewiesenes
Falschparken ausstellen. Wenn Sie seine Macht anzweifeln, das zu tun, muss er das
sogar tun. Das ruppige Eindringen in fremdes Territorium ist überall ein Garant
für Schwierigkeiten, die Sie durch Diplomatie verringern oder sogar vermeiden
können. Ein Richter muss Gegenmaßnahmen ergreifen, sobald er seine Entscheidungsfreiheiten in seinem Gerichtssaal eingeschränkt sieht. Wenn Sie vom Richter
hören „Ich führe hier die Verhandlung“ haben Sie längst ein großes Problem.
Richter empfinden es nach eigenen Aussagen4 – hier wörtlich protokolliert –
als übergriffig, wenn Anwälte
–– Vorschriften machen, was ins Protokoll soll.
–– durch fehlende Verhandlungsdisziplin nicht stringent vortragen.
–– versuchen, die Verhandlungsführung an sich zu reißen.
–– Form und Technik richtiger Zeugenbefragung nicht beherrschen.
–– versuchen, dem Zeugen Antworten unterzuschieben.
–– Sachverständigengutachten nicht gegen sich gelten lassen.
–– nicht ernsthaft an einem Vergleich mitwirken.
–– unvorbereitet in die Sitzung kommen und sagen, sie seien nicht Sachbearbeiter.
–– versuchen, jüngere Kollegen/-innen in die Pfanne zu hauen.
–– die Verhandlungsatmosphäre durch pöbelhaftes und aggressives Verhalten
vergiften.
Der Richter muss also stets die Gewissheit haben, dass er sein Territorium
beherrscht. Diese Grundregel ist unabhängig von allen Inhalten, Rechtsgebieten,
Persönlichkeiten, Uhrzeiten und Geschlecht, sogar häufig von den Rechtsaussichten.5
4 Aufzeichnungen aus der Veranstaltung „Richter und Rechtsanwälte sind auch nur Menschen“ vom
„Kommunikationsverein Hamburger Juristen; Gegenseitige Erwartungen, Vorurteile und Verfehlungen von Anwälten und Richtern wurden in einem Protokoll festgehalten und liegen der Autorin vor.
5 Manche Anwälte entscheiden sich bewusst (und erfolgreich!) für eine „Nebelkerzenschlacht“, wählen also Streit auf einem Nebengleis, wenn in der Hauptsache die Erfolgsaussichten zu schwach sind.
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II. Einige taktische Tipps zur Zeugenvernehmung 143
Alles beginnt mit dem Gerichts-Knigge: Pünktlich zu sein, aufzustehen, wenn
ein Richter den Saal betritt, eine Krawatte und eine Robe zu tragen, ihn nicht zu
unterbrechen oder zu beleidigen, ihn durch Fragen zu führen, wenn er Ihre Fragerechte zu beschneiden versucht, sich von ihm höflich zu verabschieden, seine Beisitzer mit demselben Respekt zu begrüßen, die Zeugen mit korrektem Namen und
den Richter selbst mit seiner Funktion („Herr Vorsitzender“) anzureden, das sind
Standards des Gerichts-Knigge und Voraussetzungen für den eleganten Durchmarsch in gerichtlichen Verhandlungen.
Auch der entspannte Umgang mit Gegnern kann zu einer nachhaltigen Öffentlichkeitswirkung führen, wie dieses Beispiel zeigt:
Best Practice
Prozesse darf der Gegner gern verlieren, das Gesicht jedoch nie! Oft sind ja unsere Gegner im Gericht
unsere besten Lehrer. Ich erfuhr als draufgängerischer Berufsanfänger eine beeindruckende Lektion
von einem äußerst gewieften und erfolgreichen Kölner Gegenanwalt. Dieser hatte mich erheblich auf
dem Kieker, weil ich mich seinerzeit mit unlauteren und wilden Drohungen für meinen Mandanten
eingesetzt hatte. Der erfahrenere Kollege war fern davon, mir empört die Krallen zu zeigen, sondern
erklärte mir in einem bewundernswert sachlichen und dabei sehr persönlichen Schreiben, welche
Grenzen ich da derart übel verletzt hatte. Er bezog sich nicht nur auf den berufsrechtlichen, sondern
besonders auch auf den menschlich-taktischen Bereich. Der Kollege hatte leider völlig Recht, ich hingegen hatte mich schlimm vergaloppiert. Jenem Kollegen war ich nicht nur allgemein dankbar für
seine kollegiale Haltung und wahrlich angebrachte dezente Belehrung. Vor allem hatte er die Interessen seiner Mandantschaft so perfekt gewahrt, dass ich ihm in den Folgejahren einige höchst einträgliche Kölner Mandate vermittelt habe.
Mein Fazit: Prozesse darf der Gegner verlieren, das Gesicht jedoch nie! Dieses asiatische Prinzip
sollte sich in unserem Kultur- und Rechtskreis herumsprechen. Ich selbst jedenfalls bin mit dem
Beherzigen des damals Gelernten gut gefahren – und dennoch Draufgänger geblieben, allerdings
einer mit Augenmaß.
Rechtsanwalt Stefan P. L. Romansky, Bonn, Tel.: 0228-42969666
II. Einige taktische Tipps zur ZeugenvernehmungII.
Frage- und Vernehmungstechniken vor Gericht – das ist auch heute noch ein vernachlässigtes Thema in der Aus- und Fortbildung von Juristen. Dabei stellt sich
der Erfolg einer Befragung keinesfalls nur durch lückenlose Aktenkenntnis und
die Kenntnis anwaltlicher Rechte ein. Grundlagen der Gesprächsführung6 und die
„aufgestellten Antennen“ einer trainierten Wahrnehmung sorgen auch im Gerichts-
6 Vgl. als rhetorische Grundlage für Zeugenvernehmungen das Kapitel „Durchsetzung“. Alle dort
genannten Tipps erleichtern die taktische Segmentierung der Informationsgewinnung sowie die Herstellung von „Chemie“ zum Zeugen.
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144 Gerichtliche Auftritte – Akquise im Gerichtssaal
saal für besseren Kontakt zwischen den Gesprächspartnern und für die taktische
Segmentierung notwendiger Informationen.
Die Begegnung zwischen Zeugen und den anderen Prozessbeteiligten in einer
Verhandlung ist von einer alltäglichen Kommunikationssituation weit entfernt:
Wahrheitspflicht, ungewohnte Öffentlichkeit, ein hierarchisiertes Umfeld, die
plötzliche Wichtigkeit der eigenen Worte und die für den Zeugen undurchsichtigen Strukturen (Justizsprache, Zeugenbelehrung, Protokollierung, festgelegte Reihenfolge der Vernehmung, Vereidigung, Gutachter, Staatsanwaltschaft etc.) sind für
ihn in aller Regel Stress auslösend.
Unter diesen Umständen von ihm verwertbare – und vor allem die gewünschten – Aussagen zu erfragen, erfordert Sensibilität und eine geschickte, ausgefeilte
Fragetechnik.
1. Einleitung in Ihren Teil der Zeugenvernehmung
Sie befragen den Zeugen nach dem Richter als zweiter oder als Dritter, abhängig
davon, wer ihn benannt hat, im Strafrecht als Dritter nach dem Staatsanwalt. Beziehen Sie bei der Einleitung den Richter mit ein. Er ist ein territorialer Verhandler
und benötigt den Beweis, im Gerichtssaal der Chef zu sein. Bewährt hat sich die
folgende Formulierung, durch die der Richter Sie selten unterbrechen wird:
„Herr Bertram (Zeugen mit Nachnamen anreden), der Herr Vorsitzende (Richter
mit Funktion anreden) hat Sie ja vorhin nach den Vorkommnissen an diesem 13. November gefragt. Ich habe alle Ihre Antworten verstanden und mir noch ein paar zusätzliche Fragen notiert, die ich nun gern stellen möchte.“
Durch diese Formulierung weiß der Richter, dass
–– Sie sehr gut vorbereitet sind,
–– Sie seine Fragen nicht wiederholen werden und
–– seine Fragen aus Ihrer Sicht bereits Ziel führend und gut vorbereitet waren (Lob).
Der Zeuge weiß, dass er sich klar ausgedrückt hat (Lob) und fühlt sich durch die
namentliche Anrede ernst genommen.
2. Die Vorschriften des § 396 Abs. 1 ZPO
Der Richter begeht einen Rechtsfehler, wenn er seine Vernehmung durch eine
geschlossene Frage einleitet.7 § 396 Abs. 1 ZPO (entspricht § 69 Abs. 1 StPO)
zwingt ihn, zunächst nach einer allgemeinen Sachverhaltsschilderung zu
7 § 396,1 ZPO: „Der Zeuge ist zu veranlassen, dasjenige, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben.“ Vgl. Tipps zur Indikation der geschlossenen
Frage im Kapitel „Durchsetzung“.
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II. Einige taktische Tipps zur Zeugenvernehmung 145
fragen: „Wie war das an dem Tag?“ oder: „Erzählen Sie mal...“. Sollte er dagegen einleiten durch ein Verb oder Hilfsverb („Haben Sie an dem Nachmittag gehört, dass
ein Vertrag geschlossen wurde?“), sollten Sie aus zwei Gründen sofort einschreiten:
–– der Zeuge könnte ein für Ihren Mandanten bedrohliches „Beton-Nein“ oder
„Beton-Ja“ im Kernbereich des Falles produzieren, das Sie fragetechnisch
nicht mehr auflösen können;
–– der Richter verstößt gegen § 396 Abs. 1 ZPO.
Eine vielfach erfolgreich erprobte Vorgehensweise ist in diesem Moment das sofortige Handzeichen und – vor der Zeugenantwort – der Zwischenruf:
„Herr Vorsitzender, ich will Sie nicht stören oder gar in Rechtsdebatten eintreten,
sondern nur fragen, wie wir es hier handhaben mit § 396 Abs. 1 ZPO, der ja vorschreibt,
mit einer allgemeinen Sachverhaltsschilderung einzusteigen und erst danach mit
Details. Wie wollen wir damit umgehen?“
95 % der genau so angesprochenen Richter reagiert aus Gründen der Prozessökonomie durch ein sofortiges Umstellen der Frage in eine offene Frage.
Richter kennen diese Vorschrift eher selten, und noch seltener wenden sie sie
an. Sie erläutern also dem Richter im Nebensatz den Inhalt des § 396 Abs. 1 ZPO und
tun so, als kenne er ihn längst. Diese goldene Brücke vermeidet, dass er sich in die
Ecke gedrängt und „ertappt“ fühlt.
3. Die Vorschriften des § 396 Abs. 2 ZPO
Der Richter begeht einen weiteren Rechtsfehler, wenn er Ihre Fragen zur Vorbereitung des Zeugen auf die Verhandlung unterbinden will. § 396 Abs. 2 ZPO regelt (entspricht § 69 Abs. 2 StPO), dass nicht nur Fragen zum Zeugenwissen, sondern ausdrücklich auch zu dessen Herkunft von Aufklärungsinteresse sind.8
Ausdrücklich geboten sind also Fragen wie: „Mit wem haben Sie über Ihre
heutige Vernehmung gesprochen?“, „Wer hat Sie heute zum Gericht gefahren?“, „Wie
haben Sie sich auf die heutige Vernehmung vorbereitet?“9
Der Richter wird versuchen, solche Fragen zurück zu weisen. Er hat dafür meistens zwei Gründe:
–– Er selbst hält diese Fragen für irrelevant und hat sich vielleicht sein Bild schon
gemacht,
–– er kennt § 396 Abs. 2 ZPO nicht.
8 Wortlaut des § 396 Abs. 2 ZPO: „Zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage sowie zur
Erforschung des Grundes, auf dem die Wissenschaft des Zeugen beruht, sind nötigenfalls weitere
Fragen zu stellen.“
9 Berufszeugen wie Gutachter oder Polizisten sind verpflichtet, sich auf die Vernehmung vorzubereiten.
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146 Gerichtliche Auftritte – Akquise im Gerichtssaal
Verfahren Sie wie oben mit dem sofortigen Zwischenruf:
„Herr Vorsitzender, ich will keinesfalls in Rechtsdebatten10 eintreten sondern nur
fragen, wie wir es hier handhaben mit § 396 Abs. 2 ZPO der ja Fragen nach der Herkunft des Zeugenwissens ausdrücklich gebietet. Wie gehen wir also vor?“
So angesprochene Richter erlauben schon aus Gründen der Prozessökonomie
Ihre Frage, wie dieses Beispiel zeigt:
1
Best Practice
Ich war fragetaktisch super vorbereitet und hatte meine drei DIN A 4 Zettel mit den Trichter-Fragen vor
mir... Im nicht klimatisierten und durch einige Pressevertreter gefüllten Gerichtssaal wurde zunächst
der sachverständige Zeuge befragt: Die Richterin fragte zwanzig Minuten (alle ihre Fragen habe ich
sehr auffällig durchgestrichen auf meinen Zetteln), der Kollege hatte nur zwei Fragen – und dann kam
ich dran. Ich habe streng nach frisch gelernten taktischen Regeln eingeleitet und anderthalb Stunden
später mit nur einer einzigen Unterbrechung und dem Wunschergebnis aufgehört. Meine Fragen
nach der Herkunft seiner Informationen mochte die Richterin nicht recht akzeptieren, doch durch die
Frage: „Wie wollen wir hier mit § 396 Abs. 2 ZPO umgehen?“ kam ich fast ungehindert weiter. Durch
Randbefragung konnte ich aufdecken, dass sich alle Zeugen in der Kanzlei des Kollegen in Bezug auf
das Beweisthema abgesprochen hatten. Ich wusste das genaue Datum der Besprechung und habe
den mittleren Zeugen bewusst durch Fragen, Paraphrasen und Protokollierungen von Zwischenschritten in eine Falle gelockt. Die Mandanten waren hingerissen, vor allem über die Zielrichtung meiner
Fragen und deren Ergebnis. Inzwischen – zwei Monate nach Prozessende – habe ich durch sie zwei
weitere Mandate erhalten, und zwei Pressevertreter kamen nach Prozessende zu mir, um Detailfragen
zu verstehen. Ich vermute einen nachhaltigen Imagegewinn durch mein einerseits zurückhaltendes,
andererseits taktisch perfekt vorbereitetes Auftreten der Richterin und vor allem dem sehr bekannten
Hauptzeugen gegenüber.“
Rechtsanwalt Stefan Friedrich, Baden-Baden, Tel.: 07221-50630
4. Mehr Mut zur Wut
Eine Gerichtsverhandlung hat – besonders im Strafrecht – zumindest für Unbeteiligte
Showcharakter. Anwälte können ihre Mandanten während der Vorbereitung auf
gerichtliche Verhandlungen zu gespielten Wutanfällen verleiten. Das hat für alle
Seiten Vorteile: Wenn der Mandant sein „Stichwort“ kennt und in einem bestimmten Moment ausrasten „muss“, tut er es nicht mehr unkontrollierbar. Er fühlt sich
außerdem eingebunden in die anwaltliche Taktik. Der Mandant selbst hat wirklich
viel zu erzählen in seinem Bekanntenkreis – und das tut er in diesem Fall vielfach
und mit großer Begeisterung!
Der Anwalt selbst kann sich viel besser konzentrieren und wird nicht vom
Mandanten gestört. Vor Gericht hat er dadurch zwei weitere Vorteile: Er ist der
„Good Guy“ in den Augen des Richters, da er seinen Mandanten streng zur Ordnung
10 Vgl. Sie die Manipulationsmöglichkeiten durch „Negativinstruktionen“ im Kapitel „Zielführung“.
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III. Einige rhetorische Tipps zur Zeugenvernehmung 147
ruft und Mitgefühl einwerben kann für seine dramatische Situation, und er kann
durch Aufruhr eine schlechte Rechtspositionen vernebeln.11
5. Lügen(-bereitschaft) enttarnen
Die Enttarnung lügenbereiter Zeugen durch Randfragen ist eine erlernbare Kunst. Im
Kerngeschehen (Zentraler Anklagepunkt: „Einer hat einen anderen geschlagen“) sind
lügenbereite oder komplotthafte Zeugen immer gut vorbereitet. In solchen Fällen
gelingt Ihnen das Zerlegen einer Zeugenaussage nur über das Randgeschehen.12
Wenn mehrere Zeugen zum selben Kerngeschehen dieselben Interessen und
unterschiedliche Berufe haben, können Sie sie schon durch das für ihren Beruf
untypische Vokabular enttarnen („Halsansatz? Woher kennen Sie dieses Wort? Mit
wem haben Sie jemals über dieses Wort gesprochen? Kennt auch Ihre Frau dieses
Wort? Woher? Wo beginnt Halsansatz? Wo geht er in den Hals über etc.).
Lügen- und komplotthaft agierende Zeugen enttarnen manche Anwälte in teilweise spektakulären Indizienprozessen, ohne dass es nach großer Mühe aussieht. Wer so etwas kann, erarbeitet sich eine nachhaltige, 100-fach weiter getragene
Reputation als Richterschreck, Presseliebling und Mandantenretter.
III. Einige rhetorische Tipps zur ZeugenvernehmungIII.
Wer fragt, führt! Die Königsdisziplin anwaltlicher Verhandlungen wird in einem
Gerichtssaal besonders deutlich: die Fragetechnik. Durch sie wird entschieden, wer
sich durchsetzt, wer die Macht hat und wessen Auftritt positiv im Kopf bleibt.
Durch sie werden Konflikte mit Gegner oder Gericht schnell neutralisiert, durch sie
werden Zeugen enttarnt oder gestützt, durch sie spart der Anwalt viel Energie – und
durch sie wird Akquise möglich! Es lohnt sich also, spezielle Fragetechniken13 für
den Gerichtssaal zu studieren:
11 Das ebenso amüsante Buch „Chruschtschows dritter Schuh“ über geplante Wutanfälle und ähnliche Ideen für das internationale Parkett ist für manche Anwälte ein guter Ratgeber. Hans-Georg
Macioszek schildert in diesem Buch den vielleicht berühmtesten Wutanfall der Geschichte. Chrustschow, Generalsekretär der KPdSU, haut 1960 vor der UNO-Vollversammlung während einer Wutrede
mit einem Schuh auf das Rednerpult. Erst Jahre später kam durch seinen Biographen heraus, dass er
während des Wutanfalls beide seine Schuhe trug. Er hatte also seine Wut, den „dritten Schuh“ und
seinen ganzen Auftritt geplant
12 Vgl. weit reichende Aussagen zu Rand- und Kerngeschehen in dem Standardwerk zur Zeugenvernehmung von Bender/Nack/Treuer.
13 Vgl. zur Funktion der geschlossenen und offenen Frage und der taktischen Einrichtung beider
das Kapitel „Durchsetzung“.
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148 Gerichtliche Auftritte – Akquise im Gerichtssaal
Anwärmfrage
Fast jeder Zeuge hat Angst. Sorgen Sie daher für einen guten Kontakt zum Zeugen,
bevor inhaltliche Fragen losgehen. Loben Sie ihn: „Sie sind ja Spezialist für X seit
nun schon 16 Jahren...“ besonders wenn Sie mit gegnerischen Zeugen reden.
Nehmen Sie ihm die Angst. Lassen Sie ihn sich an Ihren Stil gewöhnen. Ohne guten,
angstfreien Kontakt zu Ihnen liefert besonders der gegnerische Zeuge keine Ihnen
dienlichen Informationen.
■■
Gegenfrage
Da Sie das Gespräch führen und nicht sich führen lassen sollten, brauchen Sie ein
Instrument für den Fall, dass Ihnen jemand diese Führung streitig machen möchte.
Sie können einen Zeugen, der ablenken, angreifen, auslassen oder lügen möchte
und zu diesem Zweck anfängt, Ihnen Fragen zu stellen, durch die Gegenfrage
wieder in Ihre Richtung bringen. „Muss ich diese Frage beantworten?“ „Was
sollte Sie hindern?“ Wenn der Richter Sie unterbricht durch „Das gehört nicht zum
Beweisthema“, kriegen Sie ihn in den Griff durch „Wie grenzen Sie das Beweisthema
ein, Herr Vorsitzender?“ oder durch: „Haben Sie mir soeben das Fragerecht entzogen?“. Besonders bei Attacken wie: „Sie haben die Akte doch gar nicht gelesen!“
nützt Ihnen die Gegenfrage: „Auf welchen Punkt der Akte beziehen Sie sich genau,
Frau Vorsitzende?“ Sie muss spezifizieren. Wenn der Gegner Ihnen gegenüber
pampig wird, nehmen Sie stets den Vorsitzenden in Ihr Boot: „Herr Vorsitzender,
ich weiß auch nicht recht, wie wir hier sachlich weiter kommen können.“
■■ Provokative Frage
Sie ist durch Betonung und umformulierte Zusammenfassung (= manipulative Paraphrase)14 geeignet, den Befragten emotionell „anzuheizen“, aus der
Reserve zu locken und ihn durch Überspitzung seiner eigenen Aussagen mit seinen
Widersprüchen und Ungereimtheiten zu konfrontieren. Sie können „notorische“ Schweiger durch diese Frageform überhaupt zu Äußerungen bewegen. Der
Richter wird diese Fragen in ihrer Ur-Form nicht zulassen: „Es war ihnen also in dem
Moment vollkommen gleichgültig, was mit Ihrer Nachbarin geschah?“ Schwächen Sie sie daher ab: „Es war ihnen also in dem Moment gleichgültig, was weiter
passierte?“
■■ Alternativfrage
Sie regen den (eigenen) Zeugen zu einer Entscheidung zwischen zwei Alternativen an, weil eine dritte Möglichkeit Ihnen nicht dient. Aufmerksame Richter
durchschauen das Manöver und lassen diese Eingrenzung nicht zu. In dem Fall
sind Sie auf Präzisionssuggestionen angewiesen. Schüchterne Zeugen werden aus
Angst oder Nervosität auf die offene Frage: „Was haben Sie gehört?“ unvollständig
oder gar nicht antworten, während sie durch die Alternativfrage nur noch aus zwei
Möglichkeiten auswählen müssen: „Haben Sie nur Gemurmel gehört oder auch
■■
14 Vgl. zur Funktion und Indikation der „manipulativen Paraphrase“ das Kapitel „Durchsetzung“.
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III. Einige rhetorische Tipps zur Zeugenvernehmung 149
einzelne Wörter?“ Schwach begabte Zeugen werden aus zwei Möglichkeiten immer
eine wählen, auch wenn eine dritte ihrer Wahrnehmung entspricht. Diese Zeugengruppe benötigt die fragetaktische Flexibilisierung durch dritte Möglichkeiten:
„Haben Sie gar nichts gehört? Oder vielleicht nur Gemurmel? Oder vielleicht sogar
ein ganzes Wort?“
Alternativfragen gehören zu den geschlossenen Fragen (beginnen mit Verb
oder Hilfsverb). Stellen Sie sie zu früh, bringen Sie sich um eine Fülle von Informationen, die selbst neutrale Zeugen nicht geben, wenn Sie es ihnen nicht direkt
ermöglichen.
■■ Zick-Zack-Frage
Sie dient dem Aufdeckung von Widersprüchlichkeiten in der Aussage des Befragten. Sie ist ein kunst- und wirkungsvolles Instrument des geschickten Fragers und
erfordert auch auf dessen Seite erhebliche Konzentration. Der Befragte hat keine
Zeit, sich auf ein Fragethema einzustellen und sich „eine Geschichte zurechtzulegen“. Sie springen von einem Thema zum anderen scheinbar unsystematisch quer
durch den Sachverhalt und erkennen den Wahrheitsgehalt der Aussage daran, dass
die Antworten im Befragungsgegenstand, besonders in dessen Randgeschehen,
homogen bleiben.15
■■ Suggestivfrage
Geschlossene Fragen sind immer suggestiv, da die in ihnen enthaltenen Antwortteile
nur bestätigt („Ja“) oder negiert („Nein“), aber nicht inhaltlich modifiziert werden
können.
Suggestivfragen sind immer geschlossene Fragen. Sie beinhalten Unterstellungen und Vorannahmen, falsche Alternativen oder falsche Voraussetzungen. Sie
finden im folgenden Frage-Beispiel elf Suggestionen:
„Stand (kniete?) er (sie?) bereits länger (3 Sekunden?) hinter (neben?) der Tür (dem
Fenster?), als der Herr Z (Frau Z ?) mit dem Dokument (dem Buch?) in der Hand (in der
Tasche?) den Raum (den Balkon?) durch die halboffene Tür (angelehnte?) betrat (oder
polterte er vielleicht?)“?
Allein das Wort „betrat“ manipuliert den Hörer zu der Annahme, keinesfalls
könnte der Raum durch „poltern“, „rennen“ oder „kriechen“ betreten worden sein.
Und natürlich hat niemand den Hauch einer Ahnung, auf welchen Antwortteil
sich der Zeuge bezieht, wenn er diese Frage mit „Nein“ beantwortet! Der Zeuge selbst
übrigens erst recht nicht!
Die meisten Zeugen können (und sollen!) sich in der angespannten Situation
der Befragung vor Gericht einer Suggestion, besonders einer klug versteckten,
nicht aus eigener Kraft entziehen.
15 Vgl. Bender/Nack/Treuer, S. 231 ff.
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150 Gerichtliche Auftritte – Akquise im Gerichtssaal
Präzisionssuggestion16
Eine oder mehrere Suggestionen in einer offenen Frage zu verwenden, kann
geschickt sein und bleibt oft vom Richter unbemerkt. Die Frage „Welche Interessen
hatte die Clique?“ transportiert ebenfalls eine dreifache Suggestion. Sie suggeriert
–– einen willentlichen und wissentlichen Zusammenschluss mehrerer Personen zu
einer Clique, die dasselbe Ziel verfolgen (Wortwahl „Clique“ legt gemeinsame
Interessen eher nahe als „Gruppe“ oder „ Personen“).
–– Absprachen über gemeinsamer Interessen der Cliquen-Mitglieder.
–– ein Spezialwissen des Befragten (Er könne wissen, welche Interessen das sind).
Mit kleinen Tricks zu einer großen Wirkung – das ist die Botschaft der vielfach
erprobten voran gegangenen Tipps. Test it!
■■
1
Erfolgstipps
– Respektieren Sie aktiv das Territorium des Richters! Er ist Chef und möchte dafür Beweise!
– Lernen Sie den taktischen Umgang mit Prozessinstrumentarien wie § 396 Abs. 1 und 2 ZPO! (entspricht § 69 Abs. 1 und 2 StPO)
– Bereiten Sie Mandanten besonders gut vor! Schweigen ist einstudierte Taktik – nicht Schwäche!
– Zeigen Sie sich anwesender Presse! Studieren Sie kurze Statements ein!
– Beeindrucken Sie Gegner durch besondere Kompetenz. Es sind Ihre nächsten Mandanten!
16 Begriff nach Arntzen.
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Honorarinformation
75 % direkte Akquise 25 % indirekte Akquise
In Akquisegesprächen ist die Honorarinformation die Sollbruchstelle! Selbst wenn
die Präsentation anwaltlicher Leistung gegenüber dem Interessenten noch locker
und überzeugend gelang, reißt die Antwort auf die einfache Frage „Wie teuer ist das
alles?“ im Nu alles ein, was mit mehr oder weniger Mühe aufgebaut wurde.
Bestünde Akquise nur aus der Nutzenargumentation1 anwaltlicher Leistung,
stellte sie für den Anwalt lediglich ein kleineres, rhetorisch lösbares Hindernis dar.
Die Information über das Anwaltshonorar dagegen kommt ihm im Erstgespräch bisweilen vor wie ein unüberwindbares Hindernis.
Dieses Kapitel wird behilflich sein, die Honorarinformation wieder zu dem zu
machen, was sie im besten Fall ist:
–– lockerer und angenehmer Teil des Erstgesprächs,
–– faire Information der Geschäftspartner,
–– Grundlage für ökonomische Sorglosigkeit und
–– unverzichtbarer Pluspunkt im Akquisegespräch.
Dazu ist das Kapitel in folgende Bereiche unterteilt:
I. Anwälte informieren ungern über ihr Honorar
II. Effiziente Honorarinformationen machen Spaß und befördern Akquise
III. Die Zehn Gebote für Rentabilität in Ihrer Kanzlei
I. Anwälte informieren ungern über ihr HonorarI.
„Sie bekommen nicht das, was Sie verdienen, sondern das, was Sie verhandeln“.2 Was für
Kaufleute selbstverständlich ist, löst bei manchen Anwälten Panik aus: Gestandene
Rechtsanwälte erklären sich selbst beim Honorarthema für befangen, fallen in eine
Art vorsorgliches Koma und verweigern dem Mandanten bewusst oder unbewusst die
Vollständigkeit von Informationen. Das tun sie meist wider besseres Wissen.
Niemand von ihnen bestreitet ernsthaft, dass Mandanten einen Anspruch auf
Vollständigkeit von Informationen empfinden – und auch faktisch haben. Logisch
wäre es also, die bevorstehende anwaltliche Dienstleistung in allen Details und
chronologisch geordnet in der Sprache des Mandanten zu erläutern und ebenso akri-
1 Vgl. zur Nutzenargumentation das Kapitel „Durchsetzung“.
2 Scherer.
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152 Honorarinformation
bisch, verbindlich und verständlich die Gegenleistung des Mandanten zu erklären,
die daraus resultiert.
Stattdessen sorgen Entsetzensschreie von Mandanten, die – ohne Vorwarnung –
für einen 18 Zeilen langen Anwaltsbrief € 1.256,– + MWSt. zahlen sollen, jahrelang für
eine höchst effiziente Antiwerbung!
Wie kommt diese merkwürdige anwaltliche Zurückhaltung beim Thema
„Gegenleistung“ zustande? Und vor allem: wie kriegen Sie es in den Griff?
1. Was macht die Information über die Gegenleistung so schwierig?
Anwälte haben eine nicht anfassbare und hoch erklärungsbedürftige Dienstleistung
zu verkaufen. Damit haben sie es nicht so leicht wie ein Klempner, dessen üppige
Wegegeldforderung der Küchenbenutzer gern zahlt, sobald er die reparierte Spüle
wieder benutzen kann!
Viele Anwälte informieren ihre Mandanten unvollständig, ungern, zu spät oder
gar nicht über ihr Honorar und wundern sich anschließend, dass Mandanten unvollständig, ungern, zu spät oder gar nicht zahlen. Nicht jeder Anwalt sehnt sich nach
diesem direkten Spiegel seines eigenen Verhaltens im Alltag.
Diese zehn Gründe sind für die anwaltliche Zurückhaltung3 bei der Honorarinformation verantwortlich:
■■ Anwälte haben das Sprechen über Geld nicht gelernt
Sie sind keine Verkäufer in eigener Sache und fühlen sich nicht als Kaufleute. Es ist
ihnen oft peinlich, lästig und daher häufig unmöglich, die verlangte Gegenleistung
ebenso locker zu benennen wie die be- und versprochene Leistung. Ihre „Lösung“:
Vorauseilendes Einknicken und eine „Verhandlungsbereitschaft“, die sie in ökonomische Schwierigkeiten bringt.
■■ Anwälte glauben, Mandanten zu vergraulen
Klare, verbindliche und unflexible Honorarinformationen sind sowohl für neue als
auch für langjährige Mandanten ein Grund, zum Mitbewerber zu gehen. Sie verkennen, dass erst eine wackelige anwaltliche Performance in der Honorarinformation
den Mandanten zweifeln lässt.
■■ Anwälte sehen Honorarinformationen als Zwang
Diesen dokumentieren sie durch das modale Hilfsverb „müssen“: „Jetzt müssen wir
noch über das Geld reden“, ferner durch Achselzucken, Angstschweiß und speziell
durch Auslassen des Themas. Besonders seit der RVG Novelle am 1.7.2006 sehen sie
die vollkommen neuen Möglichkeiten der eigenen Preisgestaltung bei außergerichtlichen Mandaten als negativ und bedrohlich.
3 Gesammelt in knapp 20 Jahren Anwalts-Seminaren mit dem Titel: „Ohne Moos nix los“ – Training
der Honorarinformation.
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I. Anwälte informieren ungern über ihr Honorar 153
Anwälte haben eigene Informations- und (Selbst-)Erfahrungslücken
Wie viel bin ich wert? Was darf ich überhaupt berechnen? Welcher Stundensatz ist für
mich als Fachanwältin im Arbeitsrecht mit 8-jähriger Erfahrung in Chemnitz angemessen, welcher als „Allrounder“ mit vier Jahren Berufserfahrung in Minden?
■■ Anwälte schwächeln bei Einwänden
Die halbherzige Behandlung von Einwänden, voreiliges Dumping oder die gern als
Akquise-Strategie bezeichnete „Verhandlungsbereitschaft“ signalisieren dem Mandanten Ungutes: „Dieser Anwalt ist schon bei meiner ersten kritischen Bemerkung
nicht standhaft. Wie wird das erst später vor Gericht werden?“ Anwälte rechtfertigen
ihre Strategie oder werden selbst aggressiv oder schweigsam, wenn Zweifel kommen.
■■ Anwälte fühlen ihren Gegen-Wert nicht
Sowohl erfahrene Anwälte als auch Junganwälte können ihren eigenen Stundensatz
nicht überzeugend vertreten, weil sie ihn aufgrund inkongruenter Selbstbilder oder
aufgrund objektiv fehlender Berufserfahrung selbst für zu hoch halten. Vor dieser
Herausforderung stehen junge Anwälte in Großkanzleien besonders häufig, da sie
aus kanzleikulturellen Gründen einen Stundensatz berechnen und fordern müssen,
den sie (noch) nicht fühlen.
■■ Anwälte scheuen Mischkalkulationen
Stundenvergütungen sind in Kombination mit RVG-Abrechnungen erwägenswert,
sobald der Arbeitsaufwand in einem Teil des Mandats nicht abschätzbar ist (Umgangsrecht, Verhandlung mit Betriebsräten etc.). Viele Anwälte (und besonders viele
Anwältinnen!) verschenken ihre objektiv begrenzte Lebenszeit an wildfremde Menschen, indem sie bei niedrigen Gegenstandswerten aufwandsunabhängig abrechnen.
■■ Anwälte bereiten sich nicht ausreichend vor
Dies betrifft vor allem die Vorbereitung auf jede neue Honorarinformation, auf jeden
möglichen Einwand und auf jeden geänderten Honorarmodus, in den sie „geraten“,
wenn sie ihr Rechtsgebiet, ihr Team, ihren Status, ihre betriebswirtschaftlichen Denkgewohnheiten oder ihre Kanzlei gewechselt haben.
■■ Anwälte haben Skrupel bei Gleichgesinnten
„Freunde“ zu vertreten ist auch wegen der Honorarfrage ein heikles Geschäft: Der
Familienrechtler vertritt private Bekannte, der Strafverteidiger verteidigt politische
Freunde und der Arbeitsrechtler begleitet seinen Tennispartner. Doch Vorsicht: Honorarverzicht und Honorarreduktion sind blutsverwandt mit Haftungsfragen und Kanzlei-Image.
■■ Anwälte reden nicht über Geld, weil sie es haben
Um dieses Problem werden deren Inhaber ernsthaft beneidet. Diese kommen häufig
aus traditionellen Anwaltsfamilien, deren Mandanten dem „Anwaltshaus“ seit vielen
Jahren treu verbunden waren, jeden Preis zahlten, „Handschlagverträge“ machten
und nun anfangen, „entgegen kaufmännischer Übung“ zu feilschen oder gar zum
Mitbewerber zu gehen.
■■
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154 Honorarinformation
2. Rechtliche Untiefen machen diese Gewässer gefährlich
„Kentern ohne Schwimmweste“ ist häufig das Schicksal von Anwälten, die lückenhafte Vergütungsvereinbarungen schließen.
Rettungsversuche sind besonders aussichtslos, wenn Auseinandersetzungen
über das Honorar vor Gericht landen. Richter entwickeln, sobald sie mit anwaltlichen Honorarprozessen befasst sind, neben der üblichen analytischen Gegenströmung auch noch den Sozialneid; sie vermuten anwaltliche Honorare abzugslos auf
dem Anwaltskonto.4 Grund genug, diese Gewässer zu meiden und unverzüglich mit
dem Mandanten außergerichtliche Vereinbarungen zu treffen. „Die rechtswirksame Gestaltung von Vergütungs- oder Gebührenvereinbarungen ist nicht einfach“,
warnt Rechtsanwalt Herbert Schons,5 ein seit Jahren ausgewiesener Kenner des
anwaltlichen Gebührendschungels.
Anwälte müssen nach § 49b Abs. 5 BRAO und § 34 RVG unaufgefordert vor Mandatsübernahme über die Höhe ihres Honorars bzw. den Honorarmodus informieren.
Schadensersatzansprüche des Mandanten6 sind die Höchststrafe für den Anwalt,
der das unterlässt. Informieren Sie sich unbedingt bei Fachleuten!
Doch auch der Umgang mit Stundensätzen ist filigran genug. Inzwischen gibt
es auch in Deutschland Unternehmen, die auf die Prüfung von Anwaltsrechnungen
spezialisiert sind. Gewaltige Imageschäden und Umsatzeinbußen für die Kanzlei
sind die Folge, wenn eine Anwaltsrechnung im Nachhinein durch Externe korrigiert
wird. „Legalbill“ prüft weltweit 5.000 Anwalts-Rechnungen pro Tag und reduziert
nach eigenen Angaben im Schnitt die Rechnungsbeträge „um 10 % bis 12 %“.7 Von
diesem Prozentsatz sind dann bereits die 3,5 % Provision abgezogen, die „Legalbill“
vom Volumen der überprüften Rechnungen erhält. Dass es zu überhöhten Rechnungen komme, habe „vor allem mit dem gestiegenen Budgetdruck der Anwälte und den
internen Vorgaben bei den abgerechneten Stunden zu tun“ vermutet der Geschäftsfüh-
4 In seinem Urt. v. 12.1.2011 - 4 U 3/08 - hat sich das OLG Frankfurt die Mühe gemacht, die Anwaltsrechnung eines Strafverteidigers bis ins Detail zu sezieren. In dem Urteil prüfte es jeden Posten auf
seine Angemessenheit. Nachdem es Dutzende gestrichen hatte, kam das OLG zu dem Ergebnis, dass
Anwaltsstundensätze zwischen € 300,– - € 500,– gerechtfertigt sein können. Allerdings nur, wenn
eine transparente Vereinbarung vorgelegen hat und der Mandant hinreichend über die Kostenrisiken
aufgeklärt war; vgl. auch Stachow, „Anwälte sind auch nur Menschen”, Financial Times v. 31.1.2012.
5 Herbert Schons ist Rechtsanwalt in Duisburg sowie Autor und Co-Autor zahlreicher Publikationen
über die rechtssichere Nutzung des RVG. Er ist Vorsitzender der Gebührentagung der RAK Düsseldorf
sowie der Gebührenreferententagung der BRAK. Dieses Zitat stammt aus seiner Einleitungsrede in
den „Kohle-Teil“ des Anwältinnen-Kongresses „KKK-Karriere, Kohle, Kompetenz®“ am 25.8.2011 in
Chemnitz.
6 OLG Hamm AnwBl 2/2010, S. 143 ff zeigt eindrucksvoll, welche Verluste Anwälte riskieren, sobald
sie diesen Hinweis unterlassen.
7 Das verspricht Götz Otto, Managing Partner Legalbill Europe GmbH, Creutz, Handelsblatt v.
12.12.2008, „Worauf Mandanten bei den Anwaltshonoraren achten sollten“.
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I. Anwälte informieren ungern über ihr Honorar 155
rer von Legalbill weiter. In Deutschland arbeiten zum Beispiel die Lufthansa und Heidelberg Cement mit „Legalbill“ zusammen.
3. Die rhetorische Apokalypse: „Wir müssen jetzt noch über das Geld reden“
Sollte das Thema Geld doch im Erstgespräch mit dem Mandanten zur Sprache
kommen, hat diese Sprache Haken und Ösen. Sie dokumentiert, wie unliebsam
dieses Thema für den Sprecher ist: „Wir müssen jetzt noch über das Geld reden“.
Dieser Satz ist ein Lehrbuchbeispiel für Abwehr und Verwässerung und verrät die
Achillesferse des sonst so erfolgreichen Kriegers.
Das Wort „wir“, das Anwälten sonst so schwer über die Lippen kommt, ist bei der
Einleitung der Honorarinformation fehl am Platz. Auch in anderen eingleisigen8 Kommunikationssituationen wirkt das Wort „wir“ jovial, beschönigend und arrogant.
Es suggeriert eine Gleichrangigkeit der Gesprächspartner und erinnert fatal an die
ärztliche Nachfrage bei Krankenhausaufenthalten „Wie haben wir denn geschlafen?“
Das modale Hilfsverb „müssen“ signalisiert Zwang, Unwillen und Beklommenheit und löst beim Mandanten das Gefühl aus, Sie stünden nicht zu ihrem Wert und
misstrauten daher ihrem Gegenwert. „Jetzt noch“ transportiert den Subtext „auch
das noch“ und wirkt wie eine mühsam ertragene Last. Das ganze schließt ab mit einer
Lüge: Schließlich wollen Sie doch nicht wirklich „über Geld reden“, sondern es auf
dem Konto sehen, oder?
4. Anwälte negieren ihre eigene Verantwortung
Doch auch innere Faktoren machen den Umgang mit der Honorarinformation kompliziert. Wenn Mandanten unwillig auf Honorarforderungen der Anwälte reagieren
oder Anwälte aus anderen Gründen keine höheren Honorare durchsetzen können,
externalisieren sie gern ihre eigene Verantwortung: Sie begründen eigene Unzulänglichkeiten bei der Honorarinformation wortreich:
–– mit der Konjunktur („Man muss heutzutage nehmen, was man kriegt“),
–– mit der Geografie („In dieser strukturschwachen Region kann man hohe Honorare nicht durchsetzen“),
8 „Eingleisige Kommunikation“ = keine Möglichkeit der Debatte durch den anderen. Der Sprecher
ist Bestimmer in einer informellen oder formellen Hierarchie und vermittelt eine Botschaft, an der
der andere nicht vorbeikommt. In solchen Fällen ist das einzig kongruente Personalpronomen „Ich“!
Als jovial und arrogant kommt es immer an, wenn der Inhaber einer solchen Hierarchie sie zu verschleiern versucht: „Wir sollten vielleicht überlegen,…“, obwohl es schon entschieden ist oder: 
„Uns ist wichtig,...“, obwohl er „Mir ist wichtig“ meint etc.
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156 Honorarinformation
–– mit der Mandantenstruktur („Zu uns kommen so viele PKH Mandanten“),
–– mit der ökonomischen Situation des Mandanten („Meine Mandantin weiß nicht
mal, ob sie nach der Scheidung ihre Wohnung halten kann“),
–– mit dem Rechtsgebiet („Im Arbeitsrecht sind Mischkalkulationen unüblich“),
–– mit eigenen Gewohnheiten („Das machen wir hier immer so“),
–– mit der Furcht vor drohenden Imageverlusten („Ich will ja nicht als Geldschneider da stehen“),
–– mit fehlenden Verhandlungsressourcen („Wir haben das nicht gelernt“) oder
sogar
–– mit dem Geschlecht („Das wird mir als Frau nicht zugestanden.“).
Was immer als Argument herhalten muss für die unzureichende Gestaltung der Honorarinformation, dem Mandanten nützt es nie und Ihnen schadet es. Sie gefährden
unmittelbar Ihr Kanzlei-Image!
5. Anwälte beschädigen ihr eigenes Image
Für den Mandanten „bleibt das Angebot der Kanzleien extrem undurchsichtig“:9 Der
Mandant ist nicht nur dadurch schwer irritiert, dass ihm Informationen vorenthalten werden. Anwaltliche Dienstleistungen kann er weder vor ihrem Einsatz testen,
zurückgeben oder bei Nicht-Gefallen reklamieren, noch kann er als Laie bewerten
ob und in welcher Höhe eine Honorarforderung berechtigt ist. Das macht den Mandanten zu einem besonders kritischen Geist.
5
Beispiel
Mandant: „Was? So teuer?“
Anwalt: „Wir können auch gern etwas niedriger ansetzen. Ist ja das erste Mandat.“
Der Anwalt entkoppelt hier die Kausalität zwischen seiner Leistung und der dazu
gehörigen Gegenleistung: Er senkt sein Honorar, während er seine Leistung beibehält
und produziert dadurch völlig selbsttätig jene Honorarsenkung, die angeblich „durch
die Umstände erzwungen“ wird. Der Anwalt vermittelt dadurch
–– den Eindruck unzureichender Kompetenz („Der kann das nicht wirklich“),
–– ein inkongruentes Selbstbild („Der ist sich seiner Rolle selbst nicht sicher“),
–– eine mangelhafte Ich-Stärke („Der knickt vor Gericht bestimmt auch ein!“) und
–– die sofortige Korrektur der durchschnittlichen Umsätze pro Mandat nach unten!
9 Laut Markus Hartung, Direktor des „Bucerius Center on the Legal Profession“, Bucerius Law
School Hamburg, könnten Mandanten zwar „die Stundensätze der einzelnen Kanzleien miteinander
vergleichen, nicht aber die Qualität oder den Nutzen der Leistung“; s. auch Stachow, „Anwälte sind
auch nur Menschen”, Financial Times v. 31.1.2012.
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I. Anwälte informieren ungern über ihr Honorar 157
Honorarnachlässe bringen nachweislich akquisitorische Vorteile, solange sie proaktiv entschieden und nur in Ausnahmefällen begründet gewährt werden. Das
„Einknicken“ aus Not jedoch bringt allerhöchstens weitere Mandanten dazu, diesen
Nachlass ebenfalls zu fordern. Der Anwalt wird sich über sich selbst ärgern und
sich durch sein Imageproblem zu weiteren Defensivaktionen hinreißen lassen!
Der Anwalt drückt also durch seine „Verhandlungsbereitschaft“ ohne objektive
Not sein eigenes Honorar, positioniert sich dadurch selbst am Markt als Billigheimer und begeht ökonomischen Selbstmord auf Raten! Das sieht so aus:
Honorarforderung
An dieser Stelle
greift bereits
die Prophylaxe:
Spätestens an
Einwände werden
Protest
dieser Stelle unter-
von vornherein
brechen trainierte
minimiert!
Anwälte die fatale
Honorarnachlass
Image als Einknicker
Entwicklung!
Selbstbild beschädigt
Weitere Mandanten fordern
Weitere 
weiteren Nachlass
Honorarreduktion
Image als „Billigheimer“
Mandantenstruktur
„Billigmandate“
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158 Honorarinformation
II. Effiziente Honorarinformationen machen Spaß und
befördern die AkquiseII.
Imagefragen sind stets eng an das Geld geknüpft. Der Mandant wird zu einem grandiosen Multiplikator anwaltlicher Leistung, wenn die anwaltliche Information über
die Gegenleistung kongruent, sachdienlich und verbindlich ankommt.
Perfekte Multiplikatoren sind auch Nicht-Mandanten, die nach dem Besuch
beim Anwalt in ihrer Umgebung weiter tragen: „Der Anwalt ist mir zu teuer“. Solche
Aussagen helfen der Kanzlei, eine zuvor geplante Mandantenstruktur einzurichten. Beachten Sie allerdings immer: Jeder Mandant, der nach eigener Aussage „des
Preises wegen“ bei Ihnen nicht anheuert, muss durch Sie einen anderen Anwalt
genannt bekommen, der ihm hilft: Kein Nein ohne Lösung! Das Image des hilfsbereiten Anwalts ist Ihnen dadurch sicher.
Selbst wenn es nicht zu Vertragsschlüssen mit dem Interessenten kommt; Ihre
Hilfsbereitschaft trägt er immer weiter („Dann hat er mir den Anwalt X empfohlen“),
übrigens häufig kombiniert mit dem Subtext: Rechtsanwalt Y ist sich seiner Kompetenz so sicher, dass er nicht jedes Mandat annehmen muss.
1. Marktimage durch Preisgestaltung
Dieses Wissen führt zu einem Marktimage durch besondere Preisgestaltung, denn
„Rechtsanwälte ... werden noch mehr als bisher die Führung der Kanzlei an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen orientieren und den Wert ihrer Dienstleistung neu einordnen bzw. mit innovativen Angebotsstrukturen verbinden müssen... Vor diesem Hintergrund wird es dann vom unternehmerischen Geschick der Rechtsanwälte abhängen, ob
es ihnen gelingt, ihr Fachwissen und ihre ganz speziellen Dienstleistungen ertragreich
zu vermarkten.“10
Das Marktimage ist positiv beeinflussbar durch eine offensive Preispolitik und
deren Kommunikation nach außen:
a) Unterschiedlicher Modus
Der Anwalt der Einzelkanzlei wird eine andere Preispolitik vertreten als der Anwalt
in der hoch spezialisierten mittelständischen Kanzlei, der in der Kleinstadt („Wir sind
für Sie da“) eine andere bevorzugen als der in der Großstadt („Wir sind Spezialisten“)
und der im Sozialrecht wird einen anderen Honorarmodus verwenden als der im
Gesellschaftsrecht. Lange Debatten eines Anwalts darüber, welcher Mandant durch
10 http://www.anwalt.de/rechtsanwalt.php, „Ökonomischer Druck und wachsende Konkurrenz
unter Rechtsanwälten“.
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II. Effiziente Honorarinformationen machen Spaß und befördern die Akquise 159
welchen Modus zu beglücken sei und ob der Mandant „das zahlen wird“, deutet nach
Ansicht von Prof. Dr. Benno Heussen darauf hin, dass der Anwalt „noch nicht genügend Gedanken in die richtige Mandatsstruktur investiert hat“.11
b) Unterschiedliche Marketingstrategien
Manche von ihnen promoten ihre Stundensätze unveränderbar auf ihrer Webseite
und regulieren bereits dadurch ihre Mandantenstruktur. Andere renommieren durch
zügige und exklusive Bearbeitung in Verbindung mit Vorschüssen (oft im Strafrecht
erfolgreich), wieder andere machen „Kasse durch Masse“ („Anlegerkanzleien“) und
optimieren dafür die Durchlaufzeiten der immer gleichen Vorgänge. Kanzleien mit
einem hohen Schuldneranteil erschaffen ein innovatives Problemlöser-Image
durch ein von trainierten Assistentinnen am Telefon eingerichtetes „Ratenzahlungssystem“, das sie mit den Schuldnern abstimmen. Großkanzleien verkaufen ihren
Stundensatz schon durch kulturelle und unausgesprochene Fakten: „Wer zu uns
kommt, weiß, womit er zu rechnen hat.“ In den TOP 20 deutscher Großkanzleien
sind die Honorare zwischen 2009 und 2010 um rund fünf Prozent gesunken, der
Umsatz um 4 %,12 so dass auch dort über „Dumping“-Szenarien (hauptsächlich für
Einstiegsmandate) nachgedacht wird.
–– Wer Familienrecht in der Großstadt macht, hat – auch durch sozial gemischte
Bewohnerstrukturen – die Möglichkeit, dort Honorarvereinbarungen außerhalb
des RVG zu schließen, während Anwälte in kleineren Städten eine solche Vereinbarung eher für kaum durchsetzbar halten.
–– Viele Anwälte bieten sehr geschickt gestaffelte Honorare: niedriger, wenn sie
bestimmte Sprungbrettmandate anlocken möchten (z. B. neues Rechtsgebiet,
durch das sie ihr Portfolio erweitern wollen, in dem sie gerade den Fachanwaltstitel anstreben oder durch das sie ihr aktuelles Rechtsgebiet sinnvoll ergänzen)
und höher, wenn es das Kerngeschäft betrifft. Um Sprungbrettmandate zu erhalten, nehmen sie auch Mandate mit sehr geringem Gegenstandswert an.
–– Auch um „sich zu trainieren“ in einem noch nicht von Sachkompetenz völlig durchdrungenen Rechtsgebiet, werden Mandate mit geringem Volumen akzeptiert.
–– Manche Mandanten bieten den Zugang zu neuartigen Vernetzungsmöglichkeiten
und erhalten offensiv angebotene Einstiegskonditionen zugleich mit der Erwähnung, dass bei der nächsten Beratung der Preis um die Summe X steigen wird.
11 Heussen, S. 175 mit weiteren alltagstauglichen Ausführungen.
12 Vgl. Tödtmann/Lichter, Wirtschaftswoche v. 24.8.2011, „Honorare für Top-Anwälte schrumpfen“,
„Damals lagen die Stundenhonorare für Partner im Schnitt bei € 428,–, für angestellte Anwälte bei
€ 288,–. Entsprechend ist auch der Gesamtumsatz der Top-50-Kanzleien zwischen 2009 und 2010 um
4% gesunken – von € 3,61 auf € 3,49 Milliarden“. http://www.wiwo.de/unternehmen/wirtschaftskanzleien-honorare-fuer-top-anwaelte-schrumpfen/5320966.html.
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160 Honorarinformation
Alle erfolgreichen Honorarstrategien werden bewusst und pro-aktiv entschieden
(keine durch Einwände oder andere „Not“!) und alle basieren auf der Erkenntnis von
Moshé Feldenkrais.13
1
Tipp
„Nur wenn du weißt, was du tust, kannst du tun, was du willst.“
2. Was Sie im Kopf haben, können Sie auch im Leben haben
Erfolg beginnt zwischen den Ohren des Anwalts; dort ist sein wichtigstes Geschäftsfeld! Dort entscheidet er allerdings auch seine Niederlagen: Wenn er mehrfach
erfolglos ein bestimmtes Verhalten an den Tag legt und dieses Verhalten wiederholt,
ist es schon so weit!
Wenn er Duldung, Inkongruenz und Methodenmangel trotz schlechten Gefühls und schlechter Ergebnisse unverändert aufrechterhält, beschert er nicht nur
sich sondern auch unbeteiligten „Dritten“ empfindliche Niederlagen. Daraus folgt:
Wer sich steuert, kann auch andere steuern!14
Wenn Sie selbst jemals unzufrieden mit den Ergebnissen Ihrer Honorarinformation waren, überprüfen Sie bitte folgende Punkte:
a) Ihre Wirkung auf den Mandanten
Wer fürchtet, sendet Furcht aus. Der Mandant merkt Ihre Inkongruenz und beginnt
mit Einwänden, die absolut nichts mit der Höhe des Honorars zu tun haben. Die
Schlüssigkeit Ihrer eigenen Präsentation zeigt, wie Sie zu Ihrer Leistung stehen.
Merkt der Mandant Ihnen Freude an, ihn über seine Gegenleistung zu informieren?
Testen Sie sich kritisch! Ist Ihre Honorarinformation stets eingleisig (ich verhandle
nicht; ich informiere), selbstverständlich, freundlich, kurz und verbindlich und
vermeidet jede Einladung zu Dialogen? Falls das nicht der Fall ist, lernen Sie Einstiegsformulierung, Schlussfrage und Einwandbehandlungssätze unbedingt
auswendig und halten sie während der Präsentation unbedingt den Blickkontakt und
das freundliche Lächeln. Die Mandantenreaktion ist nicht abhängig von der Summe,
die Sie nennen, sondern von der Art, wie Sie (ver-)handeln. Besteht ein Vertrauensverhältnis, wäre sogar auf beiden Seiten des Verhandlungstisches noch Spielraum.
13 Moshé Feldenkrais, Begründer der „Feldenkrais Methode“ = Entspannung durch den Zusammenhang von äußerer Bewegung und mentaler Kraft.
14 Siehe auch das Kapitel „Yes, I can“.
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II. Effiziente Honorarinformationen machen Spaß und befördern die Akquise 161
b) Ihre Einstellung zu Ihrem Selbstwert
„If you‘re good at something, never do it for free.“15 Sind Sie es Ihrer Meinung nach
Wert, genau dieses Geld für Ihre Leistung zu bekommen oder nicht? Macht es Ihnen
Spaß, Geld zu verdienen (oder nur zu bekommen)? Sehen Sie sich als Unternehmer mit hoher Verantwortung für Ihre Mitarbeiter? Verdienen Sie Ihrer Ansicht
nach, was Sie fordern?
Lösung: Falls nicht, listen Sie auf, welche Gründe Sie akzeptieren würden für
eine solche Summe, was Sie selbst zu bieten haben, um Problemlöser zu sein und
vor allem, wodurch Sie in Ihren eigenen Anwalt Vertrauen entwickeln würden.
c) Ihr Selbst-Belohnungssystem
Freuen Sie sich, wenn Sie erstmals eine Mischkalkulation, erstmals einen Stundensatz oder erstmals eine Nachverhandlung geschafft haben. Honorieren Sie eigene
kleine Erfolge unbedingt groß! Vergrößern Sie Ihre Freude über eigene Erfolge
und verkleinern Sie unbedingt Ihre Ziele! Durch beides nähern Sie sich Schritt für
Schritt einer effizienten Preis-Politik.
„Geld muss aus dem Fenster raus, damit es zur Tür wieder reinkommt!“16 Feiern
Sie es, wenn Sie sich erstmals nach einem Einwand nicht in eine Defensive begeben
haben, sondern durch auswendig gelernte Gegenfragen Chef im Ring geblieben sind.
Feiern Sie Ihre erste Vergütung auf Stundensatzbasis (wenn Sie sonst nur nach RVG
abgerechnet haben) oder Ihren ersten Geldeingang eines Geschäftsmandanten (wenn
Sie sonst nur Privatmandanten haben) oder Ihre erste Rechnung über € 5.000,–
(wenn Sie sonst nur welche unter € 4.000,– hatten) durch etwas, das Sie sich sonst
nicht leisten: Verschenken Sie Zeit und Geld an sich und andere! Laden Sie mitten
in der Woche Ihre Mitarbeiter ins Kino ein – sie haben einen großen Anteil an Ihrem
Erfolg!
Gehen Sie barfuß über Gras und sprechen Sie Ihre Zielsätze stets vor sich hin –
und erlauben Sie sich das breiteste Grinsen, das Sie je hatten, während Sie B-Aufgaben – ungewohnt cool – mal kurz links liegen lassen...
d) Ihre Preisfindung
Anwaltshonorare sollen betriebswirtschaftlich ermittelt werden! Sie haben ein
Unternehmen zu führen und alle Arbeitsplätze Ihrer Mitarbeiter zu sichern. So
hat die Preisgestaltung weniger mit Ihnen persönlich und Ihren Befindlichkeiten zu
15 „The Joker“ (Heath Ledger) in dem Film „The Dark Knight“ (2008) während einer HonorarVerhandlung mit anderen Schurken.
16 Karl Lagerfeld in der Talkshow „Markus Lanz“ v.19.4.2012, er unterweist die Zuschauer auch in
Sachen Disziplin, Zielbewusstheit und persönlicher Kongruenz.
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162 Honorarinformation
tun, sondern mit einer selbst gewählten Rolle,17 von der andere abhängig sind. (Gilt
selbstverständlich auch, wenn Sie keine Mitarbeiter haben! Dann sind immerhin Ihre
Kinder von Ihrem Verhalten abhängig!) Preisfindung bedeutet auch, die Angemessenheit des Preises zu ermitteln. Auch das hat mit Ihrem Gefühl wenig zu tun. Befindet sich Ihr Preis in einem angemessenen Segment? Bestimmen Sie ihn abhängig
von Ihrer Erfahrung, Ihren Titeln, Ihrem Ort, Ihrem Rechtsgebiet, Ihren Sprachenkenntnissen etc. Und: Schöpfen Sie das RVG aus! 80 % der Anwälte tun das nach
einer Schätzung von Gebührenspezialisten nicht.
1
Tipp
Der „Weg des geringsten Widerstandes“ führt bei der Honorarinformation nur kurzfristig zu eigenem
Wohlbefinden. Das ökonomische Wunschergebnis sollte Sie langfristig leiten. Überwinden Sie sich
und kämpfen Sie dafür. Es wird schnell einfacher!
3. Wie sag ich’s bloß meinem Mandanten?
Die Honorarinformation ist fester Bestandteil des Erstgesprächs. Manche Anwälte
erwähnen ihr Honorar bereits am Telefon und sortieren so bestimmte Mandantengruppen aus.
In manchen Kanzleien erledigt das die Assistentin. Sie muss – wie der Anwalt
– dabei vollkommen verbindlich und freundlich klingen und auf diese Gespräche
trainiert sein. Sie muss eine Alternative anbieten und auf eine vertrauensvolle
Kooperation mit dem empfohlenen Anwalt verweisen können. Die Arbeit dieses
Kooperations-Anwalts wird stets auf Ihr eigenes Renommee zurück fallen. Deshalb
müssen Sie dem Kollegen vertrauen. Holen Sie ständig Feedback ein.
a) Der Anwalt leitet die Honorarinformation ein
Die beste Einleitung in die Honorarinformation durch den Anwalt ist eine elegante
und äußerst erfolgreiche Alternative zu dem hingewurschtelten Katastrophensatz „Jetzt müssen wir auch noch über’s Geld reden“.
Er besteht ebenfalls aus einem einzigen Satz. Er ist eingleisig (kein Dialog!) und
suggeriert, dass Sie gern über Ihre Leistung und genauso gern über die Gegenleistung
sprechen, ohne das eine oder andere zu verhandeln! Er zwingt den Mandanten zu
Aufmerksamkeit. Hunderte von Anwälten haben ihn erfolgreich getestet und berichten von plötzlicher gefühlter und transportierter Leichtigkeit bei diesem Thema,
auch wenn sie zuvor eher zögerlich oder gar furchtsam waren. Test it!
17 Vgl. das Kapitel „Yes, I can“.
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II. Effiziente Honorarinformationen machen Spaß und befördern die Akquise 163
Tipp
„Und nun würde ich Sie gern, wenn Sie einverstanden sind, Frau Berger, über die Kosten informieren,
die auf Sie zukommen könnten“.
Warten Sie unbedingt, bis der Mandant zustimmt und halten Sie so lange den
Blickkontakt. Erst nach seiner Zustimmung reden Sie weiter. Wer kann da schon
nein sagen? Dieser Satz gehört in das Erstgespräch wie die weißen Tasten zum
Klavier.
Das Wort „Kosten“ ist bewusst gewählt, denn das anwaltliche Honorar ist nur ein
Teil davon. „Wenn Sie einverstanden sind“ suggeriert dem Mandanten Wahlmöglichkeiten, und mit „Nein, das interessiert mich nicht“ antworten nur manche angestellte
Anwälte von Rechtsabteilungen, Rechtsschutzversicherte und PKH-Mandanten sowie
einige besonders reiche Mandanten (obwohl gerade die letzte Gruppe auch als besonders geizig geschildert wird).
Der Mandant wird immer, wenn es wichtig wird, mit seinem Namen angesprochen, und das Wort „informieren“ minimiert durch seine Eingleisigkeit Debatten
und Einwände.
Präsentieren Sie diesen Satz in jedem Erstgespräch, nachdem Sie die bisherige
Sachverhaltsermittlung und Mandantenziele in kurzen Punkten18 paraphrasiert haben. Dadurch schließen Sie vor dem neuen Thema den Sachverhalt ab und
wirken sehr strukturiert – auch auf sich selbst.
b) Der Mandant leitet die Honorarinformation ein
Was ist, wenn der Mandant das Honorargespräch einleitet? Er sagt manchmal schon
am Telefon: „Ich will mich scheiden lassen. Wie teuer ist das bei Ihnen?“ Anwälte
empfinden solche Verkürzungen von Kausalitäten als unverschämt, lästig oder
niveaulos. Dabei ist diese Frage aus der Sicht des Mandanten völlig berechtigt. Sie
strahlen ihn also an und antworten mit einem Lob:
„Gut, dass Sie das Thema Honorar gleich ansprechen. Das gibt mir die Gelegenheit,
–– Sie über die Kosten zu informieren, die auf Sie zu kommen könnten“ (alle Mandanten);
–– Sie über die Honorarstruktur unseres Hauses zu informieren“ (größere Kanzleien);
–– Ihnen zu sagen, wie wir das hier mit dem Bezahlen machen.“ (Privatmandanten).
18 Zur Strukturierung komplexer Botschaften durch das Brecht’sche Theater s. das Kapitel „Durchsetzung“.
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1
164 Honorarinformation
„Matchen“19 Sie dabei das Sprachniveau des Mandanten, Üblichkeiten Ihres Rechtsgebiets und die eigene Rolle.20 Bitte beachten Sie, dass Ihre Empfangsassistentin
diese Frage nach den Kosten oft hört. Weisen Sie sie an, wie sie wörtlich zu reagieren
hat.21
c) Die Honorarinformation gehört in das Erstgespräch
Sie sind nach § 49 b V BRAO und § 34 RVG ohnehin gezwungen, über Ihre Gebühren
vor Mandatsannahme zu informieren. An welcher Stelle des Erstgesprächs Sie das
tun, hängt von den Prioritäten des Mandanten ebenso ab wie von Ihrer Entscheidung,
seine Gegenleistung erst nach Ihrer Leistung zu erklären.
Im letzten Fall fällt es vielen Anwälten leichter, mit der Honorarinformation
„heraus zu rücken“, da bereits Kompetenz gezeigt und Vertrauen aufgebaut
werden konnte. Die Zeit vor der Erwähnung der Gebühren wird überwiegend als Investition gesehen, die dazu führt, dass der Mandant „kauft“.
Anwälte wenden häufig ein, Mandanten würden „Wissen abgraben und dann
ohne zu zahlen abhauen“. Diese Haltung widerlegen dieselben Anwälte häufig kurze
Zeit später selbst: „Dann war es auch nicht der richtige Mandant für uns“.
Sprechen Sie auch dann über das Honorar, wenn Sie noch keine seriösen Schätzungen der Schlusssumme oder Ihres Aufwandes abgeben können. Erläutern Sie
dem Mandanten sehr genau, wovon Ihre realistische Schätzung abhängt.
Vielleicht nennen Sie einen Beispielsfall, vielleicht nennen Sie eine Marge,
innerhalb derer sich die Schlusssumme aufhält, vielleicht schlüsseln Sie die erwarteten Kosten möglichst genau auf. Gerichtskostenvorschuss, Anwaltsgebühren, Vorschussregelung, Stundensatz, in welchem Fall der Gegner was zahlt, wie es bei außergerichtlichen Einigungen aussieht und wie bei gerichtlichen Vergleichen. Bei großen
Mandaten teilen Sie mit, wer welchen Teil des Falles bearbeitet, in welchen Bereichen
Mitarbeiter eingesetzt werden, in welchen Fällen und unter welchen Bedingungen
Pauschalen möglich sind, in welchen dagegen nicht etc.
Denken Sie daran, mögliche Vergleichsgebühren vor Gericht rechtzeitig zu
erwähnen und vermeiden Sie um jeden Preis Dezimal- oder Bruchrechnungsruinen („Da wird dann eine 0,3 Gebühr fällig“). Nicht-Juristen haben keine Ahnung,
wovon Sie sprechen.
19 Vgl. zu „Matching“ auch das Kapitel „Durchsetzung“.
20 Vgl. das Kapitel „Yes, I can“.
21 Tipp im Kapitel „Assistentin“.
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II. Effiziente Honorarinformationen machen Spaß und befördern die Akquise 165
d) Leiten Sie Ihre Honorarinformation durch einen Usus22 ein
Über das Honorar und andere Mandats-Kosten wird im Erstgespräch informiert und
nicht verhandelt! Geld ist ein sensibler Bereich und enger an Emotionen gekoppelt
als viele andere Alltäglichkeiten. Falls Sie selbst beim Thema „Geld“ humpeln, gibt
es eine Krücke, die Ihnen wieder den schmerzlosen und aufrechten Gang ermöglicht.
Erwähnen Sie als Vehikel für die Einleitung des Honorarthemas einen „Usus“.
Durch die folgenden vier Beispiele dokumentieren Sie, dass Ihre Leistung invariabel ist und demzufolge die Gegenleistung des Mandanten auch. Sie setzen die
Diskussionsbereitschaft des Mandanten herab, indem Sie Gewohnheiten bezeichnen, deren Flexibilisierung dem Mandanten unwahrscheinlich scheint. Es ist vermutlich unnötig zu erwähnen, dass Sie sich ebenfalls bedeutend sicherer fühlen
werden.
aa) Usus Rechtsgebiet
„Frau Berger, im Arbeitsrecht ist eine Mischkalkulation üblich. Das bedeutet: Alle
Teile Ihres Mandats, deren Arbeitsaufwand für mich überschaubar ist, rechne ich nach
dem RVG ab, und überall dort, wo wir beide den Aufwand nicht schätzen können, z. B.
bei der Verhandlung mit Ihrem Betriebsrat, berechne ich einen Stundensatz, und der
beträgt bei mir € 180,– pro Stunde. Dazu kommt dann nur noch die Mehrwertsteuer.“
Tipp
Die Abkürzung RVG ist unverständlich für 90 % der Mandanten, wird also erläutert.
1
Achtung
Bitte beachten Sie Vorschriften des RVG zur Wirksamkeit von Vergütungsvereinbarungen bei der Vereinbarung von Mischkalkulationen! Insbesondere gehört in jede Vergütungsvereinbarung der Satz,
dass bei gerichtlicher Tätigkeit die gesetzlichen Gebühren nach dem RVG als Mindestvergütung
geschuldet werden, unabhängig davon, was man ansonsten vereinbart hat. Machen Sie auch ggf.
deutlich, ob ein Honorar nach Zeitaufwand auf die gesetzliche Vergütung insbesondere im Gerichtsverfahren angerechnet werden soll oder nicht.
3
bb) Usus Kanzlei
„Frau Berger, in unserer Kanzlei berechnen wir immer einen Vorschuss von € 250,–.
Den zahlen alle unsere Mandanten (Perspektivwechsel!) vor Beginn unserer Tätigkeit, damit wir sofort loslegen können (Nutzen). Dieser Betrag wird von der späteren
Schlusssumme abgezogen.“
22 Alle Empfehlungen in dem Abschnitt „Honorarinformation“ sind rein rhetorische Empfehlungen.
Die Autorin hat nicht die Kompetenz, erschöpfend auf Gefahren hinsichtlich der Wirksamkeit von
Vergütungsvereinbarungen hinzuweisen.
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166 Honorarinformation
cc) Usus Mandant
„Frau Berger, bei allen neuen Mandanten (Perspektivwechsel!) berechnen wir einen
Vorschuss. Der beträgt immer 10 % des erwarteten Gesamthonorars – in Ihrem Fall
also x Euro - und wird später natürlich von der Schusssumme abgezogen.“
dd) Usus Person
„Frau Berger, Sie kennen mich jetzt schon vier Jahre. Wir haben Ihre bisherigen drei Fälle
nach dem RVG abgerechnet, seit dem 1. Februar habe ich mich entschieden, nur noch
nach Stundensatz abzurechnen. Der beträgt bei mir für alle Mandanten € 180,– + MWSt.“
1
Best Practice
Seit ich meine Honorare als Information betrachte und nicht mehr als „Verhandlung“, läuft es fast wie
von selbst. Ich beginne mit unserer Gewohnheit, von der kein neuer Mandant abweichen kann. Das
macht Eindruck.
Offensichtlich werde ich gesehen wie jemand, die hinter ihrer Leistung steht. Nur selten kommen
Einwände. Und wenn, stelle ich Fragen: „Auf welchen Teil meiner Leistung möchten Sie verzichten?“
ist meine absolute Lieblingsfrage. Alle Mandanten antworten: „Auf keinen natürlich“. Ich lache dann
und sage: „Sehen Sie, die Leistung ist unteilbar, die Gegenleistung auch. Möchten Sie es sich lieber
noch mal überlegen?“ Wenn ich das selbst anbiete, bleiben alle da!
Mir macht die Honorarinformation inzwischen Spaß; früher fürchtete ich sie. Ich habe auch nach
einer Kanzleientscheidung die erhöhten Stundensätze locker mitteilen können. Ich begründe es mit
dem „übergeordneten Dach“ und muss es dadurch gar nicht rechtfertigen. Ich glaube, durch Rechtfertigung wirken Anwälte unglaubhaft.
Die „Honorarinformation“ hat mir gewiss den Ruf einer sympathischen und kompetenten,
äußerst verbindlichen Anwältin eingebracht. Neue Mandanten haben das von meinen Mandanten
gehört.
Etwa 80 % meiner neuen Mandanten beziehen sich auf diese Verbindlichkeit und werden ihrerseits leicht zu Multiplikatoren.
Rechtsanwältin Anja Groeneveld, Groeneveld & Fuhrmann Stuttgart, Tel.: 0711-7946075
e) Vergütungsvereinbarung
Der Mandant muss jede Honorarvereinbarung innerlich einsehen und äußerlich einlösen. Verkaufen Sie ihm jeden Honorarmodus als kanzleitypisch, rechtsgebietstypisch, persönlichkeitstypisch oder als Vereinbarung unter Geschäftsleuten.
In allen Fällen mit schlecht einschätzbarem oder hohem Arbeitsaufwand
(Nachbarschaftsstreits, Umgangsrecht, Verhandlungen mit schwierigen Betriebsräten, Arzthaftung, Baurecht, laufende Beratung und Vertretung, Nachlasssachen und
natürlich Strafrecht) sowie bei Mandanten, die vom Typ her Vielredner und Chaoten
sind, ist eine Vergütungsvereinbarung auf Stundenbasis angebracht.
Was im Geschäftsleben Selbstverständlichkeit ist, genießt in anderen Teilen der
Bevölkerung den Ruf der Geldschneiderei:
Im Internet kursieren Mandantenratgeber („Wie finde ich einen guten Unfallanwalt“), in denen Mandanten aufgefordert werden, die Honorarfrage vor dem ersten
Anwaltsbesuch telefonisch zu klären. Folgende Frage wird Leuten ohne Rechts-
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II. Effiziente Honorarinformationen machen Spaß und befördern die Akquise 167
schutzversicherten dort empfohlen: „Nach welchem Betrag berechnen Sie mir Ihr
Honorar, nach dem Betrag, den die Versicherung zahlt oder nach dem, was Sie von
der Versicherung verlangen?“
Empfangsassistentinnen müssen im Umgang mit solchen (sich übrigens drastisch häufenden Anfragen) perfekt geschult sein. Anwälte brauchen Grundsatzentscheidungen, ob sie solche Mandanten wollen oder nicht.
Die Anwaltskammern raten, in jedem Fall den eigenen Arbeitsaufwand abzuschätzen und den Mandanten nach einem „bezifferbaren Interesse“ zu befragen.
Objektives und subjektives Interesse können dabei durchaus voneinander abweichen.
4. Erwähnen Sie den Nutzen des Mandanten
Wie bringen Sie nun die verschiedenen Abrechnungsmodi „an die Frau und an den
Mann?“ Wenn der Mandant den Nutzen von etwas nicht sieht, macht er es nicht.
Daher ist es wichtig, diesen Nutzen zu kennen und ihm gegenüber herauszustellen. Beachten Sie akribisch den folgenden
Tipp
Ohne Nutzen kein Vertrauen! Der Eskimo kauft den Kühlschrank mit dem 5-Sterne-Gefrierfach nur,
wenn er dessen Vorteil gegenüber dem Eis vor seiner Hütte kennt.
a) Nutzen des Stundenhonorars
Besonders Anwälte, die bislang nur nach RVG abgerechnet haben, sind erfreut zu
hören, dass das Stundenhonorar für den Mandanten drei gewichtige Vorteile
hat, die das RVG nicht bietet. Diese Erkenntnis erleichtert ihnen die Argumentation
gegenüber dem Mandanten, besonders bei Änderung des Honorarmodus von RVG
auf stundenbasierte Vergütung.
■■ Der Mandant beeinflusst die Schlusssumme mit
Durch eigene Zuliefererarbeiten bzw. „Hausaufgaben“ (geordnete Papiere, recherchierte Zeitabläufe, Tabellen, Zeugenbeschaffung, Ämterhopping etc.) hält der
Mandant den Zeitaufwand gering und damit die Schlusssumme niedrig. Rechnen
Sie dem Mandanten vor, wie viel Geld er spart, wenn er seine Unterlagen selbst
ordnet und teilen Sie ihm mit, wie er sie ordnen soll, damit Sie zügig damit arbeiten
können.
In Wirtschaftskanzleien sind sowohl die hierarchische Staffelung der Stundenhonorare (nach „Seniorität“) als auch die anrechenbaren Stunden normal. Erläutern Sie dort dem Mandanten transparent, wer wie viel abrechnet, und zu welchen
Arbeiten in welchem Umfang Junganwälte bzw. Seniorpartner an der Arbeit beteiligt
sind.
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1
168 Honorarinformation
Durch Zwischenabrechnungen ist eine genaue Ausgabenkontrolle möglich
Der Mandant kann einmal im Monat oder alle zwei Wochen (vereinbaren!) seine
Ausgaben und die Angaben des Anwalts genau kontrollieren. Bevor eine vorher
benannte Summe erreicht wird, erhält der Mandant einen Anruf (vereinbaren!), wie
weiter verfahren werden soll. Der Mandant kann auch die Häufigkeit der Zwischenabrechnungen bestimmen.
■■ Durch Zeittakt kontrolliert der Mandant seinen Anwalt
Alle angefangenen 6/10/15 Minuten bilden eine Zeiteinheit. Der Mandant erfährt,
dass „die Uhr erst tickt“, wenn diese Zeitspanne vorbei ist. Er zahlt also nicht etwa
bei jeder kleinen Aktion eine ganze Stunde. Überzeugendes Argument: „Es wird nur
gezahlt, was auch geleistet wird.“
Grundregel: Je kürzer das Mandat, desto kürzer auch die Zeiteinheit. Je höher der
Beratungsanteil in einem Mandat, desto länger der Zeittakt.23 Je geringer der Gegenstandswert, je kleiner das Budget des Mandanten, je ungewohnter sein Umgang mit
Wirtschaftsthemen und je mehr seines eigenes Geldes zur Debatte steht, desto besser
kommen kurzfristige, minutengenaue Abrechnungen an. Bieten Sie von sich aus
transparente Vorgehensweisen an, bis er zustimmen kann.
Der Mandant entscheidet auch die Frage, ob die minuten-genaue Dokumentation (Bestandteil von Kanzleisoftware) an jede Rechnung angehängt werden soll
oder nicht.
■■
b) Nutzen des gemeinsam gefundenen Honorars
Der Mandant fühlt die Rechnungssumme und bezahlt sie sofort! Das gemeinsame
Finden des Honorars funktioniert Gewinn bringend nur unter bestimmten Voraussetzungen. Es wird pro-aktiv vom Anwalt angeboten und ist daher das Gegenteil von Einknicken nach einem Einwand.
Erfahrene Anwälte sind bei diesem Tipp im Vorteil: Wer komplexe Themen in
hoher Qualität und kurzer Zeit lösen kann, zieht diese Möglichkeit in Erwägung,
sobald folgende drei Faktoren zusammen treffen:
–– der Arbeitsaufwand ist für Sie niedrig,
–– der Gegenstandswert ist hoch,
–– der Vorteil für den Mandanten ist ebenfalls hoch (nicht nur der finanzielle).
5
Beispiel
Sie haben 25 Minuten gebraucht, um einen Passus in einen Unternehmensvertrag einzufügen. Der
Mandant spart durch diese Aktion € 10.000,– pro Jahr. Sie rechnen ihm vor, wie hoch der Gegenstandswert wäre und erklären, nach RVG zahle er aus Ihrer Sicht bei diesem Gegenstandswert viel
23 Bitte beachten Sie BGH-Urteile zur Wirksamkeit von Honorarvereinbarungen bei vertraglich vereinbarten Zeiteinheiten!
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II. Effiziente Honorarinformationen machen Spaß und befördern die Akquise 169
zu viel, nämlich x Euro. Fragen Sie ihn anschließend: „Wie viel ist Ihnen dieser Passus wert?“ Er wird
immer einen Wert nennen, der unterhalb der x Euro und weit oberhalb des von Ihnen bislang berechneten maximalen Stundensatzes liegt.
Auch der Anwalt profitiert: Er wird durch einen solchen Mandaten eine ungewöhnlich hohe „Weitertratsch-Quote“ und bedeutend höhere Honorare erreichen!
c) Nutzen der Pauschalvergütung
Der Mandant weiß, was maximal auf ihn zukommen wird. In zeitlich und aufwandsmäßig limitierten Projekten ist die Pauschalvergütung denkbar und beidseitig nutzbringend. Mandanten profitieren von der Transparenz dieser Regelung. Das fördert
den Verkauf Ihrer nicht-anfassbaren Leistung besonders dann, wenn der Mandant an
ein festes Budget gebunden ist. Bitte definieren Sie jedoch das Auffangnetz in jedem
Fall so genau wie möglich: Für welche konkreten drei Fälle wird eine Nachverhandlung nötig werden? Fixieren Sie die Ausnahmefälle, die Ihre nach heutigem Stand
seriös geschätzte Schlusssumme ins Wanken bringen können, unbedingt schriftlich
– als Teil der Honorarvereinbarung. Dabei erwähnen Sie den dritten Fall, der die
heute geschätzte Schlusssumme nach unten korrigiert, als letzten.
Sie ersparen sich durch dieses Verfahren das für alle schmerzhafte und für Ihren
Mandanten sogar extrem ärgerliche „Überbringen von negativen Nachrichten.“
Vorsicht
Mandanten fordern im Vorfeld von Projekten gern, die Honorarobergrenze verbindlich festzuschreiben, aber dann „lassen sie den Anwalt über den Umfang seiner Tätigkeit im Unklaren oder erweitern
den vorher besprochenen Aufgabenumfang nachträglich. Und erwarten, dass das Honorar gleich
bleibt.“24 Die Kritik bezieht sich dabei hauptsächlich auf inhabergeführte mittelständische Betriebe,
in denen die Rechtsberatung „bisweilen eher als notwendiges Übel angesehen“25.
Auch der Anwalt profitiert von der Pauschalvergütung: Er hat einen Leistungsrahmen festgelegt, der ihm Umsatz- und Image-Sicherheit bietet. Wenn er die Flexibilisierung der Obergrenze und deren Bedingungen rechtzeitig deutlich macht, steigt
diese Sicherheit.
d) Nutzen des Vorschusses
Der Vorschuss veranlasst den Anwalt, sofort mit der Arbeit zu beginnen. Viele Mandanten wissen nicht, dass ein Vorschuss die spätere Gesamtrechnung vergünstigt.
Weisen Sie darauf hin. Ein Vorschuss ist eine Kanzleipraxis, die durch den Perspek-
24 Rechtsanwalt Jörg Rodewald, Partner im Berliner Büro der Kanzlei Luther, zitiert nach Creutz,
Handelsblatt v. 12.12.2008: „Worauf Mandanten bei den Anwaltshonoraren achten sollten“.
25 Creutz, Handelsblatt v. 12.12.2008: „Worauf Mandanten bei den Anwaltshonoraren achten sollten“.
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170 Honorarinformation
tivwechsel erklärt wird: „Alle unsere Mandanten zahlen einen Vorschuss. Dadurch
kann ich sofort mit der Arbeit beginnen, und der Vorschuss wird nachher von der
Schlusssumme wieder abgezogen.“
Viele Kanzleien arbeiten nur bei neuen Mandanten aus Sicherheitsgründen mit
Vorschuss.
3
Achtung
Wohlhabende Mandanten können bei einer Vorschussforderung den Eindruck haben, der Anwalt sei
in Geldnot. Spätestens seit den Geldwäscheverfahren gegen Strafverteidiger werden Vorschüsse in
bar direkt bei der Sekretärin eingezahlt oder zumindest unter Zeugen.
Auch der Anwalt profitiert: Er kann sofort mit der Arbeit beginnen und hat den Eindruck, „wenigstens etwas“ von der Summe erhalten zu haben. Zahlungsbereitschaft
neuer Mandanten wird so dokumentiert und fungiert auch als Mandantenbindung.
e) Nutzen des RVG
Die Beratungsleistung kostet überall gleich viel, ist gesetzlich festgelegt und darf
nicht unterschritten werden. Stellen Sie das heraus. Der Mandant empfindet sie oft
als günstiger verglichen mit einem Stundensatz. Das RVG gilt neben der Pauschalgebühr aus Mandantensicht als die transparenteste aller Honorierungsarten. Der
Mandant kann die Zahlen selbst ablesen. Drehen Sie den Bildschirm zu ihm um
und/oder rechnen Sie ihm ein Beispiel vor. Das RVG wurde ursprünglich eingerichtet, um einen Qualitäts- und keinen Preiswettbewerb unter Anwälten zu forcieren
und legt die Kostenerstattung durch die unterliegende Partei fest. Machen Sie klar,
wie man Streitwerte festlegt und wovon genau die Schlusssumme abhängt.
Sprechen Sie über Vergleichsgebühren. Geschickte Verhandler, meistens
Geschäftsleute, wissen, dass das RVG sie bei hohen Streitwerten benachteiligt.
Rechnen Sie hier mit Debatten und richten Sie sich auf Mischkalkulationen ein.
Auch der Anwalt profitiert: Er kann einer Leistungsbewertung ausweichen, mit
den festgelegten Kostenerstattungsusancen locken und sich auf die Autorität der
Gesetzgeber berufen!
5. E
inwände zeigen die Verbundenheit des Sprechers mit Produkten, Meinungen
oder Verhaltensweisen des Gesprächspartners
Einwände zeigen Bindung! Ein Mandant, der einen Einwand gegen Ihr Honorar
äußert, ist mit der zugrunde liegenden Leistung bereits verbandelt. Ein Mandant,
der das nicht ist, diskutiert das Preis-Leistungsverhältnis nicht! Lernen Sie deshalb,
Einwände zu schätzen! Ein Einwand zeigt, dass Kompetenzen und Leistungen
des Anwalts bereits im Prinzip akzeptiert wurden.
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II. Effiziente Honorarinformationen machen Spaß und befördern die Akquise 171
Ihre vornehmste und schwierigste Aufgabe im Moment des Einwands ist jedoch
normalerweise dessen Neutralisierung. Sie geht einher mit einer Versachlichung
des Gesprächs.26
Die Gründe für einen solchen Einwand sind in Herkunft und Art und Weise der
Präsentation vielfältig. Verabschieden Sie sich von der Vorstellung, der Einwand
beträfe immer die Höhe des Honorars.
Mandanten können Einwände gegen Ihr Honorar haben, weil
–– Sie Ihre Honorarinformation ungeschickt präsentiert haben;
–– sie sich (vielleicht auch über Sie) geärgert haben auf einem ganz anderen Feld;
–– sie von konkurrierenden Anwaltskanzleien schon Angebote kennen und vergleichen wollen;
–– sie gar keine Kaufabsicht sondern nur einen Informationsbedarf hegen;
–– sie sauer auf den Gegner sind und das Honorar ihm „anlasten“;
–– sie anwaltliche Honorare einfach nicht kennen;
–– sie andere Widerstände verbergen, die mit dem Preis nicht zusammenhän­gen;
–– sie gar nicht entscheiden dürfen und Ihnen das nicht direkt sagen möchten;
–– sie das Honorar als Investition sehen und den Erfolg nicht voraussehen können;
–– sie gewohnheitsmäßig zunächst einmal zu feilschen versuchen;
–– sie keine Ahnung haben, wie sie das bezahlen sollen (auch geringere Preise
nicht).
Viele weitere Gründe finden Sie in der folgenden Tabelle – nebst vielfach erprobten
Antworten. Bitte auswendig lernen wie Vokabeln:
Der Mandant möchte über das anwaltliche Honorar verhandeln,
weil er...
Der Mandant sagt:
Der Anwalt antwortet:
weiß, dass Feilschen 
sich gewöhnlich lohnt.
„Und welchen Preis 
schlagen Sie vor für mich?“
„Auf welchen Teil meiner Leistung
möchten Sie verzichten?“
die Unsicherheit des 
Anwalts in der Honorarfrage
bemerkt.
„Wie wollen Sie diese 
Summe rechtfertigen?“
„Gar nicht. Unsere Leistung führt
ja gerade zu Ihrer Gegenleistung.
Was lässt Sie an unserer Leistung
zweifeln?“
annimmt, dass das Han­deln
am Preis bei unerfahrenen
Anwälten schnell zum 
„Einknicken“ führt.
„Der Anwalt X macht 
das für die Hälfte“
„Das ist mir bekannt. Und was
machen wir nun?“
„Das weiß ich. Was wissen Sie 
über seine Leistung?“
26 Vgl. zur Versachlichung von Einwänden das Kapitel „Durchsetzung“.
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172 Honorarinformation
Der Mandant möchte über das anwaltliche Honorar verhandeln,
weil er...
Der Mandant sagt:
Der Anwalt antwortet:
den wirtschaftlichen Druck 
des Anwalts spürt und 
(aus-) nutzen möchte.
„Können Sie sich überhaupt
leisten, dieses Mandat zu
verlieren?“
„Wir möchten gern mit Ihnen 
zusammen arbeiten. Was dürfen wir
tun, um Ihre Zweifel zu beseitigen?“
den Eindruck hat, 
der Anwalt sei seinen 
Preis nicht wert.
„Sind Sie sicher, 
dass Ihre Arbeit das 
wert ist?“
„Viele unserer Mandanten hatten
anfangs Zweifel wegen dieser 
Strategie; wir konnten sie bislang
durch Ergebnisse überzeugen. 
Dürfen wir das bei Ihnen auch 
versuchen?“
sich nicht sicher fühlt 
über Details und deren 
Konsequenzen.
„Und damit kommen 
wir durch?“
„Es sieht im Moment sehr so aus.
Was lässt Sie zweifeln?“
die Notwendigkeit 
taktischen Handelns und
kreativer Vor- und Auf- 
bereitung bestreitet.
„So einen Vertrag haben 
Sie doch im Computer.“
„Kein Fall ist jemals wie der davor.
Wir untersuchen jetzt, wie Ihr 
spezieller Fall gelagert ist. 
Was halten Sie davon?“
von Vorgehensweise und
Kanzleileistung noch nicht
überzeugt ist.
„Ich muss mir das 
überlegen“.
„Gern. Viele unserer Mandanten
schlafen eine Nacht drüber und 
teilen ihre Entscheidung am nächsten
Tag mit. Können wir das hier auch 
so machen?“
meint, dass sein Budget 
nicht reicht.
„Das übersteigt mein 
Budget.“
(faktische Budgetgrenze)
„Was können wir tun, um Ihren 
Vorstand von einer jetzigen 
Investition zu überzeugen?“
III. Die Zehn Gebote für Rentabilität in Ihrer KanzleiIII.
Hat auch Ihre Kanzlei am Geldende noch reichlich Monat übrig? Dann wird es Zeit,
das umzudrehen!
Wirtschaftsunternehmen sind immer profitorientiert – und leider nur manchmal
profitabel! Die wirtschaftliche Situation einer Kanzlei ist ablesbar an dem Zusammenhang von Zeit und Geld. Die Honorarinformation ist nur eine von vielen Faktoren, die die Rentabilität Ihrer Kanzlei beeinflussen.
Zehn Gebote – erfolgreich getestet in kleinen und mittelständischen Kanzleien –
tragen zur Rentabilität Ihrer Kanzlei bei:
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III. Die Zehn Gebote für Rentabilität in Ihrer Kanzlei 173
1. Glauben Sie an sich
Wer seinen Wert kennt, wird positiv bewertet – und schätzt seinen Gegenwert
in aller Regel richtig ein. Definieren Sie also den Wert, den Sie sich selber geben.
Sind Sie es Wert, Geld für diese Leistung zu bekommen? Sind Sie diese Summe aus
eigener Sicht Wert?
Für ein freundliches und verbindliches Honorargespräch benötigen Sie eine
gefühlte – und für den Mandanten fühlbare – Kongruenz zwischen Ihren faktischen
Leistungen und dem daraus ermittelten Honorar. Die Folge dieser Kongruenz ist Ihre
wichtigste Verkaufshilfe: Ihre Ausstrahlung. Fachliche Argumente und fachliche
Kompetenz werden ohne Ausstrahlung zu einer belanglosen statistischen Größe:
ungeglaubt, unverstanden und möglichst schnell vergessen.
Sie sind verantwortlich für die Arbeitsplätze Ihrer Mitarbeiter! Glauben Sie auch
daran; Sie haben es erschaffen. Wenn die für den Erhalt der Kanzlei notwendige Mindestsumme nicht durch Honorare eingespielt wird, vernichten Sie Arbeitsplätze
und Selbstachtung. Die Honorarinformation sichert das wirtschaftliche Überleben
Ihrer Kanzlei.
2. Passen Sie den Honorarmodus an Ihr Kanzleiziel an
Sie möchten rentabel wirtschaften, Zeit für Akquise freischaufeln und außerdem
noch abends Ihre Kinder sehen, Ihrem Sport nachgehen und Ihren Lieblingsroman
weiter lesen?
Dann überprüfen Sie die Abrechnungsmodi in Ihrer Kanzlei: Verschenken Sie
nie wieder Lebenszeit an Unbekannte! Dies gilt besonders für solche Teile der
Mandatsabwicklung, in denen Arbeitsaufwand traditionell nicht einschätzbar ist.
Wer im Familienrecht eine umgangsrechtliche Streitigkeit nach RVG abrechnet,
verschenkt objektiv begrenzte Lebenszeit an Unbekannte. Vereinbaren Sie Mischkalkulationen!
Erhöhen Sie zusätzlich die Gesamtzahl der stundenbasierten Abrechnungen verglichen mit RVG-basierten Abrechnungen. Stellen Sie ggf. die Mandantenstruktur um.
3. Verändern Sie Ihr Führungsverhalten
Bedrohliche Verluste schreibt jede Kanzlei, in der Anwälte ihre Assistentinnen nicht
für Akquiseaufgaben einsetzen,27 ihre Rückrufpolitik suboptimal organisieren und
ihre Mandantengespräche nicht effizient strukturieren.28 Allein die Stress-Anrufe
27 Siehe Kapitel „Assistentin“.
28 Siehe Kapitel „Mandantengespräche“.
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174 Honorarinformation
der auf diese Weise gebeutelten Mandanten vernichten jeden Ansatz effizienten
Zeitmanagements!
Eine Assistentin, die sich unterhalb ihrer Möglichkeiten eingesetzt, durch fehlendes Lob oder unklare Anweisungen schlecht behandelt fühlt, wird auf „innere
Kündigung“ schalten oder Sie gleich ganz verlassen – beides ist Folge des teuersten
Managementfehlers Ihres Lebens, nämlich schlechter Führung!
Delegieren Sie 70 % Ihrer B-Aufgaben an Ihre Assistentin, geben Sie kristallklare
Anweisungen, kontrollieren Sie danach speziell ihr Telefonverhalten und machen
Sie aus sich einen stets glaubhaften und verlässlichen Chef!
4. Gestalten Sie Ihre Preispolitik
Schaffen Sie ein am Wettbewerb orientiertes Honorarsystem: Wie sind die Preissegmente in Ihrer Stadt? Ihrem Rechtsgebiet? Bei Ihrem Spezialisierungsgrad? Bei
Ihren Zusatzausbildungen? Bei Ihrer Erfahrung in dem Spezialgebiet X. Was ist der
Marktpreis?
Erhöhen Sie Ihre Preise bei besonderen organisatorischen Anforderungen:
Wochenendarbeit, Arbeit außerhalb der Kanzlei, kurz-, mittel- oder langfristige
Ankündigung des Mandats, hoher Zeitdruck. Erläutern Sie das immer zu Beginn der
Honorarinformation!
Bilden Sie Ihren Preis durch Mandantenkriterien wie Wichtigkeit, Dringlichkeit, Nutzen der anwaltlichen Intervention und Zahlungsbereitschaft (und -fähigkeit)
des Mandanten.
Der Preis richtet sich auch nach dem Geschäftsmodell der Kanzlei: Arbeiten Sie
wenige Stunden zu hohem Preis (= „Fachanwalt, viel Erfahrung“) oder viele Stunden
zu geringem Preis (= „Allrounder muss sich oft einarbeiten“)?
Reduzieren Sie Kosten, indem Sie die Anzahl variabler Größen erhöhen (Gehalt,
etc.) und die Anzahl nicht unbedingt notwendiger Positionen senken. Machen Sie
hochwertige Mandate teurer (Erhöhung Stundensatz, Pauschale, Abrechnung
mehr Stunden, die bisher nicht abgerechnet wurden; achten Sie dabei auch auf Reisezeiten, Meetings etc. und deren Berechnung!).
Es ist besser für Ihre Außenwirkung, einmalig eine Leistung begründet und
pro-aktiv zu verschenken als sie zu einem Dumping-Preis zu verkaufen.
5. Entscheiden Sie Rabatte pro-aktiv – niemals aus Not
Entscheiden Sie sich bewusst für oder gegen Kampfpreise bei Erstaufträgen, Paketpreise bei Übernahme vollständiger Mandate, Einmalpauschalen (wenn Aufwand
vorher bekannt), Monatspauschalen (nur wenn Zeitmitschrift und unter Ausschluss
umfangreicher Mandate). Erstellen Sie eine Preistabelle, die allen Mitarbeitern
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III. Die Zehn Gebote für Rentabilität in Ihrer Kanzlei 175
bekannt und in der EDV hinterlegt ist. Entscheiden Sie sich pro-aktiv für oder gegen
(!) eine Rabattpolitik, die Stammmandanten honoriert: z. B. bis zu 50 Stunden pro
Jahr voller Honorarsatz, dann –5 % bis 100, dann –10 % über 100 Stunden.
6. Verringern Sie Ihre Kostenquote
Ermitteln Sie Ihre Kostenquote. Sie bezeichnet das Verhältnis zwischen Einnahme
und Geld- (bzw. Zeit-) Einsatz pro Mandat. In den meisten Kanzleien sind Kostenquoten gar nicht bekannt.
Kosten fungieren bei vielen Anwälten als unlenkbares Ärgernis. Wo sie ermittelt werden, zeigen Vergleiche von Kostenquoten, dass zwischen 40 % und 70 %
Kostenquote in Anwaltskanzleien üblich ist. Eine Kostenquote oberhalb von 50 %
sollte zu Besorgnis Anlass geben. Das können Sie nur noch durch Umsatzsteigerung
beeinflussen.
Kostenquoten können Sie verringern durch Standardisierung: Optimieren
Sie Arbeitsabläufe und Delegation. Nutzen Sie Ihre Kanzleisoftware aus; sie ist
teuer genug. Engagieren Sie Jurastudenten für € 10/Stunde, Ihnen während der Semesterferien die Kundenkartei zu aktualisieren. Setzen Sie billigere Arbeitskräfte für
C-Aufgaben ein. Steigern Sie die Effizienz Ihres EDV-Einsatzes, Ihrer Kommunikation zwischen den Hierarchieebenen und der Einbindung des Mandanten in die Qualitätssicherung.
Verwenden Sie E-Mails oder Telefonate statt Briefe bei Terminsverlegungen mit
dem Gericht. Optimieren Sie den „Lauf der Akte“. (In manchen Kanzleien suchen
jeden Morgen sechs Assistentinnen eine Stunde lang die Akten, die sie mit der an
dem Tag eingegangenen Post dem Anwalt vorlegen müssen. Noch schlimmer hier: der
Anwalt will alle Post sehen.)
Ändern Sie sofort Ihr Delegationsverhalten (Assistentin macht Ihre B-Aufgaben), optimieren Sie sofort Ihre Kommunikation in allen Akquisebereichen (Millionen
von Euros gehen jährlich in Anwaltskanzleien verloren durch Akquise untaugliche
In-house Veranstaltungen). Im Niedrigpreissegment müssen alle Abläufe standardisiert sein. Die Assistentin erledigt dort große Teile der Fallvorbereitung. Alle
Schriftsätze sind standardisiert. Alle Anrufe, die auf die Schriftsätze folgen, werden
trainiert, damit sie kurz und sehr freundlich gehalten werden.
Tipp
Wandeln Sie Ihre verzweifelte Frage: „Kann ich es mir leisten, dieses Mandat abzulehnen?“ um in die
analytische Frage: „Kann ich es mir leisten, das Mandat anzunehmen?“
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176 Honorarinformation
7. Klassifizieren Sie Ihre Mandanten
Die größten Potenziale zur Gewinnsteigerung liegen allerdings im Zielgruppenfokus, also in Qualität der Mandanten und Mandate. Mit dem Wert der Angelegenheit
steigen Honorar und Image der Kanzlei. Wo 80 % des Umsatzes mit 20 % der Mandanten erbracht werden, ist der Aufwand in einem respektablen und Ressourcen schonenden Verhältnis zum Ergebnis.
Die Klassifizierung in A, B und C-Mandanten bezeichnet in diesem Fall deren
Zahlungsmoral und die Konsequenzen daraus. Sie haben unterschiedliche Rechte.
A-Mandanten genießen uneingeschränktes Vertrauen, da sie in der Vergangenheit
immer schnell gezahlt haben. Jeder Neukunde und jene, die schlechte Zahler sind,
sollten als C-Mandanten geführt und nur gegen Vorschuss bzw. sofortiger Abrechnung angefallener Tätigkeiten bedient werden. B-Mandanten sind solche, die bei
Zahlung innerhalb des Zahlungsziels von maximal zehn Tagen bedient werden.
Zahlungsverzug kann hier allerdings unkommentiert toleriert werden, sofern „das
Verfügen über fremdes Geld“ (etwas anderes ist ein Zahlungsverzug nicht!) nicht ein
Muster des Mandanten ist.
Diese Einteilung macht auch in anderen Bereichen der Anwaltskanzlei Sinn.
A-Mandanten werden in vielen Kanzleien anders begrüßt, schneller bedient und vorausschauender für die Akquise eingesetzt als C-Mandanten. Das Management ihrer
Beschwerden ist daher vorrangig, ihre Cross-Selling Potenziale sind oft attraktiver
und ihre Referenzpotenziale nützlicher.
8. Verbessern Sie die Zahlungsmoral Ihrer Mandanten
Unerlässlich ist dafür die vollständige, rechtzeitige, detailreiche und freundliche Aufklärung im Erstgespräch über alle Positionen auf der späteren Rechnung.
Muten Sie Ihrem Mandanten keinerlei negative Überraschung zu! Wenn Sie CrossSelling Potenzial sehen, übergeben Sie die Rechnung, statt sie zu übersenden.29
Schreiben Sie Rechnungen sofort nach Mandatsende und richten Sie ein offensives
Mahnwesen ein, dessen erster Schritt immer in einem Anruf durch Ihre Assistentin
bestehen sollte. Papier wirkt weniger dringlich als Personen. Alles andere kostet zu
viel Zeit und Nerven. Erhebliche Gewinnmaximierung ist allein durch freundliche,
nachdrückliche Erinnerung möglich!
29 Siehe auch das Thema „Abschlussgespräch“ in Kapitel „Cross-Selling“.
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III. Die Zehn Gebote für Rentabilität in Ihrer Kanzlei 177
9. Räumen Sie zwischen Ihren Ohren auf
Der wichtigste Feind effizienter Akquise ist der fehlende, unbedingte Wille! Schön
reden und danach nichts tun ist nichts als kostspielige Zeitverschwendung. Definieren Sie Ziele! Jedes Ziel hat gewichtige Konsequenzen für jedes Detail Ihres Alltagsverhaltens.30 Definieren Sie darunter Strategien, die zu diesen Zielen passen.
Ein Fass ohne Boden ist nicht befüllbar: Sie können unmöglich das Ziel entwickeln, „mehr Mittelständler zu beraten“, wenn Sie Ihre Honorarpolitik nicht anpassen und weiter 80 % Ihrer Mandate nach RVG abrechnen.
Definieren Sie auch den Wert, den Sie sich selber geben! Sind Sie es wert, Geld
für diese Leistung zu bekommen? Sind Sie diese Summe aus eigener Sicht wert?
Wenn die für den Erhalt der Kanzlei notwendige Mindestsumme nicht durch Honorare eingespielt wird, vernichten Sie Arbeitsplätze und Ihre Selbstachtung.
Anwälte haben Angst, als geldgierig dazustehen, wenn sie für eine Minute
Antwort Geld verlangen. Angst ist zwar ein erprobtes Hilfs- und Orientierungsmittel
im Alltag und „für die Seele ebenso gesund wie ein Bad für den Körper,31 an dieser
Stelle jedoch komplett fehl am Platz. Wem sind Sie so etwas schuldig?
Eine kostenlose Antwort auf eine Rechtsfrage kann durchaus die Mandantenbindung stärken oder sogar hervorrufen. Eine ganz schlechte Idee ist es jedoch,
aus Not bzw. mangels anderer Methoden kostenfrei zu antworten! Ihr jahrelanges
Studium und Ihre kostspieligen permanenten Fortbildungen machen rechtssichere
Antworten erst möglich – auch am Telefon bei der Kurzanfrage. Wieso sollten Sie
auch noch dafür bezahlen, dass es wildfremden Menschen durch Ihre Gutmütigkeit
besser und Ihnen schlechter geht?
Anwälte sind Unternehmer. Wer danach nicht handelt, sortiert sich aus dem
Wettbewerb aus!32
10. Strukturieren Sie Ihre Sprache
Verdrehte Welt: Anwälte fordern ihre Gesprächspartner selten zu Dialogen auf, wenn
es taktisch hilfreich wäre (Mandantengesprächen, Verhandlungen, bei Vorträgen etc)
und oft, wenn es vollkommen kontraproduktiv ist, z. B. bei Anweisungen über Verhal-
30 Vgl. das Kapitel „Zielführung“ in einer Anwaltskanzlei.
31 Maxim Gorki, er heißt eigentlich Alexei Maximowitsch Peschkow († 1936 in Gorki bei Moskau),
wuchs in ärmsten Verhältnissen mit häuslicher Gewalt und ohne Ansprache in einem Kellerloch auf,
arbeitete seit seinem 10. Lebensjahr als Lumpensammler, Laufjunge, Küchenjunge, Vogelhändler,
Verkäufer, Ikonenmaler, Schiffsentlader, Bäckergeselle, Maurer, Nachtwächter, Eisenbahner und
Rechtsanwaltsgehilfe. Weltberühmt wurde er durch das Theaterstück „Nachtasyl“ (1902) und durch
den Roman „Die Mutter“ (1906/07).
32 Vgl. zur „Rollenkongruenz“ von Anwälten das Kapitel „Yes, I can“.
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178 Honorarinformation
ten im Gerichtssaal, bei der Strukturierung der Hausaufgaben – und bei den Honorarinformationen. Das kommt einem externen Beobachter sehr merkwürdig vor!
Anwälte haben, wie oben ausgeführt, eine nicht-anfassbare und hoch erklärungsbedürftige Dienstleistung zu verkaufen. Das geht nur mit überzeugendem
Vokabular, einer über jeden Zweifel erhabenen Nutzenargumentation und einer
freundlich – distanzierten Sprache, die keinen Widerspruch fördert.
1
Erfolgstipps
– Das Honorarthema gehört – verständlich präsentiert – ins Erstgespräch.
– Verhandeln Sie nicht über Ihr Honorar, sondern informieren Sie darüber.
– Seien Sie auf Einwände gefasst und bleiben Sie Sieger. Ihre Leistung ist ebenfalls nicht teilbar!
– Schaffen Sie eine markt-, kanzlei- und zielgerechte Preispolitik!
– Senken Sie Ihr Honorar niemals aus Not, sondern nur aus taktischen Gründen!
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In-house Veranstaltungen
40 % direkte Akquise
60 % indirekte Akquise
Mandanten-Veranstaltungen dienen der Akquisition, gehören zu den A-Aufgaben
eines Anwalts und zu den teuersten aller Akquisemethoden.
Anwälte begeben sich bei dieser Gelegenheit wagemutig in mehrere eher unbekannte Rollen.1 Sie sind plötzlich Lehrer, Eventmanager, Zeremonienmeister und
Small Talk-Gurus. Keine dieser Rollen ist Anwälten direkt auf den Leib geschneidert,
manche bleiben ungünstig besetzt und alle sind unverzichtbar für den Erfolg der
Veranstaltung.
Chancen bleiben oft ungenutzt, so mancher Teameffekt blüht nur im Verborgenen und die getätigte Investition entpuppt sich immer wieder als Euro-Grab.
Dieses Kapitel wird Sie in fünf Abschnitten durch organisatorische und vor
allem kommunikative Tipps dabei unterstützen, aus kostspieligen In-house-Veranstaltungen Akquise-Events mit einer erfreulichen Rendite zu machen:
I. Bestandsaufname
II. Vom Euro-Grab zur Investition – Ihre Mandanten-Events
III. Vom total Tabu zur Lieblingslösung: Acht Akquise-Tipps für Ihre Mandantenevents
IV. Von der Beliebigkeit zur Organisationsfreude: Ihre „Eventarchitektur“ in
15 Schritten
V. Von Langeweile zu Lernlust: Methodik und Didaktik Ihrer Mandantenseminare
I. BestandsaufnameI.
Das „beliebteste Marketinginstrument“ in Anwaltskanzleien war im Jahr 2010 laut
Erhebung des PMN2 das Mandantenseminar. Anders als im Vorjahr standen 2010
die Ausgaben für Mandantenseminare an der Spitze des Gesamtbudgets für Marketing. Mandantenseminare, so die PMN-Studie weiter, garantieren, dass die Kanzlei
1 Vgl. zu anwaltlichen Rollen und deren kongruente Besetzung das Kapitel „Yes, I can“.
2 Schieblon, 3. PMN Benchmark Studie Anwaltsmarketing Juli 2011, S. 25, Ergebnis einer Befragung
von 75 TOP Kanzleien – nach Ranking in JUVE Rechtsmarkt 10/2010.
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180 In-house Veranstaltungen
„aktuelle Themen an die Mandanten herantragen, sie an sich binden und Cross-Selling
Geschäfte3 generieren“ kann.
Anwälte geben zu Akquisezwecken ihr Wissen an Multiplikatoren, Kollegen, Richter, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Organisationen, Behörden, Vereine, Branchen,
die Schule ihrer Kinder und vor allem direkt an zukünftige Mandanten weiter.
Diese Mandantenveranstaltungen leben durch lebendige Teampräsentation,
verständliche Vorträge, alltagstaugliche Seminare, gut gelauntes Beisammensein,
herzliche Gespräche, gastronomische Extravaganzen und vor allem durch dialogische Eleganz in der Akquisephase.
Small Talk, Business-Knigge und der entschiedene Charme der Gastgeber, gepaart
mit taktischer Zurückhaltung bei der Kompetenzpräsentation, sind Ihre unverzichtbaren Helfer. Ihr Team macht auf alle Gäste einen servicebereiten Eindruck, Ihre
Kanzleiräume werden für unbekannte Reisende zur Heimat und trainierte GastgeberTeams lösen allseits großes intellektuelles und emotionales Wohlbefinden aus.
Marketingfachleute drücken es umständlich aus: Ein Mandanten-Event ist „Plattform einer erlebnis- und dialogorientierten Präsentation der angebotenen Dienstleistung“,
in deren Verlauf „durch Stimuli Aktivierungsprozesse in Bezug auf die angebotenen Dienstleistungen geweckt“4 werden sollen. Schön wär’s, denken sich da viele Gastgeber und
machen sich daran, ihre erlebnis- und dialogorientierten Präsentationen zu optimieren.
Akquise fördernde Mandantenveranstaltungen gibt es an verschiedenen Orten
und in verschiedenen Organisationsformen. Sie finden statt:
–– in eigener Kanzlei – Anwalt ist selbst Veranstalter und Organisator,
–– an einem neutralen Ort – der Veranstalter bzw. Multiplikator ist Organisator,
–– an einem neutralen Ort – Anwalt ist selbst Veranstalter + Organisator,
–– an einem neutralen Ort – Anwalt ist Veranstalter und delegiert die komplette
Organisation,
–– im Haus der Mandanten – Mandant ist Veranstalter und Organisator,
–– im Haus des zukünftigen Mandanten – zukünftiger Mandant ist Veranstalter und
Organisator.
3 Vgl. das Kapitel „Cross-Selling“.
4 Meffert/Bruhn, S. 295.
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II. Vom Euro-Grab zur Investition – Ihre Mandanten-Events 181
II. Vom Euro-Grab zur Investition – Ihre Mandanten-EventsII.
Mandantenseminare,5 Vorträge,6 Sommerfeste, Vernissagen, Firmenjubiläen, Fusionen, Neugründungen, Standorteröffnungen, Teamvorstellungen, Unternehmensübergaben, Unternehmenspräsentationen oder Kanzleigeburtstage haben unschöne
und schöne Gemeinsamkeiten:
Unschön:
Schön:
Sie kosten Geld.
Sie bringen neue Mandate und Mandanten.
Sie kosten Nerven.
Sie bringen Ihre Teams in Schwung.
Sie kosten Zeit.
Sie generieren Langzeit-Effekte.
1. Veranstalten wir selbst ein solches In-house Event oder nicht?
Diese Debatte wird wild geführt. In Partnerversammlungen gibt es darüber häufig
Streit. Die Demarkationslinie verläuft zwischen Konto und Kopf, zwischen Kurzfrist-Controllern („Zu teuer!“) und Langfrist-Strategen („Nur teuer, wenn wir das
nicht für die Akquise nutzen!“).
Dieser Streit führt wegen „unüberbrückbarer Differenzen“ manchmal zu einer
Kanzleiauflösung und immer zu einer folgenschweren und durchaus bedrückenden
Inkongruenz zwischen eigenem Ziel und eigenem Verhalten. Diese Inkongruenz wird schmerzhaft belegt durch neue Erkenntnisse. 707 durch Zufallsgenerator
befragte Anwälte jeder Kanzleigröße schätzen die Akquiserelevanz von MandantenSeminaren bzw. -vorträgen – besonders für potenzielle Mandanten – als extrem
hoch ein. Dennoch veranstaltet lediglich ein Drittel derselben (!) Befragten solche
Fortbildungen.7 Dieses Drittel ist, so die Studie weiter, signifikant nach Kanzleigrößen aufteilbar. Mit der Größe der Kanzlei steigt die Anzahl der Mandantenveranstaltungen: 43,8 % der befragten Kanzleien mit mehr als 10 Rechtsanwälten veranstalteten Mandanten-Events, während bei den Sozietäten mit 6-10 Anwälten die Rate
5 Anwälte verwenden die Begriffe „Vortrag“ und „Seminar“ oft synonym. Deshalb hier ein Hinweis:
Im Kapitel „Vorträge“ finden Sie alle „monologische Präsentationen“, bei denen Einer redet und die
Anderen hören zu. Alle Lernveranstaltungen, bei denen etwas durch die Teilnehmer „geübt“ wird,
heißen in diesem Buch „Seminare“ und werden eingruppiert unter „dialogische Präsentationen“.
Sie befinden sich am Schluss dieses Kapitels.
6 Vgl. zu Vortragstechniken und deren Akquisepotenzial das Kapitel „Vorträge“.
7 SOLDAN Institut; Kilian: „Wirksamkeit anwaltlicher Marketingmaßnahmen – Eine empirische Untersuchung zur Unternehmenskommunikation von Anwaltskanzleien“ (2011), Band 6, S. 67. Befragt
wurden nach Zufallskriterien 707 deutsche Anwälte jeder Kanzleigröße in den Jahren 2009 bis 2011.
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182 In-house Veranstaltungen
signifikant sinkt. Dort laden nur noch 25 % zu eigenen Veranstaltungen ein, Einzelkanzleien sind mit 7,3 % unter den Veranstaltern vertreten. Die letzte Zahl könnte
allerdings auch mit fehlenden oder unzureichend repräsentativen Räumlichkeiten
zusammen hängen.
2. K
anzleien nutzen eigene Mandantenveranstaltungen kaum zur Akquise
neuer Mandanten
Viele Kanzleien tun viel dafür (telefonische Einladungen, schriftliche Einladungen,
Anzeigen, Kundenkartei, Flyer bei Multiplikatoren, Bonussysteme für Empfehlungen
etc.), potenzielle Mandanten zu In-house Veranstaltungen in die Kanzlei zu bringen.
Viele schaffen das auch. Manche Kanzleien erreichen regelmäßig die erstaunlich
hohe Quote von bis zu 30 % potenziell neuer Mandanten pro Veranstaltung.
Tatsächliche Akquiseerfolge spiegelt diese Quote allerdings nicht annähernd
wieder. Die Sollbruchstelle zwischen der Anzahl der Interessenten und der Anzahl
der tatsächlich daraus generierten neuen Mandate scheint deutlich und ist nicht
gerade motivierend für die Veranstalter. Das kann drei Gründe haben:
–– Die Vorbereitung (Zielgruppe, Einladungsmodus, Kundenkartei, Zuständigkeitsgerangel) oder die Nachbereitung (Nachfassen, Feedback-System, Folgeangebote) sind unzureichend.
–– Die Maßnahmen zur Akquiseförderung während der Veranstaltung sind nicht
ausreichend, falsch gewählt oder ungeschickt präsentiert.
–– Die Kausalität zwischen Mandantenveranstaltung und Akquise wird nicht
schlüssig dokumentiert.
Jeder Veranstalter von Mandantenveranstaltungen gibt an, neue Mandanten gewinnen und ehemalige Mandanten binden zu wollen. Jedoch auf die Frage: „Wodurch
genau leiten Sie während der Veranstaltung die Akquise ein?“ gibt es kaum mehr als
ein Schulterzucken oder eine Bemerkung über Small Talk und „kostenlose Häppchen“.
Ein externer Beobachter kann dadurch den Eindruck gewinnen, aus Sicht der
Veranstalter sei Akquise bereits gelungen, wenn Nicht-Mandanten die Kanzlei betreten. Zuverlässig bindende Aktionen sind während oder nach der Veranstaltung
nicht in relevantem Ausmaß feststellbar.
1
Tipp
Mandantenveranstaltungen sind nur teuer, wenn sie unzureichend für die Akquise genutzt werden!
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II. Vom Euro-Grab zur Investition – Ihre Mandanten-Events 183
3. K
anzleien nutzen eigene Mandantenveranstaltungen erfolgreich zur
Mandantenbindung
Von größeren Erfolgen berichten Anwälte dagegen bei der Ausweitung bisheriger
Aufträge („Cross-Selling“)8 und bei der Bindung derzeitiger und ehemaliger Mandanten an ihre Kanzlei mit Hilfe von Mandanten-Events. Durch solche Veranstaltungen werden erfolgreich9
–– bestehende Mandatsverhältnisse intensiviert,
–– ehemalige Mandanten an die Kanzlei gebunden,
–– weitere Mandatierungen langfristig vorbereitet,
–– „Weitertratschquoten“ erhöht.
Dieser Effekt tritt offensichtlich auch dann ein, wenn keine besonderen AkquiseVorkehrungen während der Veranstaltung getroffen wurden. Der Grund liegt auf der
Hand: Mandanten, die bereits ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Anwalt haben,
sind ausreichend ansprechbar durch den Inhalt einer solchen Veranstaltung. Sie
machen sich weitere Rechtsberatungsbedarfe häufig eigenständig bewusst, freuen
sich über jede Einladung in die „Kanzlei ihres Vertrauens“, entwickeln ein manchmal fast familiäres Zugehörigkeitsgefühl zur Kanzlei und – damit immer verbunden
– ein gewaltiges Multiplikatorenpotenzial. Sie bringen oft weitere interessante
Gäste mit und benötigen keine weiteren vertrauensbildenden Maßnahmen durch
„ihren“ Anwalt.
Falls das erste Mandat in der Sache erfolgreich und im Kontakt mit dem Anwalt
persönlich zufriedenstellend war, geht das Vertrauensverhältnis sogar auf die
ganze Kanzlei über. Das heißt: auch für das nächsten Mandat heuert dieser Mandant
dieselbe Kanzlei wieder an.
Dasselbe gilt für so genannte Referenzkunden, die durch den ehemaligen Mandanten über die Leistungen des Anwalts erfahren haben. Solche Referenzkunden sind
leicht zu führen und leicht zu beeindrucken. Sie haben bei ihrer ersten Begegnung
mit dem Anwalt bzw. mit der Kanzlei bereits ein „geerbtes Vertrauensverhältnis“
zu ihm und bewerten daher alles, was von dieser Kanzlei kommt, zunächst als positiv.
Zwar können langweilige Präsentationen, arrogante Auftritte oder unverständliches Vokabular während der Mandantenveranstaltung theoretisch auch
solche Mandanten abschrecken, doch müsste da schon vieles zusammen kommen:
Das Vertrauensverhältnis zu einem Anwalt ist normalerweise stärker als dessen
Fehler, Tagesform oder Sprache. In dieser Konstellation wird vieles verziehen.
8 Vgl. das Kapitel „Cross-Selling“.
9 Durch Mandantenbefragungen wissen Kanzleien, was den Ausschlag gab für eine erneute Mandatierung. Vorträge und Seminare nach dem ersten Mandat werden dort überdurchschnittlich häufig
genannt, fast so häufig wie das originäre Vertrauensverhältnis zum Anwalt. Vgl. dazu das Kapitel
„Leistungs-Feedback“.
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184 In-house Veranstaltungen
4. Kanzleien delegieren die gesamte Organisation an Profis
Großkanzleien mit eigenem Eventmanagement oder einer leistungsfähigen ClientRelationship-Abteilung schaffen die Organisation von Mandantenveranstaltungen
gut aus eigener Kraft und haben den psychologischen Vorteil, eigene Leistungen
zusammen mit den eigenen Räumlichkeiten zu präsentieren. In passenden,
repräsentativen Räumlichkeiten mit der notwendigen technischen Ausstattung und
einem erfahrenen Haus-Catering-Service (der mit Sonderpreisen lockt!), entsteht bisweilen ein Heimatgefühl bei stolzen Gastgebern und neugierigen Gästen.
Der Werbespot „Dachterrasse mit weißen Sonnenschirmen an lauem Sommerabend“ dokumentiert eine solche Heimat ebenso wie: „Pechschwarze Nacht, Regen
prasselt an die Fenster, und drinnen sind Kerzen und leise Lounge-Musik zum Ausklang“. Legen Sie es auf das Erzeugen von Heimatgefühl an!
In einer Kanzlei spielt der Seniorpartner nach der Veranstaltung vor dem Rest
der Gäste (die das schon kennen) manchmal selbst Klavier vor traumhafter Kulisse
„Fluss mit Schiff“. In einer anderen Kanzlei bedeutet Heimat 26 HandwerkerMeister in karierten Hemden, großes Gelächter nach dem Vortrag, frisch gezapftes
Bier, man kennt und mag sich, man hilft sich und sagt manchmal „Gerd“ zu seinem
Anwalt.
Doch nicht immer finden Mandantenveranstaltungen in der Kanzlei statt. In
kleinen Kanzleien fehlen die passenden Räumlichkeiten, in mittelgroßen die repräsentative Ausstattung und in größeren die besondere Atmosphäre.
In vielen Kanzleien fehlen vor allem die professionellen Organisatoren für ein
solches Event. Diese Kanzleien übernehmen sich und binden gewaltige Ressourcen
– besonders in der Einladungs- und direkt vor der Durchführungsphase.
Direkt vor dem Event ist eine graugesichtige Streitbereitschaft zu beobachten:
unklare oder komplett fehlende Zuständigkeiten sowie Reibereien im Ablauf sorgen
für schlechte Laune und Erschöpfung. Der Hauptgrund ist, dass Anwälte nicht den
Mut haben, die komplette Organisation an einen einzigen Kanzleimitarbeiter
federführend zu übertragen, der dazu richtig Lust hat und dem alle anderen dann
gehorchen müssen.
Bis es so weit ist, bietet für viele Kanzleien ein neutraler Ort für Mandantenveranstaltungen gewichtige Vorteile. Sie können sich als Veranstalter nur um Ihre
Gäste kümmern – und nicht um deren leere Gläser, besondere Essenswünsche oder
Ausfahrtickets.
–– Die Kanzlei-Mitarbeiter kümmern sich im Vorfeld der Veranstaltung nur noch
um die Kontrolle der Vorgaben für das Hotel (einen einzigen Mitarbeiter dafür
abstellen und verantwortlich machen!) und um das Einladungsmanagement:
Einladungen versenden, Zusagen bestätigen, ggf. Hotelzimmer buchen, Einladungslisten und Namensschilder machen (manche Hotels bieten auch das an!),
Absagen per E-Mail bedauern etc. Der Rest ist in professionellen Händen. Lau-
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II. Vom Euro-Grab zur Investition – Ihre Mandanten-Events 185
fende Arbeiten in der Kanzlei sind wenig beeinträchtigt, die gute Laune ist gesichert, Reibereien werden vermieden.
Nicht-Mandanten kommen lieber an einen neutralen Ort als in die Kanzlei
Unbekannter – und auf neue Mandanten zielen gut gemachte Veranstaltungen
hauptsächlich ab.
Mit der Organisation (Raum, Klima, Licht, Ton, Musik, Technik, Essen, Trinken,
Service für Sonderwünsche, Dekoration, Behindertenzugänge, Parkplätze,
Erreichbarkeit) geht auch die gesamte Verantwortung für die hindernisfreie
Durchführung der Veranstaltung auf Profis eines Hotels mit gutem Bankettservice über. Alles Notwendige können Sie vorher kritisch testen und teilweise
beeinflussen. Mit Aufräumen haben Sie gar nichts zu tun, und jedes kaputte Glas
wird von fremden Engelshänden weggefegt.
Kanzleiräume sind nicht immer geeignet. Neutrale Orte bieten Ihren Kunden
und Ihnen Ruhe, Wald, Wasser, Design, spektakuläre Aussichten, eine attraktive Geschichte, ausreichende Raumgrößen, geeignete Technik, einen gewissen
exklusiven Touch, Getränke- und Essensservice mit professionellen Kellnern,
Parkplätze, eine gemütliche Raucherlounge für die Zeit nach dem Event und
alles, was Ihnen in der Kanzlei sonst noch fehlt.
Anwälte berichten von einem doppelten psychologischen Effekt. Für sie selbst
tritt eine gewisse Selbst-Belohnung ein, wenn sie schöne Räume und eine entspannende Organisation mieten: „Das haben wir uns verdient“. Der Gast rezipiert
dasselbe Bonussystem als Wertschätzung: „Donnerwetter, was die uns bieten“!
Externe Redner können gleich dort übernachten, sich frisch machen und haben
einen Rückzugsort.
Besonders kleine Kanzleien können sich zusammenschließen und gemeinsame
Veranstaltungen an neutralen Orten veranstalten. Sie machen auf diese Weise
eine Kooperation öffentlich, die ihnen für die Akquise langfristig dient! Sie
verhundertfachen durch ein einziges, gut geplantes Event ihre Marktwahrnehmung und dritteln zugleich ihre Kosten. Solche Kooperationen waren schon
Beginn großer Netzwerke.
Die Kanzleiräume sind am nächsten Tag wieder hindernisfrei benutzbar; keine
Gerüche, keine Beschädigungen, keine großen blauen Müllsäcke am nächsten
Morgen im Empfangsbereich.
Sogar für Standorteröffnungen wählen Kanzleien neutrale Orte. Eigentlich
möchten sie ihre neuen Räume der Öffentlichkeit zeigen, doch stehen stärkere
Imagegründe dagegen: „Wir wollten unbedingt als erste ins neue Automuseum
und die spektakuläre Aussicht dort zeigen“ oder: „Unser Aufzug wird nicht fertig
bis dahin“ oder „Wenn wirklich 150 kommen, überlastet das unsere Kapazitäten.
Das ist auch keine gute Werbung für uns!“
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186 1
In-house Veranstaltungen
Best Practice
Mandantenveranstaltungen sind zentraler Bestandteil im strategischen Marketing unserer Steuerkanzlei. Wir veranstalten sie schon seit 2004 mehrfach im Jahr und wissen durch Mandantenumfragen, dass sie sowohl bestehende Mandanten pflegen als auch neue Mandanten zu uns
bringen. Wir achten dabei immer auf ein brandaktuelles Thema und kündigen das regelmäßig
mit praktischem Vokabular an (z. B. im Jahr 2010 „BilMoG – Praktische Umsetzung der neuen
Bilanzierungs- und Buchführungsregeln“). Wir arbeiten gern mit externen Referenten zusammen,
deren Name „zieht“ und wählen immer ein ansprechendes Hotel mit professionellem Bankett,
großzügigem Parkplatz, hellem Seminarraum und einem Service für das ganze Drumherum. Die
Kosten schätzen wir pro Veranstaltung bei 120 Gästen incl. Flyergestaltung (Grafikbüro), Flyerversendung per E-Mail und Post, Einladungsmanagement unserer Sekretariate, Essen, Trinken,
Raummiete etc. auf € 5.000–€ 7.000 in Regensburg, in München auf mehr. Wir sind dazu übergegangen, fast nur noch in neutrale Orte einzuladen, denn wir stellten insbesondere bei Nichtmandanten und Personen aus Institutionen eine gewisse Scheu fest, eine unbekannte Steuerkanzlei
zu betreten. Neukunden gelangen hauptsächlich durch Weiterempfehlung zu uns und kommen
gern wieder. Unser Feedback ist immer gut. Wir sammeln es – zusammen mit weiterführenden
Wünschen unserer Gäste – immer direkt nach der Veranstaltung ein und bedanken uns schriftlich
per E-Mail bei unseren Gästen. Wir betrachten diese Marketingmethode als eine Investition in
unsere Reputation. Unsere Mandanten honorieren das. Eine gleich teure anonyme Werbung über
Anzeigen, bei der wir den Interessenten nicht persönlich begegnen, kann da nicht annähernd
mithalten.
Steuerberater Gerhard Wagner, Regensburg, SH+C Wagner Winkler & Collegen GmbH Steuerberatungsgesellschaft, Tel.: 0941-58613-0
5. Weitere Zahlen und Fakten10 zu In-house Events für Mandanten
Nicht nur die gefürchteten Kosten und die erhofften Nutzen von Mandantenveranstaltungen heizen die Debatte über Sinn und Unsinn solcher Events an. Auch ganz
andere Faktoren spielen eine Rolle. Der Prozentsatz jener Anwälte, die regelmäßig
Mandanten-Events durchführen, variierte im Befragungszeitraum 2009–2011 nach:
■■ Geschlecht
Es veranstalteten signifikant mehr Männer (Anwälte: 14,2 %) Mandanten-Events als
Frauen (Anwältinnen 8,7 %), was möglicherweise eher auf die statistisch häufigere
Zugehörigkeit von Männern zu Großkanzleien zurückzuführen sein dürfte als auf
das Geschlecht (Arbeitshypothese).
10 Die ersten vier Punkte sind zusammen gefasst nach: SOLDAN Institut; Kilian: „Wirksamkeit anwaltlicher Marketingmaßnahmen – Eine empirische Untersuchung zur Unternehmenskommunikation von Anwaltskanzleien“ (2011), Band 6, S. 67. Befragt wurden nach Zufallskriterien 707 deutsche
Anwälte jeder Kanzleigröße. Eine Zusammenfassung zweier Tabellen aus dieser Studie finden Sie im
Kapitel „Kanzleimarketing“.
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III. Vom total Tabu zur Lieblingslösung: Acht Akquise-Tipps für Ihre Mandantenevents 187
Alter
Ebenso fällt auf, dass Berufsträger im Alter von 36–50 Jahren deutlich häufiger (16,5 %)
solche Events durchführen als Personen geringeren Alters (5,4 %) und geringfügig häufiger als Anwälte ab 50 Jahren (11,4 %). Das wiederum könnte zurückgeführt werden
auf hohe Investitionskosten, die ein junger Anwalt noch nicht einsetzen möchte.
■■ Mandantenstruktur
29 % der Kanzleien mit überwiegend (91–100 %) gewerblicher Mandantschaft veranstalten regelmäßige Mandanten-Events, während nur 9 % der Kanzleien mit einem
hauptsächlich privaten Mandantenstamm (unter 30 % gewerblich) Gastgeber sind.
Das kann damit zusammen hängen, dass während der Events Geschäftskontakte
leicht zu pflegen und zu intensivieren sind, während die Schwierigkeit der Gestaltung von Mandanten-Events mit dem Grad der Heterogenität ihres Publikums steigt.
■■ Spezialisierung
Anwälte, die auf Rechtsgebiete spezialisiert sind (Selbsteinschätzung), veranstalten In-house-Events seltener (13 %) als Kollegen, die auf Zielgruppen und Branchen
spezialisiert sind (18,9 %). Beide Gruppen sind deutlich häufiger Gastgeber als
Generalisten (9,2 %).
■■ Budgetierung
Von 75 in einer anderen Studie11 befragten TOP Kanzleien hatten über die Hälfte einen
Posten im Marketing-Budget für diese Veranstaltungen reserviert, 15 davon verfügten sogar über einen Etat ausschließlich für Mandantenseminare.
■■
III. V
om total Tabu zur Lieblingslösung: Acht Akquise-Tipps
für Ihre MandanteneventsIII.
In-house-Veranstaltungen (natürlich gehören auch solche in Hotels dazu, wenn Sie
selbst der Veranstalter sind!) sind reine Geldvernichter, wenn sie nicht oder nicht
ausreichend oft die Akquise neuer Mandanten nach sich ziehen. Und selbst die
Bindungswirkung für bestehende Mandanten kann in den meisten Kanzleien in
zweierlei Hinsicht noch optimiert werden. Überprüfen Sie kritisch
–– Ihr Denken/Verhalten: Beheben Sie zeitnah teure „Verhaltensfehler“ vor dem
In-house Event.
–– Ihre Organisation: Beherzigen Sie 15 organisatorische Tipps für eine stabile
„Eventarchitektur“.
Ersetzen Sie unvorteilhafte Denk-, Verhaltens- oder Organisationsmuster durch
die hier beschriebenen, vielfach erprobten Lösungen. Machen Sie aus Ihrer Geldausgabe eine Investition mit hoher Rendite – und wagen Sie zügig die wenigen Schritte
vom total Tabu zur Lieblingslösung:
11 Schieblon, 3. PMN Benchmark Studie Anwaltsmarketing Juli 2011, S. 25. Ergebnis einer Befragung von 75 TOP Kanzleien – nach Ranking in JUVE Rechtsmarkt 10/2010, S. 88.
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188 In-house Veranstaltungen
1. Verändern Sie Ihre eigene Sicht auf Ihre Veranstaltungen
Tabu: Anwälte sehen ihre eigenen In-house Events als marktübliche Pflicht, als
coole Party oder als reinen Wissenstransfer: Hauptsache, wir haben auch endlich so
was. Hauptsache, alle amüsieren sich. Hauptsache, die Veranstaltung ist gut besucht.
Hauptsache, wir zeigen unsere neuen Kanzleiräume. Hauptsache, der Inhalt bringt
unsere Gäste weiter. Wenn Ihre Mandantenveranstaltungen nur Spaß gemacht, viele
Gäste angelockt oder ein aktuelles Thema als erster auf die Bühne gebracht haben,
haben sie einen Grundstein für ein tolles Haus gelegt, das allerdings noch nicht
bewohnbar ist.
Ein kapitaler (übrigens typisch anwaltlicher) Denkfehler sieht die eigene Veranstaltung am Ende eines Weges, obwohl sie erst der Anfang davon ist.
1
Tipp
Lösung: Mandantenveranstaltungen sind nicht das Ziel, sondern eine der vielen Methoden auf dem
Weg zum Ziel!
Glücklicherweise geht die Lösung dort los, wo auch das Problem entsteht: im AnwaltsKopf. Dort kann der Veranstalter sofort selbst etwas ändern. Ruhen Sie nicht, bis Sie
nachweisbar durch Ihre Veranstaltungen akquirieren! Denken führt zum Lenken!
Mandantenveranstaltungen sind erst dann erfolgreich, wenn sie multi- oder sogar
monokausal zu Mandantenbindung oder zu nachgewiesener Neu-Akquise führen.
Jeder Ihrer Gäste dokumentiert bereits durch sein Erscheinen ein gewisses Interesse an Ihnen, Ihrem Thema, Ihrem Rechtsgebiet, Ihrer Kanzlei, einem ansprechenden Feierabend oder vielleicht einfach nur an Abwechslung! Egal, was er braucht,
er bekommt es bei Ihnen!
1
Tipp
Geben Sie nicht auf! Sie werden nicht sofort Neumandanten gewinnen durch Mandantenveranstaltungen. Geben Sie sich, Ihrer Idee und Ihren Gästen Zeit. Korrigieren Sie bisherige Fehler sofort! Setzen
Sie Ihre Events erst ab, wenn Sie alle Tipps aus diesem Kapitel erfolglos umgesetzt haben.
2. Organisieren Sie jedes Detail
Tabu:12 Unklare Zielgruppe, unsortierte Einladungslisten, lückenhafte Kundenkartei, Kompetenz- bzw. Standortgerangel während der Einladungsphase, 2000 Einladungskarten per Post an Unbekannte versenden (landen alle im Müll, wenn das nicht
12 Die Autorin ist regelmäßig Gast anwaltlicher In-house Veranstaltungen. Die gesamte Aufzählung
ist selbst erlebt. Schon die Behebung einzelner Punkte bringt Leben in die Veranstaltung!
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III. Vom total Tabu zur Lieblingslösung: Acht Akquise-Tipps für Ihre Mandantenevents 189
telefonisch angekündigt wird), verbindliche Zusagen nicht verlangt, keine oder unzuverlässige Bestätigungspolitik der Zusagen, klägliche Adressermittlung bzw. -verwaltung neuer Interessenten, unzureichende oder fehlende Presse, zu wenig Werbung
bzw. Cold Calls13 im Vorfeld, nur derzeitige Mandanten einladen, schlecht oder gar
nicht designte Einladungskarten, langweiliger Titel, kein Nutzen bekannt gegeben,
Thema nicht aktuell, Zielgruppe verfehlt, Vortrag zu lang(-weilig) oder zu (wenig)
speziell, mundfaule bzw. gleichgültig wirkende bzw. zu wenig Gastgeber, Gastgeber
in Grüppchen ohne Gast(!), Anwaltsassistentinnen als Kellnerinnen, zu wenig Parkplätze, schlechte Ausschilderung, kein Licht unten im Foyer, Fahrstuhl geht nicht,
zu wenig oder zu schlechtes oder zu kompliziertes Essen, alkoholisierte Anwälte,
kein bzw. kein herzlicher Empfang, taktisch unkluge Veranstaltungszeiten, Toiletten
nicht frisch, Anwälte overdressed, keine Anwältinnen während des Events, Krach
von einer Baustelle, automatische Heizung (ab 20.30 Uhr kalte Räume), Eintrittsgebühren, schlechte Technik, geniale Rockband vier Stunden lang ohne Applaus vor
leerer Tanzfläche bei 150 Gästen, ungeeignete Räume, ungefragt Fotos machen bzw.
Fotos ungefragt veröffentlichen, beklagenswerte Redner, grotesk zugemüllte Folien,
Senior spielt sich in den Vordergrund, Small Talk14 fehlt bzw. kommt zu zaghaft, zu
stürmisch oder zu schleimig an, Fachgespräche mit bestehenden Mandanten, Dialogfalle15, fehlende oder unleserliche Namenschilder, Verstoß gegen Schweigepflicht
(Mandanten andere Namensschilder als Nicht-Mandanten), fehlende FeedbackSysteme am Schluss, Materialien der Kanzlei fehlen (Liste nächster Vorträge, Broschüren, Visitenkarten etc.), Volltext des Vortrags fehlt, (Super-GAU: der Volltext des
Vortrags ist auf den Folien), regelmäßige Mandantenbefragungen fehlen oder listen
nicht die Wirkung dieser Events.
Tipp
Lösung: Investieren Sie in die Vorbereitungszeit und kürzen Sie die Veranstaltung – nicht umgekehrt!
75 % Ihrer Mandantenveranstaltung ist Organisation, die Ihre Gäste im besten Fall gar
nicht bemerken, denn die gefühlte Leichtigkeit einer In-house Veranstaltung steigt
proportional zur Akribie der vorbereitenden Organisation. Unerlässlich also,
dass alles perfekt geplant und perfekt durchgeführt wird: Sie beweisen dem Mandanten und allen anderen Gästen, dass nicht nur rechtliche Kompetenz Vertrauen
schafft.
Gut designte Mandantenveranstaltungen lassen niemanden gleichgültig; ihre
Gäste schwärmen manchmal noch Jahre später. Kleine Optimierungen in den o.a.
Punkten bewirken schon große Verbesserungen; die wichtigsten aber folgen nun.
13 Siehe „Cold Calls“ (=unverlangte Anrufe) im Kapitel „Telefonakquise“.
14 Vgl. das Kapitel „Small Talk“.
15 Dialogfalle = ein Gastgeber redet lange nur mit einem Gast.
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190 In-house Veranstaltungen
3. Schwören Sie Ihr Team ein
Tabu: Gästegruppen ohne Anwalt und Anwaltsgruppen ohne Gast!
Dieses unfassbare Gastgeber-Verhalten ist immer noch regelmäßiger Begleiter
anwaltlicher In-house Events. Kaum eine Inszenierung wirkt selbstgefälliger und
aus Mandantensicht arroganter als dieses Verhalten. Es scheint abgeschaut vom
Kaufhauspersonal in den achtziger Jahren, das sich darin gefiel, in Gruppen herumzustehen und Wichtigeres zu veranstalten als die Kundenpflege: „Der Kunde steht bei
uns im Mittelpunkt – nämlich immer im Weg!“ Dieses Verhalten ist der Garant für den
Eindruck von Gleichgültigkeit und Egozentrik.
1
Tipp
Lösung: Jeder Kanzleimitarbeiter ist an diesem Abend gleichrangiger Gastgeber.
Er geht pro-aktiv auf die Gäste zu, begrüßt sie schon am Eingang, zeigt ihnen die
Kanzlei, erläutert die Auswahl des Weins, fragt nach weiteren Wünschen, verwickelt
alle Gäste gekonnt in Small Talk, holt Getränke, Broschüren und bei Bedarf auch
Kollegen, er stellt seine Gesprächspartner weiteren Gästen und Kollegen vor und ist
ständig mit den Augen, Ohren und seiner ganzen Empathie beim Gast. Er meidet
Gespräche mit Kollegen, denn die sind ebenfalls für das Verwöhnen der Gäste eingeteilt! Gastgeber- und Gästeschilder sind alle gut lesbar. Dadurch können Sie sich
– bei geäußertem Interesse Ihres Gesprächspartners – rasch dessen Namen notieren
und am nächsten Tag einen „kleinen, frischen Aufsatz“16 per E-Mail übersenden.
Jede Aktion dient einem einzigen Zweck: jedem Besucher „eine Brücke zu bauen“
– zu Ihrem Haus, Ihren Kompetenzen, Ihrem Nutzen für den Gast.
4. Wählen Sie begeisternde Präsentatoren17
Tabu: Der Präsentator langweilt die Gäste.
Er redet in Fachsprache, schwurmeligen Bandwurmsätzen, verschweigt dem
Publikum den Nutzen, wirkt ängstlich, arrogant, unstrukturiert oder gar selbst
gelangweilt, tappt wiederholt in die „Dialogfalle“, reißt die Zuhörer nicht mit oder
geht zum Lachen in den Keller.
1
Tipp
Lösung: Lassen Sie nur gute (Kanzlei-) Präsentatoren auf die Bühne!
16 Siehe „Kleiner, frischer Aufsatz“ – im Kapitel „Telefonakquise“.
17 Vgl. das Kapitel „Vorträge“ mit zahllosen Tipps zum Optimieren Ihrer Vorträge.
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III. Vom total Tabu zur Lieblingslösung: Acht Akquise-Tipps für Ihre Mandantenevents 191
Trainieren Sie sich, wählen Sie aus eigenen Reihen ein Naturtalent oder engagieren
Sie einen externen Redner! Alles an der Präsentation ist lernbar, nur der Wille nicht.
Die Gäste haben einen Anspruch auf einen nützlichen, herzlichen und begeisternden Abend.
Der Redner liefert einen schwungvollen, alltagstauglichen und verständlichen Fach-Vortrag nicht über eine Stunde ab, zurückhaltend visualisiert, eingeleitet
durch den Nutzen für die Hörer, vorgetragen in deren Sprache – und niemals langweilig! Er erklärt Schwieriges in einfacher Sprache (nicht umgekehrt!) und lacht
mit seinen Gästen. Er merkt sich, wer was gesagt hat und jongliert damit. Er verwendet Beispiele aus dem Erfahrungsbereich der Zuhörer und bedient deren Werte. Er
schafft zukünftigen Bedarf und erweitert den derzeitigen. Er akquiriert durch Perspektivwechsel18 und strukturiert durch das Brecht’sche Theater.19 Er aktiviert
Gehirne durch rhetorische Fragen und das gesamte Publikum durch die Dialogisierung seines Monologs.
Der Volltext des Vortrags (die Folien enthalten nur Stichpunkte!) wird in Kanzleiordnern abgeheftet als Gastgeschenk am Ausgang überreicht.
Beispiel
Ganz genial wirkte – sicher auch wegen des Überraschungseffekts – ein völlig reduzierter, in einfachster Sprache gehaltener, absolut unvisualisierter, 30-minütiger, leise vorgetragener Blitzvortrag
über ein komplexes Thema (Titel: „Unternehmensnachfolge – ein Märchen wird wahr“). Der Referent
saß, ohne Unterlagen, auf einem Barhocker, lächelte in die Runde, sah alle an und stand nicht auf.
Neben ihm – einziger Raumschmuck – ein riesiger Blumenstrauß. Vor ihm um einen Tisch (U-Form)
15 Zuhörer, Licht gedämpft, alle hatten nur einen Schreibblock und Kuli der Kanzlei bekommen und
schrieben mit. Es war 30 Minuten lang totenstill. Jeder Satz saß.
Die ersten lauteten: „Es war einmal ein Familienunternehmer namens Wanne. Er hatte drei ehrgeizige Kinder. Die älteste hieß Marlen. Der zweite hieß Stephan... Wanne wollte immer nur Brot
backen. Das hatte er von seiner Mutter...“
Der Referent erzählte eine rechtlich komplexe Übergabesituation und ihre Lösung wie ein
Märchen für siebenjährige Kinder, und alle hörten gebannt zu, notierten ihre Fragen und verglichen
dabei ihre eigene Situation. Nach der Pause begann der zweite Teil des Vortrags (1,5 Stunden statt der
geplanten 45 Minuten). Er bestand aus umso lebhafteren Fragen mit sehr klaren Antworten! Während
dieses Hauptteils saßen alle wieder am Tisch, auch der Referent; alle aßen und tranken.
Alle seine Antworten waren bereits Bestandteil des Skripts, das am Ausgang in Volltext bereit
lag, eingeheftet zusammen mit der Übersicht über weitere „Märchenstunden“ in einen sehr schönen
Kanzleiordner.
18 Vgl. zum „Perspektivwechsel“ das Kapitel „Durchsetzung“.
19 Siehe zum „Brecht’schen Theater“ das Kapitel „Durchsetzung“.
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192 In-house Veranstaltungen
5. Verpflichten Sie ein Gastgeber-Team für die Akquisephase nach dem Vortrag
Tabu: Der Präsentator ist mit den Gästen allein nach dem Seminar.
Der Vortrag ist beendet, die Gäste machen sich über die Snacks und die Getränke
her. Der Präsentator wähnt seinen „Arbeitstag endlich beendet“ und steuert auf einen
A-Mandanten zu, den er beglückt in ein Fachgespräch verwickelt und über dessen
Anwesenheit er persönlich geehrt ist. 80 % der Anwesenden bekommen den wichtigsten Grund ihrer Anwesenheit weder aus der Nähe zu sehen noch zu Nachfragen zu
hören: den Vortragenden.
1
Tipp
Lösung: Stellen Sie zu jedem Event ein für die Akquise verantwortliches Gastgeber-Team zusammen!
Dieses hat – unabhängig von allen formellen Hierarchien untereinander (!) – an
diesem Abend nur eine einzige, gleichrangige Aufgabe: alle Gäste bei Laune zu
halten, in Gespräche zu verwickeln und zu beheimaten, kurz sie müssen gute Gastgeber sein. Wählen Sie Ihr Gastgeber-Team nach eher ungewöhnlichen Kriterien
aus: Dies ist die große Stunde Ihrer Plaudertaschen, Small Talk-Freaks, Fragekönige,
Kontakter, Akquisiteure, Telefonverhandler und Dialogakrobaten.
Nehmen Sie unbedingt sprachbegabte Assistentinnen in dieses Team auf,
denn das spätere Mandat bindet sie ja auch zentral ein. Sie sollte sich allerdings selbst
zutrauen, alleine drei Mandanten an einem Stehtisch durch Small Talk zu unterhalten.
Beachten Sie: Allen, auch dem Seniorpartner(!), ist an dem Abend die anwaltstypische „Dialogfalle“20 verboten. Die Assistentin aus der Buchhaltung und er treten
gleichrangig und gemeinsam als Gastgeber auf.
Falls sich beide dieser vorüber gehenden Hierarchie-Auflösung noch nicht gewachsen sehen, sollten sie es lernen wollen! Und: keine Angst, am nächsten Morgen
ist alles wieder im Lot!
1
Tipp
Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance!
6. Üben Sie die „Staffelübergabe“
Tabu: Der Vortragende des Abends hält seinen Auftritt nach seinem Vortrag für beendet.
An fünf Stehtischen mit je vier Gästen warten die Gäste vergeblich auf den
„informellen Führer“ des Abends. Der erholt sich von seinem Vortrag, trinkt Bier
20 „Dialogfalle“ = ausschließlich mit einer Person über viele Details sprechen.
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III. Vom total Tabu zur Lieblingslösung: Acht Akquise-Tipps für Ihre Mandantenevents 193
und lacht in der Ecke mit einigen Kollegen und zwei Mandanten. Weitere Kollegen
sind nicht anwesend bzw. kümmern sich ebenfalls nicht um das Publikum und um
die Präsentation ihrer fachlichen und dialogischen Kompetenzen. Der Feierabend
ist wichtiger als der Gast.
Tipp
Lösung: Das Gastgeberteam ist verantwortlich für die „Staffelübergabe“.
Die Aufgabe des Vortragenden beginnt erst nach dem eigentlichen Vortrag:
Der begehrteste Gesprächspartner des Abends ist der Redner. Er ist „informeller
Führer“21 und „Klassensprecher“ seines Teams. Er ist Inhaber jenes Fachwissens, das
die Besucher angelockt hat. Er ist an dem Abend prominentester Repräsentant der
Kanzlei und damit der begehrteste aller Gesprächspartner, übrigens auch begehrter als der Seniorpartner.
Er spielt an dem Abend die Hauptrolle im Akquise-Film und wird von allen
unterstützt: Regisseur, Set-Designer, Cutter, Make-Up Artist, Requisiteur, Kostümbildner, Produktionsfirma und viele Statisten... Das gesamte Filmteam unterstützt ihn
dabei, mit jedem Gast kurz zu sprechen.
An vier Stehtischen sind im Ganzen noch 18 Personen, davon sechs Mandanten
in spe, der Rest Mandanten inkl. zweier privater Begleiter. Jeder hat zu essen und zu
trinken. Angeregtes Geplauder. Die Anzahl der Gastgeber ist genau so groß wie die
Anzahl der Stehtische; an jedem Stehtisch unterhält ein Kanzleimitglied die Gäste.
Der Vortragende taucht an jedem der vier Stehtische kurz auf, liefert Small Talk,
fasst sich inhaltlich kurz, notiert ggf. Fragen, nimmt Visitenkarten entgegen, merkt
sich Namen und geht weiter zum nächsten Tisch. Alle Kollegen an den Stehtischen
haben eine hauptsächlich taktische Funktion: Sie ermöglichen ihm die elegante Staffelübergabe bei diesem Rundgang.
Geschickt und zurückhaltend schaffen es manche Kollegen, während des Small
Talk kleine Andeutungen über ihr eigenes Rechtsgebiet zu machen, wodurch sich
am Stehtisch Interesse auch daran entwickelt. In vielen Kanzleien ist das Rechtsgebiet des Anwalts gut auf dessen Namensschild lesbar. Das löst sofort Diskussionen
und Interesse aus.
Der Präsentator vermeidet lange Gespräche mit jenen Gästen, die er bereits kennt.
Er kann sie am nächsten Tag anrufen und sich persönlich für ihren Besuch bedanken.
Durch eine gelungene „Staffelübergabe“ lernt jeder Gast mehrere aufmerksame
Gastgeber, lohnende Rechtsgebiete sowie selbstbewusste Kanzleimitarbeiter in
einem großartigen Team kennen.
21 „Der „informelle Führer“ ist Inhaber und Transporteur bestimmter Informationen, ohne unbedingt Chef („formeller Führer“) zu sein. Nach dem Business Knigge wird der informelle Führer sogar
vor dem formellen Führer begrüßt.
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194 In-house Veranstaltungen
Im folgenden Beispiel macht eine Kanzlei deutlich, wie sie durch die „Staffelübergabe“ nach dem eigentlichen Vortrag akquiriert:
5
Best Practice
Die Referentin des heutigen Abends, Frau Rechtsanwältin Dr. Jordan22 (Arbeitsrecht), nähert sich –
vier Minuten nach Ende ihres Vortrags – einem der vier Stehtische. Ihr Kollege Rechtsanwalt Dr. Bernd
(Immobilienrecht) redet dort mit Gästen über die Staus auf der A8. Er signalisiert ihr durch Blickkontakt dass er sie gleich an seinen Tisch holt.
Rechtsanwalt Bernd wartet auf eine günstige Gelegenheit, tritt etwas vom Tisch zurück, während
sie heran schlendert und auf ihren Einsatz wartet. Durch eine einladende Geste mit dem Arm und den
Worten: „Da ist unsere Vortragende“ lädt er sie in die Runde ein. Er stellt ihr die Gäste namentlich vor,
denn alle Namensschilder der Gäste sind ebenso gut sichtbar wie sein eigenes.
Fast immer werden in diesem Augenblick ein schnelles Feedback (manchmal auch erfrischend
oberflächlich: „Cooler Vortrag!“) oder auch inhaltliche Nachfragen zum Vortrag oder zu weiteren
rechtlichen Fragen kurz erörtert. Im letzten Fall macht die Referentin Notizen über ihre Rückrufe
„schon in der kommenden Woche“. Wenn sie das zurückhaltend anbietet, erhält sie einige Visitenkarten von Interessenten.
Falls keiner der Gäste eine inhaltliche Frage zum Vortrag stellt, bietet Dr. Bernd sofort eine
„Andockstation“:23 „Wir ärgern uns gerade über die Staus auf der A8“ und erweitert den Radius
unverzüglich zu ihr: „Ich glaube, von diesen Staus sind Sie auch ab und zu betroffen oder?“ Sobald
sie in den Small Talk integriert ist, hält er sich zurück. Erst wenn sie sich anschickt, zum nächsten
Tisch zu gehen und sich verabschiedet durch: „Sie erlauben, dass ich noch andere Gäste begrüße und
ich freue mich, Sie nachher wieder zu sehen“ wird Dr. Bernd wieder aktiv und übernimmt das Small
Talk Thema erneut.
Rechtsanwältin Jordan geht zum nächsten Tisch und wird von der Kollegin Frau Rechtsanwältin
Bergmann (Familienrecht) auf dieselbe Weise in die nächste Runde und in das nächste Small Talk
Thema eingeführt. Auch Frau Bergmann sorgt dafür, dass sie den Tisch wieder verlassen kann, ohne
dass es die Gäste frustriert.
7. Richten Sie eine zuverlässige Möglichkeit für Feedback ein
Tabu: Die Kanzlei weiß nicht, wie ihre In-house Veranstaltungen ankommen und wie
viele Mandanten durch die Veranstaltungen mittelbar oder unmittelbar zu neuen
Mandanten geworden sind oder Anschlussmandate buchen.
22 Fantasienamen in diesem „Best Practice“. Die Kanzlei möchte nicht öffentlich genannt werden;
sie befürchtet einen Imageverlust durch einen zu „merklichen merkantilen Einschlag“ im Design
ihrer Veranstaltungen. Diese Kanzlei hat 14 Anwälte in vier Rechtsgebieten. Anwälte berichten, dass
sie die „Staffelübergabe“ auch zur Beförderung des „Cross-Selling“ verwenden, indem sie immer
mit Absicht Rechtsanwälte unterschiedlicher Rechtsgebiete an die Tische verteilen. Auch eine 
Assistentin ist fast immer dabei. Sie ist 26 Jahre alt (!), wird im Gegenzug für ihre 3–4 Veranstaltungsüberstunden pro Monat regelmäßig neu eingekleidet und leitet inzwischen allein den Empfang
der Kanzlei. Unnötig zu erwähnen, dass sie nie mehr krank wird.
23 „Andockstation“ = inhaltliche Erwähnung eines Small Talk relevanten Einstiegs in eine Gesprächsrunde.
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III. Vom total Tabu zur Lieblingslösung: Acht Akquise-Tipps für Ihre Mandantenevents 195
Sie richtet keine Möglichkeit des Feedbacks ein. Das Publikum wird dadurch zum
reinen Konsumenten, und die Kanzlei verzichtet auf sachkundige Optimierungsvorschläge!
Tipp
Lösung: Holen Sie direkt nach der Veranstaltung ein schriftliches, ausführliches Feedback ein.
1
Erstellen Sie ein Feedback-Formular in Ihren Farben mit wenig Wörtern, viel Platz
zum Eintragen und einer Rubrik für die Nichtmandanten (Adresse eintragen bei
Interesse, in die Einladungsliste bzw. Interessentenkartei24 aufgenommen zu werden)
und legen Sie es während der Veranstaltung aus. Sie holen Äußerungen über die
Wirkung Ihrer Veranstaltung und über Optimierungsmöglichkeiten derselben
sowie das Einverständnis der Gäste ein, weitere Einladungen bzw. den Newsletter
per E-Mail oder Post zu übersenden. Fragen Sie nach weiteren Wunschthemen.
Außerdem gehört zum Feedback die Möglichkeit, die Visitenkarte an den Bogen
anzuhängen (Büroklammern), durch Ankreuzen um einen Anruf zu bitten und in
einer freien Rubrik weitere Fragen, Kommentare und Wünsche zu notieren.
Kanzlei-Kugelschreiber, Visitenkarte und die Liste der nächsten Vorträge
liegen zum Mitnehmen daneben, eine Box mit der Aufschrift: „Feedback“ oder
„Ihre Anregungen“ garantiert Anonymität.
8. Üben Sie den verbalen Umgang mit Kanzleischwächen
Tabu: Die Anwälte geraten bei kritischen Äußerungen ihrer Gäste ins Schwimmen.
Sie wissen, nicht, welchen Namen der Gründungsvater der Kanzlei hat, wie viel
Arbeitsrechtler in Bayern zur Kanzlei gehören, ob es ein Büro in Stockholm gibt,
wieso sie in solchen kleinen Räumen residieren, dass sie – nachlesbar in der Presse –
neuerdings die X GmbH vertreten etc.
Tipp
Lösung: Üben Sie die Antworten auf Fragen im Achillesfersen-Bereich unbedingt ein!
Solche Antworten sind schwierig, wenn sie nicht zuvor geübt wurden. Sammeln Sie
zur Vorbereitung Ihres Events diese Schwachpunkte und entwerfen Sie gemeinsam
24 „Interessentenkartei“ = Nichtmandanten innerhalb der Kundenkartei, gelistet unter dem
Suchbegriff „Interessent“. Diese bekommen, neben den eigenen Mandanten, den Newsletter zugeschickt, sobald sie zugestimmt haben. Je mehr Sie über Ihre Interessenten in der Kartei eintragen,
desto genauer können Sie ihn interessengerecht beim nächsten Mal einladen. Auch deshalb ist die
Abfrage weiterer Wünsche unerlässlich. Das Eintragen dieser Wünsche ebenfalls. Hören Sie besonders gut zu, wenn Interessenten sprechen!
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1
196 In-house Veranstaltungen
Antworten. Beteiligen Sie dabei unbedingt Ihre Assistentinnen. Sie wissen mehr
über die Kanzleischwächen und kriegen deren Folgen direkter zu spüren, vor allem
am Telefon.
Jede Kanzlei hat ihre Achillesferse. Gern sprechen Ihre Gäste gewisse Mängel
Ihrer Kanzlei auch während eines Festes an: Rechtsgebiete, die Sie nicht anbieten,
Fluktuation, die höchsten Honorare am Ort, alte Kanzleiräume, unpassender Stadtteil, zu kleine Räume, kein Behindertenzugang, Klimaanlage kaputt oder zu kalt, nur
ein Anwalt zur Verfügung, beschämende Rückrufpolitik, welke Pflanzen im Wartezimmer, eine angeberisch wirkende Architektur, nur sehr junge oder nur sehr alte
Anwälte, lange Durchlaufzeiten, zu wenig Parkplätze, gebrochene Versprechen, keine
Frauen, nur Frauen, etc.
IV. V
on der Beliebigkeit zur Organisationsfreude:
Ihre „Eventarchitektur“ in 15 SchrittenIV.
Jedes Event braucht seine eigene „Architektur“. Sie ist Basis und Voraussetzung für
Ihre Akquise und muss in jedem Fall akribisch und minutiös geplant sein. Ohne
Statik keine Stabilität!
Im folgenden Kapitel werden auch organisatorische Tipps für Feste, Jubiläen,
Standorteröffnungen etc. gegeben. Nicht jeder Tipp ist für jedes Event geeignet.
Beachten Sie 15 Bauabschnitte, bevor Ihr „Haus bezogen“ wird:
1. Location
Ein geeigneter Veranstaltungsort kann mit Stadtgeschichte (ehemalige Zeche),
Kanzleigeschichte (Medienhafen), mit dem Rechtsgebiet (Schiff = Seerecht), oder mit
einem Auftraggeber (Museumsdorf) zu tun haben. Es kann auch ein besonderes Hotel
Ihrer Stadt sein, wenn dieses über einen Bankett-Service, eine gute Lage, gute Parkplätze, einen guten Ruf oder ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis verfügt.
Bitte bedenken Sie, alle externen Ausrichter Ihres Events benötigen – ebenso
wie Ihre Mitarbeiter, die über Kontakte zum Ausrichter alles organisieren – eine ausführliche Auflistung Ihrer Wünsche, detailreiche Zeitangaben und minutiöse
Briefings sowie die Kontrolle aller Anforderungen durch einen (nicht zwei!) Mitarbeiter der Kanzlei.
Ferner kann der Erfolg Ihres Events abhängig sein von Wetter, Raumgröße,
Akustik, Anzahl der Parkplätze, Qualität der Mikrofonanlage, Arbeitszeiten der Hausmeister, Lautstärke-Verordnungen, Bühne, Flexibilität von Personal und Raum, Licht,
Beamer-Ersatzbirnen, Sitzmöglichkeiten, Versicherung und sogar von der Wahl des
Mineralwassers für den Redner (niemals Mineralwasser mit Kohlensäure für einen
Redner!) etc.
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IV. Von der Beliebigkeit zur Organisationsfreude: Ihre „Eventarchitektur“ in 15 Schritten 197
2. Titel
Der Titel Ihrer Veranstaltung muss einen Nutzen haben für den Hörer, denn Menschen lassen sich nur in ihrem eigenen System bewegen. So wird etwa aus der langweiligen Überschrift „Neuerungen im Arbeitsrecht“ das attraktivere „Wie Sie rechtssicher einen Sozialplan aufstellen – Zehn Tipps für den Unternehmeralltag“.
Aus „Vertragsrechtliche Probleme bei der Baufinanzierung“ wird „Baufinanzierung
– Geht nicht gibt’s nicht“, und aus „Neue Entscheidungen aus dem Immobilienrecht“ wird: „Alles unter Dach und Fach: Ihre Immobilie – Ihr Recht“.
Das gilt auch für das Motto Ihrer Partys: Aus „Zehn Jahre Anwaltskanzlei Bauer
– Feiern Sie mit uns“ wird „Bauer’s Boulevard: zehn Jahre für die Medien“. Der
Titel einer Jubiläumsparty kann ein Motto sein, das nichts mit der Kanzlei zu tun hat
(„black & white“ oder „Le Rouge et le Noir“ – Raumdeko, Einladungskarten und
Dresscode an die Farben koppeln!). Reime („Räume und Bäume – 20 Jahre Umwelt &
Recht“) sowie Alliterationen (Lernen, Lachen & Lawinen – 15 Jahre Bergrecht25)
sind dabei sprachlich meistens elegant und bleiben im Kopf.
3. Einladungskarten
Einladungskarten sind auch bestimmt für die Personen, die sie nicht von Ihnen erhalten. Um das sicher zu stellen, lautet der Text: „Wir freuen uns, Sie und weitere Interessenten zu begrüßen.“ Die Formulierung „Mit Begleitung“ löst Assoziationen privater Begleitpersonen aus, die in aller Regel irrelevant für die Akquise sind.
Einladungskarten lassen Sie professionell designen. Sie können im PDF-Format an alle Mandanten und Interessenten verschickt werden, die Ihrem Verteiler
angehören und per Post an solche Besucher, die Sie sich als Kunden wünschen.
Kündigen Sie letzteren den Postversand unbedingt telefonisch an,26 denn nicht
angekündigte Einladungen wandern zu 90 % in den Müll, ohne dass der Empfänger
sie gesehen hat. Dieses Telefonat ist eine A-Aufgabe, wird also durch Sie selbst
erledigt. Sorgen Sie bzw. Ihr Designer für ein passendes Bild auf dem Titel, und verwenden Sie für die Karte Ihre CI.27 Alle folgenden Einladungen haben dieselbe
Aufmachung.
25 Fantasietitel!
26 Dieses Telefonat ist ein „Cold Call“; vgl. dazu das Kapitel „Telefonakquise“.
27 = Corporate Identity, vgl. zur „CI“ das Kapitel „Kanzleimarketing“.
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198 In-house Veranstaltungen
4. Presse
Kündigen Sie Ihr Event in der Presse möglichst mit einem redaktionellen Beitrag
über Ihr Thema und dessen Nutzen für die Leser an. Motivieren Sie die Redaktion der
Zielzeitung durch einen Anruf,28 der den Nutzen der Zeitung verdeutlicht. Laden Sie
Journalisten zu Ihrem Event ein. Veröffentlichen Sie Ihre Events auf Ihrer Webseite
und in Business-Portalen wie XING.29 Laden Sie einen Fotografen oder Filmer ein
und stellen Sie die „Nachlese“ auf Ihre Webseite. Überlegen Sie, ob der Film in
„YouTube“ eingestellt werden soll (erhöht die Trefferquote in Suchmaschinen sprunghaft!) Aufpassen: Holen Sie die Genehmigung Ihrer gefilmten Gäste zur Veröffentlichung ein!
5. Namensschilder
Die Namensschilder haben die Farben der Kanzlei. Sie machen auf einen Blick deutlich, wer Gast ist und wer Gastgeber: die Gäste sind beispielsweise gekennzeichnet
durch ein Schild mit weißem Hintergrund und blauer Schrift, die Gastgeber umgekehrt. Das erleichtert die Akquise. Alle Schilder haben große, gut lesbare Nachnamen und ggf. den Firmennamen. Verwenden Sie Clips statt Nadeln; so bleibt
die Kleidung heil! Die Schilder sind am Empfangstisch nach Alphabet sortiert
und dienen bereits dort als Aufhänger für Small Talk. Diskutieren Sie, ob Namensschilder einen Verstoß gegen Ihre Schweigepflicht darstellen, und vor allem, wie
Sie das lösen. Ohne Namensschilder wird der Hauptzweck der Veranstaltung kaum
erreicht. Normalerweise ist die Schweigepflicht bereits gewahrt, wenn alle Gäste
gleiche Namensschilder haben. Die Namensschilder der Anwälte geben auch deren
Rechtsgebiet bekannt.
6. „Save-the-Date“
Je größer und imageträchtiger Ihre Veranstaltung ist (Jubiläen, Fusionen, neuer
Standort etc.) desto früher sollten Ihre Gäste den Termin in ihrem Kalender reservieren können. Ihre Assistentin sollte eine „Save-the-Date“ Mitteilung per E-Mail
etwa acht Monate vor dem Event an Ihre bestehenden Mandanten oder einen Teil
daraus versenden, so dass alle Interessenten die Gelegenheit haben, andere Planungen anzupassen.
28 Vgl. zu „Cold Calls“ das Kapitel „Telefonakquise“.
29 Vgl. auch das Kapitel „Netzwerk“.
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IV. Von der Beliebigkeit zur Organisationsfreude: Ihre „Eventarchitektur“ in 15 Schritten 199
7. Empfang
Namensgeber oder ranghohe Partner der Kanzlei empfangen möglichst auch bei Vortragsveranstaltungen per Handschlag die Gäste. Sie sind bei größeren Veranstaltungen begleitet von einem Small Talk trainierten Kollegen oder einer eben solchen
Assistentin, alle mit Namensschild. Jeder Gast hört ein persönliches Wort, einen
persönlichen Gruß. Der Gast empfindet das als Wertschätzung. Er merkt dadurch,
dass die Gastgeber wissen, aus welcher Stadt er kommt, welche Anreise er hatte, in
welchem Zusammenhang die letzte Begegnung war und was den Gast sonst noch auszeichnet. Unbekannte Personen fühlen sich sofort wohl, wenn sie unaufdringlich
und herzlich in Small Talk verwickelt werden. Zusätzlich sind auf dem Empfangstisch noch denkbar: Kopien der Tischordnungen, Gästeliste, Gästebuch, Kanzleibroschüren, zwei Behälter für Visitenkarten (eigene und die der Gäste). Zur Garderobe und zu den Toiletten weisen Schilder. Bei widrigen Wetterbedingungen helfen
Sie den Gästen durch entsprechende Vorkehrungen.30
8. „Walking-Events“
Im Gegensatz zu zentralisierten Präsentationen (einer agiert, alle hören zu) werden
die so genannten „Walking Events“ eher eingesetzt bei größeren Festen mit dezentralem Kommunikationsmuster: alle reden weiter, und ein Entertainer geht
während dessen von Tisch zu Tisch. Bestehende Gesprächsgruppen bleiben durch
„Walking Events“ ungestört; manche Kanzleien kombinieren das „Walking Event“ mit
dem Erstellen eines individuellen Gastgeschenks. Aufpassen: die Akteure müssen
exakt für ihre Aufgabe gebrieft werden!
9. Reden
Die Begrüßung zu einem In-house-Seminar in Ihrem Hause kann durch den Vortragenden selbst vorgenommen werden. Es macht allerdings auf viele Gäste einen gut
organisierten Eindruck, wenn ein Kollege oder sogar der Ranghöchste bzw. Namensgeber des Hauses diese repräsentative Aufgabe übernimmt. Zu einer solch höchstens
dreiminütigen Begrüßungsrede durch den Senior gehören die Honneurs (Ehren-
30 Zu einem 10-jährigen Kanzleijubiläum trockneten zwei Anwälte während des Gästeempfangs
direkt nach einem Regenguss mit Handtüchern die Schuhe von 60 fast zeitgleich ankommenden
Gästen. Das wurde beklatscht, fand Eingang in die sehr launige Begrüßungsansprache („...sowie
unsere beiden Fachanwälte für Schmutzschutz...“) und sorgte den ganzen Abend für Heiterkeitsausbrüche.
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200 In-house Veranstaltungen
gäste, Anzahl Teilnehmer, Anlass, Eckdaten der Kanzlei, Fingerfood nach Vortrag
und Kompetenzen des Redners). Die Einleitung in den Vortrag durch den Präsentator
selbst ist dann rein inhaltlich. Bei einem größeren Event mit Festcharakter begrüßt
auf jeden Fall der Ranghöchste am Eingang die Gäste mit Handschlag. Er hält auch
die Begrüßungsrede.31 Diese Rede ist extrem kurz, extrem herzlich und extrem
witzig! Das ist für viele extrem schwierig, und es lohnt sich, sie lange und wörtlich
zu üben! Es kann zusätzlich einen Festvortrag geben durch einen externen Redner
zu einem nicht-rechtlichen, alle interessierenden Thema. Auch dieser Festvortrag,
am besten nach den ersten Drinks und vor oder nach dem Essen, ist kurz, maximal
zwanzig Minuten, bindet das Publikum ein, kann Provokationen und ungewöhnlich
freche Töne enthalten und sorgt für Gesprächsstoff beim Essen. Achten Sie auf eine
absolut störungsfreie Technik und eine gute Akustik. Beachten Sie, dass ein voller
Raum völlig anders klingt als ein leerer. Fassen Sie sich immer kurz und binden Sie
das Publikum immer ein!32
10. „Give-Aways“
Kleine Gastgeschenke mit großem Nutzen für den Gast sind beliebt: USB-Sticks, der
gute alte Kuli (nur wenn er sensationell toll schreibt und in der Hand liegt), Magneten, ein eingeschweißter Stadtplan, Aktenordner mit dem Logo der Kanzlei auf
dem Rücken und dem eingehefteten Vortrags-Text, Fotos des Abends,33 Tassen mit
Kanzleilogo und Spruch („Recht flüssig“), die an dem Abend gemachten Gäste-Portraits etc. Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, solange der Kunde sich lange
über das Objekt freut.
11. Raucher-Lounge
Dauerndes Ärgernis für Raucher, wenn sie sich auf eiskalte Balkone oder in gruselige Glaskästen zurückziehen müssen. Richten Sie etwas ein. Bieten Sie dort Zigarren,
Zigarillos und Zigaretten an.
31 In einer Kanzlei wurde diese Rede durch einen 30-jährigen Junganwalt gehalten, der erst seit
3 Monaten in der Kanzlei war. Es gelang sehr witzig und ansprechend – unnötig zu erwähnen, wie
teamorientiert dieser Schachzug wirkte!
32 Vgl. zur Dialogisierung Ihres Monologs das Kapitel „Vorträge“.
33 Fotos des Events gehören nicht nur auf die Webseite (genehmigen lassen!) sondern auch in den
Anhang an die Dankesmail (auch als Link zu den Fotos auf der Webseite denkbar).
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IV. Von der Beliebigkeit zur Organisationsfreude: Ihre „Eventarchitektur“ in 15 Schritten 201
12. Musik
Musik mit Tanz: Falls Sie eine Tanzveranstaltung anlässlich eines Jubiläums, einer
Fusion oder einer Standorteröffnung in Erwägung ziehen: Richten Sie bei einem
großen Event eine Tanzfläche ein. Engagieren Sie einen erfahrenen DJ oder eine Band,
beide nachweislich darin geübt, die Stimmung zum Kochen zu bringen. Tanzen geht
niemals halbherzig; dann traut sich keiner! Gehen Sie unbedingt mit gutem Beispiel voran. Alle Kollegen und alle Ihre Assistentinnen müssen Gäste auffordern,
damit die Idee zündet!
Getrennt von der Tanzfläche sollte stets ein ruhigerer Gesprächsraum sein; nicht
alle Gäste tanzen gern. Wenn es gelingt, haben Sie einen großartigen Ruf und präsentieren sich sympathisch jenseits aller Erwartung. Schreiben Sie Ihre Erwartung
locker in die Einladung – und dann lassen Sie es mal richtig krachen!34
Musik ohne Tanz: Als Hintergrundmusik nach Vorträgen, bei Empfängen, beim
„Legal Dinner“ und als Empfangsmusik zu Parties sind Lounge- und Jazzmusik geeignet, die man nicht mitsingen kann. Bedenken Sie, dass ein zentraler Liveact hier
sofort die Stimmung zentralisiert und alle Gespräche abbricht.
13. Verpflegung
Abhängig von Charakter und Ziel der Veranstaltung wählen Sie das Essen, Fingerfood und Flying Buffet (Kellner bringen Nachschub mit Tablett) sind sehr beliebt bei
Akquiseveranstaltungen. Das hat viele Gründe, hier die meist genannten: der Gastgeber muss nicht so aufpassen, dass jeder etwas zu essen hat. Gespräche werden
durch diese Essensform kaum gestört, im Gegenteil fällt Small Talk über das Essen
auch Ungeübten leicht. Gastgeber haben immer die rechte Hand frei zum Begrüßen der Gäste, tragen also nie gleichzeitig Trinken und Essen durch die Gegend. Es
schmeckt super. Essensunverträglichkeiten werden selbsttätig und elegant gelöst.
„Flying Buffet“ ist ohne Aufwand sehr abwechslungsreich. Müll verschwindet
schnell. Anwesende Assistentinnen geraten nicht in eine peinliche Kellnersituation, sondern werden als gleichwertige Team-Mitglieder vorgestellt.
34 Eine großartige Live-Band zu engagieren, die vier Stunden lang ohne Applaus vor einer leeren
Tanzfläche spielt, ist einfach nur eine Unverschämtheit und deutet auf ein arrogantes, nicht nur den
Mandanten unsympathisches Menschenbild hin.
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202 In-house Veranstaltungen
14. Feedback
Bei Vortragsveranstaltungen holen Sie das Feedback aller Gäste direkt vor Ort ein.
Wenn Sie das in Papierform tun, verschenken Sie den Kuli, den Sie für jeden Gast
am Ausgang auslegen und stellen Sie eine Feedback Trommel auf. Erwirtschaften
Sie auf demselben Blatt die Zustimmung der Nichtmandanten, ihnen eine erneute
Einladung zum nächsten Vortrag per E-Mail zu übersenden.
15. Dankes-E-Mail
Alle Gäste erhalten eine Dankes-E-Mail. Darin befindet sich der Link zu den Fotos
der Veranstaltung, zumindest bei Parties. Bei Vortragsveranstaltungen reagieren
Mandanten wie Nichtmandanten eher „not amused“ auf Fotos. Die Dankes-E-Mail
jedoch beantworten sie immer. Das sollte Grund genug sein, in den Dankes-E-Mails
den nächsten Vortrag Ihrer Kanzlei anzukündigen, übrigens auch in anderen
Rechtsgebieten. Bitten Sie Nichtmandanten um schriftliche Genehmigung, sie
in die Einladungskartei aufnehmen zu dürfen, damit sie „automatisch“ immer über
Neuigkeiten informiert werden.
V. V
on Langeweile zu Lernlust: Methodik und Didaktik Ihrer MandantenseminareV.
Gute Seminarleiter didaktisieren und methodisieren, sobald jemand etwas lernen
soll. Didaktik35 ist die Lehre von der Zubereitung eines Lernstoffs für ein bestimmtes
Publikum (also: das „Was“), Methodik36 ist dessen Transportmittel (also: das „Wie“).
Anders als in einem monologischen Vortrag (der Redner spricht, alle hören zu) geht
es in einem Seminar dialogisch zu (der Seminarleiter/Dozent/Lehrer/Trainer konzipiert und führt, alle diskutieren, üben, präsentieren).
In Seminaren wird Wissen vermittelt, das im Alltag sofort umsetzbar sein soll.
Jeder Teilnehmer soll selbst die Sache X schaffen, eine Fachanwaltsprüfung
bestehen oder selbst eine Patientenverfügung rechtssicher aufsetzen können.
In Seminaren lernen die Teilnehmer also das „Wie“, in Vorträgen hören die
Besucher das „Was“. Seminare sind länger als Vorträge, manchmal einen ganzen Tag
oder sogar zwei. Seminare gibt es manchmal mit mehreren Referenten und aufein-
35 Didaktik (von griechisch didáskein ‚lehren‘), didaktische Konzeption = was wird gelehrt?
36 Methodik (Zusammensetzung aus griech méta ‚hin‘ und hodós ‚der Weg‘), methodische Konzeption = wie wird gelehrt?
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V. Von Langeweile zu Lernlust: Methodik und Didaktik Ihrer Mandantenseminare 203
ander aufbauenden Modulen in dreitägiger Kongressform. Seminare haben oft
eine begrenzte Teilnehmerzahl und sind meist sehr viel teurer als Vorträge.
Dieser Punkt wird behilflich sein, dialogische Lernveranstaltungen so zu optimieren, dass das Publikum
–– einen langfristigen Lerneffekt erzielt und
–– zum Multiplikator anwaltlicher Leistungen wird.
Wer jemals Fachanwaltskurse geleitet hat, kennt den Unterschied genau. Dort unterrichten anwaltliche Referenten, manchmal in „Methodik und Didaktik von Fachseminaren“ trainiert,37 ihre eigenen Kollegen in Besonderheiten ihres Fachgebiets. Wer da
den ganzen Tag nur die Vortragsform wählt, ist abends urlaubsreif. Natürlich sind
auch die Zuhörer durch solche falsche Methodenwahl gequält. Sie werden suboptimal berieselt und haben weder ein Mitspracherecht bei der Methodenwahl noch bei
der Gestaltung der anschließenden „Prüfung“.
Diese Aufteilung zwischen Seminar und Vortrag ist Anwälten eher fremd; sie
verwenden die Begriffe oft synonym.38
1. Aufgaben eines Seminarleiters/Checkliste
Damit Akquise gelingt, müssen Details in Vorbereitung, Ablauf und Präsentation
stimmen. Bitte testen Sie und optimieren Sie sich selbst mit Hilfe dieser Checkliste.
Die Aufgaben eines Seminarleiters sind:
■■ Vorbereitung
–– Technische und organisatorische Details geprüft?
–– Publikum bekannt? Fachleute? Anfänger? Zukünftige Kunden?
–– Sitzordnung U-Form?39 Namensschilder? Flipchart? Filzstifte?
–– Skripte und Übungen bedarfsgerecht/verständlich?
–– Material gesplittet? Teil Vortrag, Teil Übungen, Teil Skript?
–– Teilnehmerliste aktuell? Umgang mit ihr klar? Verteilen?
–– Informationsmaterial der Kanzlei dabei? Vortragsliste?
–– (Tisch-) Namensschilder sichtbar und groß genug?
–– Beginn pünktlich? Gesamtseminarzeit angesagt und einhalten?
–– Pausenzeiten visualisiert und einhalten?
37 Die DeutscheAnwaltAkademie z. B. lässt ihre Referenten seit 1993 – inzwischen zweimal im Jahr
– in Methodik und Didaktik von Fachvorträgen trainieren („Train the Trainer“), damit die Wissensvermittlung, meistens von Anwälten an Anwälte, allen Beteiligten mehr Nutzen, bessere Ergebnisse und
bedeutend mehr Vergnügen bringt.
38 Vgl. das Kapitel „Vorträge“.
39 Verlangen Sie vom Veranstalter eine U-Form der Tische mit Namensschildern auf dem Tisch.
Bis zu einer Personenzahl von 20 ist das in den meisten Räumen problemlos möglich. Lernen wird
befördert, wenn Teilnehmer sich gegenseitig sehen und nicht verstecken können.
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204 ■■
––
––
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■■
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■■
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In-house Veranstaltungen
Einstieg
Ausreichend Pausen gemacht? Auf die Sekunde pünktlich begonnen?
Für Auflockerung gesorgt?
Mit Beispiel, Metapher oder Erlebnis begonnen?
Nutzen der Zuhörer bekannt gegeben?
Teilnehmer mit Namen angesprochen?
Teilnehmer nach ihren Erfahrungen und Wünschen gefragt?
Visualisierung
Visuelle Hilfsmittel klug eingesetzt? (Bild stützt das Wort)
Techniken der Aufmerksamkeitssteigerung verwendet?
Zwischendurch zusammen gefasst?
Umgang mit „Störungen“
Beiträge verschoben/auf alle verteilt/moderiert/direkt beantwortet?
„Störungen“ genutzt für eigene Positionierung?
Jeder konnte störungsfrei ausreden und zuhören?
Aufkommende Diskussion genutzt/kanalisiert/rechtzeitig beendet?
Am Schluss weitere Fragen und Feedback eingefordert?
Bei allen bedankt?/Aufnahme in Interessentenkartei angeboten?
2. Didaktische Tipps
Der Lernstoff ist fast immer umfangreich. Entscheiden Sie zunächst, welche Teile
des Seminarstoffs in Vortragsform abgehalten werden, welche gar nicht durch Sie
aktiv behandelt und welche durch Übungen vertieft werden sollten. Einige Teile
des Lernstoffs in einem Tagesseminar werden
–– in Vortragsform präsentiert. Unverzichtbares Wissen wird – etwa 30–40 Minuten – dem Seminar voraus geschickt. Es dient als Basis für spätere Lernsequenzen. Alle Vorträge sind äußerst zurückhaltend visualisiert, verzichten auf
Rechtsvokabular und bringen reichlich Beispiele aus dem Erfahrungshorizont der Zuhörer. Auch Sprache und Sprachniveau der Zuhörer werden dabei
„gematcht“.40
–– gar nicht im Seminar präsentiert. Ein guter Referent klammert nebenrangige
Themen, filigrane Details, seltene Vorkommnisse, irrelevante Ausnahmen und
auch solche Themen aus der aktiven Präsentation aus, die durch evtl. Vorredner schon behandelt worden sind. Er verewigt sie im wörtlichen Skript, das allgemeinverständlich geschrieben ist und ohne Rechtsvokabular im erklärenden
Teil auskommt. Das Skript liegt für alle entweder nach dem Seminar am Ausgang
bereit oder steht den Teilnehmern während des Seminars zur Verfügung.
40 Vgl. das Kapitel „Vorträge“ für weitere Details Akquise fördernder Vortragstechniken.
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V. Von Langeweile zu Lernlust: Methodik und Didaktik Ihrer Mandantenseminare 205
–– durch Übungen vertieft. Jene Teile des Seminarthemas, die der Teilnehmer
direkt anschließend allein können soll und die seinen (Arbeits-)Alltag sofort
bereichern, werden durch gemeinsame Übungen vertieft. Diese Übungen
können im Skript vorbereitet sein (schriftliche Übung allein oder mit Nachbarn) oder als Arbeitsanweisung für Gruppenarbeiten (Fall bearbeiten, Fehler
finden, Brainstorming) im Seminar nachgereicht werden. Oder sie können, wie
in diesem Beispiel einer medizinrechtlichen Kanzlei, sogar „handwerklich“ begleitet werden, denn längst nicht immer informieren Anwälte in Mandantenseminaren nur über rechtliche Themen, wie das folgende Beispiel eindrucksvoll
zeigt.
Best Practice
Wir informieren unsere Mandanten und zukünftigen Mandanten regelmäßig auch über nicht-rechtliche Themen und verzeichnen große Erfolge in unseren „Facebook-to-go“- Intensivseminaren. Deren
Untertitel „Chancen und Risiken neuer Medien“ lockt vor allem solche Ärzte und Zahnärzte an, die –
zumeist aus standesrechtlichen Gründen – eine Scheu vor den neuen Medien haben und die uns als
Anwälten vertrauen. Das ist offenbar sogar dann der Fall, wenn sie selbst mit uns noch nie zusammen
gearbeitet haben.
Wir begrenzen dort die Teilnehmerzahl auf 12 Personen, betreuen vor Ort die Einrichtung ihrer
neuen Facebook Accounts und bieten ihnen dadurch einen attraktiven „Zweitnutzen“. Wir haben
einen WLAN-Zugang extra dafür geschaffen.
Als Feedback hören wir häufig die Ansicht mancher erfahrener Ärzte, Marketing sei für einen Arzt
weniger wichtig als die Beschäftigung mit berufspolitischen Stolpersteinen; wir wissen allerdings
auch, dass junge, gerade auf den Markt drängende Ärzte sich diese Haltung nicht leisten möchten.
Unsere Weiterempfehlungsquote ist ebenso beeindruckend wie die Zahl der künftigen Seminarteilnehmer auf der Warteliste, die von meiner Assistentin geführt wird.
Rechtsanwältin Katrin Helena Lyck, Lyck & Pätzold Medizinanwälte, Bad Homburg, Tel.: 06172-139960
1
3. Methodische Tipps
Seminar-Methodik zielt darauf ab, den Teilnehmer zu aktivieren, komplexe Lernstoffe durch abwechslungsreiche Methodik in das Gehirn der Teilnehmer zu befördern und ein unvergessliches Lern-Event zu kreieren.
Aktive Lernprozesse triggern alle Sinne: Der Teilnehmer sieht (lesen, vorlesen),
hört (den Redner, sich selbst und die anderen Teilnehmer) und fühlt (probiert aus,
übt) befindet sich in kurzen Gruppensequenzen in ständigem Austausch und ständiger mentaler Aktivität. Ein Mandantenseminar ist mitsamt seinem Leiter unvergessen, wenn der Anwalt schwierige Inhalte in abwechslungsreicher Art und Weise
zu präsentieren und zu vertiefen versteht.
Tipp
Du kannst über alles reden, nur nicht über acht Minuten.
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206 In-house Veranstaltungen
Um durch schnelle Methodenwechsel den altehrwürdigen „Lehrervortrag“ sinnvoll
zu ergänzen, folgt hier eine Übersicht jener Seminarmethoden, die ein Seminar
spannend, abwechslungsreich und äußerst werbewirksam machen. Die Indikation
der einzelnen Methoden sowie eine Anleitung zu ihrem zeitsparenden Einsatz
wird gleich mit beschrieben.
Methode
Wozu sie dient
Was zu beachten ist
Selber Vorlesen
Längere Zitate/Leitsätze/Urteile
erhalten hohe Priorität und bleiben
im Gedächtnis.
Im Skript mitlesen (Seite ansagen
und warten, bis Rascheln vorbei ist)
markieren oder wichtige Passagen
mitschreiben lassen.
Vorlesen lassen
Urteile werden verständlicher,
andere Stimme im Raum = 
höhere Aufmerksamkeit!
Im Skript mitlesen lassen.
Teilnehmer bitten, aufzustehen
beim Vorlesen in großen Räumen
Eine Minute 
Partnerarbeit
60 Sekunden Diskussion mit Nachbarn, macht besonderes Wissen
öffentlich, aktiviert Introvertierte
und hält wach!
Leicht lösbare Fragen stellen,
Ergebnisse schnell und nach genau
sechzig Sekunden einsammeln,
Stichworte verwerten! 
Sonst Zeitverschwendung.
20 Minuten 
Gruppenarbeit
Ein Fall wird nach der Mittagspause
gelöst; Wissen vom Vormittag wird
dazu eingesetzt; löst Suppenkoma
auf, Gruppeneinteilung nach Abzählen, absichtlich eingestreute
Fehler finden lassen.
Bitte glasklare Zeitbegrenzung und
Arbeitsaufträge! Auf die Sekunde
pünktlich weiter machen! Ergebnisse
zügig einsammeln! Redundanzen
nicht tolerieren. Vor der Mittagspause Fall ankündigen!
30 Sekunden 
Brainstorming
Ein neues Thema wird durch die
Teilnehmer inhaltlich eingegrenzt.
Aktiviert Schüchterne.
Rüttelt wach!
Frage so eng und einfach stellen,
dass Teilnehmer keine entgleisten
Beispiele bringen wollen und reichlich Beispiele bringen können. 
Alles andere hält nur auf!
Lehrervortrag
Vortragender vermittelt monologisch Niemals ununterbrochen länger als
neues Wissen oder bringt altes auf
acht Minuten, Wesentliches nie ohne
denselben Stand.
Visualisierung und nie monoton!
Kurze Sätze! Bilder!
Unterrichtsdialog
Vortragender vermittelt Wissen im
Dialog. Er verlangt und beantwortet
fachliche Fragen der Teilnehmer und
erweitert sie an alle gleich danach.
Lebhafte dialogische Lernform,
daher nie nur mit einem Teilnehmer!
Fragen auf alle verteilen!
Hinsetzen, so dass Antworten und
Fragen kommen!
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V. Von Langeweile zu Lernlust: Methodik und Didaktik Ihrer Mandantenseminare 207
Moderierte 
Diskussion
Der Referent hält sich inhaltlich
zurück. Er verteilt einfachere
Teilnehmerfragen an das Publikum,
neutralisiert dadurch Einwände,
dialogisiert Monologe und nutzt
Binnendifferenzierung.
Funktioniert nicht bei schwierigen
Themen! Keine peinlichen Imagekampagnen: Wenn der Referent
als einziger die Antwort weiß, ist
Lehrervortrag indiziert!
Rhetorische 
Fragen
Frage, die der Referent stellt und
entweder selbst oder gar nicht
beantwortet. („Wer kennt das
nicht: ...“)
Vorsicht: Rhetorische Fragen 
transportieren Allgemeinwissen oder 
Provokationen. Sie sind nicht geeignet zur Wissensvermittlung.
Anekdote
Einleitung in das Thema. Darf ausgedacht und selbstironisch sein,
löst gemeinsames Lachen oder
Nachdenken aus.
Vorsicht: Nicht auf Kosten anderer.
Keine Angeberei! Keinerlei Namedropping!
Schlagwort 
anschreiben
Visuelle Provokation, apodiktische
Feststellung, viel diskutierte 
Schlagwörter („Hilfe, die Steuerfahndung!“) anschreiben.
Kausalverkürzte Allgemeinplätze
nicht ernsthaft diskutieren
(„Verwaltungsrecht ist langweilig“),
sondern humorvoll übertreiben!
Kognitiver 
Konflikt
Der „KK“ ist ein Juwel der
Didaktik: Sicher geglaubtes Wissen
der Teilnehmer wird durch eine
augenscheinlich inkompatible
oder gar „falsche“ Behauptung des
Referenten torpediert. („Der X ist 
ja bekanntermaßen grundsätzlich
notwendig. Wie kann es dann sein,
dass in der Situation Y ein rechts- 
sicherer Vertrag zustande kam 
ohne X?“)
Der „KK“ wirkt nur, wenn durch seine
Auflösung das Seminar inhaltlich
gewinnt. Vorsicht: prätenziöses
Spezialwissen des Referenten
wirkt im Seminar peinlich und ist
irrelevant! Einen sinnvollen „KK“
aufzubauen ist viel Arbeit! Wenn er
gelingt, bleibt er Teilnehmern jahrelang im Kopf, da er ihren Lernusus
torpediert.
Schriftliche 
Übung (kurz)
Sinnvoll: Abgrenzungen verwandter Rechtsbegriffe zu mehreren 
definieren und notieren lassen. 
Alles Erarbeitete mündlich 
einsammeln.
Absichtliche Fehler zu mehreren
finden lassen!
Keine Redundanzen! Schriftliche
Übungen dienen der Lernkontrolle
und der Gehirnentspannung. Stets
Ergebnis einfordern, sonst Gefahr
des Zeitschindens! Kombinieren
mit Nachbargesprächen!
Alle vorbereiten im Skript –
mit präzisen Arbeitsaufgaben!
Pausenzeiten
anschreiben
Organisatorische Transparenz.
Für alle permanent sichtbar halten!
Pausenzeiten einhalten!
Inhaltliche Fragen 
ans Publikum
„Hat ein zweimal Geschiedener
Anspruch auf x? Bitte antworten Sie
mit Begründung!“ Einstiegsfragen
dienen der Aktivierung, Ermittlung
der Leistungsheterogenität und
methodischen Auflockerung.
Vorsicht: nur sinnvoll, wenn Antworten den Seminarinhalt zeitlich
fördern oder inhaltlich absichern!
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208 In-house Veranstaltungen
„Gruppenarbeiten“ sind Alleinstellungsmerkmale in anwaltlichen Präsentationen.
Anwälte neigen zu der Ansicht, dass das Wort „Gruppenarbeiten“ ein böses Relikt
aus den 70er Jahren ist und dass „Gruppenarbeiten“ in fachlich komplizierten Seminaren Zeit verschwenden.
Mit beidem haben sie Recht, deshalb verwenden sie lieber das Wort „Teamaufgabe“ und sorgen durch methodische Tricks dafür, dass „Teamaufgaben“
–– Zeit sparen helfen,
–– Seminarergebnisse befördern und
–– Lernerfolge festigen.
Teamaufgaben beleben und beschleunigen jeden Lernprozess. Sie bedeuten, dass
Gruppen aus dem Teilnehmerkreis eine Lösung selbst erarbeiten, beschleunigen
oder zusammenfassen. Wenn ein Referent damit jonglieren kann, das Mittel nicht
allzu zu häufig einsetzt und einige Regeln beachtet, ist er sofort der Star unter den
anwaltlichen Präsentatoren.
Teamaufgaben erfüllen die drei o. g. Anforderungen nur, wenn
–– die Aufgabe für die Teilnehmer lösbar oder teilweise lösbar ist. Eine Teamaufgabe zu stellen bei unzureichenden Vorkenntnissen ist Zeitvergeudung und
wird gewertet wie eine eitle Selbstdarstellung des Referenten.
–– die Aufgabenstellung glasklar und unmissverständlich ist. Spezifizieren und
quantifizieren Sie den Arbeitsauftrag. „Bitte finden Sie gemeinsam heraus, was
an dieser Aufstellung falsch ist“ wird zu: „Bitte ermitteln Sie mit ein oder zwei
Nachbarn (andernfalls nutzen die Menschen die Zeit für eine gleichmäßige Teambildung) gemeinsam (sonst ist jeder nur über seinen Text gebeugt) heraus, an
welchen drei Punkten (zwei reichen nicht – scharfe Anforderungen kitzeln den
Ehrgeiz hervor) die Aufstellung auf der Seite 46 (wir reden alle von derselben Textstelle) fehlerhaft ist. In genau 4 Minuten (nach vier Minuten wird brutal abgebrochen) frage ich Sie nach dem Ergebnis – mit Begründung (erneute scharfe Anforderung). Achtung, fertig, los!“ Dies ist ein vielfach erprobtes Hilfsmittel, das den
Ernst der Aufforderung dokumentiert. Zweifeln Sie niemals selbst an der Wirksamkeit dieser Aufforderung, wenn Sie wünschen, dass sie von allen befolgt wird!
–– die Ergebnisse dieser Teamaufgabe das Thema weiter führen, abschließen,
inhaltlich bereichern oder Lernerfolge kontrollieren. Jegliche Gruppenaufgabe, die diesen Zweck nicht erfüllt, vergeudet Zeit.
–– die Ergebnisse der Teamaufgabe pünktlich eingefordert werden und
–– zusammengefasst werden, entweder schriftlich (Flipchart) oder mündlich (Referent vereinfacht, glättet, korrigiert etc.).
–– schriftlich im Skript vorbereitet wird. Bauen Sie absichtliche Fehler in einen
rechtlich relevanten Text ein und lassen Sie die Teilnehmer die Fehler finden.
Geben Sie Multiple Choice Aufgaben, um Wissen abzufragen, natürlich nur im
Gespräch mit Nachbarn. Geben Sie Fälle, Dialoge, Testamente, lustige Begebenheiten, Verträge, Unfallberichte etc., ruhig auch anonymisiert aus Ihrer Praxis,
und lassen sie die Teilnehmer „Nüsse knacken“.
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V. Von Langeweile zu Lernlust: Methodik und Didaktik Ihrer Mandantenseminare 209
–– Sie schriftliche Aufgaben im Skript geben, die zu zweit oder zu dritt erledigt
werden müssen und deren Ergebnis das Thema weiter führt, abschließt, inhaltlich bereichert oder hilft, bisherige Lernerfolge zu kontrollieren.
–– nach der Mittagspause ein 10 Minuten Fall gelöst werden muss. Stellen Sie
die Gruppen willkürlich zusammen. Jeder Teilnehmer sagt der Reihe nach laut
eine Zahl, fortlaufend von 1 bis 3, dann wieder bei 1 weiter. Jeder merkt sich seine
laut gesprochene Zahl. Alle Einser in diese Ecke, alle Zweier in eine andere Ecke
und alle Dreier hierher. Sie mischen dadurch wild die Teilnehmer, und niemand
wird je müde. Arbeitsauftrag kristallklar und zusätzlich ansagen, dass Sie auf die
Minute pünktlich um 14.15 Uhr weiter machen mit den Ergebnissen (einhalten!).
–– jedes Ergebnis nur einmal eingesammelt wird. Redundanzen sind tödlich!
–– in größeren Gruppen die Teilnehmer zeitgleich unterschiedliche Aufgaben
lösen. Dabei sammelt der Referent nacheinander alle Ergebnisse mündlich ein,
während alle Teilnehmer der anderen Gruppen im Skript unter die drei jeweiligen Aufgaben die Ergebnisse notieren! (akribisch vorbereiten!) Sie verdreifachen
dadurch die Lerngeschwindigkeit!
Erfolgstipps
– Keine Gästegruppen ohne Anwalt und keine Anwaltsgruppen ohne Gast! (Todsünde)
– Üben Sie die „Staffelübergabe“! Bestimmen Sie ein Gastgeber-Team, das Ihnen hilft.
– Die Gäste suchen Leichtigkeit und Information. Kombinieren Sie das. Üben Sie Small Talk!
– Streben Sie einen Anteil von mindestens 30 % Nicht-Mandanten bei jedem Event an!
– Mandantenseminare: Rüsten Sie methodisch auf. Abwechslung ist Pflicht!
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Journalisten
100 % indirekte Akquise
„Schreibe kurz – und sie werden es lesen. Schreibe klar – und sie werden es verstehen.
Schreibe bildhaft – und sie werden es im Gedächtnis behalten.“1
Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Joseph Pulitzer Jurist war! Selten bekamen
Anwälte den nach ihm benannten Preis; seine Anforderung an klare, knappe, inhaltsreiche und metaphorische Sprache erscheint Anwälten eher wie eine irreale
Dramaturgie in einem Science-Fiction-Film: Kurz schreiben sie nicht, weil sie alle
rechtlichen Eventualitäten abdecken möchten, klar schreiben sie nicht, weil ihnen
Unklarheit taktisch oft nützt, und bildhaft sprechen sie nicht, weil sie es nicht
gelernt haben.
Dieses Kapitel wird behilflich sein, in drei Abschnitten die Begegnungen zwischen Anwälten und Journalisten so zu optimieren, dass außer den beiden auch
noch die Leser und die Mandanten profitieren:
I. Journalisten und Anwälte – eine unheilige Allianz?
II. Journalisten sind Multiplikatoren. Sprechen Sie sie aktiv an!
III. Optimieren Sie Ihre Sprache
I. Journalisten und Anwälte – eine unheilige Allianz?I.
„Journalisten klopfen einem ständig auf die Schulter – auf der Suche nach der Stelle,
wo das Messer am leichtesten eindringt.“2 Diese Sicht auf Ethik und Antrieb eines
Berufsstandes kommt von einem, der es wissen muss.
Auch Anwälte haben nicht von vornherein eine immer positive Sicht auf diesen
Berufsstand. Das vielfach registrierte gegenseitige Misstrauen ist aus diversen
Gründe groß: Anwälte fürchten
–– die Neutralität von Journalisten. Journalisten zerren alle Informationen gleichrangig an die Öffentlichkeit; nicht immer dient das dem Anwalt; auch Mandanten sind dadurch gefährdet.
1 Joseph Pulitzer, österreich-ungarischer Journalist und Zeitungsverleger. Der nach ihm benannte
Preis für journalistische Leistungen ist von Journalisten begehrt wie ein Oskar und wird seit dem Jahr
1917 jedes Jahr im April in derzeit 21 Kategorien an der Columbia Universität, New York, verliehen.
2 Robert Lembke, Journalist und Fernsehmoderator (1913-89), zitiert nach http://www.zitate.de.
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212 Journalisten
–– die Parteilichkeit von Journalisten, die für Verbände, Fachzeitungen, politische
oder ethnische Gruppen und bestimmte ökonomische Interessen oder Peergroups
schreiben. Oft haben sich diese Journalisten bereits durch eigene Denkgewohnheiten oder durch Informationen der Gegenseite eine Meinung gebildet und
schlachten sie aus.
–– ökonomische Antriebe der Journalisten, die zu inhaltlich unnötigen Dramatisierungen des Stoffes, rechtlich unhaltbaren Vergleichen und der Fokussierung auf unbedeutende Details führen könnten. Das gilt nicht nur für Zeitungen, die jeden Morgen Riesenbuchstaben in der Überschrift haben müssen,
sondern auch für seriöse Nachrichtenblätter. Ins Blatt schafft nur, wer was zu
sagen hat. Das gilt für Journalisten ebenso wie für Anwälte. Die Zeitung wird
besser verkauft durch prägnante Details und für die Leser interessant aufbereitete interessante Themen.
–– den Zeitmangel der Journalisten. Interviews sind immer sehr kurz. Inhalte in
der kurzen Zeit weiter zu geben, will gelernt sein.
–– Ideologien auf Seiten der Journalisten. Besonders Strafverteidiger haben ein
gespaltenes Verhältnis zu Journalisten. Wenn Mandanten prominent sind,
treffen ihre Anwälte auf ein besonders ausgeprägtes öffentliches Verurteilungs- oder Freispruch-Interesse, das Journalisten gewöhnlich bedienen oder
bekämpfen wollen.
–– Wenn Mandanten im Zentrum spektakulärer Geschehnisse stehen, verkaufen
ihre Anwälte zwar gern die Geschichte exklusiv an Magazine, um ihr Honorar
ungefährdet zu bekommen oder um die Medien für eigene inhaltliche Zwecke
gezielt einzuspannen,3 können aber doch die Ergebnis-„Färbung“ nicht
immer ausreichend kontrollieren.
Andererseits brauchen Anwälte Journalisten, und Journalisten brauchen Anwälte.
Die Chancen für Kooperationen stehen gut, denn die Gemeinsamkeiten sind stark.
Beide sind angewiesen auf öffentliches Image und möchten es befeuern. Beide
möchten verkaufen, die einen Zeitungen, die anderen Strategien. Beide sind für den
jeweils anderen Multiplikatoren. Ein Journalist mit guten Kontakten gehört als
Mandant – selbst wenn der erste Fall kein hohes Honorar einbringt – immer zu den
A-Mandanten. Selbst wenn er kein Mandant ist; ein großes Publikum erreicht er
immer.
Dennoch nutzen Anwälte die gegenseitige Bereicherungsmöglichkeit nicht
ausreichend. Um das zu ändern, sollten sie zunächst den Alltag von Journalisten
kennen lernen.
3 Details zu „Litigation-PR“ und gezielter Beeinflussung der Öffentlichkeit und der Gerichte im
Kapitel „Public Relations“.
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II. Journalisten sind Multiplikatoren. Sprechen Sie sie aktiv an! 213
II. Journalisten sind Multiplikatoren. Sprechen Sie sie aktiv an!II.
Freie Journalisten sind immer auf der Suche nach lohnenden Themen. Lohnend
sind Themen, wenn der Journalist sie in einer Zeitung platzieren, also verkaufen
kann. Anwälte sind häufig Lieferanten aktueller Themen.
Erfolgreiche Kontakte zwischen Journalisten und Anwälten entstehen durch die
Interessen beider – und in beide Richtungen:
–– Journalisten wollen Zeitungen verkaufen. Sie wenden sich zu diesem Zweck
an Anwälte, die sich als Spezialisten für bestimmte Rechtsthemen etabliert
haben oder etablieren. Leser interessiert Expertenwissen.4
–– Anwälte wollen Mandate akquirieren. Sie wenden sich daher an Journalisten,
weil diese Multiplikatoren sind und Themenwissen verbreiten können, das die
Leser auf die Anwälte aufmerksam macht.
Um Journalisten offensiv anzusprechen, nützt Ihnen das Wissen um deren Befindlichkeiten. In vielen Lokalzeitungen ist – auch wegen der Konkurrenz durch elektronische Medien – die Personaldecke in den letzten zehn Jahren mehr als halbiert
worden. 70 % ihres Reportagebedarfs decken kleinere Lokal-Zeitungen durch freie
Journalisten. Angestellte Redakteure sind den ganzen Tag zeitlich und inhaltlich
unter Druck. Da können Sie doch ebenfalls helfen! Und noch etwas: Sie müssen
Journalisten nicht persönlich kennen, um sie zu bereichern.
Finden Sie in den folgenden Abschnitten einige Tipps für eine von Anwälten
initiierte Kooperation mit Journalisten für Ihre Akquise:
1. Bieten Sie aktiv Kolumnen an
Rufen Sie spätestens am Tag nach der Bekanntgabe eines für die Leser relevanten
Urteils die acht oder zehn freien Journalisten oder einige Redaktionen von Lokal- oder
Fachzeitschriften Ihrer geografischen Umgebung oder Ihres fachlichen Sprengels
an, die Sie als erste gegoogelt haben – oder auf andere Weise bereits kennen.
Bieten Sie ein aktuelles, derzeit Wogen schlagendes Thema – fertig und verständlich aufbereitet mit Lesernutzen und ohne Fremdwörter, dann kann ein Journalist vermutlich nicht nein sagen. Engagieren Sie dazu notfalls freiberufliche
Texter! Bieten Sie eventuell an, dass der Journalist Ihren Artikel umarbeitet und Sie
darin zitiert, besonders wenn er ein Fachjournalist ist.
Wenn Sie die angerufene Zeitung selber lesen, fällt Ihnen die Bedarfsanalyse
leichter. Sie können dort aus eigener Anschauung eine Themen-Lücke beschreiben:
„... und da ist mir aufgefallen, dass Sie gar keine regelmäßigen Rechtskolumnen
haben. Was würden Sie davon halten, wenn ich Ihnen ein Beispiel, alltagstauglich auf-
4 Vgl. Details zu PR und Pressearbeit im Kapitel „Public Relations“.
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214 Journalisten
bereitet, unverbindlich übersenden würde? Meine Mandanten finden (Perspektivwechsel) diese kleinen Aufsätze äußerst hilfreich.“
Durch regelmäßige Kolumnen entwickelt sich Ihre Akquise sprunghaft. Versuchen Sie, eine monatliche Kolumne zu platzieren, mit schmissiger Überschrift,
nutzbringendem Untertitel und einfachster Sprache. Haben sie alle zwölf Titel
eines Jahres bereits fertig (zumindest die Überschriften und ein Beispiel für einen
Artikel), und präsentieren Sie alles „aus einem Guss“, mit aktuellem Foto, Vita und
Ihrer Webseite.
Ihr Kurz-Aufsatz zum aktuellen Thema ist bereits geschrieben und liegt im
Moment des Erstanrufs versandfertig auf Ihrem virtuellen Schreibtisch. Das Telefonat mit der Redaktion dauert zwei Minuten und bietet den Lesern vor allem den
„Nutzen, den meine Mandanten dadurch hatten.“ (Perspektivwechsel). Der Inhalt
des Artikels ist weniger interessant als der Vorteil, den er den Lesern bietet.
Die Struktur eines Cold Calls5 bei Multiplikatoren, also auch bei Journalisten, besteht aus fünf Punkten:
–– Vorbereitung: Welche Zeitung kann zu Ihren Multiplikatoren gehören? Ermitteln
Sie, wie viele und welche anderen Rechtsanwälte regelmäßig für sie schreiben. Über welche Themen? Gibt es Sonderbeilagen? Wenn ja, wer hat darin schon
geschrieben? Welche Journalisten kennen Sie persönlich? Was können Sie für
diese Bekannten tun? Und umgekehrt?
–– Vorstellung: Name, Vorname, Beruf, Stadt. Teilen Sie mit, dass der Angerufene
Sie nicht kennt und dass Sie eine Idee für seine Leser haben. Die Zufriedenheit
der Leser sichert die Arbeitsplätze der Redakteure.
–– Zeitkorsett („Hätten Sie in diesem Augenblick zwei Minuten für mich Zeit?“ oder
„Hätten Sie einen Augenblick Zeit für mich? Oder: „Ich habe eine gute Idee für
Ihre Leser. Passt es jetzt?“).
–– Nutzen Ihres Produkts: Ihr Können ist für den Redakteur zunächst unwichtig,
ebenso wie die besonderen Merkmale Ihrer Spezialisierung. Ihn überzeugt,
wenn seine Leser den Artikel brauchen oder gern lesen. Der Perspektivwechsel „Meine Mandanten haben durch diesen kleinen Aufsatz drei Vorteile benannt“
erspart Ihnen jede Angeberei und den Eindruck unbewiesener Behauptungen.
–– Genehmigung für die Übersendung: „Wenn Sie es wünschen, kann ich den
Aufsatz auch gleich per E-Mail übersenden, dann haben Sie ihn gleich auf dem
Schreibtisch?“
–– Zukunft: Bieten Sie weiter führenden Kontakt an. Auch der muss dem Angerufenen konkret nützen, sonst macht er das nicht. „Wenn der Artikel für Ihre Leser
interessant war, kann ich gern weitere verfassen. Es gibt immer wieder Gerichtsurteile, die den Alltag Ihrer Leser beeinflussen.“ Oder: „Wenn Sie das für sinn-
5 Vgl. die Struktur von „Cold Calls“ beim zukünftigen Mandanten im Kapitel „Telefonakquise“.
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II. Journalisten sind Multiplikatoren. Sprechen Sie sie aktiv an! 215
voll halten, melde ich mich in der nächsten Woche noch einmal, um Ihre weiter
führenden Fragen zu beantworten.“
–– Nachbereitung: die wichtigsten Informationen über diesen Redakteur unter
dem Suchbegriff „Multiplikatoren“ in die Datenbank eintragen, mit Kontaktprotokoll, Vereinbarung, seinen Fragen und Interessen.
2. Bieten Sie ausformulierte E-Mail-Interviews
Journalisten haben nie Zeit. Rufen Sie also an und bieten Sie ein fertiges E-Mail
Interview zum Gerichtsurteil X, das heute Morgen in den Nachrichten verkündet
wurde. Wenn das Urteil im Verkehrsrecht war, kommen auch Autozeitungen oder
frische Flyer in Autohäusern in Betracht. War es im Familienrecht, haben Sie vielleicht schon lange vor dem Urteil den Flyer vorbereitet und rufen am Morgen des
Urteils die Zeitung an. Sie übersenden vorbereitete Fragevorschläge und die dazu
passenden Antworten.
Nehmen Sie auch hier Journalisten Arbeit ab. Geben Sie allerdings zu verstehen,
dass die Fragen nur Vorschläge sind, sonst gefährden Sie seine Berufsehre.
3. Je breiter die Streuung desto schmaler das Ergebnis
Viel hilft nicht viel! Manche Anwälte versenden Pressemitteilungen häufig und an
einen breiten Verteiler. Das nervt Journalisten. Sie fühlen sich nicht persönlich
angesprochen und „ausgenutzt“. Die Pressemitteilungen wandern direkt in die
P-Ablage. Ändern Sie das! Fokussieren Sie bei solchen Aussendungen auf bestimmte
Adressaten und beschränken Sie Ihre Aussendungen auf wenige Fälle.
4. Strukturieren Sie Ihre Botschaften
Konstruieren Sie erst das Dach über Ihrer Botschaft und räumen Sie danach die
Zimmer ein! Der Leser liest einen Artikel nicht, um dessen Sinn zu verstehen,
sondern er liest ihn, weil er die Grundaussage teilt oder interessant findet: Das
zwingt auch Anwälte dazu, zunächst das für die Bevölkerung verständliche und
attraktive(!) „Dach“ zu benennen („Emmely sitzt wieder an der Kasse“), um erst
danach den rechtlichen Vorgang zu erwähnen („Bundesrichter heben die Kündigung
der Kassiererin auf“).
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216 Journalisten
5. Rufen Sie spezialisierte Multiplikatoren an
Viele Journalisten sind spezialisiert. Manche auf Branchen (Fachjournalisten: Auto,
Computer, Reise, Versicherungen), andere auf Regionen (Fürther Nachrichten), andere auf Bevölkerungsgruppen (Migranten), wieder andere auf Rubriken (Politik,
Lokales, Wirtschaft, Sport, Feuilleton) oder Medien. Sie arbeiten für Zeitungen, Fernsehen, Onlineredaktionen, Radio. Jede dieser Spezialisierungen kann behilflich sein,
Ihre Zielmandantschaft leichter zu erreichen.
III. Optimieren Sie Ihre SpracheIII.
Wenn ein Jurist ein Problem erklärt, fügt er dem ursprünglichen Problem ein weiteres
hinzu: Ihn versteht kein Laie! Im Umgang mit Journalisten – im Zweifel ebenfalls
ungeübt mit anwaltlichen Sprachen – haben Sie dadurch Akquisenachteile. Journalisten und ihre Kunden (Leser, Fernsehzuschauer, Blogger) müssen die Sache schnell
und sicher verstehen können.
1. Faszinieren Sie die „bügelnde Hausfrau“
Wodurch richtet die „bügelnde Hausfrau“ ihre Aufmerksamkeit auf das zeitgleich laufende Fernsehinterview statt auf das „Bügeln“? Das macht sie nur, wenn sie inmitten des allgemeinen „Rauschens“ ein „Signal“ unterscheiden kann.
Als Rauschen wird sie jedes „Gelaber“ qualifizieren. Gelaber lösen Anwälte in
Fernsehinterviews aus durch lange Sätze, Nebensätze, Einschränkungen, Gebrauch
des Passivs, Einschübe, Schachtelsätze, Fremdworte, Fachsprachen, Füllwörter
(ähm, irgendwie, insoweit, eigentlich etc.), pausenloses und zu schnelles Sprechen
und hohe Stimmen.
Wer Zuschauer faszinieren möchte, sendet statt dessen Signale durch: Provokante Wörter, kurze Sätze, entschieden klingende Modulation (Stimme am Schluss
jedes kurzen Satzes nach unten), Pausen, überraschend kurze Antworten, Alltagsgeschichten, immer das Ergebnis zuerst, (danach notfalls die Begründung), skandalöse Zahlen, verstehbare Vergleiche und freche Sprüche.
2. Bringen Sie Hauptsachen in Hauptsätze
„Einen ganzen Nachmittag lang wurde im Beisein beider Geschäftsführer und unter
Hinzuziehung eines Steuerberaters darüber verhandelt, dass ein Teil des Unternehmens verkauft werden muss.“ Die Hauptaussage steht hier in einem Nebensatz
und wird von mindestens zwei Nebenaussagen verdeckt. Anwaltssprachen beste-
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III. Optimieren Sie Ihre Sprache 217
hen aus langen Anläufen. Beim Sprung selbst sind die meisten Nicht-Juristen schon
erschöpft.
Der Journalist will wissen: „Gibt es jetzt noch andere Möglichkeiten?“ Der Anwalt
sagt natürlich nicht: „Ja, es gibt noch das Mediationsverfahren. Das ist...“ sondern er
antwortet: „Es ist also so, dass es jenseits der hier erwähnten Möglichkeiten unter
Umständen noch den Weg über ein Mediationsverfahren gibt, bei dem...“
Das „Es ist also so, dass...“ Syndrom erinnert an die fatale Angewohnheit von
Fußballern, ihre Sätze im Interview nach dem Spiel mit „Na gut, ähm...“ zu beginnen.
3. Drücken Sie Aktionen ausschließlich in Verben aus
Anwälte „geben Stellungnahmen ab“, statt etwas zu sagen. Sie sind „befasst mit der
Durchführung einer Untersuchung“, statt einfach nur etwas zu untersuchen, und sie
„sind derzeit mit Klageerhebung beschäftigt“ statt zu klagen.
Wenn der Gegner „unter Berücksichtigung seines gesamten Vorbringens in
diesem Verfahren ein Entgegenkommen hinsichtlich einer Zahlung offenbar nicht
einmal andeutungsweise in Erwägung gezogen“ hat, dann ist irgendwann jedem klar:
„Der Gegner zahlt nicht.“
„Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?“ fragen sich offenbar Anwälte
und scheuen sich zu Lasten der Leser, einfache Verben zu benutzen.
4. Ersetzen Sie Fachsprachen durch Laienformulierungen
Fachsprachen sind nur für Fachsprachler interessant. Durch Fachsprachen können
Fachleute den Fall genau verstehen und Zeit sparen. Für alle anderen Menschen
sind Fachsprachen missverständliches, verunsicherndes Kauderwelsch. Wörter
wie „Rechtsfolgenvereinbarung“, „Schuldanerkenntnis“ oder „Vorvertrag“ sind absolut unverständlich für Laien.
Fragen Sie einen Laien, ob er einen Vertrag hat. Was wissen Sie, wenn er „nein“
sagt? Sie wissen gar nichts, da Ihnen die Deutungshoheit über das Wort „Vertrag“
fehlt. Sie haben, genau wie der Laie, lediglich einen „Deutungs-Usus“. Dasselbe
betrifft (Rechts-)Wörter wie „arglistig“, „grundsätzlich“ oder „in Kauf nehmen“. Laien
verstehen diese Wörter nicht in einem rechtlichen Kontext: „Er hat mich arglistig
getäuscht“ heißt für den Laien: „Er war besonders gemein zu mir“. Lassen Sie im
Gespräch mit Laien Rechtswörter komplett weg. Sie sparen viel Zeit und Energie.
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218 Journalisten
5. Sprechen Sie einfach
Unprofessionell und eitel klingen Anwälte, wenn sie ihre Sprachrituale auch Laien
zumuten. Untereinander scheinen sich Anwälte daran nicht zu stören. Vereinfachen
Sie Ihre Sprache Laien gegenüber:
Tautologien: In der letztinstanzlichen BGH Entscheidung wurde das
geklärt.
(Der BGH hat das geklärt.)
Pleonasmen: Er erwartet Hilfe und Beistand von seinem Chef.
(Er erwartet Hilfe von seinem Chef.)
Verneinungen: Es ist nicht anzunehmen, dass wir hier nicht weiterkommen.
(Wir kommen hier bestimmt weiter.)
Ausländisch: Das Vorgehen ist kausal für die spätere Unternehmensentwicklung.
(Davon hängt ab, wie sich das Unternehmen entwickelt.)
Schwulst:
In Abrede stellen, Zu einem späteren Zeitpunkt, Eine Vielzahl von.
(leugnen, später, viele)
Substantivierungen:
Die Abnahme der Arbeit konnte erst nach nochmaliger
Prüfung erfolgen.
(Der Chef hat das Ergebnis noch mal geprüft und dann
abgenommen.)
Abstraktion:
In mancherlei Hinsicht hat sich seine Arbeitsweise verbessert.
(Er arbeitet jetzt besser durch drei Dinge: 1.) ... 2.) .... 3.) ....).
Passiv:
Es konnte keine Einigung zwischen den Parteien erzielt
werden.
(Die Parteien einigten sich nicht.)
Nominalismen:
Die Verauslagung der Kosten oblag der Gegenseite.
(Die Gegenseite musste einen Vorschuss zahlen.)
1
Erfolgstipps
– Journalisten sind effiziente Multiplikatoren. Bieten Sie einen Nutzen für die Kooperation mit Ihnen!
– Bieten Sie fertige Artikel und E-Mail-Interviews. Lassen Sie sich zitieren!
– Segmentieren Sie Ihre Multiplikatoren. Je breiter die Streuung, desto magerer das Ergebnis!
– Vereinfachen Sie Ihre Sprache! Verzichten Sie auf Fachsprachen!
– Sprechen Sie bildreich mit Beispielen aus dem Alltag Ihrer zukünftigen Mandanten!
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Kanzleimarketing
40 % direkte Akquise
60 % indirekte Akquise
„Wir müssen dringend was tun!“ Dieser Aufschrei von Anwälten ist angesichts sinkender oder stagnierender Umsätze mehr als verständlich; sein Zeitpunkt ist es
nicht: „Wieso erst jetzt?“ fragt sich ein externer Beobachter und diagnostiziert eine
gewisse anwaltliche Scheu vor rechtzeitig eingerichteten, großflächig angewandten und – vor allem – für jeden Anwalt derselben Sozietät verbindlich festgelegten
Marketingmaßnahmen.
Nach diesen rufen Anwälte oft erst dann laut, wenn Krisen sich abzeichnen.
Dieses Kapitel wird behilflich sein, Methoden des Kanzleimarketings kritisch
unter die Lupe zu nehmen, ihre strategische Einordnung zu vollziehen, ihre Wirkungsweise zu beschreiben und die Methoden rechtzeitig zu implementieren.
Dieses Kapitel wird Sie dabei unterstützen, Marketing von Werbung1 und PR2
(„Public Relations“) abzugrenzen und Akquisepotenziale Ihrer Kanzlei durch kleine
und große Tipps auszuloten und zu erhöhen. Sechs Punkte sind dabei behilflich:
I. Quo vadis, Marketing?3
II. Kanzleimarketing erfordert Individualkommunikation
III. Kanzleien in der Öffentlichkeit: Marketing? Werbung? Public Relations?
IV. Kanzleimarketing: Vier „P“ mit großer Wirkung
V. Kanzleimarketing: 10 Tipps für das Marketing nach innen
VI. Kanzleikommunikation: Kleine Tipps mit großer Wirkung
I. Quo vadis, Marketing?I.
Anwälte in Deutschland dürfen seit März 1996 in bis dahin ungewohntem Umfang
Werbung für sich machen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sie es seitdem
auch müssen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Selbst für den früher „beratungsresistenten“ Seniorpartner ist heute die Notwendigkeit von Marketing nach
1 Vgl. auch das Kapitel „Werbung“.
2 Detailreiche Informationen über „PR“ und „Litigation PR“, im Kapitel „Journalisten“.
3 Titel eines vom PMN Institut in den Räumen der Kanzlei CMS in Hamburg am 21.12.2005 veranstalteten Workshops mit Vortrag der Autorin zu der Leitfrage: „Was können Großkanzleien an ihrem
internen Marketing optimieren?“; s. http://www.schieblon.com.
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220 Kanzleimarketing
außen und innen eine Selbstverständlichkeit geworden. Doch bei der Umsetzung
hapert es nach wie vor.
Im ersten Abschnitt werden dafür zwei Hauptgründe beschrieben:
1. Internes Marketing hinkt dem externen hinterher
Die Zeiten sind längst vorbei, in denen Marketing als Aneinanderreihung spektakulärer Einzelaktionen galt, die man ins Leben rief, sobald ein Probleminhaber Hilfe
benötigte. Heute ist klar, erfolgreiches Marketing von Anwälten geht vom Kopf des
Anwalts in das Herz des (zukünftigen) Mandanten, nicht umgekehrt.
Das Marketing nach innen ist hierfür unverzichtbare Basis, und das auch aus
philosophischen Gründen: „Der Mutige lebt von innen nach außen, von der inneren
Entscheidung, nicht von den Umständen her.“4 Auch wenn viele Ideen aus der Industrie in Anwaltskanzleien Einzug gehalten haben; eine gewisse Inkongruenz zwischen Marketing-Ideen und ihrer Umsetzung wirkt nach wie vor auf externe Beobachter anachronistisch – und das in Kanzleien jeder Größe:
Großkanzleien beschäftigen seit Jahren Marketingprofis, auf die die Partner
selbst nicht hören, während kleinere Kanzleien sich in den Einflussbereich externer Berater begeben, deren Tipps sie „toll“ finden und nicht oder nicht ausreichend umsetzen!
Wie kommt das? Hier finden Sie fünf Antworten auf diese Frage – geordnet nach
Häufigkeit:
–– Viele Köche verderben den Brei: Wo mehr als ein Partner in einer großen
Sozietät (ab ca. 10 Partnern) für das Marketing der Kanzlei und dessen Budget
verantwortlich ist, blockieren sich Entscheider gegenseitig.
–– Partner in größeren und Namensgeber bzw. Entscheider in kleineren Kanzleien
haben Marketing nicht als A-Aufgabe auf dem Schirm und bezeichnen (und
empfinden!) ihre eigene Prioritätenentscheidung als Zeitmangel.
–– Auch manch selbstverliebte und abschreckende Präsentation nach außen
sowie die anwaltliche Angewohnheit, eigenes Marketingpersonal nach innen nur
unzureichend zu unterstützen, verdeutlichen diese Inkongruenz.
–– Auch wenn Anwälte Maßnahmen innerlich einsehen, bleiben Vorarbeiten
und Konzepte im Alltag unzureichend ausgenutzt. Das betrifft insbesondere
die interne Dokumentation. Sie wird nicht genügend beachtet, gepflegt oder
genutzt, besonders negative Folge ist hier die unzureichende Vorbereitung auf
4 Vortrag des in USA lebenden Fotografen und Autors Ulrich Schaffer zum Thema „Von innen nach
außen leben“. Schaffer ist ein spiritueller, suchender Mensch, sozialkritisch und ökologisch 
engagiert. Seine überkonfessionelle Weite und seine herzliche Art spricht u. a. viele Leser aus christlichen Gemeinden an, aber auch weit darüber hinaus.
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I. Quo vadis, Marketing? 221
öffentliche Akquisetätigkeiten wie Pitches,5 Vorträge, In-house Veranstaltungen6
und alle weiteren Events.
–– Nicht alle sind unter einem „Marketing-Hut“. Das anwaltliche Selbstbild der
„Primadonna“ widerspricht dem Gedanken, dass alle Anwälte „an einem Strang
ziehen“. In kleinen Kanzleien liegt das an der unterschiedlichen, bisweilen sogar
entgegengesetzten Gewichtung „verkäuferischer“ Aktivitäten. In größeren fehlen
standortübergreifende Maßnahmen, besonders nach Fusionen. Das Phänomen der „zwangs-angeglichenen“ Unternehmenskulturen gestaltet sich als
kulturelles Hindernis. Das geht bei der Höhe des Honorars los (in Amerika
etwa doppelt so hoch) und endet noch lange nicht bei den in angelsächsischen
Kanzleien vollkommen selbstverständlichen „Reviews“ der vierteljährlichen
Quartalszahlen und deren Veröffentlichung.
2. Tote Pferde tragen nicht
Anwälte verwenden Marketingmaßnahmen, deren Wirkungslosigkeit sie kennen!
Es ist angeblich eine Weisheit der Dakota-Indianer: “Wenn Du entdeckst, dass Du
ein totes Pferd reitest, steig ab.” Dieser Weisheit folgt längst nicht jeder anwaltliche
Reiter. Manche Anwälte
–– besorgen eine stärkere Peitsche,
–– finden es wichtig, überhaupt ein Pferd zu haben,
–– reden sich ein, dass es immer noch Hoffnung für tote Pferde gibt,
–– beschwichtigen: „So tot ist das Pferd nicht, wie es aussieht.“,
–– fragen andere, wie sie tote Pferde reiten,
–– bilden eine Arbeitsgruppe, um das tote Pferd wiederzubeleben,
–– verordnen sich und ihren Teams eine Trainingseinheit, um besser reiten zu lernen,
–– kaufen Leute von außerhalb ein, um das tote Pferd zu reiten,
–– ergänzen ein totes Pferd durch ein weiteres, um das Tempo zu erhöhen,
–– investieren, um die Leistung des toten Pferdes zu erhöhen,
–– glauben gar nicht daran, dass es tote Pferde gibt.
Anwälte setzen gewöhnlich keine Instrumente zur Quantifizierung der Akquisewirkung ihrer derzeitigen Maßnahmen ein,7 machen gewöhnlich keine Marktanalyse, definieren kein tragfähiges, konkretes Unternehmensziel,8 kennen die Alter-
5 Hier Synonym verwandt mit „Beauty Contest“ = die Kanzleipräsentation auf Einladung eines
Anfragers, vgl. dazu auch das Kapitel „Beauty Contest“.
6 Siehe Kapitel „In-house Veranstaltungen“.
7 Obwohl in ca. 40 % der durch die Autorin trainierten Kanzleien die bislang bereits gekaufte und
in vielen anderen Bereichen der Kanzlei seit langem erfolgreich eingesetzte Kanzleisoftware eine
solche Quantifizierung und Spezifizierung zuließe.
8 Vgl. die Tipps zur Definition und Erreichung von Kanzleizielen im Kapitel „Zielführung“.
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222 Kanzleimarketing
native zu ihren jetzigen Verhaltensweisen nicht oder trauen dieser Alternative
nicht, empfinden neue Maßnahmen wegen „aktuell guter Umsätze“ als nicht notwendig – oder handeln einfach nur aus Gewohnheit!
Die folgende Tabelle ist Ergebnis einer repräsentativen Umfrage9 des SOLDAN
Instituts für Anwaltsmanagement und offenbart ein massives Dilemma deutscher
Anwälte: Anwälte verwenden Marketingmaßnahmen, von deren Wirkungslosigkeit
sie überzeugt sind.
Die Tabelle erfasst unter 710 zufällig ausgesuchten, in Deutschland zugelassenen Anwälten deren verwendete Methoden (linke Spalte), den Prozentsatz, in dem
diese Methoden zur Anwendung kommen (mittlere Spalte) und die Rangfolge jener
Werbewirksamkeit (wirksamste Methode Platz 1, am wenigsten wirksame Platz 24),
die dieselben Personen (!) diesen Werbemethoden zusprechen. SOLDAN stellt eine
„erhebliche Inkonsistenz zwischen dem faktischen Werbeverhalten einerseits und
den wahrgenommenen Werbewirkungen andererseits“10 fest:
Besonders schwere Inkongruenzen finden Sie in der Tabelle fett gedruckt:
Maßnahme
verwendet von
Platzierung
Wirksamkeit
1. Internetauftritt
69,9 %
5.
2. Gelbe Seiten
63,9 %
15.
3. Weihnachts- / und Geburtstagskarten
48,0 %
20.
4. Kostenpflichtige Anwaltssuche
41,3 %
18.
5. Anzeige in Wochenblättern
35,4 %
17.
6. Seminare + Vorträge für potenzielle Mandanten
32,4 %
3.
7. Sponsoring
28,3 %
21.
8. Anzeigen in Tageszeitungen
28,0 %
16.
9. Seminare + Vorträge für Mandanten
26,5 %
2.
10. Internetwerbung
23,9 %
14.
11. Kanzleibroschüre
22,1 %
12.
12. Mandantenbrief
21,0 %
8.
9 SOLDAN-Studie 2011, Dr. Matthias Kilian: „Wirksamkeit anwaltlicher Marketingmaßnahmen –
eine empirische Untersuchung zur Unternehmenskommunikation in Anwaltskanzleien“, 
DeutscherAnwaltVerlag 2011. SOLDAN befragte 710 Anwälte stichprobenartig per Fax. 
Weder Kanzleigröße noch Rechtsgebiete, Berufserfahrung oder Bekanntheit waren eingrenzende
Faktoren für die Auswahl.
10 A.a.O., S. 31; die Tabelle fasst die SOLDAN Ergebnisse der S. 29 und 32 zusammen.
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223
II. Kanzleimarketing erfordert Individualkommunikation 13. Werbegeschenke
20,4 %
22.
14. Wissenschaftliche Publikationen
18,0 %
9.
15. Juristische Artikel in Tageszeitungen
15,1 %
6.
16. „Events“ für Mandanten
12,8 %
7.
17. Pressemitteilungen
12,7 %
4.
18. Fachseminare Aus- und Fortbildung Mandanten
12,1 %
1.
19. Informationsbriefe für potenzielle Mandanten
11,7 %
13.
20. Fensterwerbung, KFZ Aufschrift
10,8 %
11.
21. Werbung im öffentlichen Raum
10,0 %
23
22. Flyer, Wurfzettel, Werbebeilagen
6,6 %
19.
23. Öffentliche Hinweise auf pro bono
5,9 %
10.
24. Rundfunk-, Fernseh- und Kinowerbung
2,5 %
24.
II. Kanzleimarketing erfordert IndividualkommunikationII.
1. Individualkommunikation ist das Gebot der Stunde
Die anwaltliche Leistung ist kein Kühlschrank. Ihre Nutzer können sie nicht testen, nicht
anfassen, nicht alltäglich nutzen, nicht bei Nichtgefallen zurückgeben, nicht höher
drehen, nicht an- und abschalten – und manchmal fehlt die Bedienungsanleitung!
Die Anwaltsleistung ist hoch erklärungsbedürftig und nicht anfassbar. Marketingspezialisten mahnen daher: „Instrumente, mit denen einen individuelle Kommunikation ermöglicht wird, sind umso bedeutender, je immaterieller, erklärungsbedürftiger und je weniger standardisiert eine Leistung ist“.11
Tipp
Je abstrakter eine Leistung ist, desto individueller muss sie kommuniziert werden.
Wer Kühlschränke verkauft, kann den Kühlschrank für sich sprechen lassen. Wenn
das Produkt jedoch – wie bei einem Anwalt – eher stumm bleibt, muss das sein
Träger tun. Individualkommunikation ist also das Gebot der Stunde. Sie ist ein
Garant dafür, dass anwaltliche Leistung anschaulich wird.12
11 Meffert/Bruhn, S. 479.
12 Vgl. Zahlen und weit ausführlichere Darstellungen in SOLDAN: „Wirksamkeit anwaltlicher
Marketingmaßnahmen“, Band 6, 2011, S. 35.
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1
224 Kanzleimarketing
2. Persönliche Kommunikation
Der Anwalt begibt sich selbst in das Gesichtsfeld seiner (zukünftigen) Mandanten. Diese hat er zuvor segmentiert. Er veranstaltet Seminare, Vorträge oder andere
In-house Events, die den Bedarf der erst ausgesuchten und dann aufgesuchten Klientel genau treffen und dann befriedigen. Charakteristisch ist hier, dass sich Anwalt
und (zukünftige) Mandanten persönlich gegenüber stehen. Es ist kein Zufall, dass
Anwälte diese Marketingrichtung als erfolgreichste einstufen. Einige Zahlen dazu:
Noch 2002 veranstalteten 82 % der befragten13 deutschen Anwälte keinerlei Mandantenseminare und Vorträge, während 2011 gilt:
–– Je höher die Anzahl gewerblicher Mandate, desto höher die Anzahl persönlicher
Kommunikationsmaßnahmen für potenzielle Mandanten (64 % aller befragten Kanzleien mit einem Anteil gewerblicher Mandate ab 91 %).
–– Je spezialisierter Anwälte auf Zielgruppen (nicht auf Rechtsgebiete!) sind,
desto häufiger veranstalten sie persönliche Kommunikationsmaßnahmen für
potenzielle Mandanten (fast die Hälfte aller Befragten).
–– 53 % der größeren Kanzleien (mehr als 10 Anwälte) und überörtlichen Sozietäten
sind Veranstalter regelmäßiger Mandantenfortbildungen.
3. Direktkommunikation
Der Anwalt übersendet gezielt Botschaften an zukünftige und derzeitige Mandanten durch Newsletter, Grußkarten, Telefonate und unverlangte schriftliche Angebote,
auch per E-Mail. Er setzt auf „Push Communication“,14 ist selbst der Aktive und hat
normalerweise keinen geregelten Überblick über das Feedback des „passiven“
Parts, also des Rezipienten. Die Empfänger sind stets persönliche Adressaten. Diese
Art des Marketings hat die Bindung bestehender Kontakte zur Folge, gilt als eine
der Möglichkeiten, Cross Selling15 einzuführen und ist wenig erfolgreich bei der
Gewinnung neuer Mandate. 2011 sahen dazu die Zahlen so aus:
–– Weihnachts- und Geburtstagskarten wurden 2011 von 48 % der Befragten versendet.
–– Mandantenbriefe an bestehende Mandanten werden von 21 % der befragten
Anwälte versendet, Informationsbriefe an potenzielle Mandanten dagegen
nur von 11 %. (Hauptbedenken: „Berufsstand beschädigt“).
13 Institut für Freie Berufe: „Marketing in Anwaltskanzleien“ (2002), S. 81, zitiert nach SOLDAN,
„Wirksamkeit anwaltlicher Marketingmaßnahmen“, Band 6, 2011, S. 35.
14 Push = schieben, Push Communication schiebt den zukünftigen Mandanten durch den Anwalt an.
15 Vgl. das Kapitel „Cross Selling“.
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II. Kanzleimarketing erfordert Individualkommunikation 225
–– Je älter ein Anwalt ist, desto weniger arbeitet er mit Methoden der Direktkommunikation (liegt auch an der Wettbewerbssituation, die jüngere Anwälte
zwingt, „mehr zu machen“).
–– Je höher der Anteil an gewerblichen Mandaten, desto höher der Anteil an Maßnahmen der Direktkommunikation.
4. Multimediakommunikation16
Der Anwalt stellt sich zur Schau in elektronischen Chats, Foren, Internetseiten, Suchservice und setzt auf „Pull Communication“,17 mit einem – abhängig von eigener
technischer Einrichtung – deutlichen, jedoch nicht flächendeckenden Feedback
von Userseite. Multimediakommunikation gilt als „computergestütztes, interaktives
und multimodales Kommunikationssystem“, das von „individuellen Informationsbedürfnissen der Rezipienten gesteuert wird“.18 Webseite, Videostreams, Gästebücher,
Blogs, Foren und auch ein bezahlter elektronischer Anwaltssuchservice gehören beispielsweise dazu.
–– 2002 unterhielten 37 % aller befragten Kanzleien19 eine Kanzleihomepage, während sich diese Zahl im Jahr 2011 fast verdoppelt hatte.
–– Je jünger Anwälte sind, desto eher hatten sie 2011 eine eigene Webseite (89,3 %
der unter 35-jährigen).
–– Interessant: In Kanzleien mit 61–90 % gewerblicher Mandate ist 2011 die Anzahl
der Webseitenbetreiber mit 80,2 % am höchsten, während deren Anzahl wieder
signifikant auf 71 % sinkt bei Kanzleien mit fast ausschließlich gewerblicher
Klientel.
–– Je höher der Anteil gewerblicher Mandate, desto geringer der Anteil bezahlter
Werbung im Internet.
5. Kanzleien in der Öffentlichkeit: Marketing? Werbung? Public Relations?
Doch nicht nur der einzelne Anwalt sondern auch seine gesamte Kanzlei steht im
Fokus und erzielt durch diverse Vorgehensweisen eine öffentliche Wirkung. Ob Sie
neue Mandanten gewinnen, ehemalige Mandanten zurück gewinnen oder derzei-
16 Vgl. das Kapitel „Online-Akquise“.
17 Pull= ziehen, Pull Communication zieht den Mandanten durch indirekte Maßnahmen zum Anwalt.
18 Meffert/Bruhn, S. 533.
19 Institut für Freie Berufe: „Marketing in Anwaltskanzleien“ (2002), S. 81, zitiert nach SOLDAN:
„Wirksamkeit anwaltlicher Marketingmaßnahmen“, Band 6, 2011, S. 35.
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226 Kanzleimarketing
tige Mandate ausweiten möchten – für alle drei Akquise-Zeitzonen bewirkt ein gut
strukturiertes Kanzleimarketing nachhaltige Erfolge.
Auch über diese Voraussetzung beginnen deutsche Anwälte in aller Regel zu
spät nachzudenken. Erst wenn Umsätze stagnieren oder gar zu sinken beginnen,
starten Überlegungen, „was wir tun könnten“. Die Lösung liegt auf drei Gebieten:
1. Marketing
=
Meine Arbeit sagt, was ich kann.
2. Werbung
=
Ich sage, was ich kann.
3. Public Relations
=
Andere sagen, was ich kann.
Hier finden Sie die drei Richtungen anwaltlicher Öffentlichkeitsarbeit in einem
Überblick:
Überblick Kanzleikommunikation
Werbung
Ich sage, 
was ich kann.
Zweck:
Gewinnmaximierung durch
unmittelbare, punktuelle
Akquise. Visuell bzw.
auditiv wahrnehmbar;
kurzfristige, unsortierte
Aufmerksamkeit
Kanzleimarketing
Meine Arbeit sagt, 
was ich kann.
Zweck:
Gewinnmaximierung 
durch unternehmerische
Konzeption, orientiert an
Mandanten-Bedürfnissen;
Mandantenstruktur 
errichten + fokussieren
Public Relations
Andere sagen, 
was ich kann.
Zweck:
Gewinnmaximierung
durch nachhaltige Öffentlichkeits-, Lobby- und
Pressearbeit; Kanzlei- bzw.
Anwaltsimage langfristig
positionieren + Mandantenimage schützen
6. Marketing = „Meine Arbeit sagt, was ich kann.“
Marketing ist der Oberbegriff über alle strukturierten, geplanten, verkaufsfördernden und öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen einer Kanzlei und beantwortet die
Leitfrage: Was ist das Beste für den Kunden?
Marketing bringt Kanzleileistungen, -image und -besonderheiten in die Öffentlichkeit. Marketing besteht aus einer mittel- bis langfristigen Strategie, die auf
zuvor ermittelten Kundenwünschen und Marktbedürfnissen basiert.
Marketing hat nichts Zufälliges oder Beliebiges. Es strukturiert Kanzlei-Leistungen und fokussiert das Verhalten aller Anwälte und Mitarbeiter sowie die
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II. Kanzleimarketing erfordert Individualkommunikation 227
Ausrichtung von Werbung, PR und der gesamten Produktpalette Ihrer Kanzlei auf
einen bestimmten Mandantenstamm oder bestimmte Rechtsgebiete.
Ein Marketingkonzept ist – als Gesamtheit aller geplanten Maßnahmen – eine
direkte Folge Ihres Unternehmensziels20 und bildet die Statik Ihres Hauses.
7. Werbung21 = „ Ich sage, was ich kann.“
Werbung besteht aus bezahlten Botschaften, durch die positive Eigenschaften
eines Produkts oder einer Dienstleistung kurzfristig und direkt promotet werden.
Werbebotschaften sind öffentlich und unmittelbar auch dann sichtbar oder hörbar,
wenn der Mandant weder in der Kanzlei ist oder war noch dem Anwalt persönlich
begegnet. Darunter fallen Zeitungs- oder Zeitschriftenanzeigen, Radio- oder Fernsehspots, im Internet AdWords, Anwalt24 oder andere bezahlte Anwalts-Suchdienste,
Gelbe Seiten, Plakate, Mandantengeschenke, Glückwunschkarten, Flyer, Briefkasten-,
Auto- oder Buswerbung, das Logo am Fahrradständer, die Aufschrift auf dem Kanzleifenster, TV-, Kino- oder Radio-Spots, Zeitungsanzeigen, Online-Banner, etc.
Werbung kann generell Geschmack, Zeitgeist, Einstellungen zu den Angeboten
und zum Unternehmen verändern sowie Nachfrage generieren, Image verändern
und Alleinstellungsmerkmale verankern helfen.
Werbung gilt als die ineffizienteste und daher teuerste aller Marketingmethoden im Anwaltsbereich.
8. Public Relations22 = „Andere sagen, was ich kann.“
Die „öffentlichen Beziehungen“ stärken nachhaltig das Ansehen der Kanzlei und
fördern indirekt deren wirtschaftlichen Erfolg. Alles gehört zur „Public-Relations
Arbeit, was andere dazu bewegt, über die Kanzlei, den Anwalt oder den Mandanten zu reden. Anwälte und ihre Mandanten haben nicht nur eine Beziehung zueinander sondern auch gemeinsame Beziehungen zu Gerichten, Presse, Gegnern, Staatsanwaltschaften, Vereinen, Behörden, Lobbies oder ganzen Ländern.
Um diese Beziehungen nutzbar zu machen, richten Anwälte PR-Maßnahmen
ein. Sie werben dadurch um Verständnis und Anerkennung für Handlungen des
Anwalts und Situationen des Mandanten (oder umgekehrt).
20 Vgl. Tipps zur Definition und Erreichung von Unternehmenszielen in einer Anwaltskanzlei im
Kapitel „Zielführung“.
21 Vgl. das Kapitel „Werbung“.
22 Vgl. das Kapitel „Public Relations“.
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228 Kanzleimarketing
Um PR-Maßnahmen zu optimieren, intensivieren Anwälte ihre Pressearbeit,
engagieren für prominente oder imageträchtigen Mandaten PR Agenturen oder organisieren regelmäßig öffentliche Vorträge, über die die Presse berichtet.
Beispiele für anwaltliche Public Relations sind auch kulturelle Veranstaltungen, die eine emotionale Ansprache bieten – und über die „man“ redet. Anwälte
treten deshalb mit launigen und gekonnten Reim-Reden bei Karnevalssitzungen
auf oder vertreten pro bono Mandanten, die Rechtsgeschichte schreiben oder schreiben könnten, wie etwa im Fall „Emmely“.23
Eine besondere soziale, ideologische oder gesellschaftliche Positionierung
trägt ebenfalls dazu bei, dass andere über die anwaltlichen Leistungen reden.
III. Kanzleimarketing: Vier „P“ mit großer WirkungIII.
Marketing ist die Folge eines Unternehmensziels. Es basiert auf vier stabilen Säulen,
die nicht nur das Kanzlei-Dach stützen, sondern auch Größe, Architektur und Zimmeraufteilung Ihres Hauses determinieren. Marketing macht Ihre Kanzlei wetterfest, schafft eine schützende Heimat für Ihre Probleminhaber und garantiert Ihnen
nachhaltigen, ökonomischen Erfolg, solange Sie „Abwegiges“ meiden.
1. Produkt = Was biete ich an?
Es ist abwegig, Sozial- oder Asylrecht anzubieten, wenn Sie reich werden wollen
und abwegig, Gesellschaftsrecht anzubieten, wenn Sie nicht zugleich Steuerrecht
anbieten können. Es ist abwegig, „für alles offen“ zu sein (dann gelten Sie schnell
als „nicht ganz dicht“) und abwegig, viele Fachanwaltstitel anzuhäufen, wenn
deren inhaltliche Verbindung nicht dieselben oder ähnliche User anspricht. Es ist
abwegig, sich auf Strafrecht zu spezialisieren, wenn Sie keine ausgewiesene Liebe
zu Auftritten in Gerichtssälen und zu „Spezialklientel“ aufweisen.
2. Platz = Wo biete ich das an?
Es ist abwegig, eine arbeits- und familienrechtlich aufgestellte Kanzlei im 100 km
Umfeld von 20 gleich oder ähnlich aufgestellten Konkurrenten zu eröffnen. Es ist
abwegig, Patent- und Wettbewerbsrecht in einer geografischen Umgebung anzubieten, in der keine produzierenden Firmen sind (eine über jeden Zweifel erhabene
23 Die Kassiererin hatte zwei liegengebliebene Pfandbons in Höhe von € 1,30 eingelöst und war
daraufhin fristlos gekündigt worden. Das BAG hat die Kündigung aufgehoben.
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IV. Kanzleimarketing: 10 Tipps für das Marketing nach innen 229
Internetpräsentation bzw. eine von vornherein auf internationale oder sehr spezialisierte Mandate ausgerichtete Kanzlei kann in beiden – und vielen weiteren
Fällen – den geografischen Standort unwichtig machen). Es ist abwegig, die Kanzlei
in einem Problemstadtteil einer Großstadt zu eröffnen, wenn Sie Unternehmergattinnen familienrechtlich begleiten wollen. Es ist vollkommen abwegig, Vertriebswege des „Web 2.0“ nutzen zu wollen, wenn Ihre angestrebte Klientel mehrheitlich
gegen bloggen, twittern, facebooken etc. allergisch ist.
3. Promotion = Wie biete ich das an?
Es ist abwegig, wie die Spinne im Netz zu warten, bis die Kunden aufmerksam
werden. Es ist abwegig, schlechte Präsentatoren auf eine Vortragsbühne zu lassen.
Es ist abwegig, Hochglanzbroschüren zu produzieren, wenn Sie die dazu passende
Wunsch-Klientel nicht fokussiert ansprechen. Es ist abwegig, durch die ISO-Zertifizierung Ihrer Kanzlei einen besonderen Akquiseeffekt zu erwarten, wenn Sie nicht
Zertifizierungsgewohnte Branchen (Medizinprodukte, Pharma, Lebensmittel etc.)
als Mandanten anstreben. Es ist abwegig, den Mittelstand interessieren zu wollen,
wenn Ihre Produktpalette eher auf Privatmandanten zielt oder wenn wahrnehmbare Mittagspausen in Ihrer Kanzlei den Interessenten abschrecken. Es ist abwegig,
Ihre Talente und die Ihrer Kollegen nicht zu zeigen.
4. Preis = Zu welchem Preis biete ich das an?
Es ist abwegig, hohe Honorare anzustreben, wenn Sie bei Einwänden einknicken
oder den Gegenwert nicht „fühlen“. Es ist abwegig, nach RVG abzurechnen, wenn
Sie den Umfang anwaltlicher Arbeit nicht abschätzen können (Sie verschenken
sonst objektiv begrenzte Lebenszeit an unbekannte Menschen!). Es ist eine abwegige Hoffnung, im „Vertrauensgeschäft Rechtsberatung“ durch voreiliges situatives
Dumping oder gar durch dauerhaft „billige Preise“ nachhaltige Mandate zu erhalten.
IV. Kanzleimarketing: 10 Tipps für das Marketing nach innenIV.
1. Seien Sie eigenartig, nicht nur einzigartig!
Eigenartig sollten Sie schon sein. Haben Sie eine ganz eigene Art? Zeigen Sie sie!
„Eigenartig – eigensinnig – eigenwillig: Wir mögen Lösungen“ könnte Ihr Wahlspruch der Zukunft sein.
Gerade weil das Wort „eigenartig“ im deutschen Alltagsgebrauch negativ konnotiert ist, sollten Sie es positiv verstehen. Der Duden bezeichnet eine Eigenart
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230 Kanzleimarketing
als „spezifische [Wesens]art, Eigentümlichkeit“24 und findet die Synonyme Besonderheit, Charakter[zug], Eigenschaft, Kennzeichen, Merkmal, Spezialität, Wesen, Typizität und erwähnt auch den freundlichen Unterton der „Schrulle“.
Als Rechtsbegriff im gewerblichen Rechtsschutz sind „Unterscheidbarkeit“ und
„Eigenartigkeit“25 ohnehin positiv konnotiert; durch sie werden Prozesse gewonnen.
Die Frage: Was unterscheidet Ihre Kanzlei vom Mitbewerber?26 wird ein
Erfolgskriterium sein! Folgen Sie dem Geschmacksmusterrecht oder der französischen Sprache, die „Eigenart“ mit Besonderheit27 gleichsetzt – und seien oder
werden Sie eigenartig! Entwickeln Sie eine Eigenart, an der keiner vorbei kommt!
Eigenartige Anwälte
–– laden ihre Mandanten und weitere Interessenten unter dem Motto „Mit uns zu
Gericht?“ einmal im Monat in eine Kochschule ein. Sushi wird dort gemeinsam
gerollt, gemeinsam gegessen und gemeinsam begossen. Beim Essen und Trinken
kommt man sich nahe. Fachgespräche sind nur über Kochen, Japan, Fußball
und High Heels erlaubt!
–– kommen beim Vizepräsidenten der Handelskammer ohne Termin mittags in Freizeitkleidung vorbei und sagen etwas von „einer plötzlichen Idee im Urlaub“. Vier
Jahre später vertreten sie einen relevanten Teil der exportierenden Wirtschaft ihres
Landes und haben einen eigenen Messestand auf einer riesigen Exportmesse.
–– fahren mit ihrem roten 912er Porsche aus dem Jahr 1968 bei einem Porschehändler mit Werkstatt vor und reden etwas von „leidenschaftlich Schrauben an
schönen Autos“, verwickeln den Werkstattleiter in ein für beide unvergessenes
Fachgespräch und vertreten zwei Jahre später zwölf (!) Porschefahrer in unterschiedlichen Rechtsgebieten, darunter in einer Scheidung mit einem Gegenstandswert von 12 Millionen Euro.
–– laden ihre Mandanten und deren „interessiertes Umfeld“ zu „Rammstein“-Konzerten ein. Der erste dadurch gewonnene Mandant ist der örtliche Hörgeräteakustiker, der die Loge nebenan gemietet und vor dem Konzert 2000 in Cellophan
eingeschweißte Ohrstöpsel unter den Gästen verteilt hatte. Der Anwalt hat bald
danach nicht nur selbst einen Jahrhundertvorrat an Ohrstöpseln sondern auch
unter den Hörgeräteakustikern Deutschlands einen großen Namen. Weitere
Mandate kamen durch einen Radiosender, der mit in die Loge eingeladen war
und der über „Rammstein, Rechtsanwälte und Radau“ berichtete.
24 Vgl. Duden Online, Schlagwort „Eigenart“.
25 Rechtsanwältin Susan B. Rausch, Fachanwältin für den gewerblichen Rechtschutz aus Hamburg
teilt hierzu mit, dass die für die Anmeldung eines Geschmacksmusters erforderliche „Eigenart“ gegeben ist, wenn „sich der Gesamteindruck, den das Muster beim informierten Benutzer hervorruft
von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Muster bei diesem Benutzer hervorruft,
das vor dem Anmeldetag offenbart worden ist“, s. § 2 Abs. 3 GeschmMG oder Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 GGV.
26 Vgl. das Kapitel „Flexibilität“.
27 = Particularité.
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IV. Kanzleimarketing: 10 Tipps für das Marketing nach innen 231
–– lassen sich als Karikaturen zeichnen und verteilen Postkarten wie Autogrammkarten im Wartezimmer und am Ausgang der Kanzlei (die hängen dort wie die
kostenlosen Postkarten in Kneipen). Bei ihren zahllosen Vorträgen legen sie
die Postkarten mit dem Konterfei des Referenten auf die Stühle der Zuhörer. Auf
der Rückseite können diese Fragen notieren und einen Rückrufwunsch bekannt
geben. Selbstverständlich sind die Karikaturen auch in Webseite, Broschüren,
an der Kanzleiwand und auf Vortragsfolien!
–– erkundigen sich bei der größten Bank ihres Ortes nach Stiftungsprojekten, lassen
sich in die „Stifter-Liste“ eintragen und kommen so mit anderen Stiftern bei
deren Jahrestreffen zusammen. Sie sponsern Fußballturniere mit Mädchen
und Jungen aus der Stadt, die sich keine Mitgliedschaft in einem Fußballverein
und keinen Stadionbesuch leisten können, z. B. bei der Stiftung „Fairchance“,
oder sie stiften die T-Shirts der „Respekt AG“ der ortsansässigen Grundschule,
gegen die sie in einem Fußballturnier persönlich antreten. Ihre Aktion wird
durch die Schulzeitung und andere Presse, Radio etc. verbreitet und führt zu
breit gefächertem Interesse.
–– teilen sich einen Messestand auf einer Fachmesse der Zielmandantschaft z. B.
mit dem Standbetreiber „Region Stadt“ und verschenken von dort USB-Sticks mit
ihrem Logo, darauf mit auditiven (Podcasts) oder visuellen (PowerPoint Teaser)
Kurzpräsentationen für Auto, Computer und I-Pad drauf. Selbstverständlich
läuft diese Präsentation auch an ihrem Stand. Das Logo findet sich auch auf der
Kappe und auf dem Jackett der Verteiler.
–– haben in Ihrem Wartezimmer eine Dauerpräsentation in PowerPoint von
ihren sechs Anwältinnen und deren Assistentinnen laufen. Jede ist zu sehen mit
Foto, Namen, Funktion und lustigem oder nachdenklich stimmenden Leit- und
Lebensmotto. Ein geräuschloser Beamer an der Decke wirft kleine Bilder auf die
Wand; die Projektionsfläche wird altmodisch durch einen verschnörkelten
Gold-Rahmen eingefasst, falls das Ambiente sonst sehr modern ist. Das bricht
Erwartungen und Stile.
–– haben Leitspruch, Lebensmotto oder Lieblingsweisheit als gemalte Buchstaben an der Wand in den Besprechungszimmern. Die Sprüche lösen jedes
Mal Diskussionen aus, die der Anwalt nutzen kann für eine unaufgeregte Diskussion anwaltlicher Werte. Der Spruch „Wir wechseln gern die Perspektive“ geht
zum Beispiel in 20 cm großen Buchstaben von ganz unten schräg an der Wand
nach oben und an der Decke weiter, wird dreimal hintereinander ohne Satzzeichen geschrieben und hört mitten im Satz auf. Der Anwalt hat das von seinem
Zahnarzt übernommen, in dessen Wartezimmer Sprüche über Zähne in fünf
Sprachen auf die Wand gemalt waren. Zahnarzt und Anwalt stellten übrigens
fest, dass die Menschen stets zu früh zu ihrem Termin kommen, seit beide (!) eine
luxuriöse Espressomaschine zum selbst bedienen und sehr schicke, bequeme
Stühle aufgestellt hatten.
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232 Kanzleimarketing
2. Lassen Sie die Fachfrau28 ran – Sie sind ja selbst eine
Tischlerinnen können nicht gut Elektrik verlegen, Elektrikerinnen keine tollen Tische
drechseln. Anwältinnen können nicht ausreichend Marketing, und Marketing-Fachfrauen kennen kaum Paragraphen.
Von fremden Welten haben wir oft nur grob schematisierte Karten im Kopf! Das
macht ja die freien Berufe in einem überraschenden Ausmaß zunächst unfrei: Fachaufgaben und Managementaufgaben sind vereint in einer Person – völlig unüblich in der Industrie.29 Zwangsläufig bleibt dabei eine der beiden Disziplinen auf der
Strecke! Ändern Sie das!
Falls Sie die Kooperation mit externen Marketingfachfrauen anstreben, richten
Sie sich auf Tagessätze von € 1.000 – € 3.000 ein. Manche auf Kanzleien spezialisierte
Beraterinnen bieten auch interessante Pauschalen mit einem festgelegten Ziel.
Falls Sie interne Marketingfachfrauen beschäftigen möchten, sind diese Zahlen
aus mittleren und größeren Kanzleien für Sie vielleicht interessant: Alle befragten30 Kanzleien mit über 150 Anwälten und 86 % der befragten Kanzleien mit bis zu
50 Anwälten haben 2011 Marketingprofis angestellt; 2007 waren es in der letzten
Gruppe nur 50 %. 43 % der in Deutschland 2011 in Kanzleien eingestellten Marketingmanagerinnen verdienen € 50.000 im Jahr und mehr, 40 % der Marketingleiterinnen
bekommen 90.000 Euro und mehr, 53 % der Marketingassistentinnen erhalten 30.000
bis 40.000 Euro im Jahr.
3. Kanzleimarketing braucht ein Konzept
Kanzleimarketing gehört zu den A-Aufgaben in einer Kanzlei und ist nur top down
sinnreich. Schaffen Sie eine stringente Kanzleistrategie mit einer einzigen Verantwortlichen und einem eigenen Budget für (wenn Sie gerade erst beginnen: mindestens) zwei Jahre. Unter drei Voraussetzungen ist das effizient:
–– Lust: Die Auserwählte muss richtig Lust dazu haben, alle im Team müssen ihr
folgen – und sie muss von Beginn an Pflicht und Ziel haben, relevante Umsatzsteigerungen am Ende des Wahlzeitraums nach zu weisen. Test it!
28 „Lassen Sie den Fachmann ran“ war die ursprünglich geplante Überschrift. Auch sie hätte nicht
einen durchgängigen Sexismus der Autorin, sondern deren Hang zur Einfachheit gezeigt. Doch
gerade diese Überschrift weigerte sich, getippt zu werden. Also finden Sie in diesem kompletten
Abschnitt die weibliche Form. Auch wenn die Autorin weiß, dass Anwältinnen solche Frühdokumente
von Emanzipation nicht nötig haben: hier ging die allseits männliche Form der Autorin doch auf die
Nerven. Daher: bitte alle durchhalten!
29 ...und übrigens manchmal ganz ähnlich im Handwerk...!
30 Alle Zahlen: Schieblon, 3. PMN Benchmark Studie Anwaltsmarketing Juli 2011, S. 25 Ergebnis
einer Befragung von 75 TOP Kanzleien – nach Ranking in JUVE Rechtsmarkt 10/2010.
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IV. Kanzleimarketing: 10 Tipps für das Marketing nach innen 233
–– Ziel: Starten Sie nie, wenn Sie nicht wissen, wohin genau. Ohne Ziel31 kein Weg!
Fassen Sie eine möglichst eingegrenzte Klientel ins Auge. Überlegen Sie, was
diese Klientel braucht. Welche Ansprache diese Klientel mag und welche nicht.
Beachten Sie die Regeln dieser Klientel! Gehen Sie dahin, wo diese Klientel ist.
Streben Sie Kolumnen an in Magazinen, die diese Klientel liest.32 Gewinnen Sie
Berufsorganisationen dieser Klientel als Multiplikatoren. Nicht jeder geht gern
in ein Luxushotel, um einen Vortrag anzuhören. Nicht jeder liest gern Aufsätze.
Nicht jeder erträgt eine akademische Sprache.
–– Fokus: Sie sind Fachanwältin für Baurecht? Fokussieren Sie nicht allein auf Ihr
Rechtsgebiet sondern auf die Besonderheiten jener Klientel, die Sie glücklich
machen wollen. Grenzen Sie ein! Überlegen Sie, ob Sie auf öffentliches oder privates Baurecht fokussieren möchten und sich folgerichtig eher an Kommunen,
an Privatpersonen oder an Architektinnen-Organisationen wenden möchten.
Bedenken Sie, dass alle drei eine unterschiedliche Ansprache benötigen.
4. Kanzleimarketing braucht Zeit
Wenn Sie als Kanzleichefin keine externe Marketingfachfrau direkt beauftragen,
sondern einer Mitarbeiterin33 diese Aufgabe übertragen, geben Sie ihr ein solches Ziel
vor, das Sie zuvor mit Ihren Kolleginnen definiert haben. Lassen Sie sich Wege
dorthin präsentieren, und entscheiden Sie einen der skizzierten Wege. Optimieren
Sie gemeinsam Details. Vereinbaren Sie regelmäßige Meetings mit ihr. Lassen Sie sie
Rat einholen bei Kolleginnen ähnlicher Kanzleigröße oder bei professionellen
Marketingfachfrauen, die es auch auf Kanzleien spezialisiert gibt. Vergessen Sie alle
Vorstellungen von sofortigen Erfolgen. Ohne Marktdurchdringung geht nichts. Sie
brauchen viel Geduld und langen Atem!
5. Kanzleimarketing braucht Geld
Geben Sie ihr ein festes Budget34 von ca. 2 % Ihres durchschnittlichen Jahresumsatzes. Falls Sie mit Webseite, Fanpage, Kanzleibroschüren, Mandantenbefragun-
31 Vgl. zur Zieldefinition in einer Anwaltskanzlei das Kapitel „Zielführung“, darin besonders den
„Akquisekalender“!
32 Vgl. das Kapitel „Telefonakquise“. Auch Redaktionen von Zeitungen und Magazinen Ihrer Zielklientel wissen noch nicht, dass es Sie gibt!
33 Das kann jede selbstbewusste, führungs- und organisatonsstarke Anwältin oder Assistentin sein
oder auch eine Rechtsfachwirtin, die „Kanzleimanagement“ in ihrer Ausbildung gelernt hat.
34 Laut Claudia Schieblon gibt ein Viertel der 2011 durch ihr Institut befragten deutschen TOP
Kanzleien 3 % des Umsatzes für Marketing aus, Personalkosten nicht eingerechnet. Vgl. 3. PMN
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234 Kanzleimarketing
gen, Vorträgen, Events etc. gerade erst beginnen, starten Sie furchtlos und unbeirrt
mit 10 % im ersten Jahr und verzichten Sie dafür lieber auf Urlaub. Das erste
Investitionsjahr in ein strukturiertes Kanzleimarketing senkt zunächst Ihre Entnahmen. Richten Sie sich darauf ein. Legen Sie das Budget im ersten Jahr immer höher
fest als im zweiten und bestimmen Sie bei Auftragserteilung nur die Eckdaten von
dessen Verwendung: Externe Marketingberater ja oder nein, Vortragsveranstaltungen extern und intern, Kanzleibroschüren ja oder nein, Fanpage auf Facebook ja
oder nein, Mandantenbefragungssysteme ja (Hier gibt es nur ja), Kanzleisoftware
bzw. deren Nutzung optimieren, Kanzleikultur und Mandantenservice auch intern
etablieren (hier gibt es nur „ja“. Also: Wie genau vorgehen? Welche Schulungen?),
interne Workshops mit den Anwälten (auch hier gibt es nur „Ja“, also: welche?). Alle
Details macht sie.
6. Kanzleimarketing braucht Rückhalt
Halbe Sachen sind ganze Katastrophen! Verpflichten Sie, sobald das Konzept ausgereift ist, jede Anwältin und natürlich auch jede Assistentin zur Einhaltung jener
Regeln, die Sie gemeinsam in der Partnerinnenrunde für das Kanzleimarketing
beschlossen haben. Um diese Regeln zu definieren, beziehen Sie auch Ihre NichtJuristinnen ein. Machen Sie die Vorgaben Ihrer Marketingfachfrau zu A-Aufgaben für
alle. Jede muss sich dran halten; Sie werfen sonst Geld aus dem Fenster! Ihre Marketingfachfrau muss sich darauf verlassen können, dass alle anderen Partnerinnen
alle Entscheidungen mittragen. Es gibt keine Einspruchsrechte sondern Feedback
Pflichten. E-Mail-Bitten von ihr haben 2 Ausrufezeichen!! Sie werden nicht weggeklickt sondern befolgt. Dadurch optimieren Sie die Folgen Ihrer Entscheidungen.
7. Kanzleimarketing braucht die SWOT-Analyse
Was haben Sie nach innen zu bieten? Was haben Sie von außen zu fürchten? Was
fehlt Ihnen noch nach innen? Was wird Sie von außen begünstigen? Die Antworten
erhalten Sie durch eine SWOT-Analyse. Das steht steht für für Strengths (Stärken),
Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Bedrohungen).
Die SWOT-Analyse ist ein Instrument der Strategischen Planung und dient der Positionsbestimmung und der Strategieentwicklung von Kanzleien.35
Benchmark Studie Anwaltsmarketing Juli 2011, S. 25 Ergebnis einer Befragung von 75 TOP Kanzleien
– nach Ranking in JUVE Rechtsmarkt 10/2010.
35 Siehe die einfache und verständliche Erläuterung unter dem Titel „Professionelle Nabelschau“
bei der Firma „Komm-Position“, Berlin: www.kommposition.de/kanzlei/kanzleimarketing.htm.
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■■
IV. Kanzleimarketing: 10 Tipps für das Marketing nach innen 235
Die vier analysierten Positionen geben Auskunft über interne und externe
Faktoren einer Unternehmensstrategie. Sie wird deshalb oft als Matrix dargestellt:
S.W.O.T.
Stärken (intern)
Schwächen (intern)
Chancen
(extern)
Neue Chancen suchen, die zu KanzleiStärken passen
Schwächen ablegen, um neue Chancen
zu nutzen
Gefahren
(extern)
Stärken einsetzen, um Bedrohungen 
zu meistern
Strategien gegen Bedrohungen 
entwickeln
Nutzen und Stolpersteine der SWOT Analyse
Eine durchdachte Kanzleistrategie ist die Grundlage für effizientes Kanzleimarketing. Um zu starten, ermitteln Sie zunächst, welche Schwächen und Stärken Ihre
Kanzlei derzeit hat und welche externen Bedingungen Sie einbeziehen bzw. nutzen
können. Ihre Kanzlei ist erst ökonomisch sinnreich positioniert, wenn Sie diesen
Abgleich geschafft haben.
Durch die SWOT-Analyse können Sie die Stärken und Schwächen Ihrer Kanzlei
ermitteln und vergleichen mit den Risiken und Chancen, die Ihre Umgebung bietet.
Dadurch erfahren Sie, was Sie intern noch benötigen, um extern zu akquirieren.
Die SWOT-Analyse hilft Ihnen, ein definiertes Unternehmensziel mit Leben zu
füllen. Ihre Kanzlei hält den Kurs und entscheidet sich z. B. für den taktisch klugen
Standort. Geplante Standorte verwerfen Sie u.U. durch die SWOT-Analyse, falls sich
herausstellt, dass externe Hindernisse größer sind als interne Ressourcen.
Die folgenden drei Fehler können anfangs Ergebnisse verhindern oder sogar
verfälschen:
–– Fehler 1: Die SWOT-Analyse wird durchgeführt, ohne zuvor ein Kanzleiziel definiert zu haben.
Lösung: Die Reihenfolge bitte einhalten, erst das Kanzleiziel36 (Wo wollen wir
hin) und dann SWOT (Wie können wir das schaffen? Was ist zu beachten? Welche
Faktoren bremsen bzw. begünstigen uns?).
■■
–– Fehler 2: Externe Chancen und internen Stärken werden verwechselt.
Lösung: Streng auseinanderhalten! Die externe Chance (noch keine Mitbewerber in der geografischen Umgebung) ist nicht dasselbe wie die interne Stärke
(drei Partner auf diesem Rechtsgebiet vorhanden). Die interne Stärke muss
öffentlich gezeigt werden, sonst ist sie keine.
36 Vgl. zur Definition und Erreichung von Unternehmenszielen das Kapitel „Zielführung“.
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236 Kanzleimarketing
–– Fehler 3: SWOT-Analysen werden mit möglichen Strategien verwechselt.
Lösung: SWOT-Analysen beschreiben einen IST-Zustand in der Gegenwart, Strategien hingegen folgen daraus und definieren Aktionen in der Zukunft. Aus der
SWOT-Analyse heraus werden Akquiseaktionen entwickelt; sie selbst ist noch keine!
8. Kanzleimarketing braucht ein Client Relationship Management-System
Imagearbeit ist kein Ponyhof! Eine Vielzahl von ineinander greifenden Maßnahmen,
die kontinuierlich (Beachten Sie: Eintagsfliegen leben nur einen Tag!) und von allen
Kanzleimitarbeitern (Beachten Sie: auch eine einzige Anwältin kann die Arbeit von
15 anderen einreißen, wenn Sie sie lassen!). Ein Client Relationship ManagementSystem kümmert sich um
–– Mandantendatenbanken,
–– Recherchen über Neu-Mandate,
–– Recherchen über neue Strömungen am Rechtsmarkt,
–– Pitch-Unterlagen,
–– Cross Selling-Potenziale,
–– neue Märkte,
–– Schulungen (Präsentation, Honorarinformation, Akquise),
–– Branding,
–– Recruiting.
Die folgenden vier Beispiele37 zeigen die oft innovative Arbeit solcher CRM Spezialisten.
■■ Branding
Branding (Brand = Marke) bedeutet, eine Marke zu schaffen und zu Akquisezwecken zu promoten. Durch Branding schafften Kanzleien einen neuen Außenauftritt:
So hat die Kanzlei GSK Stockmann in einem Brandingprozess alle 135 Anwälte eingebunden und eine umfassende Selbst- und Fremdbildanalyse durchführen lassen.
In verschiedenen Workshops haben die Juristen die Kanzleistrategie und anschließend die Kommunikationsstrategie diskutiert und festgelegt. Die Kanzlei hat nun
auch einen völlig neuen Außenauftritt in modernen Farbtönen und eingängigen
Slogans, die man auf der Website, in Anzeigen und auf Messeständen wiederfindet.
Das Ergebnis zeigt sich aber auch anders, denn: „Man spürt nun die immense Motivation aller Anwälte, die Kanzlei gemeinsam voranzubringen“, so Markus Weingart,
Marketingmanager der Kanzlei. Seit dem neuen Branding haben wir auch wesentlich
mehr Erfolg bei jungen Bewerbern.“
37 Beispiele und Zitate aus: Schieblon, BB 44/2011 v. 31.10.2011, „Im Blickpunkt Kanzleimarketing“, S. VI und VII.
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IV. Kanzleimarketing: 10 Tipps für das Marketing nach innen 237
Speeddating
Hier ist ein Beispiel, durch das Cross Selling Potenziale in Großkanzleien besser
ausgeschöpft werden: Linklaters hatte ein Speeddating-Programm aufgesetzt. Am
Rande von Partnerversammlungen wurden Marktplätze geschaffen, bei denen
Partner verschiedener Praxisgruppen ihr Spezialwissen anbieten konnten. Jeder
dieser Partner hielt an seinem Tisch für jeweils einen Partner anderer Praxisgruppen eine kurze Präsentation zu einem ausgewählten Beratungsangebot. Dies wurde
inhaltlich dargestellt, es wurde aber auch ein möglicher Verkaufsansatz diskutiert.
Also: Wie kann mein Kollege mein Thema bei einem Mandanten interessant
machen, so dass dieser auf mich zukommt? Ein Business-Development-Projekt, das
für Linklaters neues Geschäft einbrachte.
■■ Netzwerkgründung38
Durch eine Netzwerkgründung oder -unterstützung kann eine Kanzlei auf aggressivere Akquisemethoden locker verzichten: Rotter Rechtsanwälte, eine Kanzlei
mit neun Anwälten, die auf die Vertretung von Kapitalanlegern spezialisiert ist,
gründete das Netzwerk WIN39 mit gleichartigen Kanzleien auf der ganzen Welt,
um internationale Investoren als Mandanten zu gewinnen. Ein Aufwand, der sich
für die Kanzlei lohnte und Neu-Geschäft wie auch eine Auszeichnung mit dem PMN
Management Award einbrachte.
■■ Anwalts-App
Anwaltskanzleien begeistern Nachwuchs durch Verwendung neuester Technologien: Die Kanzlei White & Case geht bei der Suche nach Nachwuchs-Juristen
ganz neue Wege. Mit ihrer Karriere App für iPhones bietet sie alle wichtigen Informationen über die Kanzlei, ihre Präsenz auf Bewerber-Messen und aktuelle Jobs
auf einen Blick. Gisela Pierro, Leiterin Business Development und Marketing von
White & Case sagt dazu: „Seit dem Tag, als die Karriere App von White & Case Online
ging, hatten wir eine stetig wachsende Zahl an Downloads. Das spricht sich sehr
schnell herum, und die positiven Bewertungen der Nutzer sind besser als jede Eigenwerbung.“ Das mobile Marketing geht nicht nur Kanzleien an, die junge Juristen
ansprechen möchten. Auch im Mandantenkreis wächst die Kommunikation über
mobile Endgeräte.
■■
38 Vgl. dazu das Kapitel „Netzwerke“.
39 „WIN“ = World Investor Lawyers Network. Das JUVE Handbuch 2010/2011 informiert: Rotter ist
„eine führende Kanzlei im Kapitalanlagerecht...und... verstärkt das 2006 initiierte WIN. Die Kanzleien an der Marktspitze, zu denen Rotter gehört, grenzen sich von zweifelhaften Akquisemethoden
und einem aggressivem Marketing ab.”
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238 Kanzleimarketing
9. Kanzleimarketing braucht das „M Quadrat“
Das regelmäßige „M Quadrat – Marketing-Macht-Money-Meeting“ ist die Austauschböse der Kanzlei zwischen Anwältinnen und den Marketingverantwortlichen.
Neueste Marketingaktivitäten, -beobachtungen und -pläne werden mitgeteilt, Marktbeobachtungen, Gesetzesänderungen und neueste Rechtsprechung sowie die Marketingchancen daraus werden ermittelt.
Die Experten für Kanzleimarketing tragen ihr Wissen über Chancen und
Kosten der Vermarktung bei. Dieses Meeting ist eine A-Aufgabe für alle Anwältinnen und alle mit dem Marketing befassten Mitarbeiterinnen! Wer über eine Sache
nachdenkt, bekommt Ideen! Üben Sie Brainstorming. Nehmen Sie alle Ideen auf,
ohne sie sofort zu kommentieren, zu bewerten oder zu verwerfen.
10. Kanzleimarketing braucht das Wissen über die Motivation der Mandanten
Anwälte setzen ihre eigenen Leistungen häufig mit dem Bedarf des zukünftigen
Mandanten gleich. Die Frage: „Was braucht Ihr Mandant“ wird gern beantwortet
durch „Er braucht eine arbeitsrechtliche Beratung“. Schön wär’s, denkt sich da manch
einer. Nicht ein einziges Marketingbuch wäre geschrieben worden, wenn der Bedarf
des Kunden exakt und von vornherein zum Angebot des Anwalts passen würde.
Ein Mandant, der im Gefängnis sitzt, will vermutlich vor allem seine Freiheit
zurück; eine strafrechtliche Begleitung ist lediglich ein Mittel zu diesem Zweck. Ein
Mandant, dem gekündigt wurde, will vermutlich seine Sicherheit zurück; auch eine
arbeitsrechtliche Beratung ist hier nur ein Mittel zum Zweck. Der Käufer eines Unternehmens will vorrangig seine Rendite erhöhen; eine gesellschaftsrechtliche Beratung ist hier lediglich eine Methode auf dem Weg dorthin. Mandanten wollen also
für sich, ihre Familie oder ihr Unternehmen einen höheren Nutzen sicherstellen und
sind nicht von vornherein an rechtlichen Details interessiert.
Gedanken, Handlungen und Bedarfe zukünftiger Mandanten folgen unterschiedlichsten Motiven. Je besser Sie die Werte Ihrer zukünftigen Mandanten verstehen, desto wirkungsvoller erreichen Sie Ihre Zielgruppen. Nur wer seine Mandanten durchschaut, kann sein Kanzleimarketing fokussieren.
1
Tipp
Die (äußere) Anwaltswahl folgt einem (inneren) Mandantenantrieb!
Wie wichtig Ihre eigene innere Motivation für Ihr eigenes äußeres Verhalten ist,
erkennen Sie zum Beispiel an der Wahl Ihres Wochenmarkts für den Lebensmitteleinkauf. Gerade wenn die Produkte nicht signifikant unterscheidbar sind, treiben
Kundenwerte (und nicht Produktkenntnis) die Wahl des „Lieferanten“ an. Welcher
Markt wird Ihr Lieferant?
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V. Kanzleikommunikation: Kleine Tipps mit großer Wirkung 239
Geofokus:
Der, der im X Stadtteil neben Ihrer Wohnung liegt?
Gewohnheitsfokus:
Der, bei dem Sie immer schon kaufen?
Modefokus:
Der, bei dem es neuerdings „Trend“ ist, zu kaufen?
Nischenfokus:
Der, der alles verkauft, was woanders fehlt?
Alleinstellungsfokus:
Der, der das bietet, worauf sonst niemand Wert legt?
Zufallsfokus:
Der, der zufällig in der Nähe Ihres Parkplatzes liegt?
Preisfokus:
Der, der am günstigsten ist?
Personenfokus:
Der mit meiner Lieblingsmarktfrau?
Neugierfokus:
Der, von dem andere schon so viel berichtet haben?
Bequemlichkeitsfokus:
Der, der die Ware nach Hause schickt?
Genauso ist die Mandanten-Entscheidung für diesen einen Anwalt oder für diese
eine Kanzlei beeinflusst von Werten bzw. Gewohnheiten. Ermitteln Sie, welche
das sind. Tragen Sie sie in die Kundenkartei ein und „matchen“ Sie sie.
V. Kanzleikommunikation: Kleine Tipps mit großer WirkungV.
Standesrecht und Zulassungsbeschränkungen dirigieren Kanzleiauftritte nur noch
minimal. Beschränkungen treten hauptsächlich nur noch durch die Kanzleien selbst
auf und können folgerichtig auch durch sie gesprengt werden.
Broschüren, der Empfang, der Telefonservice, das Wartezimmer, die Positionierung der Assistentin, Newsletter, die Unternehmenskultur, die gemeinsamen
Überzeugungen und die Alleinstellungsmerkmale machen eine Kanzlei aus.
1. Unique Selling Proposition – Das Alleinstellungsmerkmal
„Ich habe was, was Du nicht hast!“ Für Kinder ist Wettbewerb ganz normal beim
Spiel. Grenzziehungen und Ressourcenvergleiche haben überschaubare Folgen,
große Wahrheiten werden gelassen ausgesprochen – und wer verliert, darf nächstes
Mal beginnen.
Manche Erwachsene haben von dieser Leichtigkeit wenig beibehalten. Schade
eigentlich! Sie wüssten ansonsten, dass gerade bei äußerlich wahrgenommener
Gleichheit des Angebots dessen Inszenierung über Sieg und Niederlage entscheidet.
Im umkämpften Markt haben sich Anwälte zu entscheiden zwischen Auffallen
und Rausfallen! Auffallen, aus dem Wettbewerb herausragen, andere elegant übertrumpfen und „sich einen Namen machen“ ist in umkämpften Anwalts-Segmenten
wie dem Familienrecht noch wichtiger als in spektakulär klingenden Nischendisziplinen wie Wein-, Pferde- oder Jagdrecht.
Anwälte lernen eine gewisse Angebotskombination von anderen Branchen:
Hotels trumpfen auf durch die Kombination von Hotel und Weingut: „Wir sind das
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240 Kanzleimarketing
einzige 5,5-Sterne-Hotel Deutschlands mit angeschlossenem Weingut“. Waschsalons
kombinieren ihre Waschmaschinen mit einer Bar, und Orthopäden machen viele Patienten auf sich aufmerksam durch eine Babymassageausbildung in Nebenräumen.
Alleinstellung ist ein kostbares Gut. Anwälte stellen sich zu Beginn ihrer Karriere vor: „Ich werde der einzige Anwalt Deutschlands, der alle Zoodirektoren Europas
vertritt.“ Gerade wenn es einigermaßen abgedreht klingt, wird sofort eine Richtung
erkennbar, die sich wegen ihrer „Eigenartigkeit“ schnell herumspricht. Eine Alleinstellung kann schon dadurch gelingen, dass Sie die „einzige Anwaltskanzlei mit
angeschlossenem Kinderspielplatz“ oder der einzige „Anwalt ohne Parkplatzproblem“ in der Stadt sind.
Der USP kann in unterschiedlichen Kategorien gebildet werden. Alleinstellungsmerkmale sind erfolgreich durch:
–– Geografie: „Die kleinste Wirtschaftskanzlei in Krefeld“.
–– Segmentbegrenzung: „Wir sind die Spezialisten in Sachen Erwachsenenunterhalt“.
–– Branchen-Kombination: „Arbeits- und Sozialrecht – für Sie unterwegs“.
–– Internationalität: „Ihre russischen Rechtsvertreter im Ruhrgebiet“.
–– Rechtsgebiet: „Die Spezialisten für alles am Bau“.
–– Spezialisierung: „Ihre Fachanwälte für …
–– Marketing: „Bekannt aus Film und Fernsehen“, „Die mit der regelmäßigen
Radiosendung“.
2. Broschüren
Kanzlei-Broschüren sind kurzlebig, teuer und kompliziert. Sie haben noch nie ganz
allein zu einem neuen Mandat geführt. Sie sprechen nie alle Mandanten an.
Sie promoten folgenlose Slogans („Wir sind für Sie da“) statt lesbarer Kontaktdaten; sie zeigen Fotos von aufgereihten grauen Herren40 im Treppenhaus41 statt
Arbeitsfotos von allen. Sie muten dem Leser eine viel zu kleine Schrift mit viel zu
detailreichen Informationen zu, statt sinnvolle Information sprachlich zu vereinfachen und geschickt zu zentralisieren. Sie disqualifizieren sich und die Kanzlei
durch ein Mismatching des Kundenusus42 und, statt diesen Kunden durch Nut-
40 Ein ökonomisch risikoreicher Anachronismus: Nur mit männlichen Anwälten in ein Marktsegment
zu gehen, das zunehmend durch weibliche Entscheider geprägt ist!
41 Was für ein Mismatching eigener Arbeitsgewohnheiten! Die gezeigten Herren meiden in der Regel
das Treppenhaus, in dem sie fotografiert wurden und nehmen den Aufzug direkt aus der Garage!
42 „Mismatching des Kundenusus“, z. B. zeigt die Broschüre Fotos mit Assoziationen von Goldfedern € 900 teurer Füller, die auf handgeschöpftem Büttenpapier einen Vertrag unterschreiben,
obwohl sich der Mittelstand angesprochen fühlen soll. Mehr über „Matching“ und „Mismatching“ in
dem Kapitel „Umgang mit Mandanten“.
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V. Kanzleikommunikation: Kleine Tipps mit großer Wirkung 241
zenargumentation anzuziehen, sind sie Spielwiese selbstverliebter Gestalter, die
durch teure Designspielereien vom Inhalt ablenken.43
Der vermutlich effizienteste Kompetenz-Killer ist die Prospektlyrik. Wie Katalogbucher von Urlaubsreisen wissen, bedeutet der „einsame Naturstrand“ eine nicht
entfernte Müllhalde am Wasser, der „kurze Transfer vom Flughafen“ beschreibt ein
Hotel mitten in der Einflugschneise und die „landestypische Bauweise“ bedeutet
schlaflose Nächte.
Genauso locker dürften viele Mandanten Euphemismen anwaltlicher Werbesprache entschlüsseln. Sie empfinden das inzwischen tausendfach bemühte „Wir
sind für Sie da“ als penetrante Generalisierung, „Ihr Recht in guten Händen“ als
persönliches Ausschlussverfahren, das Alitterationsfestival44 „Recht haben, Recht
kriegen und Recht behalten“ als simplifizierenden Rhetoriktrick und das familiäre
„Wir geben Dir Recht“ als unangemessene Privatansprache.
Hunderte von Kanzleien verwenden denselben Slogan, um sich von anderen
Kanzleien abzusetzen? Da stimmt was nicht mit der Logik! Durch inflationär verwendete oder großflächig verallgemeinernde Slogans vernichten Anwälte ihre
Glaubhaftigkeit!
Tipp
Schaffen Sie schützenswerte45 Slogans oder lassen Sie sie weg!
All das beschert Kanzleibroschüren das Schicksal leer gelöffelter Joghurtbecher: Sie
wandern zu tausenden in die P-Ablage.46 Neue Umfragen bestätigen diesen Trend:
Nur noch 22,1 % deutscher Anwaltskanzleien verwenden Kanzleibroschüren.47
43 „Form Follows Function“! Achten Sie bei allen schriftlichen, öffentlichen Auftritten darauf, dass
Ihre Designer diese Regel einhalten.
44 Alliterationen lösen aus heutiger Sicht überzogenes Pathos und unfreiwillige Komik aus, wenn
sie nicht einzigartig, humorvoll und markenrechtlich schützenswert und – fähig daher kommen.
45 Die Autorin dieses Buches hatte im Jahr 2000 drei Sprüche (Titel ihrer Anwaltsseminare) europaweit schützen lassen: „Kommunikation statt Konfrontation®“, „Gut befragt ist halb gewonnen®“
und „KKK Karriere, Kohle, Kompetenz®“. Das war teuer (alle 10 Jahre neue Gebühren) und rechtlich
aufwändig – und scheint sich langfristig auszuzahlen. Finden Sie mehr in dem Artikel „Markenschutz von Slogans nach der Entscheidung ‚Vorsprung durch Technik‘“ von Dr. Ulrich Mehler unter
www.slogans.de.
46 P-Ablage = Papierkorb, Vokabular nach „ABC Analyse“, vgl. Seiwert/Buschbell/Mandelkow,
Abbildung S.132 – Rangfolgedefinition der anfallenden Arbeiten pro Tag.
47 SOLDAN - Studie 2011, Dr. Matthias Kilian: „Wirksamkeit anwaltlicher Marketingmaßnahmen –
eine empirische Untersuchung zur Unternehmenskommunikation in Anwaltskanzleien“, DeutscherAnwaltVerlag 2011. SOLDAN befragte 710 Anwälte stichprobenartig per Fax. Weder Kanzleigröße
noch Rechtsgebiete, Berufserfahrung oder Bekanntheit waren eingrenzenden Faktoren für die 
Auswahl. Diese erfolgte rein zufällig.
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1
242 Kanzleimarketing
Kanzleibroschüren haben dieses Schicksal nicht verdient; dazu sind sie zu
attraktiv. Sie fungieren als schnelle Information, Visitenkartenersatz, Give-away und
„Cross-Selling“ Vorlage ebenso wie als „anfassbare Webseite“ und Gedankenstütze
nach dem Small Talk!
Sie sind als Akquiseinstrument unter bestimmten Bedingungen attraktiv. Hier
kommen elf Tipps für Gestaltung und Einsatz von Kanzleibroschüren:
–– Investieren Sie viel oder gar nichts! Eine billig wirkende Kanzleibroschüre ist
viel schlechter als gar keine. Einen guten Broschüren-Designer erkennen Sie an
dessen Einstiegsfrage, „Was ist dem Leser wichtig?“
–– Den Leser interessiert nicht, was Sie zufällig mitzuteilen haben, sondern was
seinen Bedarf deckt. Stellen Sie daher den Nutzen48 des Lesers in Listenform
ganz nach vorn. „Durch die Kooperation mit uns können Unternehmer X schaffen, Y in die Wege leiten und Z optimieren“. Langweilig wirkt dagegen, Wir haben
das und das. Die Perspektive ist immer der Leser.
–– Sprechen Sie seine Sprache! Vermeiden Sie Fachvokabular. Beweisen Sie Branchenkenntnis. Halten Sie eine Sprachstruktur ein.
–– Verwenden Sie Kanzleibroschüren nur im Zusammenhang mit anderen Ihrer
Leistungen. Legen Sie sie beim Vortrag auf die Tische. Überreichen Sie sie nach
dem Erstgespräch („Für andere Interessenten“). Haben Sie einige Exemplare
unterwegs immer dabei; sie krönen jeden Small Talk. Verwenden Sie sie anstelle
von Visitenkarten („Ich habe heute nur eine besonders große Visitenkarte
dabei“), und nehmen Sie sie zu jeder Präsentation mit. Versenden Sie sie mit der
Rechnung. Legen Sie sie bei Multiplikatoren aus (Vortragsveranstalter, Organisationen, Altenheimen, Umweltschutzverbände, Kindergärten, Sozialämtern etc.).
Und Im Wartezimmer steht daneben ein Schild: „Tragen Sie unsere Leistungen
weiter!“.
–– Die Kontaktdaten sind hervor gehoben und auf den ersten Blick auffindbar.
Hängen Sie Visitenkarten an (am besten zwei) und bieten Sie einen Bereich für
Fragen, die der Mandant selber einträgt.
–– Sorgen Sie dafür, dass die Kanzleibroschüre in PDF-Format versandfertig auf
dem virtuellen Schreibtisch Ihrer Anwaltsassistentin liegt, denn alles, was
sie vorab an Interessenten übersendet, stellt aus Mandantensicht bereits eine
Bindung dar. Besonders wenn der Anwalt zum Zeitpunkt des Erstanrufs nicht
in der Kanzlei ist, erhält der zukünftige Mandant die anwaltlichen Kompetenzen
im PDF-Format gemailt. Jeder Mandant muss zusätzlich die Broschüre von Ihrer
Webseite herunterladen können. Ihr Designer soll die Dateigröße verringern, so
dass sie aus jedem Computer hindernisfrei ausgedruckt werden kann.
–– Arbeiten Sie mit Einlegeblättern. Diese können Ausführungen über Rechtsgebiete enthalten, besondere Kompetenzen und personelle Ressourcen in dem
48 Vgl. zur Nutzenargumentation das Kapitel „Durchsetzung“.
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––
––
––
––
V. Kanzleikommunikation: Kleine Tipps mit großer Wirkung 243
Bereich X beschreiben. Pro Anwalt ein Einlegeblatt, pro Rechtsgebiet ein Einlegeblatt, pro Vortragsreihe ein Einlegeblatt... Sie können ausgewechselt und
ergänzt werden und helfen, viel Geld zu sparen.
Berichten Sie in Kurzform über Historie, Ausrichtung, Kooperationen der
Kanzlei. Visualisieren Sie Rechtsgebiete durch Bilder, die auf der Webseite und
dem Briefpapier wieder auftauchen. Bauen Sie Leitsprüche49 der Anwälte ein.
Super-Wirkung: die historischen Erfahrungen der Kanzlei-Gründer!
Bringen Sie Arbeitsfotos, ruhig schwarz-weiß, daneben für jeden Anwalt Qualifikation, Telefonnummer und E-Mail Adresse! Vermeiden Sie peinliche Aufstellfotos von grauen Herren! Skizzieren Sie die Aufgaben Ihrer Assistentinnen
neben deren Fotos: „Alles Organisatorische etc. ...“ oder lassen Sie Ihre Assistentin selber sprechen (Sprechblasen in der Ich-Form: „Ich freue mich über Ihre
Anrufe“ oder „Ich mag Details“).
Heben Sie das heraus, was Ihre Kanzlei ausmacht, evtl. mit einem Unique
Selling Point,50 „Die kleinste Wirtschaftskanzlei Krefelds stellt sich vor“ oder
unter einem selbsterklärenden Titel: „Alles unter Dach und Fach – Baurecht ist
unsere Leidenschaft!“ Alle Slogans sind einzigartig, wiederholen sich auf der
Webseite und auf dem Briefpapier, in Vortragsfolien und an Wand und Tür der
Kanzlei (CI).51
Großkanzleien haben ihre Kanzleibroschüren nach Rechtsgebieten getrennt
und stellen sie im Empfangsbereich und in ihren Konferenzräumen zur Verfügung. Anwälte achten darauf, welche angeschaut und mitgenommen werden
und lenken das Gespräch darauf.
3. Newsletter
Menschen tun gar nichts, wenn sie nicht wissen, wozu es ihnen dient. Daher
erwähnen Anwälte zu Beginn eines Vortrags, eines Redebeitrags oder eines Schriftsatzes den Nutzen des Hörers früher als den Inhalt des Wortbeitrags. Dasselbe
gilt auch für die Gestaltung des Newsletters!
Newsletter sind unter bestimmten Bedingungen effiziente Akquise-Instrumente in allen drei Akquise-Zeitzonen: ehemalige, zukünftige oder bestehende
Kunden erhalten jeweils erbetene, mehr oder weniger regelmäßige Übersendungen von aktuellem Informationsmaterial.
49 Siehe bspw. www.rae-nuernberg.de, das ist eine Webseite, auf der die persönlichen Überzeugungen der Anwälte größer geschrieben sind als deren Rechtskenntnisse. Das wirkt – wie Mandantenbefragungen in der Kanzlei ergaben – einladend und sofort sympathisch.
50 Unique Selling Point = Alleinstellungsmerkmal.
51 Vgl. das Kapitel „Corporate Identity“.
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244 Kanzleimarketing
Effiziente Newsletter kommentieren aktuelle oder zukünftige Rechtslagen,
korrigieren gängige Rechtsirrtümer, beschreiben die Folgen neuer Rechtsprechung für Bürger oder die Rechtsfolgen politischer Entscheidungen für Betroffene. Dabei gilt:
–– Geschwindigkeit: Je schneller desto besser! Wer zuerst eine aktuelle Information an einen von einer Entscheidung Betroffenen übersendet, hilft am meisten.
–– Medium: Der Newsletter wird so verbreitet, dass der (künftige) Mandant es liest:
Per Post, wenn er kein Internet nutzt. Per E-Mail, wenn er dem zugestimmt hat,
als kleiner Film in Facebook, falls er „Web 2.0 affin“ ist und als Podcast zum
kostenfreien Download auf Ihrer Webseite, falls er den Newsletter im Auto
hören möchte. Alle elektronisch verfügbaren Newsletter werden unter einem
suchmaschinenoptimierten Stichwort angekündigt, so dass Ihre Kanzlei auch
von Unbekannten besser gefunden wird.
–– Ort: Der Newsletter wird auch räumlich dort platziert, wo sich der Mandant
aufhält, besonders wenn er noch gar nicht Ihr Mandant ist. Das macht Sinn, falls
das Kanzleiziel dadurch ausgedrückt wird: als Flyer bei Pro Familia, als Wurfpostsendung im Briefkasten, wenn Sie lokal begrenzt tätig sind, oder im Wartebereich der Autoreparaturwerkstatt.
■■ Gut oder gar nicht – Newsletter machen sehr viel Arbeit!
Newsletter sind in einem oft nicht erwarteten Ausmaß arbeitsintensiv. Dabei bereiten nicht die fachlichen Komponenten Schwierigkeiten und kosten Zeit, sondern
besonders deren Aufbereitung für Nicht-Juristen.
Ein paar Regeln sind hilfreich, damit sich die Arbeit lohnt. Jeder Newsletter
–– hat eine Nutzen bringende Überschrift. Der elektronische Newsletter wird
andernfalls sofort weggeklickt, der postalische weggeworfen. Eine solche
Überschrift wäre: „Was Sie beim Hauskauf beachten müssen“ oder: „Hauskauf –
ein paar einfache Tipps.“ Eine solche Überschrift wäre sicher nicht: „Newsletter
Immobilienrecht Teil 13“.
–– benennt den Nutzen, den der Leser hat: „Wer eine Immobilie erwerben möchte,
hat immer dieselben drei Dinge zu beachten, nämlich 1) ..., 2)... und 3)...52
–– wird nur dann als „regelmäßig“ oder als „alle drei Monate“ angekündigt, wenn
Sie dieses Versprechen halten! Ein solches Versprechen löst allerdings bei den
Anwälten eher Lieferzwänge als schließlich beim Leser Freude aus. Sinnreiche
Alternative: Versprechen Sie den Newsletter in unregelmäßigen Abständen,
nämlich nur dann, wenn es sich für den Leser lohnt, für relevante Neuigkeiten wie Urteile, Rechtsentwicklungen, aktuelle, rechtsrelevante Vorkommnisse
in der Region und in der Kanzlei.
52 Tipps zur Strukturierung der Sprache durch das „Brecht’sche Theater“ im Kapitel „Durchsetzung“.
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V. Kanzleikommunikation: Kleine Tipps mit großer Wirkung 245
–– wird nur an inhaltlich interessierte Personengruppen übersandt. Grenzen
Sie diese durch Suchbegriffe in der Kundenkartei ein. Auch Newsletter können
„sich abnutzen“. Dann werden sie sogar von Interessenten nicht mehr gelesen.
–– wird zusammen mit der regelmäßigen Frage: „Zu welchem Thema sollen wir Sie
unverbindlich informieren?“ verbunden, denn: „Das Leben ist ein Wunschkonzert!“
–– kann ein „Leveraging“53 einleiten: Wenn Sie zu einem Thema einen Newsletter
verfasst, in Sprache des Kunden umgewandelt und mit einem Lesernutzen
versehen haben, können Sie diese aufwändige Arbeit 5-fach weiter verwenden,
indem Sie daraus einen wissenschaftlichen Aufsatz in Fachsprache entwickeln,
Vorträge halten, „kleine, frische Aufsätze“ schreiben,54 Artikel für Zeitungen
oder Blogs verfassen, sich zu diesem Thema als Referent für eine Podiumsdiskussion empfehlen.
Tipp
Anwaltliche Zeitstunden sind viel zu teuer, um den Newsletter komplett selbst zu gestalten. In manchen
Kanzleien wird der Inhalt des Newsletters von einem Anwalt bestimmt und von sprachgewandten
Assistenten oder Referendaren in verständliche Sprache und Nutzenargumentation übertragen.
Vom langatmigen Anwaltsaufsatz zum attraktiven Lesernutzen: Ein Newsletter wird überarbeitet
Der ursprünglich geplante Newsletter (Vorher-Version links) eines ComplianceSpezialisten zeigt eine Ansammlung rechtlicher Fakten, garniert mit langen Sätzen,
Substantivierungen, Rechtsvokabular und dem Passiv.
Der überarbeitete Newsletter (Nachher-Version rechts) bietet eine attraktive
Überschrift, verständliche, bildhafte Sprache mit klarer Struktur und mehreren
„sprechenden“ Überschriften, Hervorhebungen durch Fettdruck, Handlungsanweisungen – und vor allem den attraktivem Nutzen für Mittelständler.55
■■
53 „Leveraging“ = Die mehrfache Verwendung eines einmal didaktisierten Wissens.
54 Vgl. zur Funktion des „kleinen frischen Aufsatzes“ das Kapitel „Telefonakquise“.
55 Sie finden den kompletten, überarbeiteten Newsletter des Düsseldorfer Compliance-Spezialisten
Rechtsanwalt Dr. Peter Striewe (Tel. 0211-86602-0) unter www.simon-law.de/de/duesseldorf/mandantenbriefe.php.
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246 Kanzleimarketing
Vorher:
COMPLIANCE – Auch im Mittelstand?
Nachher:
Gewinne maximieren durch Regelüberwachung –
Compliance nutzt dem Mittelstand!
Unter Compliance-Fachleuten ist es einhellige
Meinung, dass die interne Untersuchung von
Fehlverhalten im Unternehmen einen ganz
wesentlichen Bestandteil eines effektiven
Compliance-Programms darstellt, das neben
Präventionsmaßnahmen auch auf dem Aufdecken von Fehlverhalten und dessen Ahndung
beruht. Den Gegnern unternehmensinterner
Untersuchungen ist zuzubilligen, das diese nur
dann nutzen statt Schaden stiften, wenn sie
fachkundig und im Einklang mit dem jeweils
anwendbaren Recht erfolgen (Moosmayer in:
Moosmayer/Hartwig, Interne Untersuchungen,
München 2012, S. 1). Das Thema „Compliance“
ist aktuell in aller Munde. Gilt das auch für den
Mittelstand?
1) Was ist Compliance?
Compliance (deutsch: Regelüberwachung) ist die
Gesamtheit aller Maßnahmen, die für ein regelkonformes Verhalten eines Unternehmens und
aller seiner Mitarbeiter erforderlich sind. Längst
nicht nur Korruption und seine Vorläufer sind
mit diesem Begriff umfasst; solche Maßnahmen
können darüber hinaus auch arbeitsrechtliche,
datenschutzrechtliche und vertragsrechtliche
Regelungen umfassend beeinflussen.
Häufig wird der Begriff „Compliance“ nur in
Zusammenhang gebracht mit dem Thema Korruption. Compliance ist aber viel mehr. Compliance ist die Gesamtheit aller Maßnahmen, die
für ein regelkonformes Verhalten eines Unternehmens, der Geschäftsführung und seiner
Mitarbeiter mit Blick auf alle Gesetze und deren
Verpflichtungen und Verbote erforderlich sind.
Compliance betrifft arbeitsrechtliche Aspekte
ebenso wie etwa auch datenschutzrechtliche
Fragestellungen. Insbesondere im internationalen Geschäftsverkehr – aber eben nicht
nur dort – spielt Compliance eine Rolle bei der
Vertragsgestaltung.
Compliance verfolgt nicht nur das Ziel,
Rechtsverstöße und Bußgelder und/oder
Image-Schädigungen zu vermeiden. Es geht
vielmehr auch darum, die Haftungsrisiken der
Geschäftsführung, also auch der Vorstände und
Aufsichtsräte zu erkennen und zu minimieren.
Darüber hinaus stellt eine gelebte Compliance
auch einen wichtigen Wettbewerbs- und Marketingvorteil dar.
Angesprochen sind in Sachen Compliance die
Entscheidungsträger – auch und gerade im
Mittelstand. Großunternehmen haben schon
lange Zeit, bevor der Begriff der Compliance
überhaupt aktuell wurde, bereits über entsprechende Mechanismen nachgedacht. Im Mittelstand jedoch fühlten sich viele Unternehmer
bislang nicht tangiert.
2) Was darf man und was nicht?
Diese Frage geht um in den Reihen verantwortlicher Unternehmer. Das Thema interner Verfehlungen sorgt auch im Mittelstand für Aufsehen
und Unruhe:
Unsichere Blicke treffen sich allerorten, wenn ein
Auftraggeber mit einem Lieferanten zum Mittagessen oder ein Dienstleister mit einem Kunden
zum Bundesliga-Spiel geht. Wer sich wegen eines
Großauftrags erkenntlich zeigt, gerät heutzutage
schnell in das Fahrwasser der Illegalität.
3) Welchen Nutzen haben Mittelständler durch
Compliance?
Compliance-Systeme im Mittelstand sind sinnvoll
und notwendig! Rechtzeitige interne Untersuchung von Fehlverhalten im Unternehmen helfen
dem Unternehmen,
–
Geld zu sparen: Haftungsrisiken der
Geschäftsführung werden früh erkannt 
und minimiert,
–
Image zu sichern: Fehlverhalten wird rechtzeitig aufgedeckt und – nicht öffentlich! –
geahndet,
–
unternehmenskulturell einzugreifen:
Prophylaxe wird in Seminaren bewusst
gemacht und geübt,
–
Akquisepotenziale zu schaffen: Wettbewerbs- und Marketingvorteil schaffen einen
Vertrauensvorschuss in der Bevölkerung.
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V. Kanzleikommunikation: Kleine Tipps mit großer Wirkung 247
4. Warte- und Empfangsbereich
Die erste akustische Visitenkarte der Kanzlei ist die Assistentin, die erste visuelle ist
der Empfangsbereich. Durch einige Vorkehrungen machen Sie dem Mandanten, der
alle folgenden Details bezahlt, klar, dass er viel von diesem Geld selbst wieder sieht!
■■ Foto-Organigramm
Stellen Sie im Warte- oder Empfangsbereich durch Fotos Hierarchie, Teams, Kompetenzen und Grundüberzeugungen dar. Ihre Mitarbeiterinnen gehören unbedingt
dazu ebenso wie Persönliche Leitsprüche, Rechtsgebiete, Überschriften, ein KanzleiLeitspruch.
Ursprünglich in kleinen Kanzleien mit 80 % Privatmandanten und Laufkundschaft angesiedelt, hatte diese Kanzleipräsentation für den wartenden Kunden
einen rein informativen Sinn: Wer arbeitet in welchem Bereich mit welcher Spezialisierung? Heute ist diese Methode in den Warte- und Empfangsbereichen vieler
kleiner bis mittelständischer Kanzleien anzutreffen. Sie vermittelt Transparenz und
persönliche Betreuung.
■■ Karikaturen
Der Justizzeichner Philipp Heinisch56 bietet Kanzleien eine karikaturhaft überhöhte
Darstellung des Anwalts oder der Anwälte und versieht die Zeichnung symbolhaft
mit dem höchsten Wert oder Nutzen der Kanzlei.57 Viele Mandanten bleiben davor
stehen, lächeln und verstehen auf diesem Weg hochrangige Werte der Kanzlei.
■■ Empfang durch Assistentin
Der Empfang gelingt nur, wenn der Anwalt Namen und Funktion des Gastes
(Mandant, A-Mandant, Gegner, Interessent etc.) sowie Uhrzeit seines Eintreffens mitteilt. Die Empfangsassistentin steht sofort auf, wenn der Kunde den Raum betritt,
geht auf ihn zu, begrüßt ihn mit Namen, zeigt die Garderobe, ist behilflich mit
Gepäck und Mantel, ermittelt Small Talk Bedarf („Haben Sie unsere Parkplätze gut
gefunden?“, „Konnten Sie sich gut durch dieses Wetter kämpfen?“ etc.), führt ihn
zum Wartezimmer oder zum Konferenzraum, fragt nach Getränkewunsch, sagt
die Wartezeit an, bietet ihm ggf. den Mandanten-Datenbogen an oder geht diesen
mit dem Mandanten durch, erklärt die Kunst an den Wänden (falls der Mandant interessiert dorthin schaut), bietet ihm schon einen Sitzplatz an und sorgt dafür, dass
der Wartende um keinen Preis die Namen anderer Mandanten hört oder sieht
(Schweigepflichtsverletzung!).
■■ Corporate Identity
Die orangefarbene Linie kennzeichnet uns! Corporate Identity, kurz CI ist die nach
außen hin wieder erkennbare Identität des Unternehmens. Unterscheidbar sind
visuelle, auditive und unternehmenskulturelle CI. Der Mandant sieht die orangefar-
56 Siehe www.kunstundjustiz.de.
57 Ein Beispiel finden Sie auf meiner Webseite unter der Rubrik „und außerdem“.
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248 Kanzleimarketing
bene Linie draußen auf dem Kanzleischild, dann am Fahrstuhlknopf, dann an der
Kanzleitür, drinnen an den Wänden, am Boden bzw. im Teppich und am Namensschild der Empfangsmitarbeiterin. Wartezimmer, Türschild, Briefbogen, Visitenkarten, Webseite, Newsletter, Vortragsfolien, Bleistifte, Wandschmuck, Notizblätter,
E-Mail Signaturen – alles enthält dieselbe orangefarbene Linie, die das Logo der
Kanzlei bildet.
Dieselbe telefonische Begrüßung an allen Standorten durch alle Mitarbeiterinnen oder die regelmäßige namentliche Vorstellung in allen erstmals betretenen
Gerichten sind Elemente der auditiven Wiedererkennung. Die CI in der Unternehmenskultur beweist allen Mandanten Geschlossenheit in der inneren Linie einer
Kanzlei: alle Mitarbeiter und alle Anwälte der Kanzlei begrüßen Gäste auf dieselbe
Weise, die Assistentin schreibt Begrüßungsmails an neue Mandanten, alle sind
verbindlich und freundlich, alle Versprechen werden gehalten. Jeder hilft, falls
Gäste etwas suchen oder brauchen. Mandanten werden regelmäßig eingeladen und
informiert. Das Wohl des Mandanten steht an erster Stelle.
■■ Kinder
Eine Spielecke mit Kinderbüchern gehört zumindest bei Familienspezialisten dazu,
auch für Allrounder ist sie empfehlenswert.
■■ Internetzugang
Ein Wireless LAN Anschluss (evtl. mit persönlicher Login-Nummer) erfreut während
der Wartezeit viele Mandanten. Einige Kanzleien punkten durch ein kleines Terminal oder ein eigenes I-Pad, auf dem Mandanten E-Mails abrufen und senden können.
Sorgen Sie auf jeden Fall für Internetzugang im Wartebereich. In großen Kanzleien
liegen Internetkabel für den Mandanten auf dem Tisch (Sicherheitsserver erlauben
dort kein WLAN für Kunden).
■■ Wartebereich
Der Mandant kommt in einen hellen, freundlichen Vorraum mit frischen Schnittblumen. Der Warteraum ist frisch gelüftet, behaglich und hat aktuelle Presse wie
auch Spezialpublikationen für die Ziel-Branche parat. Die Kanzlei-Broschüre liegt
auf dem Tisch mit einem Schild in Kanzleifarben: „Tragen Sie unsere Leistungen
weiter“. Schirme in Kanzleifarben werden mitgegeben oder liegen im Wartebereich
bereit.
■■ Ordner
Die Assistentin überreicht nach dem Erstgespräch während ihrer Vorstellung (mehr
dazu im Kapitel „Assistentin“) dem Mandanten einen Ordner in Kanzleifarben mit
der eingehefteten Honorarvereinbarung und dem Dienstvertrag: „Darin ist Ihr
Fall gut aufgehoben“. Ein Preisvergleich für bedruckte Ordner lohnt sich.
■■ Kleidung
Die Anwaltsassistentin wählt, sobald sie Kundenkontakt hat, ihre Geschäftskleidung
nach dem Motto: Immer eine Spur besser gekleidet als das Gros der Zielmandantschaft. Turnschuhe, nabelfreie Shirts und Miniröcke sind bei Kundenkontakten ebenso Tabu wie un- (bzw. über-) geschminkte, frisurlose, ungepflegte, sichtbar
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V. Kanzleikommunikation: Kleine Tipps mit großer Wirkung 249
gepiercte und hörbar mundfaule Präsentationen. Anwälte unterstützen die äußere
Präsentation ihrer Assistentin, indem sie zum Dezembergehalt € 120 hinzu fügen.
Im Gegenzug präsentiert die Assistentin im Januar einen im Ausverkauf beschafften
Hosenanzug in gedeckten Farben, den sie während der Arbeit in vielen Kombinationen trägt.
Alle Beteiligten haben dadurch Vorteile:
–– Anwälte (besonders männliche) befürchten Peinlichkeiten und eine übergriffige Wirkung, wenn sie die äußere Erscheinung der Assistentinnen kritisieren.
Diese elegante Methode hilft ihnen dabei.
–– Assistentinnen verstehen, dass Mandantenbindung nicht nur durch fachliche
sondern auch durch äußerliche Kompetenz gesendet wird – und wie wichtig
ihrem Chef das ist.
–– Mandanten spüren eine gewisse Sorgfalt, die man ihretwegen walten lässt.
–– In manchen Anwaltskanzleien wird der sehr legere Look angeordnet, weil
Mandanten das mögen und erwarten. Das macht Sinn wie alles, was bewusst
eingerichtet wurde, um die Mandanten zu beheimaten.
–– Der Mandant sollte auch Ihre äußerlichen Maßnahmen beurteilen: Nehmen
Sie daher auch die äußere Präsentation Ihrer Kanzlei in den Mandantenfragebogen auf.
5. Erreichbarkeit
Die Erreichbarkeit des Anwalts ist – zunächst erstaunlich – lediglich eine B-Aufgabe, kann also zu großen Teilen delegiert werden an eine gute Assistentin und
sogar an einen externen Dienstleister. Das ist insoweit überraschend, als in jeder
Umfrage über Mandantenzufriedenheit und –bindung die Erreichbarkeit des Anwalts
auf vorderen Plätzen rangiert. Die Erklärung ist einfach, da auch hier Kommunikation aus ihrer Wirkung besteht.
Der Mandant fühlt Erreichbarkeit seines Anwalts, sobald eine sprachgewandte,
herzliche und äußerst servicebereite Assistentin sie signalisiert und beweist.58
Sie erfragt den Kern der Sache oder des Wunsches, nimmt die vollständigen Daten
auf, prüft eigenständig Kollisionen, veranlasst eine sofortige Terminierung zum
nächstmöglichen Zeitpunkt und erklärt die bis dahin zu erledigenden Hausaufgaben. Sie gibt dem neuen Mandanten eine neue „Heimat“. Sie übersendet die Kanzleibroschüre sowie eine PDF-Anfahrtsskizze und legt für übersandte Materialien
des Mandanten bereits eine Akte an. In Fristsachen wird sie Fristverlängerungsanträge selbst in die Wege leiten und durch andere Anwälte der Kanzlei kontrollieren
58 Siehe Details zur Positionierung der Assistentin im Kapitel „Assistentin“.
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250 Kanzleimarketing
lassen können. Sie wird per E-Mail oder SMS Kontakt zu ihrem Chef halten, und der
wird sich bei A-Mandanten oder bei ihr in Notfällen selbst melden.
Die Erreichbarkeit des Büros wird von vielen Mandanten geschätzt. Die Assistentin übersendet mit der Anfahrtsskizze59 Informationen über Parkplätze und
deren Kosten, Kostenübernahmeregelungen für Parkplätze, GPS-Adresse für die Einfahrt ins Parkhaus. Sie weist auf U-Bahn-Stationen, Beschilderungen, Besonderheiten, geografische Anhaltspunkte, Fahrstuhl und Behindertenzugang hin.
1
Tipp
Je kleiner die Kanzlei, desto gewissenhafter muss die Anwaltsassistentin die persönliche Erreichbarkeit des Anwalts „gefühlt“ herstellen.
6. Kundenkartei
Anders als die Kundendaten-Sammlungen in Outlook, speichert die Kundenkartei der
meisten Anwaltssoftware Ihre Kundendaten gezielt unter diversen Suchbegriffen.
Jeder Mandant wird unter einem Suchbegriff geführt, unter dem er gemeinsam mit
anderen desselben Segments auffindbar ist. Dadurch können Mandanten in Segmente eingeteilt und nach Segmenten aufgerufen werden.
Die Suche macht beispielsweise Sinn nach
–– Rechtsgebieten: der Mandant vertraut dem Anwalt auf diesem Gebiet;
–– Branchen: die Kanzlei vertritt diese Branche hauptsächlich oder wünscht das;
–– Privatmandanten: sie sind Zielgruppe, werden zu anderen Vorträgen eingeladen;
–– Firmenkunden: Vortragseinladungen, besondere Cross-Selling Maßnahmen;
–– Interessenten: waren bei Vorträgen, beziehen Newsletter;
–– Newsletterbezug: z. B. noch nicht, wollen aber zu Vorträgen eingeladen werden;
–– Geografie: alle im Umkreis von 80 Kilometern.
In vielen Kanzleien behindert das Kundendatenmanagement die Akquise. Die
Hauptfehler sind: Daten sind doppelt, dreifach und in nachweisbaren Härtefällen
9-fach gespeichert, unvollständig, haben falsche E-Mail- oder Postadressen, falsche
Telefonnummern oder nur eine. Sie enthalten einen falsch geschriebenen Nachnamen (!), eine falsche Anrede, Titel fehlt oder das Geschlecht wird verwechselt.
Manche Daten sind völlig veraltet, die Mandantin ist seit vier Jahren in einer anderen
Firma, seit fünf Jahren unter anderem Namen verheiratet oder seit drei Jahren verstorben(!). Manche Mandanten sind in mehreren Dezernaten derselben Kanzlei
gespeichert, ohne dass Erfahrungen zu und Kontakte mit anderen Anwälten derselben Kanzlei vermerkt wären. Assistentinnen der Kanzlei werden nicht angewiesen,
59 Achtung: nicht aus map24 kopieren. Das gibt teuren Ärger!
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V. Kanzleikommunikation: Kleine Tipps mit großer Wirkung 251
die kompletten Daten eines neuen Anrufers sofort in die Kundenkartei einzutragen. Kundendatenbanken werden unzureichend für Akquise genutzt, selbst wenn
sie gut gepflegt sind.
Tipp
Engagieren Sie einen Jurastudenten zur Pflege Ihrer Kundenkartei. Setzen Sie ihn unter eine besondere Schweigepflicht. Bei seinem ersten Auftrag hat er alle ehemaligen, alle derzeitigen und alle
registrierten zukünftigen Kunden (die einverstanden sind, Einladungen zu erhalten) zum Zwecke der
Adress-Aktualisierung anzurufen. Üben Sie mit ihm Texte ein!
7. Anrufbeantworter
Anwälte wollen Anrufbeantworter häufig nicht installieren, weil sich die Mandanten schlechter bedient fühlen könnten, ein Anwalt – nach einem eher kruden
Selbstbild – keine Pausen macht, natürlich niemals krank ist oder gar Urlaub macht!
Leidtragende dieser erstaunlichen Verweigerung sind die Mitarbeiterinnen, die
immer am Start sein müssen.
Bei der Lösung hilft erneut der Kundenfokus. Aus der Sicht der Mandanten
ist die Sache eindeutig: Anrufe müssen beantwortet werden. Mandanten kritisieren daher keinesfalls die Institution Anrufbeantworter selbst, sondern deren
Verwendung.
Besonders zwei Vorgehensweisen machen aus Anrufbeantwortern Akquiseblockaden:
–– Die darauf hinterlassenen Nachrichten werden nicht oder viel zu spät verwertet.
–– Die darauf gesprochenen Begrüßungstexte wirken autoritär, desinteressiert
und kundenfeindlich.
Ein Anrufbeantworter hilft, Anrufe zu beantworten, nicht zu verdrängen! Der
Anrufbeantworter nützt gar nichts, wenn Anrufe durch seine Hilfe nicht beantwortet werden. Gewöhnlich spricht der Mandant keine komplexen Rechtsfragen drauf,
sondern begründungslose Rückrufwünsche oder organisatorische Fragen. Beides
kann die Assistentin vollständig, sehr zeitnah (!) und eigenständig beantworten.
Anrufbeantwortertexte wirken wie Unverschämtheiten, sobald sie Zahlen
enthalten.
Wie ein Auszug aus dem Satiremagazin mutet so manch Begrüßungstext an:
„Rechtsanwälte Bachmann. Sie rufen außerhalb unserer Geschäftszeiten an (direkte
Drohung). Diese sind von Montag bis Freitag von 9 bis 13 Uhr und von 14 bis 17 Uhr
(Irrelevant, da das Problem jetzt besteht). Außer mittwochs, da ist nachmittags die
Kanzlei geschlossen (unsere Regeln gelten auch für Dich). Das Gerät schaltet jetzt ab.“
(Wir tun auch nachher nichts mehr für Dich).
Der Anrufer „droht mit Auftrag“ und fühlt sich abgewehrt. Er ist gewiss nicht
an „Geschäftszeiten“ interessiert, denn sein Problem hat ja auch keine.
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252 Kanzleimarketing
Eine vom Kunden wahrnehmbare Mittagspause ist ein gewagter Anachronismus. Gerade Geschäfts-Mandanten rufen einen neuen Anwalt besonders häufig
aus zwei Gründen in der Mittagspause an: Sie haben dann selbst mehr Ruhe und
testen gern die Flexibilität der Kanzlei. Mitarbeiterinnen in gut organisierten Kanzleien lassen daher Mittagspausen unbemerkt für die Mandanten und wählen eine
von drei Möglichkeiten: Sie
–– organisieren sich „in Schichten“, so bleibt das Telefon immer besetzt. Alle
Rückrufbitten aus der Zeit werden in die anderen Dezernate gemailt.
–– machen alle gemeinsam Mittagspause, denn sie sehen und hören sich kaum über
Tag. Organisationsstarke Anwälte fördern soziale Kontakte unter den Mitarbeiterinnen in jedem Augenblick, denn sie wissen: Ein starkes Team nimmt mir
mehr ab und arbeitet eigenverantwortlich. In diesem Fall ist eine der Mitarbeiterinnen mit einem „Pieper“, Funktelefon oder Anrufweiterleitung auf ihr
Mobilfunktelefon ausgestattet sowie mit Notizmöglichkeiten und verspricht
selbst den Rückruf für 14.00 Uhr. Sie kann in Ruhe ihre Mittagspause beenden
und dennoch den Mandanten zufrieden stellen.
–– lassen während der Mittagspause einen Anrufbeantworter laufen mit folgender
Bandansage (bitte ohne Zahlen!):
„Rechtsanwälte Bachmann, Guten Tag! Wir freuen uns über Ihren Anruf und
rufen gern zurück! Bitte sprechen Sie Ihren Nachnamen und Ihre Telefonnummer sowie Ihren Wunsch deutlich auf das Band. Wir melden uns so schnell es
geht und wünschen einen guten Tag. Bis bald.“
Selbstverständlich spricht die Assistentin mit der freundlichsten Stimme der Kanzlei
die Ansage auf das Band, und selbstverständlich ist die Wunscherfüllung eine A-Aufgabe für die Assistentin. Also: sofort nach der Pause erledigen und selbst!
8. Externe Dienstleister
Die großen Service-Sünden straft der Interessent sofort! In Zeiten steigender Kundenansprüche führt ein gar nicht oder ein unfreundlich besetztes Telefon sofort zu
negativer Publicity: Unzufriedene Mandanten wandern nie einfach nur so ab; das
könnte man vielleicht verschmerzen. Sie nehmen durchschnittlich zehn potenzielle, bislang unbeteiligte Mandanten mit auf ihre Seite.60
60 Diese Zahlen erforschte erstmals 1978 Noriaki Kano, Professor an der Universität Tokio mit
dem sog. Kano-Modell. Er maß und segmentierte Kundenzufriedenheit in der ersten weltberühmt
gewordenen Kundenzufriedenheits-Studie für Mitsubishi. Seine Ergebnisse sind – obwohl für die
Autoindustrie ermittelt – bis heute auch für den Dienstleistungssektor unwiderlegt. „Unverlangte
Publicity“ macht nur der begeisterte Kunde. Er wartet also nicht, bis er gefragt wird nach einem
guten Anwalt, sondern berichtet über diesen spontan. Statistisch gesehen tut er das einmal, 
während der unzufriedene Kunde 10-fache unverlangte (!) Antiwerbung für die Kanzlei macht.
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V. Kanzleikommunikation: Kleine Tipps mit großer Wirkung 253
Viele Anwälte beauftragen einen externen Dienstleister als 24-Stunden-Telefonsekretariat während Ihrer Abwesenheit. Für wenig Geld erhalten sie einen 100 %igen
Service, und das 365 Tage im Jahr 24 Stunden am Tag. Eine neue Dimensionen des
Mandanten-Service ergänzt die schon bestehenden.61
Erfolgstipps
– Definieren Sie erst ein Ziel, dann planen Sie Ihr Marketing! Nicht anders herum!
– Seien Sie eigenartig, nicht nur einzigartig!
– Delegation oder zumindest Inspiration. Kein Marketingkonzept ohne Profis!
– Veranstalten sie eine SWOT-Analyse und regelmäßige Marketing-Macht-Money-Meetings!
– Die „Vier P“ – Kappen Sie erfolglose Vorgehensweisen!
61 Siehe www.anwaltmagazin.de/das-sekretariat.html: „Dieser Service ist für Einzelkämpfer und
Existenzgründer ebenso ideal wie für Kanzleien mit dünner Personaldecke, denn so können Sie Ihr
Telefon – nach außen hin – ohne eigene Personalkosten rundum besetzt halten und haben zudem
keine Probleme mit Urlaubs- und Krankheitsvertretungen, Zigarettenpause und Kollegenschwätzchen. Zwischen den Anbietern gibt es erhebliche Unterschiede. Das fängt bereits bei der unverzichtbaren 24-h-Präsenz an, geht über unterbewertete Nebensächlichkeiten wie Einrichtungsposten und
endet bei vielen versteckten Kosten, die ein vermeintlich günstiges Angebot erheblich verteuern.“
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Leistungs-Feedback
40 % direkte Akquise 60 % indirekte Akquise
Anwälte liefern Leistungen nach außen (Mandant, Gericht, Gegner, Vorträge, Inhouse-Veranstaltungen) und Leistungen nach innen (Mitarbeiter, Teams, Organisation). Alle Leistungen bedeuten aus der Sicht des Lieferanten etwas anderes als aus
der Sicht ihrer Empfänger.1 Für Anwälte ist die sichere Rechtsberatung ein Qualitätsmerkmal, während Mandanten gerade diese normalerweise nicht wirklich beurteilen können. Daher sind Details der Kommunikation bei der Mandatsabwicklung
entscheidend für die Bewertung anwaltlicher Qualität. Gerade wo Wahrnehmungen sich so fundamental unterscheiden, sind Anwalte zu ihrer eigenen Qualitätssicherung auf das Feedback ihrer Kunden angewiesen.
Der Empfänger einer Leistung weiß als erster, ob die empfangene Leistung gut
war, ihr Produzent weiß das in aller Regel als letzter. In allen Branchen werden daher
Qualitätszirkel, Feedback-Runden und Kundenzufriedenheitsstudien ausgearbeitet, intern ausgewertet und extern als Werbeinstrumente an die Öffentlichkeit
gebracht.
Kritik kann dabei bisweilen wichtiger als Lob sein: Eine Kritik durch Ihren Mandanten ist bares Geld wert, denn sie dokumentiert Ihren Optimierungsbedarf und
rechtfertigt daher einen besonderen Dank.
Dieses Kapitel wird behilflich sein, durch Mandantenumfragen die gefühlte
(und daher faktische) Qualität von Anwaltskanzleien zu optimieren:
I. Feedback? Lieber nicht!
II. Qualitätswahrnehmung und Feedback Formen
III. Beispiel: Ein vielfach erprobter Mandantenfragebogen
IV. Akquise-Allianz: Mandantenfragebögen und Kundenkartei
I. Feedback? Lieber nicht!I.
Ganz so einfach scheint dies für Anwaltskanzleien jedoch nicht zu sein. Anwälte
halten Mandanten-Feedbacks überwiegend für unbequem und besonders deren
Verwertung für kompliziert: Nur etwas mehr als die Hälfte (53 %) der deutschen
TOP 75 Kanzleien führten in den Jahren 2010 und 2011 regelmäßige Mandantenbe-
1 Vgl. das Kapitel „Qualität“ zur unterschiedlichen Definition des Wortes durch Mandanten und
Anwälte.
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256 Leistungs-Feedback
fragungen durch, davon 50 % durch persönliche Interviews und 31 % durch einen
Fragebogen. Die Interviews wurden zu 38 % von Business Servicekräften und zu 19 %
von Partnern durchgeführt.2
Gerade durch solche Mandantenbefragungen, so kommentieren die Autoren
einer anderen Studie,3 wäre doch die „tatsächliche und nicht nur die gefühlte Zufriedenheit des Mandanten zu erfahren“. Die Autoren vermuten weiter, dass sich bei den
Anwälten nicht verifizierte, irreale Annahmen und „möglicherweise ein gewisser
Hang zur Selbstüberschätzung und zur Unterschätzung der Risiken latenter
Unzufriedenheit“ breit machen könnten.
Das erstaunt unbefangene Betrachter schon sehr: Wer sollte besser über die
Leistung eines Anwalts Auskunft geben können als ihr direkter Nutzer?
II. Qualitätswahrnehmung und Feedback-FormenII.
Für den Mandanten ist der Nutzen der Leistung wichtiger als die Leistung selbst.
Beobachten Sie, was Mandanten an andere juristische Laien weiter geben, wenn sie
von ihrem Anwalt schwärmen: „Der hat den Gegner platt gemacht, aber wie“ oder:
„Der Vertrag war in Nullkommanix vom Tisch“, oder: „Endlich wieder Ruhe“ oder:
„Durch die neue Kooperation konnten wir unser Weihnachtsgeschäft verdreifachen!“
Den Nutzen trägt er weiter, dessen Entstehung hält er für zweitrangig und
in der Regel nicht für erwähnenswert. Diese Erkenntnis führt zur Einrichtung unterschiedlicher Feedback Formen in einer Anwaltskanzlei:
–– Feedback im Erstgespräch. Ein geschickter Akquisiteur testet bereits im Erstgespräch die Wirksamkeit seiner Akquisemaßnahmen: „Wodurch wurden Sie
auf unsere Kanzlei aufmerksam?“4 – und dokumentiert die Antwort sofort in der
Kundenkartei. Anwaltliche Leistung beginnt lange vor der ersten persönlichen
Begegnung zwischen Mandant und Kunde. Ohne diese Leistung wären viele
neue Mandanten gar nicht da. So manch untaugliche und teure Werbemaßnahme fand durch diese Testfrage den lange verdienten Weg in den Müll.
–– Feedback-Gespräch zum „Cross Selling“: Wenn Sie das Mandat ausweiten
wollen, laden Sie zu einem Abschlussgespräch5 bei Mandatsende ein.
2 Claudia Schieblon, 3. PMN Benchmark Studie Anwaltsmarketing Juli 2011, S. 39, Ergebnis einer
Befragung von 75 TOP Kanzleien (Ranking nach JUVE Rechtsmarkt 10/2010).
3 Sieben/Klostermann, BB 41/2011, S. VI, Im Blickpunkt: Kanzleibarometer 2011 - Herausforderungen und Erfolgsfaktoren, Ergebnis einer Befragung von 74 Kanzleien im Jahr 2011. 35 % der befragten
Kanzleien haben weniger als 5 BT, 32 % bis zu 30 BT, 8 % bis 100 BT und 24 Prozent mehr als 100 BT.
59 % der befragten Kanzleien sind an einem Standort, 16 % an mehr als vier Standorten.
4 Siehe das Kapitel „Mandantengespräche“ mit weiteren Hinweisen zur Struktur.
5 Das Kapitel „Cross-Selling“ enthält viele Details über dieses Abschlussgespräch und die akquisitorische Relevanz des Leistungs-Feedbacks.
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II. Qualitätswahrnehmung und Feedback-Formen 257
–– Feedback-Bitte mit dem Ziel der Rückgewinnung ehemaliger Mandanten:6
Verloren gegangene Mandanten hatten Gründe für ihren Weggang. Ermitteln
Sie diese Gründe bei lohnenden Mandanten, sie sind der „Hebel“ für das Herstellen eines neuen Vertrauensverhältnisses.
–– Feedback beim Beschwerdemanagement strukturieren: Dieses Feedback
muss offensiv, furchtlos und sehr strukturiert durchgeführt werden. Sie beginnt
bereits durch Ihre Assistentin am Telefon, die die Details einer Beschwerde
erfragt. Jeder Kanzleifehler führt Sie automatisch ins Beschwerdemanagement.
Trainierte Assistentinnen fragen sofort nach einer weiteren „Optimierungsmöglichkeit“, wenn ein Mandant sich über ein Detail beschwert.
–– Fragebögen bei In-house Veranstaltungen und externen Vorträgen: Diese
punktuelle Feedback-Möglichkeit dient der Präzision und Erweiterung von
Vortragsstil und -inhalt. Erklären Sie zum Vortragsbeginn, welchen Nutzen die
Teilnehmer durch das Ausfüllen haben, sonst bleiben die Bögen leer! Unbedingt
auch hier Freitext ermöglichen!
–– Bewertungsportale im Internet: Anwälte haben einen Argwohn gegen Feedback-Systeme im Internet. Bewertungsportale schießen wie Pilze aus dem
Boden und öffnen Tür und Tor zu Gefühlsduseleien, die entweder in großem
Zorn oder in schmeichlerischer Lobeshymne ihren Ausdruck finden. Beides
dient dem Marketing von Anwälten nicht, abgesehen vermutlich von der höheren
Auffindbarkeit in Suchmaschinen durch ihre Namensnennung. Mit einem
guten „Monitoring“,7 exzellenter Anwaltsarbeit und regelmäßigen Aktualisierungen stützen elektronische Feedback-Portale sehr elegant ihre Reputation.
–– Kritik als Teil der Arbeitsplatzbeschreibung ist eine großartige, wirkungsvolle
Maßnahme nach innen. Verpflichten Sie Ihre Assistentinnen, Ihnen über Ihre
Wirkung regelmäßig (mindestens einmal in der Woche) und vor allem furchtlos
ein Feedback zu geben. Immer zeitnah, immer anhand Ihres Verhaltens („Sie
rennen heute so gestresst durch den Flur; das steckt schon unsere Auszubildende
an. Was ist los? Was kann ich für Sie tun?“). Geben Sie das umgekehrt genauso
zurück: „Mir gefällt Ihre Kleidung heute nicht wirklich. Ich fürchte, Mandanten
könnten das als zu leger empfinden.8 Könnten Sie das bitte überdenken?“
Krankenstand und Fluktuation unter den Nichtjuristen sinken, während die
gute Laune steigt – letzteres selbst unter den kritisierten Anwälten! Test it!
6 Vgl. das Kapitel „Ehemalige Mandanten“.
7 Vgl. zum Thema „Monitoring“ die Kapitel „Reputation“ und „Online Akquise“.
8 Der Perspektivwechsel hilft, ohne Beschönigung und ohne Beleidigung zu kritisieren. Vgl. auch
zur Akquiserelevanz von Perspektivwechseln das Kapitel „Durchsetzung“. Im Kapitel „Mandantengespräch“ gibt es einen Tipp zur eleganten Unterstützung der „Kleiderfrage“.
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258 Leistungs-Feedback
III. Beispiel: Ein vielfach erprobter MandantenfragebogenIII.
Feedback-Fragebögen sind in Kanzleien häufig Zeitdiebe und Aktenfüller. Sie
werden nicht oder nicht detailreich genug ausgefüllt, schlecht oder gar nicht ausgewertet, in Eile vom Anwalt durchgehechelt oder lieblos in die Wartezimmer
gelegt. Sie spiegeln weder deutlich genug den Vorteil des Mandanten wider noch
das ernsthafte und folgenreiche Interesse an der Ansicht des Mandanten. Sie wirken
wie eine ungeliebte Modeerscheinung, und so sehen sie auch meistens aus. Eine
Helvetica-10-Punkt-Bleiwüste zum Ankreuzen ist weder geeignet, den Mandanten
zur Abgabe einer Meinung zu inspirieren noch führt sie den Anwalt automatisch zu
einer Optimierung seiner Qualität.
Ein paar Tipps können weiter helfen. Ein optimaler Mandanten-FeedbackBogen hilft Ihnen bei der Ermittlung von Werbe- und Akquisekosten sowie bei
der Ermittlung der Wirksamkeit beider Tools. Mandantenbefragungen finden statt
durch:
–– Übersenden per E-Mail („Word“), sofort zurückmailen (höchstens 30 % Rücklauf);
–– Befragungen nach Mandat telefonisch oder live durch die Assistentin. Sie
notiert die Antworten (großartige Wirkung! 100 % Beteiligung);
–– Befragungen nach Mandat telefonisch oder live durch den Anwalt. Abhängig
vom Grad der Positionierung Ihrer Assistentin (unnötig = B-Aufgabe = Zeitverschwendung);
–– Im Wartezimmer auslegen (wirkt zu unverbindlich; zumindest verbinden mit
Fragen!).
Geschickt eingesetzte Mandantenfragebögen enthalten:
–– im ersten Teil offene Fragen mit freien Antwort-Texten (mindestens eine Zeile
unter jeder Frage); die Fragen sind aufgeteilt nach Lob/Kritik und Anwälte/
Assistentinnen.
–– im zweiten Teil zwei Ankreuztabellen (Anwalt/Assistentin) mit Kommentarmöglichkeit.
–– im dritten Teil Ausblick in die Zukunft (wieder freier Antworttext), auch als Voraussetzung für das „Cross-Selling“.9
–– Muster
–– Qualitäts-Check Kanzlei X – Wodurch können wir besser werden?
–– [Kanzleilogo]
9 Vgl. das Kapitel „Cross-Selling“ mit weiteren Details zur Mandatsausweitung.
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III. Beispiel: Ein vielfach erprobter Mandantenfragebogen 259
Sehr geehrte/-r Herr/Frau _________________________________,
wir bedanken uns für Ihr Vertrauen und wollen gern wissen, wodurch wir unsere
Qualität verbessern können. Unsere Mandanten wissen am besten, wie wir das
schaffen können. Alle Daten bleiben bei uns. Sehr gern übermitteln wir Ihnen, wie
wir Ihre Hinweise umgesetzt haben.
1. Bitte beantworten Sie – wenn möglich mit Details – folgende Fragen:
––
––
––
––
––
Wodurch wurden Sie aufmerksam auf unsere Kanzlei?
Was hat Ihnen während des Mandats an den anwaltlichen Auftritten gefallen?
Was kann der Anwalt verbessern?
Was hat Ihnen während des Mandats an den Auftritten der Assistentinnen gefallen?
Was können unsere Assistentinnen verbessern?
2.Hier können Sie Schulnoten für die Anwälte vergeben
(1 = sehr gut, 6 = sehr schlecht) und Ihr Votum kommentieren:
Anwälte
Noten:
1 2
3
4
5
6
Details:
Erreichbarkeit
Verlässlichkeit
Klarheit
Freundlichkeit
Empathie
3.Hier können Sie Schulnoten für die Assistentinnen vergeben
(1 = sehr gut, 6 = sehr schlecht) und Ihr Votum kommentieren
Anwälte
Noten:
1 2
3
4
5
6
Details:
Soforthilfe
Verlässlichkeit
Freundlichkeit
Ruhe
Empathie
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260 Leistungs-Feedback
3.Ein Blick in die Zukunft:
Zu welchen Themen wünschen Sie weitere Informationen?
Zu welchen Themen würden Sie gern kostenlose Vorträge hören?
Würden Sie uns für Ihr nächstes Mandant erneut beauftragen?
Ja
Nein
Hauptgrund: _______________________________________________________________
Würden Sie uns weiter empfehlen?
Ja
Nein
Hauptgrund: _______________________________________________________________
1
Best Practice
Wir akquirieren hauptsächlich über Empfehlung. Die steigern wir durch viele Faktoren, wie nach
außen durch strategisch gewählte Netzwerke z.B. BNI10 und durch regelmäßige kostenlose Rechtskolumnen in fünf unterschiedlichen Foren, nach innen vor allem aber durch unsere Feedback-Systeme.
Jede Kritik wird bei uns zu einem Mandat. Wir verwenden Fragebögen am Ende des Mandates. „Was
hat Ihnen gefallen?“ und „Was hat Ihnen gefehlt?“ sind dazu die Überschriften. Der Mandant kreuzt
nicht nur an, sondern schreibt seine Meinung und seinen Eindruck, worauf wir dann intern reagieren.
Ich selbst werde hauptsächlich gelobt für meine Menschenführung nach dem Motto: „In der Sache
hart, zu den Menschen weich“. Durch diese Haltung gewinne ich seit Jahren Respekt nicht nur vor
Gericht.
Rechtsanwältin Dr. Gabriele Sonntag, Fürth, Tel.: 0911-971870
IV. Akquise-Allianz: Mandanten-Feedbacks und KundenkarteiIV.
Ein Mandanten-Feedback ist kein modisches Accessoire, mit dem man sich schmücken
„muss“, weil die „anderen auch so was machen“, sondern ein veritables Akquiseinstrument. Ohne akribische Dokumentation11 der gewonnenen Informationen macht
10 „BNI – Business Network International – ist das Unternehmernetzwerk für Geschäftsempfehlungen. Eine professionelle Vereinigung lokaler Geschäftsleute, die sich regelmäßig zum Unternehmerfrühstück treffen. Einziger Sinn und Zweck dieser Treffen ist die Gewinnung neuer Kunden durch
persönliche Empfehlungen. Deutliche Umsatzsatzsteigerungen aller teilnehmenden Unternehmer ist
das Ergebnis“, so die Selbstdarstellung auf www.bni.de.
11 Details zur Kundenkartei im Kapitel „Kanzleimarketing“.
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IV. Akquise-Allianz: Mandanten-Feedbacks und Kundenkartei 261
die Mandantenbefragung allerdings keinen Sinn. Tragen Sie alle Informationen
in eine (nur in eine!) Kundenkartei ein, die sich eigenständig mit allen anderen
Rechnern synchronisiert.
Das frisch ermittelte zusätzliche Mandanteninteresse nach einem Vortragsbesuch wird ebenso eingetragen wie die Rückmeldung über die Qualität der Assistentin. Beim nächsten Besuch bzw. Mandat erfährt der Mandant sogar, was mit seinen
Anregungen geschehen ist. In einigen Kanzleien geht die schriftlich kritisierte
Assistentin beim nächsten Mandat des Kritikers auf diesen zu und bedankt sich
– falls nicht schon telefonisch geschehen – für seine Kritik und erläutert ihre Entwicklung durch seine Kritik.
Abgewanderte Mandanten12 werden, ihre wichtige Rolle für die Kanzlei vorausgesetzt, systematisch registriert und unter eigenem Suchbegriff in der Kundenkartei geführt. Kanzlei-Fehler, die zu ihrem Weggang führten, werden sofort
behoben, denn sie sind gefährlich, sobald sie häufiger als einmal auftreten. Ermitteln Sie diese Fehler furchtlos, besonders Ihre eigenen.
Neue Mandanten (und besonders die, die sich gegen Sie entschieden haben)
können Sie nach deren Zustimmung zu Ihren Vorträgen und Kanzlei-Events einladen. Noch-Nicht-Mandanten erhalten eigene Suchbegriffe und werden nach Genehmigung zu Ihren Vorträgen und Events eingeladen. Strukturiertes Cross-Selling wird
durch die Allianz von Kundenkartei und Mandantenbefragungen möglich, wenn
Sie Andeutungen über weiter führende Bedarfe ebenfalls akribisch – und für alle in
der Kanzlei abrufbar – dort platzieren.
Erfolgstipps
– Holen Sie Feedback über Ihre Wirkung überall ein! Freiwillig kommt es leider nicht.
– Geben Sie Feedback, damit Sie es bekommen – auch intern!
– Richten Sie eine Kundenkartei ein. Alle Informationen gehören dort hinein!
– Mandantenbefragungen sind Qualitätslieferanten. Lernen Sie, Kritik zu lieben!
– Mandantenfragebögen sind attraktiv gestaltet und bringen jedem inhaltliche Vorteile.
12 Siehe die Strategie dazu im Kapitel „Ehemalige Mandanten zurück gewinnen“.
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1
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Mandantengespräche
30 % direkte Akquise
70 % indirekte Akquise
Die folgende Situation ist die mit Abstand häufigste aller Akquisesituationen im
Anwaltsalltag. Sie wird als solche oft gar nicht wahrgenommen und daher unterschätzt: Der potenzielle Mandant ist bereits mit Termin in der Kanzlei. Er war noch nie
zuvor da. Er hat ein Problem und erwartet eine Lösung. Ein Wettbewerb mit anderen
Anwälten besteht nicht, ein Vertrag mit diesem Anwalt ebenfalls (noch) nicht.
Er ist aufgrund einer Empfehlung,1 einer eigenen Vorerfahrung (z. B. Vortragsbesuch, private Begegnung), Stichwortsuche im Internet2 oder Alphabet im Branchenbuch, ausgewiesener Besonderheiten der Kanzlei (Spezialisierung, Sprache,
Nationalität oder Geschlecht bzw. sexuelle Ausrichtung der Anwälte, behindertengerechte Aufgänge, Kinderbetreuung, großer Name, besondere Werbung), der besonderen Reputation der Kanzlei oder aufgrund geografischer Bedingungen (dieselbe Stadt, Nachbarschaft) in diese Kanzlei gekommen.
Er sucht einen Spezialisten, der Jura studiert hat (= helfen kann!) oder sogar
einen, der innerhalb dieser Disziplin ein besonderes Fach besonders beherrscht (=
locker helfen kann!).3 Er ist daher mit einem gewissen Grundvertrauen für seinen
Anwaltsbesuch ausgestattet.
Dieses Kapitel ist unterteilt in die folgenden Bereiche:
I. Was ist die Aufgabe von Anwälten im Mandantengespräch?
II. Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen?
III. Best Practice
1 Weit über die Hälfte der für dieses Buch befragten Anwälte geben diese Akquisemethode als ihre
erfolgreichste an. Der Anteil indirekter Akquise hat in diesen Kanzleien einen Anteil von ca. 90 %.
Ein befragter Anwalt drückte es so aus: „Wir legen es in Kanzleipräsentation, Kommunikation und
täglicher Sachbearbeitung darauf an, dass sich jeder unserer bestehenden Mandantenkontakte
verdreifacht.“
2 Nach einer Schätzung von Michael Friedmann, Geschäftsführer von www.123-Recht.net, geben
90 % der Anwaltssucher im Internet die Suchwörter in der Reihenfolge: Problem, Stadt, Rechtsanwalt ein.
3 Zur positiven Wahrnehmung von Fachanwaltstiteln in der Bevölkerung vgl. die Forschungen des
SOLDAN Instituts unter http://www.soldaninstitut.de, Stichwort „Summary Fachanwälte“.
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264 Mandantengespräche
I. Was ist die Aufgabe von Anwälten im Mandantengespräch?I.
Ein Mandantengespräch dient dazu, dieses Grundvertrauen zu vermehren, damit
er selbst Mandant wird (direkte Akquise) und dafür zu sorgen, dass der Mandant
seine Begeisterung über die anwaltlichen Kompetenzen in die Lande streut (indirekte Akquise). Schon das Erste gelingt oft nicht!
Wenn ein Mandantengespräch nur die vom Mandanten erwarteten Leistungen
bringt (Rechtsproblem lösen), entsteht keine Begeisterung sondern lediglich Zufriedenheit. Zufriedenheit wird jedoch nicht unverlangt, sondern nur auf Nachfrage
weitergetragen.
„Unverlangte Publicity“ macht nur der begeisterte Kunde. Er wartet also nicht,
bis er gefragt wird nach einem guten Anwalt, sondern berichtet über diesen spontan.
Statistisch gesehen tut er das einmal, während der unzufriedene Kunde 10fache unverlangte Antiwerbung für die Kanzlei macht.4
Anwälte verhalten sich dagegen gelegentlich, als sei Akquise schon geschafft,
wenn der Probleminhaber den Weg in die Kanzlei gefunden hat. Ein Rechtsfall muss
nun abgearbeitet, eine Akte angelegt, eine Strategie entwickelt und ein Gegner überzeugt werden. Universitäre Ausbildungen sowie das daraus resultierende Berufs- und
Selbstbild der Anwälte legen die Orientierung am Fall nahe, denn: „Das Leben besteht
aus Rechtsproblemen, suche daher nach Ansprüchen.“5
Der größte Feind strategischer, Akquise fördernder Kommunikation ist das in der
Ausbildung antrainierte anwaltliche Denken. Anwälte sind jedoch keine Sachbearbeiter, sondern in erster Linie Geschäftsleute. Das bleibt – übrigens auch heute
noch – an den juristischen Fakultäten unerwähnt und folgerichtig im Alltag häufig
auch ungefühlt. Erstaunt und überfordert reagieren daher viele Anwälte in den ersten
Jahren über den unerwartet hohen Anteil an Management-, Kommunikations- und
Akquiseaufgaben.
Für die Akquise ist diese Denkweise Ballast mit fatalen Folgen. Anwälte addieren durch sie – meistens unbewusst – zum Mandantenproblem ihr eigenes hinzu.
Fehlende Empathie und eine allein sachorientierte Kommunikation über „den
Fall“ torpediert jene Seite des Kundenkontakts, die für die Akquise relevant wäre: das
Vertrauensverhältnis zum Probleminhaber.
4 Diese Zahlen erforschte erstmals 1978 Noriaki Kano, Professor an der Universität Tokio, im KanoModell. Er maß und segmentierte Kundenzufriedenheit in der ersten, weltberühmt gewordenen
Kundenzufriedenheits-Studie für Mitsubishi. Seine Ergebnisse sind – obwohl für die Autoindustrie
ermittelt – bis heute auch für den Dienstleistungssektor unwiderlegt.
5 Ponschab/Schweizer, S. 3 über die Entstehung anwaltlichen Denkens und die dramatischen
Folgen dieser Denkweise für den Verhandlungsalltag.
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II. Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen? 265
II. W
ie machen Anwälte aus Mandantengesprächen
Akquiseveranstaltungen?II.
Ein Mandantengespräch ist eine Inszenierung, bei der ein Profi mit einem Nicht-Profi
über die juristische Lösung eines in aller Regel nicht juristischen Problems spricht.
Ein Rechtsanwalt, der das systematisch untersucht hat, erwähnt an dieser Stelle die
Problematik der „asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Nachfragern und
Anbietern“,6 Doch auch jeder Nicht-Anwalt merkt, da kann viel schief gehen, daher
einige Bemerkungen vorweg.
Mandantengespräche dienen in allen drei Zeitzonen unmittelbar der Akquise:
–– Gegenwart – zur Ausdehnung des derzeitigen Mandats,7
–– Vergangenheit – zum Zurückholen eines ehemaligen Mandanten,8
–– Zukunft – um neue Mandanten zu gewinnen.9
Mandantengespräche dienen auch mittelbar der Akquise, wenn sie dem Mandanten durch Empathie und Kompetenz eine „Heimat“ bieten, einen Wiedererkennungswert schaffen (Corporate Identity),10 wenn ihre Mitarbeiter sich in Szene
setzen können (Teamstärke)11 und wenn der Anwalt durch die Führung schwieriger
Mandanten (Kaiserstatus)12 punktet.
1. Denkbares wird lenkbar
Das wichtigste Geschäftsfeld eines Anwalts befindet sich zwischen seinen Ohren.
Dort wird Erfolg geschaffen, und dort wird er auch torpediert! Daher fungieren zwei
mentale Vorkehrungen als Voraussetzung für den Erfolg:
a) Tilgen Sie negatives Denken
Beenden Sie zunächst alle Elemente negativen Denkens über Mandantengespräche. Hier die Hitliste wörtlicher Antworten auf die Frage, wie Anwälte selbst Mandantengespräche sehen: „Mandantengespräche sind oft lästige Pflichten. Sie erschweren
die rechtliche Analyse, halten die Damen vom Schreiben und mich vom Diktieren
6 Hartung, AnwBl 8+9/2011, S. 611, „Marktentwicklung bei großen wirtschaftsberatenden Kanzleien in Deutschland“; Rechtsanwalt Markus Hartung ist Direktor des „Bucerius Center on the Legal
Profession“ an der Bucerius Law School in Hamburg.
7 Vgl. dazu das Kapitel „Cross-Selling“.
8 Vgl. das Kapitel „Ehemalige Mandanten zurückgewinnen“.
9 Vgl. das Kapitel „Beauty Contest“.
10 Vgl. dazu das Kapitel „Kanzleimarketing“.
11 Vgl. dazu das Kapitel „Assistentin“.
12 Vgl. das Kapitel „Umgang mit Mandanten“.
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266 Mandantengespräche
ab und machen regelmäßige Schnittblumenlieferungen nötig. Die lästige Aufnahmephase verkürze ich durch Fragebögen; wieso macht das Mandanten ratlos? Dauer
und Intensität des Gesprächs sind abhängig von meiner Tagesform, Laune und von
meinem ökonomischen Bedarf, außerdem von Persönlichkeit, äußerer Erscheinung
und spontaner sozio-ökonomischer Einordnung des Mandanten sowie von äußeren
Faktoren wie Anzahl der Personen im Wartezimmer, Urlaubsplan der Sekretärin,
Ärger in der Autoreparaturwerkstatt und Furcht vor dem durchstrukturierten Feierabend zu Hause“.
b) Nehmen Sie die Mandantensicht ein
Nachhaltige Akquiseerfolge entstehen durch Empathie. Drehen Sie Ihre Wahrnehmung! Betrachten Sie alles, was Sie tun und alles, was Sie unterlassen, aus Mandantensicht. Die Wirkung auf den Mandanten entscheidet über Akquiseerfolge, nicht
die geschmäcklerische Orientierung an eher zufälligen Dispositionen.
Viele Anwälte nutzen das Mandantengespräch erfolgreich und elegant als direkte
Methode zur Umsatzsteigerung. Ihre Mandantengespräche sind empathisch, kurz,
intensiv, verständlich und motivierend. Sie werden zu Akquiseinstrumenten durch
eine klare Struktur, ein zielgerichtetes Matching der Mandantenmuster und eine
taktisch ausgerichtete Rhetorik.
1
Tipp
Akquisestarke Anwälte ruhen nicht, bis der Mandant begeistert ist.
2. Strukturieren Sie Ihre Mandantengespräche
Ein Mandanten-Erstgespräch besteht aus neun Phasen, von denen hier acht dargestellt werden; die Rechtsberatung als fachlicher Teil des Erstgesprächs fehlt hier:
a) Begrüßung
b) Was ist der Kern Ihres Problems?
c) Was ist Ihr Ziel?
d) Wie wird bezahlt?
e) Wie kamen Sie auf unsere Kanzlei?
f) Wie läuft das Mandat ab?
g) Hausaufgaben
h) Assistentin vorstellen
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II. Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen? 267
a) Begrüßung
Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance! Sympathie und Antipathie
können sich in den ersten Sekunden entscheiden. Übertreiben Sie weder Freundlichkeit noch Lautstärke, weder Eile noch Empathie. Lange bevor die Gesprächsbeteiligten gemeinsam am Tisch sitzen, hat sich bereits entschieden, ob der Mandant dem
Anwalt die Lösung zutrauen würde. Auch wenn Anwälte höchste Fachkenntnis
besitzen, mandatiert wird stets über das Gefühl! Die Begrüßung vor dem Erstgespräch hat demnach nicht die Funktion der möglichst zügigen Bearbeitung einer
Sache, sondern der Einrichtung eines möglichst belastbaren Vertrauensverhältnisses.13 In den allermeisten Fällen hat der Mandant in diesem Augenblick noch
keinen Vertrag mit dem Anwalt unterzeichnet.14
■■ Erste Begegnung
In manchen Kanzleien holen Assistentin oder Anwalt die Mandanten aus dem Wartezimmer ab. Achtung: Wer den Namen des Abgeholten vor anderen Mandanten im
Wartezimmer erwähnt, verstößt gegen seine Schweigepflicht. Dasselbe gilt, wenn
wartende Mandanten den Namen anderer Mandanten durch die telefonierende Empfangsassistentin erfahren. Aus diesem Grund stellen sich viele Anwälte auch erst
außerhalb der Hörweite anderer vor. Zur Vorstellung gehört als erstes der korrekt
ausgesprochene Name des Mandanten mit seinen Titeln. Danach die Vorstellung
des Anwalts mit Nachnamen (ohne seine Titel!) und mit dem Rechtsgebiet, das er
als „Spezialist“ oder als „Fachanwalt“ vertritt. Leitet er ein Team, sagt er das auch.
Ist er sehr jung, stellt er sich als „seit acht Monaten im Team Verwaltungsrecht“ vor.
Hat er einen Schwerpunkt gewählt innerhalb eines Rechtsgebietes, erwähnt er auch
den: „Ich bin vor allem zuständig für die...“ Fragen Sie immer, ob er mehr über Ihre
Kompetenzen erfahren möchte. Falls ja, spezifizieren und quantifizieren Sie diese.
■■ Reihenfolge der Begrüßung
Haben Sie mehrere Gäste? Dann wird laut Business-Knigge15 der „informelle Führer“
der Gäste immer zuerst begrüßt. Das ist sie Person, mit der Sie schon telefoniert oder
per E-Mail „Informationen ausgetauscht“ haben. Diese Regel gilt unabhängig von
Alter, Hierarchie und Geschlecht der Gäste. Die Frau wird also nicht automatisch
als erste begrüßt, ebenso wenig wie die älteren Herrschaften im Gästeteam, es sei
denn, diese hätten die „informelle Führung“. Diese zunächst etwas ungewohnte
13 Weitere Tipps zur telefonischen Begrüßung des Mandanten im Kapitel „Assistentin“, zur LiveBegrüßung durch die Assistentin und zur Beheimatung durch die Büroumgebung im Kapitel 
„Kanzleimarketing“.
14 Viele Mandate werden allein durch E-Mails und Telefonate geführt. Da kommt es entweder gar
nicht oder spät im Mandat zur ersten Live-Begegnung, etwa zu einem Abschlussgespräch. In diesen
Fällen ist selbstverständlich eine herzlichere und auch im besten Sinne „unvorsichtigere“ Vorgehensweise denkbar!
15 Business-Knigge = Verhaltensregeln im Umgang mit Geschäftspartnern, s. dazu das Kapitel
„Small Talk“.
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268 Mandantengespräche
Regel kennt im Geschäftsleben nur eine Ausnahme, wenn der informelle Führer
des Gästeteams nach den Regeln des privaten Knigge agiert, wird er es selbst wichtig
finden, dass Frauen oder ältere Herrschaften zuerst begrüßt werden. Er dokumentiert
das deutlich, indem er hinter Frauen oder älteren Herrschaften zurück tritt. Begrüßen
Sie in diesem Fall die genannten Personen zuerst.
b) Paraphrase16 der Historie
Paraphrasen bewirken im Dialog den Eindruck des Verstehen-Wollens, des Verstehens und der Neugier auf „den Fall“. Während der Begrüßung dokumentieren sie
außerdem den fehlerfreien Informationsfluss innerhalb der Kanzlei. Sie signalisieren bereits in den ersten Sekunden Interesse an Person und Fall. Wenn der Anwalt
selbst schon mit dem Mandanten telefoniert hat, paraphrasiert er die Historie so:
„Guten Tag, Herr Bergmann, ich freue mich, dass Sie da sind. Wir haben ja schon
telefoniert.... Mein Name ist..., ich bin in der Kanzlei der Fachanwalt für...Sie haben
mir ja schon berichtet…“
Wenn die Assistentin den Kern des Falles oder den Kern des Wunsches notiert
hat, steigt er so ein: „Meine Assistentin Frau Berger hat mir schon aufgeschrieben, dass Sie einen Autounfall hatten, dass die Polizei am Unfallort war und dass Sie
eine Vollkaskoversicherung haben. Ist das alles richtig so?“ Der Subtext17 transportiert hier die Wichtigkeit der Mitarbeiter. Der Blickkontakt bleibt. Jede Hektik wird
vermieden.
■■ Small Talk-Test
Small Talk schafft Vertrauen und baut oft Angst ab! Testen Sie den Small Talk
Bedarf der Gäste. Manche brauchen viel, manche wenig, manche keinen. Als gute
Testfrage hat sich bewährt: „Wie war Ihre Anreise? Ich habe gehört, auf der A 6 war
heute Stau?“ Bieten Sie mindestens zwei „Andockstationen“18 Wer viel Small Talk
braucht, um Vertrauen zu fassen, plaudert nun über Staus. Wer keinen braucht,
sagt „War erträglich“ und senkt die Stimme. Wenn der Mandant aus dem Fenster
schaut, steigen Sie drauf ein: „Das ist zur Zeit die größte Baustelle der Stadt. Dort
entsteht...“ Bieten Sie nicht mehr und nicht weniger Small Talk an als der an-
16 Paraphrase = Zusammenfassung bzw. Umschreibung des Gehörten, häufig mit einfacheren und
– vor allem – eigenen Worten.
17 Subtext = der nicht mitgesprochene Text. Er kommt häufig dominanter an als der gesprochene;
vgl. die 4-Ohren-Theorie von Friedemann Schulz von Thun. Das berühmte Beispiel: „Schatz, es ist
grün“. Der Beifahrer gibt im Auto die Information über die Farbe der Ampel, die Fahrerin hört einen
nicht ausgesprochenen Vorwurf über ihren Fahrstil. Wer bei diesem Beispiel sexistische Vorurteile
„mitschwingen“ hört, reagiert wiederum auf einen Subtext.
18 Andockstationen = Sie fördern Small Talk, indem Sie mindestens zwei Themen in Ihrer Einleitungsfrage vorgeben bzw. anbieten. Im Kapitel „Small Talk“ erfahren Sie, wie Sie Small Talk 
strukturiert für die Akquise einsetzen können.
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II. Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen? 269
dere braucht. Ihre eigenen Fähigkeiten in Sachen Small Talk spielen dabei keine
Rolle: Sie liefern ab, was gebraucht wird – und lernen bei Bedarf nach, was Ihnen
noch fehlt.
■■ Platzwahl
Sie weisen dann die Sitzplätze zu und setzen sich selbst immer später als alle Gäste.
Auch das ist vom Geschlecht aller unabhängig. Sie dokumentieren dadurch Ihr Territorium und machen Ihre Führungsrolle an diesem Tisch klar. Sie setzen sich nie
gegenüber vom Mandanten sondern in 90 Grad Winkel oder an einen runden Tisch.19
In dem Buch „Satanische Verhandlungskunst“20 lernen Anwälte auf weitere schwierige äußere Verhältnisse zu achten, wie beengte Platzverhältnisse, unzureichende
Getränke, überhitzte oder eiskalte Räume, Lärm, unangenehme Gerüche und andere
Störungen von außen.
c) Was ist der Kern Ihres Problems?
Anwälte sind keine Therapeuten, sondern Manager von komplizierten Gesprächen. Daraus folgt, dass nicht die Menge an Informationen einen effizienten Verlauf
des Gesprächs verspricht, sondern deren Qualität. Dieses Wort wird durch Mandanten und ihre Anwälte unterschiedlich interpretiert. Der Mandant empfindet Qualität, wenn der Anwalt ihn versteht. Für den Anwalt dagegen ist die rechtliche Verwertbarkeit der Informationen wichtig. Der Mandant hat also eine entgegen gesetzte
Definition von Qualität im Vergleich zu seinem Anwalt. Er wird Ihnen daher erst
folgen, wenn er Ihnen vertraut.21
Steigen Sie stets mit einer Frage in den Fall ein. Wer fragt, führt. Sie signalisieren Interesse und Bereitschaft zu Konzentration.
Verzweifelte Probleminhaber22 sind häufig unstrukturiert. Sie lieben ausführliche Schilderungen ihrer „Situation“ aus drei Gründen:
–– Sie wissen nicht, was rechtlich wichtig ist,
–– haben nur einen einzigen Fall, der sie Tag und Nacht beschäftigt, und
–– sind nicht in der Lage, klar zu denken, da ihr Stammhirn das Denkhirn blockiert.
Um das einigermaßen zu kanalisieren, sorgen Sie für eine Vorinformation durch
Ihre Assistentin, so dass Sie den Kern des Falles selbst paraphrasieren können:
„Meine Assistentin Frau Berger hat mir schon aufgeschrieben, dass Ihnen gekündigt
wurde und dass Sie dagegen vorgehen wollen. Stimmt das so?“
19 Vgl. Hofmann/Rothfischer/Trossen, S. 170.
20 Siehe Ruede-Wissmann, S. 190 f, mit weiteren Beispielen.
21 Zur Hierarchie von Sach- und Beziehungsebene s. das Kapitel „Umgang mit Mandanten“.
22 Vgl. das Kapitel „Umgang mit Mandanten“.
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270 Mandantengespräche
Geschlossene Kontrollfragen23 sind generell ein Instrument zur Führung ausschweifender und verwirrter Probleminhaber. Besonders Privatklientel, die den
Umgang mit Anwälten nicht gewohnt ist, fragen Sie stets nach dem Kern des Problems
– und nicht nach „dem Problem“. Bewährt hat sich hundertfach die Frage: „Was ist –
in einem einzigen Satz gesagt – Ihr größtes Problem?“ Notfalls hilft auch hier der Perspektivwechsel „Sagen Sie mir in einem Satz, als müssten Sie es einem Kind erklären, was an Ihrem Fall das Schlimmste ist.“ Auch wenn es nicht immer gelingen wird:
lassen Sie nichts unversucht, gerade solche Mandanten von vornherein zu lenken.
Wenn Sie geordnete, ruhiger auftretende Mandanten vor sich haben, können Sie
die Leine locker lassen durch: „Was kann ich für Sie tun?“ oder sogar „Was ist passiert?“
d) Was ist Ihr Ziel?
Mandanten geben das Ziel vor, ihre Anwälte den Weg dorthin. Viele Mandanten haben
allerdings nicht die Kapazitäten, ein rechtlich erreichbares Ziel zu definieren. Es ist
anwaltliche Aufgabe, Mandantenziele realistisch zu gestalten.
Ein Anwalt, der das Ziel des Mandanten mit allen Mitteln verfolgt, wird zum Star
des Grillabends in dessen Garten. Nichts wird häufiger weiter getragen als ein durchsetzungsstarker Anwalt.24 Sein Engagement sorgt für ein belastbares Vertrauensverhältnis. Anwälte kürzen ihre Mandantengespräche drastisch ab, indem sie so früh
wie möglich nach dem Ziel des Mandanten fragen: “Was möchten Sie am Schluss erreichen?“ oder „Durch welches Ergebnis wären Sie so richtig zufrieden?“ oder „Was ist
Ihnen am allerwichtigsten?“ Durch diese Fragen sortieren Mandanten häufig selbst,
welche Teile ihrer Sachverhaltsschilderung wichtig und welche weniger wichtig sind.
Die Frage nach dem Ziel hat viele Vorteile. Sie
–– unterbricht endlose Problemmonologe in respektvoller Weise,
–– gibt dem Mandanten Richtung,
–– gibt dem Anwalt Richtung,
–– verhindert taktisch unkluges Verhalten des Mandanten, wenn der Anwalt ihn oft
auf sein Ziel hinweist.
e) Wie wird bezahlt?
Die Information über das Anwaltshonorar ist nicht nur anwaltliche Pflicht nach
BRAO, sondern auch psychologische Voraussetzung für gegenseitiges Vertrauen
in einem ungleichen Team.
23 Geschlossene Fragen beginnen mit Verb oder Hilfsverb und können nur mit „Ja“ oder „Nein“
beantwortet werden.
24 Vgl. das Kapitel „Durchsetzung“.
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II. Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen? 271
Die Honorarinformation gehört nicht nur wegen der BRAO in allen Fällen in
das Erstgespräch. Warten Sie nicht, bis Sie danach gefragt werden! Sprechen Sie
das Thema offensiv selbst an – und so früh wie möglich. Viele Anwälte nutzen die
Honorarinformation schon am Telefon, um ihre Leistung sofort zusammen mit
der Gegenleistung zu präsentieren oder auch, um Mandanten abzuschrecken.25
Vielen Anwälten fällt die innerlich und äußerlich souveräne Information über
das Honorar schwer.26
f) Wie kamen Sie auf unsere Kanzlei?
Diese Marketingfrage fehlt entweder komplett in Erstgesprächen – oder ihre Antworten werden nicht erschöpfend registriert und ausgewertet. Durch die Antworten
erfährt der Anwalt, welche seiner Werbe-Maßnahmen er ausbauen und welche er
sofort einstellen sollte.
Tipp
Das Nicht-Wissen über die Wirksamkeit von Akquise-Maßnahmen ist um ein Vielfaches teurer als die
Maßnahme selbst!
Die schon in der Einführung dieses Buches erwähnte € 2.500 teure, dick umrahmte
Anzeige in den gelben Seiten ist in manchen Kanzleien eine reine Geldverschwendung, in anderen die Basis des Geschäfts. Akquise ist immer dann teuer, wenn der
Erfolg der ergriffenen Maßnahmen nicht schlüssig quantifiziert und dokumentiert wird. Die Antworten können auch Aufschluss darüber geben, welche Maßnahme
optimiert werden sollte, damit durch sie mehr neue Mandanten kommen.
Teuerstes Beispiel gewöhnlich suboptimal durchgeführter Maßnahmen sind Inhouse Veranstaltungen.27 Unter den Gästen regelmäßiger In-house Veranstaltungen
einer Kanzlei sollten stets mindestens 20 % Nicht-Mandanten sein. Wenn kein
neuer Mandant angibt, durch diese In-house Veranstaltungen Ihr Mandant geworden zu sein, sollten Sie entweder zunächst die Dramaturgie Ihrer Veranstaltungen
überprüfen (an der gibt es immer viel zu optimieren), oder – sofern es gar nichts zu
optimieren gibt – sie sofort abschaffen!
25 Psychologisch hoch interessant: Anwälte, die ihre Honorare hochschrauben, um Interessenten
abzuschrecken, bekommen häufig leicht einen Vertrag mit gerade diesem Mandanten! Die Autorin
kann sich das nur durch die besondere „Coolness“ erklären, die der Anwalt in dem Moment ausstrahlt.
26 Vgl. das Kapitel „Honorarinformationen“ mit weiteren Tipps.
27 Weitere Tipps im Kapitel „In-house Veranstaltungen“.
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1
272 Mandantengespräche
g) Wie läuft das Mandat ab?
Strategische und taktische Fragen sind vielen Mandanten ein Buch mit sieben Siegeln.
Viele Mandanten wissen nicht, was ein Anspruchsschreiben ist und schon gar nicht,
wie lange die Antwort dauern kann. Taktische Schachzüge und ungewohnte Chronologien müssen ebenso erläutert werden wie Pflichten und Rechte vor Gericht
sowie die Parameter außergerichtlicher Verhandlungen. Mandanten, die sich in die
Taktik ihres Anwalts eingebunden fühlen, torpedieren diese Taktik nicht. Erläutert
werden hier auch Notfallpläne, Urlaubszeiten, andere Ansprechpartner, die Funktion
der Assistentin, Prognosen, Klagewege, Zeiträume, typisches Verhalten von Richtern,
Gegnern und Kollegen. Verbunden mit dem nächsten Punkt wird dem Mandanten
mitgeteilt, wie wichtig seine eigene Mitarbeit für die Zielerreichung ist.
1
Tipp
Heften Sie eine einfach geschriebene, gut visualisierte schriftliche Zusammenfassung aller dieser
Themen – in vielen Kanzleien „Mandanteninformation“ genannt – mit Honorarvereinbarung und
Dienstvertrag in einen Aktenordner, der Ihr Kanzleilogo trägt28 und geben Sie dem Mandanten dieses
„Care-Paket“ nach seinem ersten Termin mit nach Hause.
Zur Erläuterung des Mandatsverlaufs gehört auch die Chronologie des Verfahrens:
Eine klare Verabredung zwischen Anwalt und Mandant ist unerlässlich: Wer? Macht
was? Bis wann? In welcher Art und Weise? Und, wie und wann wird gezahlt?
Die Erfahrung zeigt in Kanzleien jeder Größe, dass die Anzahl überflüssiger Stressanrufe in den Kanzleien sofort um 30 % sank, wenn der Mandant die Antworten auf
diese fünf Fragen zweifelsfrei verstanden hatte. Wenn alle Absprachen dann noch
eingehalten werden und dadurch glaubhaft sind, wird der Mandant zu einem großen
Multiplikator der Kanzleileistung.
5
Beispiel
Rhetorische Indizien für unstrukturierte Erstgespräche sind Mandanten-Sätze wie: „Ist in meiner
Sache schon was geschehen?“ Wer das nur einmal von einem Mandanten hört, weiß, dass das Erstgespräch nicht optimal strukturiert war – oder dass der Anwalt seine Versprechen nicht eingehalten
hat. Letzteres ist schlimmer!
h) Hausaufgaben
Hausaufgaben sind ein wichtiges Akquise-Instrument. Sie sorgen subjektiv und
objektiv dafür, dass der Mandant einen eigenen Anteil am Lösen seines Falles
behält. Subjektiv: Er bleibt mit seinem Fall befasst, behält eine Teilverantwortung für
28 Lassen Sie Ihre Assistentin mehrere Kostenvoranschläge einholen. In den Kanzleifarben
bedruckte Aktenordner können Sie günstig bekommen, wenn Sie davon 1000 Stück bestellen.
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II. Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen? 273
das Ergebnis und „kippt ihn nicht vor die Anwaltsfüße“. Objektiv: Der Mandant kann
manche Aufgaben besser als jeder andere erfüllen. Zählen Sie genau auf, welche das
sind: Zeugenlisten, Verträge, Kopien, Telefonate, Korrespondenz, (Gedächtnis-) Protokolle, Gutachten, Arztbesuche, Behördengänge etc. Abhängig von Intelligenz- und
Emotionalisierungsgrad macht es Sinn, ihm eine Aufgabenliste schriftlich zu erstellen.
Hausaufgaben beweisen eine gute Teamkoordination, wenn sie durch die
Assistentin schon am Telefon durchgegeben werden:29 Die ersten Hausaufgaben sind
die im Erstgespräch benötigten Unterlagen. Diese Informationen stärken die Autorität Ihrer Assistentin dem neuen Mandanten gegenüber und sorgen für den Eindruck
hindernisfreien Informationsflusses in der Kanzlei. Die Assistentin kontrolliert
auch den Eingang von versprochenen Mandanten-Unterlagen und mahnt sie bei
Verspätung telefonisch an.
Strukturieren Sie Ihre Anforderungen „Darf ich Sie bitten, drei Unterlagen
zum nächsten Termin mitzubringen (oder vor dem nächsten Termin zu übersenden)?
Nämlich erstens ..., zweitens ... drittens .... Schaffen Sie das alles bis Donnerstag
14.30 Uhr?“30 Bei emotionalisierten Mandanten fertigen Sie selbst eine Hausaufgabenliste in seiner Gegenwart.
i) Sekretärin vorstellen
Dieses Vorgehen ist kostenlos, schnell lernbar, hundertfach erfolgreich in Kanzleien
jeder Größe erprobt31 und dreifach lukrativ:
–– Es reduziert die Anzahl der überflüssigen Stressanrufe in Ihrer Kanzlei („Ist in
meiner Sache schon was passiert?“) sofort um 1/3 und stärkt Verantwortung und
Position der Assistentin erheblich. Krankenstand und Fluktuation der Assistentinnen sinken signifikant und zeitgleich der Telefonstress.
–– Es vermittelt dem Mandanten die Sicherheit, dass Anwalt und Assistentin
gemeinsam für ihn arbeiten. Das erhöht seine innere Ruhe und senkt seine Bereitschaft zu hektischer Telefonitis.
–– Es verschont den Anwalt von organisatorischen Anfragen aller Art und entlastet
seine Zeitbudgets in einem kuriosen Umfang.32
29 Vgl. zur Einbindung der Assistentin in Akquiseaufgaben das Kapitel „Assistentin“.
30 Vgl. zum „Brecht’schen Theater“ das Kapitel „Durchsetzung“.
31 Genaueres im Kapitel „Assistentin“.
32 Siehe zur Vorgehensweise das Kapitel „Assistentin“. Bei Erstbesuchen in der Großkanzlei
werden dem neuen Mandanten auch die Associates vorgestellt, die für ihn arbeiten. Das sorgt für
Transparenz und für Vertrauen auch den unbekannten (und jüngeren!) Kollegen gegenüber; im 
Kapitel „Beauty Contest“ erfahren Sie einiges über den äußerst lukrativen Zusammenhang zwischen
dieser Maßnahme und dem Zeitmanagement der Partner.
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274 Mandantengespräche
3. Tilgen Sie rhetorische Todsünden im Mandantengespräch
Mandantengespräche sind Tummelplätze suboptimaler rhetorischer Inszenierungen,
durch die Akquise kompliziert wird. Acht davon werden in diesem Kapitel beschrieben – und durch Tipps optimiert (gleich testen!):
a) Warum-Fragen
Warum Fragen lösen einen Rechtfertigungsdruck aus: „Warum haben Sie den
Arbeitsvertrag nicht gleich mitgebracht?“ Die Absicht des Fragers im Erstgespräch ist
eindeutig positiv, die Wirkung ebenso eindeutig negativ. Da allein die Wirkung in der
Kommunikation Fakten schafft, nimmt der Frager billigend eine erhebliche Negativpublicity in Kauf: „Dieser Anwalt ist arrogant und überheblich; er machte mir sofort
einen Vorwurf. Geh da bloß nicht hin“.
Warum-Fragen wirken semantisch unpräzise: Der Frager verwechselt häufig
„innere Begründung“ mit „äußerer Art und Weise“: Er fragt: „Warum stört der Geschäftsführer Sie?“ obwohl er „Wodurch stört er Sie genau?“ meint. Die Antwort auf
die Frage, warum er stört, übersteigt vermutlich sogar die psychoanalytischen Kompetenzen des Geschäftsführers selbst.
Warum-Frager wirken denkfaul. Denkfaule Gewohnheitstiere verwechseln die
Erforschung eines Grundes mit der Präsentation eines Vorschlags: „Warum versuchen wir es nicht mal mit einem Telefonat?“
Warum-Fragen verhindern den Blick auf Lösungen: „Warum haben Sie damals
nicht schon die Kontounterlagen kopiert?“ terrorisiert nicht nur wegen der vorwurfsvollen Wirkung auf den Mandanten und der besserwisserischen Positionierung, die
der Frager selbst dadurch vornimmt, sondern auch wegen der im Mandantengespräch
sinnlosen und nicht zielführenden Fokussierung auf die Vergangenheit. Lösungen liegen immer in der Zukunft!
1
Tipp
Ersetzen Sie alle „Warum-Fragen“ durch Fragen mit „Wie?“, „Was?“, „Welche?“ etc.
„Warum haben Sie das gemacht? „Warum kommen Sie zu spät?“ „Warum finden Sie das besser?“ „Warum machen Sie nicht das...?“
„Warum machen Sie X erst jetzt?“ wird zu:
wird zu:
wird zu:
wird zu:
wird zu:
„Welchen Vorteil erhofften Sie sich durch...“
„Wie kam es zu Ihrer Verspätung?“
„Was bevorzugen Sie daran?“
„Welchen Nachteil befürchten Sie wenn...?“
„Was hatte Sie gehindert, das früher zu machen?“
b) Bewerten
Im Volk der Besserwisser breiten sich Wertungen aus wie eine Grippe im Winter. Sachlich betrachtet, werden Lehrer, Ärzte und Rechtsanwälte für Besserwisserei bezahlt.
Sie sind gewöhnlich schon durch ihre Ausbildungen mit einem alltagstauglichen und
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II. Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen? 275
(denken Sie an Anwälte bei der Aktenlektüre!) manchmal auch für Mandanten förderlichen „Ja/Nein“, „Entweder/Oder“ und „Schwarz-Weiß“-System ausgestattet.
Die Wirkung einer Bewertung auf Gesprächspartner jedoch ist von Förderung
weit entfernt: Menschen, die bewerten, wirken wie Richter über andere. Ihr Denken,
Fühlen und Wissen wird als übergeordnet wahrgenommen.
Bewerter enttarnen sich durch bestimmte Formulierungen: „Das ist typisch.“
„Stimmt genau.“ „Das ist doch völlig abwegig.“ „Das war vermeidbar!“ „Das war ja
absehbar.“ „Das sehen Sie falsch.“ „Da täuschen Sie sich.“
Bewertungen transportieren den Subtext: „Ich durchschaue das. Ich habe Recht.
Du durchschaust das nicht. Du hast Unrecht.“ Mandanten mögen diese Zurechtweisung auf der Sachebene sogar brauchen; auf der Ebene der Beziehung löst sie jedoch
Vertrauensverluste aus.
Tipp
Ersetzen Sie alle Bewertungen durch „Ich-Botschaften“33 oder Perspektivwechsel.34
„Das stimmt nicht.“
„Das ist nicht akzeptabel.“
„Das machen Sie gut.“
„Du drückst das unklar aus.“
„Sie haben nicht zugehört.“
„Das war ja absehbar.“
wird zu:
wird zu:
wird zu:
wird zu:
wird zu:
wird zu:
„Rechtlich kriegen wir damit ein Problem.“
„Ich habe noch ein Problem mit....“
„Durch Ihren zweifachen Einsatz gestern konnten wir....“
„Ich habe es nicht ganz verstanden.“
„Ich habe es unklar ausgedrückt.“
„Ich bin erstaunt, dass er das zuließ.“
„Das geht nicht.“
wird zu:
„Der Richter (Perspektivwechsel) wird in diesem Fall auf
...hinweisen, so dass wir...“
„Da täuschen Sie sich.“
wird zu:
“Das wir der Staatsanwalt (Perspektivwechsel) nicht
mitmachen. Er wird verweisen auf...“
c) Juristensprache
Fachsprachen sind nur für Fachsprachler interessant. Für sie erleichtert es den
inhaltlichen Umgang mit der Materie und hilft Zeit zu sparen. Für alle anderen Menschen sind Fachsprachen unverständliches, verunsicherndes Kauderwelsch. Doch
damit ist bei weitem nicht nur der Gebrauch von Fremdwörtern gemeint. Wenn Sie
beispielsweise im Mandantengespräch das Wort „Rechtsfolgenvereinbarung“ oder
„Schuldanerkenntnis“ sagen, wissen Sie selbst, dass Sie das erklären sollten. Sie
haben hoffentlich vor Jahren schon die Hoffnung begraben, durch den Gebrauch von
Fachtermini als „Fachfrau“ oder „Fachmann“ klassifiziert zu werden.
33 „Ich-Botschaft“: Ich nehme alle möglichen Schwierigkeiten auf meine Kappe. Vorwürfe, besonders versehentliche, werden dadurch getilgt.
34 „Perspektivwechsel“: Ich pariere Einwände und Wertungen aus der Perspektive anderer und vermeide so Vorwürfe und Gegenattacken.
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1
276 Mandantengespräche
Michael Schmuck35 seziert und optimiert seit Jahren die Juristensprache.
Seine Beispiele sind legendär: „Der Angeklagte hat das Opfer während der Verhandlung beleidigt“ wird in Juristensprache zu „Es ist eine nicht unwesentliche Tatsache für
den Ablauf des Prozesses, dass der Angeklagte im Rahmen seiner Einlassung unflätige,
nicht der Ehre förderliche Äußerungen im Laufe der Verhandlung gegenüber dem Opfer
geäußert hat.“36 Schmuck macht drei Hauptgründe für anwaltstypische Sprachverrenkungen aus und enttarnt sie alle als Ausreden. Anwälte
–– haben es nicht anders gelernt; „Die Professoren reden auch so.“
–– dokumentieren ihren gehobenen sozialen Status: „Alles andere klingt flach.“
–– decken jede Eventualität ab: „Dem Gegner will ich keine Lücke lassen.“
Wenn Anwälte sagen: „Grundsätzlich wäre es nicht unangemessen, von einem zusätzlichen, zeitnah zu realisierenden Sicherungsbedarf auszugehen“ benutzen sie
keine Fachwörter sondern einige typische Bestandteile der Juristensprache: doppelte
Verneinungen (wie etwa „nicht unerheblicher Schaden“), Aufzählungen, Einschränkungen, eine Anhäufung modaler Hilfsverben sowie die Inflation des Konjunktiv, das
Wort „man“, das Passiv, anstrengende erweiterte Infinitive mit „zu“, mindestens zwei
Nebensätze und drei Einschübe pro Satz sowie das lange und manchmal vergeblich
erwartete Verb am Satzende...
Schon das Wort „grundsätzlich“ birgt Hindernisse: Für den Nicht-Juristen bedeutet es den Ausschluss von Ausnahmen, für den Juristen bedeutet es deren Ankündigung: „Grundsätzlich gibt es da zwei Möglichkeiten“ sagt der Anwalt und erwähnt
kurz darauf die dritte! Nichtjuristische Mandanten müssen an der Konzentrationsfähigkeit ihres Anwalts zweifeln: „Sie sagten doch eben, es gäbe nur zwei Möglichkeiten?“ Diese Frage versteht wiederum der Anwalt nicht...
„Reden wie gedruckt“ ist – wenn man die bekannten Druckerzeugnisse juristischer Fachliteratur zugrunde legt – im Mandantengespräch eher eine bedrohliche
Tugend.
1
Tipp
Vereinfachen Sie sprachlich Ihr Wissen!
Bewegen Sie sich im Sprachhorizont Ihrer Kunden. Kürzen Sie Ihre Sätze. Bringen Sie Hauptsachen in
Hauptsätze. Vermeiden Sie Nebensätze. Vermeiden Sie Floskeln. Sprechen Sie im Aktiv. Nutzen Sie
aktive Verben statt Hilfsverben.
35 Michael Schmuck, Berliner Rechtsanwalt, Journalist, Dozent und Autor.
36 Schmuck, „Kanzleistil stört die Kommunikation – Wenn Juristen sich unverständlich ausdrücken,
leidet ihr Unternehmen“, Financial Times Deutschland v. 22.4.2005, unter: www.michaelschmuck.de.
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II. Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen? 277
d) Lobeshymnen
In einem „kleinen Brevier für Mitarbeiterführung“ haben Sie gelesen, dass es ohne
Lob nicht geht. Von Reduktion des Krankenstandes und sinkender Fluktuation durch
gestiegene Arbeitsmotivation ist dort die Rede gewesen. Von der grandiosen Wirkung
eines Lobes in der Kindererziehung und im Kundenkontakt sind Sie ohnehin seit
Jahren überzeugt. Also loben Sie. Sie loben alles und jeden. Sie sind ein Lober geworden. Sie loben natürlich auch Erstmandanten.
Allerdings sind Sie manchmal erstaunt, dass das Lob nicht ganz so gut ankommt
wie es dort beschrieben stand. Einem neuen Mandanten, Personalleiter in einer
Papierfabrik, hatten Sie gesagt: „Das ist ja schon mal sehr gut, dass Sie das mit Ihren
Mitarbeitern vorbesprochen haben.“ Er wurde ärgerlich und antwortete kühl wie ein
Brotmesser: „Dafür, Herr Rechtsanwalt, werde ich schließlich bezahlt.“ Sie hatten
nicht bedacht, dass Lob immer dann als „Schleimerei“ ankommt, wenn es das Nachrichtensystem des anderen verfehlt oder wenn es, wie hier, eine Selbstverständlichkeit37 betrifft.
Lob und Kritik sind immer Wertungen. Kritiker und Lober vergleichen Verhaltensweisen ihrer Gesprächspartner mit ihren eigenen Erwartungen. Lob und Kritik
sagen daher oft mehr über den Sprecher aus als über den Angesprochenen.
Tipp
Ein Lob wirkt nicht „schleimig“, wenn Sie es verbinden mit dem Vorteil, den Sie selbst durch das
Verhalten haben. Im vorliegenden Fall hätte folgende Ergänzung genügt: „Das ist ja schon mal sehr
gut, dass Sie das mit Ihren Mitarbeitern vorbesprochen haben; dann können wir X nämlich vorziehen,
und wir sparen viel Zeit.“
Anwälte loben auch ihre Mitarbeiter generell viel zu wenig! Auch Selbstverständlichkeiten sollten Sie lobend erwähnen, sofern Sie das jedes Mal mit Ihrem persönlichen Vorteil verbinden. Eine Kritik wirkt nicht aggressiv oder dümmlich, wenn Sie
sie verbinden mit einem Nachteil, den Sie selbst durch das kritisierte Verhalten
haben. Kritisieren und loben Sie zeitnah und konkret immer nur ein einziges Verhalten (dafür öfter!), und verwenden Sie Ich-Botschaften:
–– „Mich hat gefreut, dass Sie... dadurch konnte ich nämlich wieder...“
–– „Mich hat geärgert, dass Sie... dadurch kam ich erneut in Zeitverzug...“)
37 „Toll, dass Du rechts vor links beachtet hast“, ist für Inhaber deutscher Führerscheine eher eine
ätzende Satire als ein Lob. Dasselbe Phänomen macht das Applaudieren nach der Landung eines
Flugzeugs zu einer Attacke gegen den Piloten (es sei denn, der Pilot rettete allen Passagieren das
Leben, indem er das Flugzeug sicher auf dem Hudson River zu Wasser brachte). Diese Art von 
Applaus thematisiert einen möglichen Misserfolg!
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1
278 Mandantengespräche
e) Störungen von außen
Sie sind als viel beschäftigter Anwalt permanent erreichbar, potenziell unersetzlich,
pausenlos einsatzbereit. Dieses selbst geschaffene Credo wird auch durch Mandantengespräche nicht angetastet. Gerade befinden Sie sich in der 17. Minute eines Erstgesprächs mit einem Mandanten, als das Telefon klingelt. „Karin“, sagen Sie mit
kunstvoll gestresstem Blick auf den verwunderten Mandanten, „sorgen Sie auf jeden
Fall dafür, dass der Schriftsatz noch rausgeht. Sagen Sie ihm, dass ich gleich zurückrufe. Und denken Sie an Harkort gegen Meißner, ok?“
Der Mandant hatte bis dahin angenommen, dass seine Sache, durchaus auch
wegen des hohen Gegenstandswertes, einen störungsfreien Ablauf rechtfertigen
würde. Als höflicher Mensch zeigt er sein Entsetzen – auch über Ihren recht eigenwilligen Umgang mit der Schweigepflicht – nicht sofort. Erst als Ihre Sekretärin
vier Minuten später mit der Unterschriftenmappe ins Büro kommt und sagt: „Sie
müssen noch unterschreiben – ich wollte gleich Feierabend machen“ sowie nach
einem langen Hin und Her mit ihr über Fristen und Zeiten, steht der Mandant auf und
sagt: „Wie viel bin ich bis jetzt schuldig?“ Sie wissen natürlich nicht sofort, was er
meint, bis er Ihnen sagt: „Sie haben 500 Rechtsfälle zeitgleich. Ich nur einen. Wenn
ich jemanden engagiere, tue ich das, damit er für mich da ist. Nicht ich für ihn.“ Er
steht auf, bedankt sich für Ihre Mühen, geht zur Tür und sagt: „Falls bis jetzt Kosten
angefallen sind, schreiben Sie mir bitte eine Rechnung.“
1
Tipp
Alle Kundenkontakte verlaufen in der Kanzlei ungestört! Sie holen noch an demselben Abend den
Mandanten zurück, stellen in der kommenden Woche alle Abläufe in Ihrer Kanzlei um und beseitigen weitere äußere Störungen: Qualmbuden, fehlende Parkplätze, servicefeindliche Sekretärinnen in
Birkenstock-Sandalen, vertrocknete Pflanzen, Essensgerüche, alte Zeitungen, weiße Socken an Ihren
Füßen, verstaubte Aktenberge, sichtbare kurzärmelige Karohemden, vermüllte Treppenhäuser, räumliche Enge etc.
f) Tautologien
Anwälte neigen zur Verstärkung des Gesagten durch das bereits Gesagte.
Dabei führt die Verdoppelung des Inhalts so gut wie immer zur Halbierung seines
Gehaltes. Tautologien sind krisenumwehte rhetorische Figuren und bedrohen durch
ihre Nutzlosigkeit Schriftsätze und sogar Sprachsätze. Sie wirken unsicher, unprofessionell und eitel.
Tautologen enttarnen sich durch Redewendungen wie „ein und dasselbe“,
„voll und ganz“, “Hilfe und Beistand“, „Wir werden das erwägen und bedenken.“
„Sie haben das beschworen und beeidigt“, und der hilflos wirkende Pleonasmus ist
auch nicht weit davon entfernt: „wie wir bereits schon ausgeführt hatten,…“ und „ich
muss Ihnen leider zu meinem Bedauern mitteilen, dass wir verloren haben...“, „diese
beiden Aussagen schließen sich einander gegenseitig aus.“
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II. Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen? 279
Tipp
Wichtiges braucht wenig Worte. Sprechen Sie KKP: Kurz, konkret, präzise!
1
g) Unterbrechen
Gerade hatte der neue Mandant begonnen, sein Problem darzulegen. Er hatte tief Luft
geholt und mit dem Satz begonnen: „Also, meine Tante aus Karlsruhe hat vor dreizehn
Monaten einen Mann kennen gelernt. Er ist Besitzer einer eigentlich gut gehenden
Autowerkstatt, und ihr Auto...“ und hätte gewiss keinen Umweg gescheut, Ihnen eine
Geschichte zu erläutern, die sich mit etwas Glück demnächst als Fall entpuppt hätte.
Doch dazu kommt er gar nicht. „Also worum geht es nun?“ unterbrechen Sie.
(„Warum-kompliziert-wenn-es-auch-einfach-geht“ ist Ihre Grundüberzeugung!) „Geht
es nun um einen Kaufvertrag für einen Gebrauchtwagen, um einen Gewährleistungsanspruch oder hatte sie einen Unfall?“
„Wie bitte?“ fragt der Mandant. Er reagiert – statistisch ist er damit voll im Trend
– allergisch auf Fachsprachen, geschlossene Fragen und Unterbrechungen. „Nun
warten Sie doch. Sind Sie immer so ungeduldig? Also, Sie hat ihn vom Fleck weg
geheiratet und will sich jetzt wieder scheiden lassen. Dazu braucht sie einen Anwalt,
denn sie ist in seine Firma mit eingestiegen und hat eine Einlage von € 200.000,–
gemacht. Kriegt sie das Geld nun zurück?“
Zwei Tragödien treffen hier zusammen: der Anwalt ist dem Mandanten ins Wort
gefallen. Das ist neben einem Verstoß gegen die allersimpelsten Höflichkeitsregeln auch noch ein Verstoß gegen simpelste Regeln des Unternehmertums: er
bringt sich ohne jede Not (!) um ein äußerst einträgliches Mandat.
Anwälte unterbrechen Mandanten nicht aus Unhöflichkeit, oder weil sie sich
entschieden haben, nur noch ich-resistente Klientel zu bedienen, sondern weil sie
zutiefst überzeugt sind, zu wissen, „um was es geht“ und welcher direkte Weg zur
rechtlichen Problematik sinnreich ist. Sie verbauen sich dadurch nicht nur Akquisemöglichkeiten sondern auch gute Honorare!
Tipp
Lassen Sie ihm seine Umwege; Umwege stärken die Ortskenntnis! Staunen Sie über seine Welt. Seien
Sie neugierig und nicht nur gierig. Die untauglichen Teile seines Vortrags benutzen Sie beim nächsten
Mal als Small Talk – er wird Ihnen aus der Hand fressen und von Ihnen schwärmen. Unterbrechungen
wird er tolerieren, sobald er Ihnen traut.
h) Dozieren
Eine typische Falle für den Inhaber von Sachinformationen! Kaum ein Gesprächsverhalten wirkt so inkompetent und bevormundend wie dieses zumeist unverlangte
Absondern großer Quantitäten von sachlich richtigen und unterschiedlich wichtigen
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1
280 Mandantengespräche
Analysen, gespickt mit Beispielen aus dem Rechtsalltag, vergoren mit Fachausdrücken und getragen von dem Wunsch, nur ja keine Eventualität zu vergessen, das alles
vorgetragen ohne Punkt und Komma und in partieller Hyperventilation.
Rechtsanwälte reden manchmal so lange auf den Mandanten ein, bis sie ihrer
Ansicht nach alles gesagt haben (das heißt meistens, alles rechtlich Relevante) und
wundern sich dann, dass der Mandant zuhause nervös wird, die Sekretärin dreimal
am Tag mit seinen Anrufen nervt, um zu fragen, ob „der Schriftsatz schon raus ist.“
Ihren möglichen eigenen Hang zum Dozieren erkennen Sie am häufigen Gebrauch des modalen Hilfsverbs „müssen“ in allen Schattierungen sowie am häufigen Gebrauch von sogenannten Absolutheitswörtern wie „alle“, „nie“, „keiner“,
„immer“, „absolut“, „ausnahmslos“, „vollständig“ etc. Beachten Sie auch anwaltstypische, als Erläuterung getarnte Bevormundungen: „Sind Sie sich darüber im
klaren, dass...?“ oder: „Die Tatsachen sprechen dafür, dass...“ oder: „Lassen Sie mich
nun die Fakten darlegen, um die es hier geht.“ oder: „Die Erfahrung sagt uns,...“
(„uns“ ist Assistenzarztdeutsch!)
1
Tipp
Zu Beginn des Erstgesprächs haben Sie nur 10 % Sprechanteil. Probieren Sie die Technik der offenen
Frage38 aus, um das zu schaffen. Beherzigen Sie eine wichtige rhetorische Regel für Durchsetzung und
allseitiges Wohlbefinden: „Wenn du was von jemandem willst, dann lass ihn reden!“
4. Nutzen Sie die Wahrnehmungssysteme Ihrer Mandanten
Dieses Kapitel versetzt den Leser in die Lage, seine eigenen Wahrnehmungspräferenzen zu erkennen, dadurch die der Mandanten besser zu verstehen, zu bedienen
– und schließlich für die Akquise zu nutzen.
Manche Mandanten sind „schwierig“. Sie „hören nicht zu und machen sich die
ganze Zeit Notizen und wollen mitlesen, was ich gerade schreibe, statt den Fall zu
besprechen“, andere „zappeln herum, nesteln an der Kleidung, springen vom Stuhl
auf, verlangen wegen jeder Kleinigkeit ein Treffen, trommeln mit den Fingern auf den
Tisch, sind unruhig und fahrig“ oder „schreiben gar nichts mit, wollen nicht mal den
Vertrag sehen sondern möchten die kritischen Punkte vorgelesen kriegen und am
liebsten alles am Telefon besprechen.“39
38 Die offene Frage beginnt mit Fragewörtern (wer, was, welcher, wessen, wann, wohin, wozu, wodurch oder wo), sorgt für eine ausführliche Antwort und so für eine schnelle Sachverhaltsermittlung
und für viel Raum für den Befragten. In Akquisesituationen sichert diese Frage Redeanteile zugunsten des Kunden und festigt die Führung des Fragers; vgl. zum taktischen Einsatz der offenen Frage
in Akquisegesprächen das Kapitel „Durchsetzung“.
39 Wörtliche anwaltliche Antworten auf die Frage: „Wodurch sind Mandanten für Sie schwierig?“
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II. Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen? 281
Was hier als Schwierigkeit beschrieben wird, ist möglicherweise die Auswirkung
eines Wahrnehmungssystems, das dem des Anwalts widerspricht.
a) Wie das Gehirn unsere Wahrnehmung filtert
Kein gesunder Mensch40 nimmt 100 % dessen, was um ihn herum passiert, gleichrangig auf. Täten wir das, würde unser Gehirn platzen. Im Gehirn gibt es deshalb verschiedene Filter, die sämtliche Eindrücke sortieren und das Gehirn vor Reizüberflutung „retten“. Dabei verwendet jeder unterschiedliche Filter – oft mit denkwürdigen
Folgen im Alltag: Menschen, die mehrere Stunden in objektiv derselben Umgebung
verbracht haben, haben selbst hinterher den Eindruck, sie seien nicht in demselben
Raum gewesen.41
Zu den machtvollsten Filterinstrumenten gehören die Sinneskanäle. Durch
Sehen, Hören Fühlen, Riechen und Schmecken nehmen Menschen ihre Umgebung
wahr. Dabei richtet jeder seine höchst individuelle Rangfolge bei der Verarbeitung
von Eindrücken ein. Wenn bei einem Menschen einer der Sinne die anderen deutlich
dominiert, spricht man von einem „Wahrnehmungstyp“.
Drei Wahrnehmungstypen42 sind unterscheidbar:
–– Der Visuelle – nimmt die Welt hauptsächlich durch Sehen wahr.
–– Der Auditive – nimmt die Welt hauptsächlich durch Hören wahr.
–– Der Kinästhet43 – nimmt die Welt hauptsächlich durch Fühlen wahr.
Wenn diese drei Typen gemeinsam einen alten Tatort schauen, kann hinterher folgenden Dialog entstehen: „Cool, hast du die alten 70er-Jahre Telefone gesehen? In
orange!“ „Telefone? Ich habe kein Telefon gesehen. Aber die Stimme von Hans Jörg
Felmy! Oh Mann! Göttlich!“ „Ja, dieser Typ hat ein richtiges Gespür für den Täter. Der
versetzt sich in ihn hinein und folgt einfach seiner Intuition.“
40 Das ADS-Syndrom („Hyperaktivität“), wird verursacht durch eine unzureichende Filterung von
Reizen, da zwei dafür notwendige Botenstoffe fehlen. Alle Reize sind dadurch sozusagen gleich
stark. Auch Autismus ist, laienhaft ausgedrückt, ein Ausdruck unzureichender Reizverarbeitung
und Filterung. Vgl. die Spiegelneuronen-Forschungen von Vilayanur Ramachandran, „Nicht-Autisten
schützt ein ausgeklügeltes Filtersystem im Gehirn vor Reizüberflutung“, unter http://www.planetwissen.de/natur_technik/forschungszweige/hirnforschung/autismus.jsp.
41 Befragung von 20 Anwälten nach einem Seminar: Nach sieben Stunden in demselben Seminarraum gaben zwei der anschließend außerhalb des Raums befragten Seminarteilnehmer an, das
(objektiv permanent vorhandene!) Geräusch des Beamers an der Decke wahr genommen zu haben,
vier von ihnen wussten sicher, welche Farbe der Teppich des Raums hatte (auf den alle Personen
stundenlang geschaut hatten) und drei konnten sicher beschreiben, wie sich die Armlehnen anfühlten, die sie alle stundenlang berührt hatten.
42 Vgl. z. B. Mohl, S. 38.
43 „Kinästhetik“ – abgeleitet aus den griechischen Wörtern kineō „bewegen, sich bewegen“ und
aisthēsis „Wahrnehmung, Erfahrung“.
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282 Mandantengespräche
Keiner der drei Tatort-Fans wird den Eindruck haben, von den anderen beiden
verstanden zu werden. Sie „reden aneinander vorbei“: Der eine erinnert sich hauptsächlich an Gesehenes, der zweite an Gehörtes, der dritte an Gefühltes. Das sorgt im
Alltag – übrigens auch im privaten Alltag – stets für Verwirrung und oft sogar für
Streit.
b) Wie Wahrnehmungssysteme erkennbar sind
Wahrnehmungspräferenzen beim Mandanten zu erkennen und danach vor allem
zu bedienen, ist neben der eigenen fachlichen und rhetorischen Kompetenz eine effiziente Voraussetzung für gelungene Akquisitionen. Wer das Wahrnehmungssystem eines Interessenten bedient, kann in Sekundenschnelle Kontakt zu wildfremden
Menschen herstellen – und diesen Kontakt zum Nutzen beider langfristig vertiefen.
Manche Menschen zeigen ihr dominantes Wahrnehmungssystem sehr deutlich,
bei anderen muss man genauer „hinschauen“, „hinhören“ oder „sich einfühlen“.44
Geschickte Akquisiteure verwenden also in Akquisegesprächen – vereinfacht
gesagt – nicht ihr eigenes System, sondern beobachten und nutzen („matchen“) das
Ihres Gesprächspartners.
1
Tipp
Behandle alle Menschen gleich, nämlich jeden völlig unterschiedlich: So, wie er es braucht!
Die folgende Tabelle stellt die Auswirkungen der drei Wahrnehmungssysteme in
vielen Alltagssituationen vor. Präferenzen in Sachen Raumgestaltung, Arbeitstechniken und Verhandlungsverhalten folgen der eigenen Wahrnehmungspräferenz.
Ermitteln Sie, zu welchem Typus Sie sich selbst am ehesten zählen und ermitteln
Sie, welche typischen Verhaltensweisen anderer Ihnen am meisten Schwierigkeiten bereiten. Sie werden erstaunt registrieren, wie viele Antipathien, Streits und
Missverständnisse allein auf unterschiedlichen Wahrnehmungssystemen und
ihren Konsequenzen basieren:
44 Die Inhaber der jeweiligen Systeme verwenden auch die zum System passenden Sprachen.
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II. Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen? Der Visuelle:
Räume:
Wenig Gegenstände im Raum, kein
sichtbares Chaos. Wenig Farben,
jedoch Farb-Akzente. Gardinen
weg, passen­des Licht zu jedem
An­lass, sichtbare Ordnung auf dem
Schreibtisch und in der Wohnung.
Fleckenfreie Glasflächen, kaum
Asymmetrisches.
Tür auf, „dann sieht es groß- 
zügiger aus“, Tür zu, dann „muss
ich das Chaos nicht sehen“.
Kunstwerke sind immer zum
Anschauen, oft in Vitrine, fast
immer zweidimensional. Wenig
Bil­der, aber immer gut ausgeleuchtet.
Störung durch zu viele oder
„unpassende“ Far­ben, durch zu
dunkle oder zu helle Situationen,
Asymmetrien.
Arbeitstechniken:
Abhängigkeit von Visua­lisierungen, malt beim Telefonieren,
symboli­siert Zusammenhänge,
liebt Skizzen, hat lieber 
Korrespondenz als Tele­fonat.
Schweift ab bei langem Zuhören.
Lernt durch Sehen, merkt sich
Gese­henes. Produziert Stress
und Ruhe durch Bilder. Hoher
Organisationsgrad durch Listen.
Hat Gefühl der Befriedigung beim
"Abhaken" erledig­ter Arbeiten.
Der Auditive:
283
Der Kinästhet:
Schreibtisch raumgrei­fend
platziert, Schreib­tischstuhl ist
bequem und vor allem beweglich.
Möbel und Bilder haben ideellen Erinnerungs­wert, sind nach
persönli­chem Bezug ausge­sucht.
Türen offen, Raum wird oft verTür auf, dann „kann ich mithören“, lassen. Gehen beim Arbeiten.
Tür auf, sonst „fühle ich mich 
Tür zu, dann „höre ich die nicht
eingeengt“, Tür zu, sonst „ist es 
mehr“.
mir zu weit­läufig“.
Kunstgegenstände sind gemalte
Ruhiges Büro, Dreifachverglasung
gegen Straßenlärm, keine Dielen
knarren, keine Hin­tergrundmusik,
schalldichter Telefonempfang, 
kein Rascheln, Knistern, Husten,
keine unge­wöhnlichen Töne. 
Auf keinen Fall laute Klimaanlage.
oder photographierte Worte,
Klanginstallationen, Klang- 
mosaik.
Störung durch laute Lüf­tung,
Klimaanlagen, Computer,
Wassertrop­fen, Schlüsselbunde,
Tü­renklappern, hohe Stim­men.
Abhängigkeit von „ange­
nehmen“ Stimmen, Ge­räuschen,
„interessan­ten“ Zitaten, Sprüchen.
Leises oder lautes Mit­sprechen,
um sich etwas zu merken.
Auslösen und Ent­wickeln von
„auditiven Ankern“ bei sich und
an­deren. Wiederholen von 
Zentralwörtern. Liebt Rhetorik,
Wortspiele und Reime. Schätzt
Ver­handlungen am Telefon, kann
unbegrenzt kon­zentriert zuhören,
Hat immer Textmarker und ordent- sich Witze merken und hinreißend
liche Unterlagen dabei, geht Punkt erzählen.
Schätzt Telefone mit Raummikrofür Punkt vor, hat sicht­bare Zeitpläne an der Wand und räumt weg, fon und Kopfhörer, sprechende
Computer, Spracherken­
was nicht sofort zu ma­chen ist.
nungssysteme, liebt Ar­beit mit
Hörbare Befehle im Navi ausDiktiergeräten und tägliche
geschaltet.
Bespre­chungen mit Sekretärin
Visuelle lesen und verstehen
sowie „Vorlesen lassen“ der 
Gebrauchsanlei­tungen, Schreibt
wichtigsten Termine.
und braucht Bestätigungs-EMails, Brainstorming am liebsten Auditive hassen Terminplaner
und Gebrauchs­anleitungen und
durch Mindmap. Lob kommt an
brau­chen Erläuterungen durch
durch Geschriebenes, Lesbares,
Sprechen.
Sichtbares
Kunstgegenstände drei­
dimensional, zum Anfas­sen,
Skulpturen, Stoff, Reliefs, Figuren,
fließendes Wasser
Störungen durch zu we­nig
Menschen, zu viel Technik, zu viel
Organi­sation, zu wenig Möglichkeiten zum Träumen und Bewegen.
Hohe Aufmerksamkeit auf Bewegungen, Ge­fühle, „Intuition“, 
Kon­takt, Befindlichkeiten.
Lernt durch Aktionen, Ausprobieren, selber machen. Schätzt Team­
arbeit und gemeinsames Erarbeiten
von Lösun­gen.
Entwickelt Kreativtät und Konzentration durch Be­wegung. Braucht
bewegliche Schreibtischstühle,
Telefone ohne Schnur (geht beim
Telefonieren!) und Stehpulte 
(steht beim Denken!).
Trägt selber seine erledigten Akten
ins Sekretariat.
Hasst Gebrauchsanlei­tungen,
fördert und for­dert Aktivitäten von
an­deren. Gibt Feedback durch
Bewegung: springt auf, hüpft vor
Freude, haut auf den Tisch, rennt
herum, erlebt schnelle somatische
Reaktionen auf Stress (Herzrasen,
„Kloß im Hals“, „Durch­atmen“
fehlt), „erspürt“ Stimmungen 
lange vor dem ersten Wort.
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284 Mandantengespräche
Verhandlungen:
Hält Augenkontakt und braucht
das auch von anderen für das
Gefühl "Der hört zu", hat eine
hohe bewusste und un­bewusste
Aufmerksam­keit auf Körpersprache, Gesten, Mimik. Schätzt und
bietet großzügig be­bildert Texte,
Kataloge, wenig auf einer Seite.
Schreibt mit – oft in Mindmap
Form – und ist irritiert, wenn
andere nichts mitschreiben
("nimmt der das nicht ernst?")
Wartet, bis je­mand etwas aufschreibt, erst dann "wird es ernst".
Hat immer perfekte Folien dabei
und Unterlagen in geordneten
Ordnern. Hält symmetrische
Ordnung vor sich auf dem Tisch.
Störung durch unterbrochene
Blickkontakte, zu viel Bewegung,
durch chaotische Umgebungen
und zu wenig visuelle Protokolle
(E-Mails).
Spricht pointiert und arti­kuliert
sauber. Jedes Wort zählt. Kurze,
durch­dachte Sätze. Verbalisiert
alle Befindlichkei­ten, Bedenken,
Ideen und Ziele ohne Zeitver­
zögerung und präzise, merkt sich
alles Gehörte. Gibt Gespräche
Wort für Wort wieder. Bespricht
alles sofort, entwickelt Gedanken,
Lösungen und Ideen beim 
Spre­chen. Setzt Fragen als Motivationsmittel ein. Sprechen darf
nur einer, keiner redet dazwischen. Alles nur einmal sagen. 
Das Gesagte ist Gesetz. Mündliche Verträge, Zu­sagen, Absprachen gel­ten. Nur manche Dialek­te
sind erträglich.
Störungen durch schrille Stimmen,
Durcheinan­derreden, Füllwörter,
grammatische Fehler, Kugelschreiber-Klackern, unvollendete Sätze,
fehlende sprachliche Präzision.
Ist abhängig von guter „Atmosphäre“, gutem „Kontakt“ zu Mitarbeitern und Verhandlungspartnern.
Verhandlungen durch persönliche
Ge­spräche, bitte nicht am Telefon.
Spürt schnell, wenn etwas nicht
stimmt und kann nicht alles ver­
balisieren. Setzt Körper­kontakt zu
anderen ein, fasst Fremde beim
Spre­chen an und der Hände­
druck ist wichtig. Sitzt unruhig bei
längerem Zuhören, bewegt beim
Sprechen Kopf und Hände und trifft
Ent­scheidungen aus dem Bauch.
Lässt sich von Sympathie und
Antipathie leiten und richtet danach
sein Verhalten ein.
Störungen durch Konflik­te, zu viele
Worte und zu wenig Bewegung,
durch ungemütliche Sitzgele­
genheiten, schlechte Stimmung
und eigene Gefühle
c) Wie Wahrnehmungssysteme in Mandantengesprächen nutzbar sind
In Mandantengesprächen lohnt sich die Aufmerksamkeit auf Wahrnehmungssysteme
sehr. Trainierte Anwälte optimieren ihre Akquise dadurch leicht und nachhaltig.
Lesen Sie nun über die unterschiedlichen Mandantentypen und versuchen Sie,
Ihre derzeitigen Mandanten zuzuordnen. Probieren Sie beim nächsten Treffen mit
ihnen die Punkte unter „Sie begeistern ihn durch“ der Reihe nach aus.
Der visuelle Mandant:
Der auditive Mandant:
Der kinästhetische Mandant:
Der Fall:
Dominant visuelle Mandanten
„sehen“ die Beteiligten an ihrem
Rechtsstreit immer vor sich.
Sie berichten von ihrem Fall in
Bildern erinnern sich an Bilder.
Sie berichten vom Geschehen
immer über die visuelle Erinnerung: „Ich sehe das noch genau
vor mir“ oder: „Ein einziger Blick
in die Bücher zeigte mir...“ oder:
„Ich konnte ihm schon ansehen,
dass...“
Dominant auditive Mandanten
zitieren Beteiligte wörtlich
während der Schilderung ihres
Falles: „Dann sagte er: Ich will
das so nicht mehr – und ging
einfach weg.“ Sie erinnern
sich präzise an Gesagtes und
entwickeln Glücksgefühle, wenn
wörtliche Zitate auch beim
Anwalt vorkommen. Sie formu- 
lieren gern anwaltliche Schriftsätze vor.
Dominant kinästhetische
Mandanten erleben ihren Fall als
„Ungerechtigkeit“. Während der
Schilderung des Falles dominiert das Gefühl, das aus dem
Problem resultiert, nicht das
Problem selbst. Sie wollen „vor
das höchste Gericht“. Sie wollen
„Gerechtigkeit um jeden Preis
durchsetzen“ und empfinden
ihren Anwalt als Retter, als Helfer
oder als Freund.
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II. Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen? Körpersprache:
Sie halten den Blickkontakt und
sind verwirrt, wenn der Anwalt
das nicht auch so macht. Sie
wollen immer gegenüber sitzen,
um alles zu sehen und unterstützen Gesprochenes durch
zeitgleich sichtbar gemachte
Skizzen, Textzeilen oder Protokolle. Sie malen und markern
beim Sprechen, symbolisieren ihren eigenen Fall durch
Zeichnungen, sie merken sich
Gesehenes und wollen immer
unterstreichen. Sie wollen Listen
sehen und haben ein Gefühl der
Befriedigung beim "Abhaken"
erledigter Arbeiten. Sie bitten
um E-Mails, falls sie etwas erledigen müssen.
Vertrauen:
Vertrauen entsteht bei ihnen
durch Visualisierungen aller Art:
Hausaufgaben-Listen, ProtokollE-Mails, transportable Kopien,
gut designte Briefköpfe, vorgelochte Anwaltspost.
Sie „leihen ihrem Anwalt ihr 
Ohr“ und schauen dabei zur
Seite; sie wollen jedes Wort
hören. Sie sprechen leise mit
und wiederholen laut wichtige
Worte, um sie sich zu merken.
Falls sie überhaupt mitschreiben,
tun sie das scheinbar willkürlich
und ohne Zwischenüberschriften. Wenn sie sich sehr konzentrieren, fallen in eine äußere
Starre und bewegen sich nicht
mehr. Sie sprechen wichtige
Notizen und Hausaufgaben in 
ihr iPhone und möchten angerufen werden, falls sie etwas
erledigen müssen.
Sie neigen zur Betonung von
körperlicher Aktivität und haben
eine lebhafte Gestik und Mimik.
Sie kommen mit ihrem Stuhl auf
die Anwaltsseite des Schreibtisches, wenn es was zu lesen
gibt. Sie bewegen beim Sprechen Kopf und Füße, rutschen
auf dem Stuhl hin und her, 
klackern mit Kugelschreiber,
spielen mit Büroklammern und
blättern geräuschvoll in den
Akten. Sie schütteln bei der
Begrüßung lange die Hand und
greifen an den Arm des anderen.
Sie schließen Geschäfte gern
beim Lunch oder in anderer
Gemeinschaft.
Vertrauen entsteht dadurch,
dass ihr Anwalt alle seine Sätze
beendet, kurz hält, nicht wiederholt und vor Ort in das Diktiergerät spricht.
Vertrauen entsteht durch das
„Wir-Gegen-Den-Rest-Der-Welt“
– Gefühl. Kinästheten wollen
durch ihren Anwaltbesuch das
Gefühl von Entlastung, Aufgehobenheit und das Gefühl einer
Allianz mit ihrem Anwalt erleben.
Anwaltspost:
Wörtliche Zitate und matching
Sie sind die einzigen Mandander eigenen Wortwahl machen
ten, die freiwillig Anwaltspost
Eindruck!
lesen, abheften, gern durcharbeiten, farblich hervorheben und
manchmal auch verstehen.
Herausforderungen:
Visuelle wollen immer
Gesprächsnotizen vor Augen
haben oder solche erstellen und
glauben nur, was sie sehen.
Sie machen Zeichnungen und
Symbole, um das Geschehen
zu erläutern. Für komplizierte
Sachverhalte brauchen sie vom
Anwalt Visualisierungen (z. B. an
den Fingern aufgezählte Punkte),
um sich etwas zu merken.
285
Auditive sind jahrelang gekränkt, wenn ein gehörtes
Versprechen gebrochen wird,
besonders Rückrufversprechen.
Sie glauben nur, was sie hören.
In Protokollen erscheinen oft
wörtliche Dialoge, häufig jedoch
ohne innere Zusammenhänge.
Sie wollen oft Wörter definieren
(„Was heißt genau Vertrag?“)
und legen jedes Wort auf die
Goldwaage.
Sie lesen auf keinen Fall freiwillig Anwaltspost, schimpfen bei
Erhalt der Abschrift erneut auf
den Gegner und vergessen, den
Schriftsatz abzuheften.
Kinästheten können Erlebtes
oft nicht in Worte fassen, geben
nicht freiwillig fremden Strukturen (Terminsvereinbarungen!)
nach und verzetteln sich gern.
Kinästheten lassen gern Zeit
verstreichen, bevor sie sich an
einen Anwalt wenden und sind
daher in Fristsachen oft nicht
leicht zu führen.
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286 Mandantengespräche
Glück:
Sie flippen aus vor Glück, wenn
ihr Anwalt mit verschiedenen
Farben den Fall auf einem
Flipchart symbolisiert oder sie
selbst eine Unfallskizze machen
sollen.
Sie flippen aus vor Glück, wenn
ihr Anwalt alles in ihrer Sprache
kurz zusammenfasst und in ihrer
Gegenwart das Diktiergerät
einsetzt.
Sie flippen aus vor Glück, wenn
ihr Anwalt sie tröstet, Gemeinheiten auch als solche bezeichnet und sie der Assistentin
persönlich vorstellt.
Skurril:
Sie begradigen schief hängende
Bilder im Wartezimmer, wissen,
welches Auto Sie fahren und
identifizieren auf den ersten
Blick den Designer des Jacketts
Ihrer Empfangsassistentin.
Sie hassen es, wenn ihr Anwalt
die Wörter „zeitgleich“ und
„gleichzeitig“ verwechselt und
können den kasachischen Nachnamen Ihrer Empfangsassistentin fehlerfrei aussprechen.
Sie antworten gern auf nichtgestellte Fragen („Was wurde
gesprochen?“ „Es war eigent- 
lich eine einvernehmliche
Atmosphäre“) und wissen,
welche Krankheit der Sohn der
Empfangsassistentin gerade
überwunden hat.
Sie begeistern ihn durch:
– ausreichenden Abstand zu
Ihnen
– einfachste, kurze Sätze, vor
dem Sprechen durchdacht
– die gefühlsmäßige Bindung
an Sie
– die unbedingte Einhaltung
mündlicher Versprechen,
besonders Rückrufe!
– Informationen, was Sie
persönlich mögen
– permanenten Blickkontakt
– das zeitgleiche Lesen in
demselben Text
– einen Schreibblock mit Logo
– eigenes Mitschreiben
– sauber aufbereitete Materialien
– visuelles Vokabular
(„schauen Sie mal...“)
– ein Flipchart mit funktionierenden Filzstiften
– visuelle Ordnung im Büro
– Platz für Unterlagen
– leichte, eindeutige und
störungsfreie Grammatik
– korrekte Aussprache des
Nachnamens
– gleich diktieren, nicht mitschreiben
– einen echofreien Raum,
nicht zu niedrigen Raum
– gesprochene Zusammenfassungen
– das Gefühl der Einzigartigkeit
und persönlichen Sympathie
– eine Möglichkeit zum hin und
her gehen
– verstehen und „teilen“ der
Gefühle des Mandanten
– einen Erfahrungsaustausch
zu Beginn
– eine eher „intuitive“ Führung
durch das Mandat
d) Wie verbale Zugangshinweise Ihre Akquise erleichtern
Mit etwas Übung können Sie sogar hören, auf welchem der Wahrnehmungs­kanäle
Ihr Gesprächspartner gerade spricht. Das bestimmt bei trainierten Anwälten die
Wortwahl für ihre Akquisegespräche. In wenigen Sekunden werden wildfremde Menschen zu Interessenten. Die Wahl des falschen Kanals sorgt dagegen für Missverständnisse und schwer durchschaubare Unebenheiten in der Kommunikation.
Eine inhaltlich identische Aussage kann auf drei unterschiedlichen Wahrneh­
mungskanälen ausgedrückt werden: „Das sehe ich anders,“ sagt gewöhnlich ein visueller Mandant, ein auditiver dagegen bevorzugt: „Hört sich nicht gut an.“ „Das passt
mir nicht in den Kram“ entspricht eher der Wortwahl eines Kinästheten.
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II. Wie machen Anwälte aus Mandantengesprächen Akquiseveranstaltungen? 287
Aufgabe
Üben Sie die folgenden Redewendungen wie Vokabeln, damit Sie sie parat ha­ben und spielen Sie mit
der Sprache:
Visuell
Auditiv
Kinästhetisch
Meiner Ansicht nach...
Das ist mir klar.
Wie sehen Sie das?
Sieht gut aus.
Jetzt sehe ich‘s ein.
Da sehe ich schwarz.
Etwas fügt sich nicht ins Bild.
Sieht so aus, als ob...
Ich will damit zeigen, dass...
Nach meinem Verständ­nis...
Das verstehe ich.
Stimmt das?
Hört sich gut an.
Jetzt stimmt‘s.
Hört sich nicht gut an.
Etwas ist nicht harmo­nisch.
Hört sich an, als wenn...
Ich will damit sagen, dass...
Nach meinem Gefühl...
Das begreife ich.
Können Sie das nach­vollziehen?
Passt.
Jetzt begreife ich‘s.
Etwas ballt sich zusam­men.
Es gibt noch Stolperstei­ne.
Da hat man das Gefühl, dass...
Ich will damit belegen, dass...
Es gibt ver­schiedene 
Blickwinkel.
Es gibt verschiedene 
Stimmen.
Es gibt verschiedene 
Standpunkte.
Sehe ich recht?
aufzeigen
Scheint so, als ob...
Lass mal sehen!
Das sehe ich locker.
Unerhört!
erläutern
Hört sich so an, als ob...
Lass mal hören!
Manche sagen so, manche so.
Nicht zu fassen!
begreiflich machen
Gefühlsmäßig ist es so, als ob…
Schieß mal los!
Das kratzt mich wenig.
e) Wie Sie verbale Zugangshinweise im Dialog nutzen
Mit etwas Übung können Sie den Wahrnehmungskanal (v=visuell, a=auditiv,
k=kinästhetisch) auch im Dialog matchen. Das klingt so:
Mandant:
Anwalt:
Das sind ja trübe Aussichten. (v)
Wie können wir die Sache klären?
Wir stellen sie vor vollendete Tatsachen. (k)
Welcher Vorteil würde sich ergeben?
Ich sehe keine Chance für diesen Entwurf. (v)
Wie kriegen wir Farbe rein?
Das hört sich nach reichlich Ärger an. (a)
Manche meiner Mandanten sagen mir...
Das geht mir auf die Nerven. (k)
Das sollten wir nicht zulassen!
Ich halte den Druck nicht mehr aus. (k)
Am besten wir legen gleich los.
Ich blicke nicht mehr durch. (v)
Sollen wir es uns mal anschauen?
Ich will keinen Krach riskieren.(a)
Vielleicht kriegen wir eine leise Lösung hin?
Meiner Ansicht nach gibt es noch mehr. (v)
Welche anderen Möglichkeiten sehen Sie?
Ich begreife nicht, wie es gehen soll. (k)
Wir sollten es vielleicht so angehen:
Wir werden überstimmt in dieser Frage. (a)
Was sollten wir besprechen?
Ich sehe noch Lücken im Entwurf. (v)
Welchen Aspekt habe ich übersehen?
Das zieht mich runter. (k)
Das kann ich mir gut vorstellen.
Ich will nichts mehr davon hören. (a)
Ich kann es auch später noch erläutern.
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5
288 Mandantengespräche
III. Best-PracticeIII.
„Wenn ich weiß, wie du tickst, kann ich dir geben, was du brauchst.“
„Mit einem neuen, hochkarätigen Mandanten kam auch nach 43 Minuten Sitzung im
Erstgespräch keinerlei gemeinsame Strategie zustande. Ich argumentierte erneut. Ich
versuchte es mit Engelszungen. Ich verkürzte meine Sätze. Ich arbeitete mit Fragen.
Ich hob die Stimme. Ich diktierte am Tisch das Wenige, was ich rausbekommen hatte.
Nichts half.
Zum zweiten Gespräch hatte ich – inzwischen bereichert durch die Erkenntnis
der unterschiedlichen Wahrnehmungstypen – ein Flipchart mit vielen funktionierenden Filzstiften gekauft. Kaum waren ein paar Pfeile zur Darstellung des weiteren Verlaufs mit den wesentlichen Stichworten angezeichnet – schon waren wir uns einig!
Ich verwende ihm gegenüber mein neu gelerntes visuelles Vokabular (die LernTabelle für visuelles Vokabular hängt an meinem Computer!), und er widerspricht
seitdem nie mehr. Ich „zeige auf“, ich „bringe Licht ins Dunkle“, ich „beleuchte einen
weiteren Punkt“. Und was tut er? Er „sieht es ein“, er „schaut nach vorn“ und er „liebäugelt mit einer neuen Sicht“. Er mailt alle Wünsche und Fragen an meine Assistentin
und ist glücklich über sichtbare Antworten und kurze Protokollmails! Es ist genial!
Für mich ist dieses Wissen nun schon seit drei Jahren ein faszinierender Schlüssel
zur Akquise, visuelle Typen sind für mich zwar immer noch eine große Herausforderung (ich selbst bin auditiv und sprach-„hörig“), doch ich erkenne sie jetzt und kann
sie inzwischen gut bedienen, manchmal sogar begeistern. Ich traue mich jetzt sogar
fast furchtlos an Kinästheten ran.“
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Karl-Heinz Sommer, 40699 Erkrath,
Tel.: 0211-60160030.
Erfolgstipps
– Mandantengespräche sind Akquiseveranstaltungen. Beweisen Sie sich das!
– Strukturieren, fokussieren und kürzen Sie Ihre Mandantengespräche.
– Beweisen Sie Empathie für die Situation des Mandanten. Stellen Sie offene Fragen.
– Schaffen Sie Begeisterungsqualitäten. Geben Sie mehr als erwartet wird!
– Binden Sie Ihre Assistentin ein. Organisatorische Aufgaben sind ihr Job!
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Netzwerke
100 % indirekte Akquise
Viele Anwälte verstehen und verhalten sich als Einzelkämpfer. Sie nehmen
„auch heute noch keine bewusste und zielgerichtete Planung für ihre beruflichen Aktivitäten vor, sondern lassen sich gewissermaßen treiben. Sie gehen gern auf Angebote
ein, die ihnen gemacht werden und sehen sich ungern als aktive Anbieter. Ich habe
oft gemerkt, auch an mir selbst: Anwälte sind Individualisten, und jeder geht seinen
eigenen Weg“.1
Im Anwaltsbereich funktioniert das Gegenteil dieser Vereinzelung vermutlich
nur, weil ein paar großartige, im positivsten Sinn verrückte „Spinner“ ihre Netze
spinnen, die Sache massiv puschen und sehr viel Zeit und bestimmt noch viel mehr
Energie investieren, um „Akquise in Teams“ auf effiziente Füße zu stellen.
I. Anwälte und Netzwerk?I.
Es ist tatsächlich nicht jedem Anwalt automatisch gegeben, sich zusammen zu
schließen und gemeinsame Sache zu machen, Interessengemeinschaften zu
bilden, in Teams Kompetenzen zu promoten und gemeinsam größere Mandate zu
stemmen, durch den gemeinsamen Auftritt Aufträge von Universitäten, Kommunen,
Firmen und Privatpersonen zu bekommen, prominente Politiker als Interviewpartner oder Referenten zu gewinnen und ohne große Mühe Beiträge unter dem Netzwerknamen in Zeitung, Radio oder Fernsehen unterzubringen.
Netzwerke sind Zusammenschlüsse von Gleichgesinnten mit dem Ziel, gemeinsame Interessen besser zu vertreten als allein oder in Kleinverbänden. Netzwerke
optimieren den Einfluss des Einzelnen, erweitern seine Handlungsspielräume
und stellen durchaus auch gesellschaftliche Machtfragen. Wo immer in der Geschichte sich Menschen zusammen getan haben, um etwas durchzusetzen, waren sie
stark.
1 Dr. Wieland Horn, seit 1971 Anwalt, Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer München von 1992
bis 2007. Dieses Zitat stammt aus einem Gespräch während des DeutschenAnwaltsTages in Straßburg 2011.
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290 Netzwerke
1. Netzwerke sind kein Selbstzweck
Quantitativ gut vernetzte Anwälte sind noch lange nicht qualitativ gut vernetzt.
Netzwerken verschafft gewieften Taktikern viele neue Kunden und den begabtesten Netzwerkern vielleicht nur einen schönen Abend. Schöne Abende sind jedoch
nur ein Mittel zum Zweck.
Netzwerke dienen der Akquise. So besuchen kluge Anwälte die „Höhle des
Löwen“, in der sie in völlig fachfremden Branchen Radiusarbeit betreiben, und das
auch international: „Bis 2050 wird die deutsche Bevölkerung um 20 Mill. Einwohner
schrumpfen. Wachstum gibt es für die deutsche Anwaltschaft also perspektivisch nur
im internationalen Markt“, mahnte bereits im Jahr 2005 ein Solinger Unternehmensberater.2 Er sieht Gesellschafts- und Steuerrecht, Gentechnik, den Pharmabereich,
IT, Umweltschutz und die Tourismusbranche als Zukunftsmärkte für deutsche
Anwälte. Anwälte können sich, so die Unternehmensberatung weiter, auf ihr originäres Berufsfeld nicht mehr verlassen und bieten der angepeilten Branche Zusatznutzen an.
Gesellschaftsrechtler evaluieren geeignete Produktionsstandorte für ausländische Investoren in ganz Europa. Um die zu finden, gehen sie, vielleicht sogar mit
ihren Mandanten, in entsprechende Netzwerke, verdrahten sich mit Behördenvertretern und Industrie- und Handelskammern.
Anwälte schließen sich mit Ingenieurbüros, Ärzten und Krankenhäusern
zusammen, wenn sie Beratungen über Medizintechnik in das Medizinrecht einbinden wollen. Sie erweitern so ihr Portfolio und werden über das Netzwerk von
anderen Interessenten schnell gefunden.
2. Gut vernetzt – schnell gefunden
Die meisten Anwälte vernetzen sich mit weiteren Anwälten, um besser gefunden
zu werden und sich Mandanten gegenüber breiter aufzustellen. Einige wenige Beispiele mögen das verdeutlichen; viele hunderte von anwaltlichen Netzwerken,
Vereinen, Organisationen, Verbänden und alle Internet-Netze bleiben hier aus Platzgründen unerwähnt:
■■ Netzwerke mit fachlichem Fokus
Das Netzwerk Deutscher Erbrechtsexperten beeindruckt durch Expertenveröffentlichungen zu erbrechtlichen Fragen3 und durch laientaugliche Fachbroschüren, die
durch Messen, Vortragsveranstaltungen, karitative Organisationen, Volkshochschu-
2 Guido Baus (www.pharma-insight.com) in Creutz, „Wo Anwälte künftig gutes Geld verdienen können“, Handelsblatt v. 5.5.2005.
3 Z. B. STERN-Ratgeber „Betreuung von Angehörigen“, www.ndeex.de/publikationen.html.
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III. Anwälte und Netzwerk? 291
len, beim BUND und der Johanniter-Unfallhilfe verbreitet werden. Der Fachanwaltslehrgang Erbrecht der Hagen Law School4 wird fast ausschließlich von Mitgliedern
betreut.
Unter dem Namen „BR-Anwälte – Netzwerk für Arbeitnehmerrechte“ hat sich
im Jahr 2008 eine bundesweite Kooperation von Rechtsanwälten gebildet. Alle
Kanzleien sind im Bereich Arbeitsrecht und insbesondere im Bereich Betriebsverfassungsrecht tätig und haben ihren besonderen Schwerpunkt in der Vertretung
und Beratung von Betriebsräten. Zu der Kooperation „BR-Anwälte-Netzwerk für
Arbeitnehmerrechte“ gehören nach eigenen Angaben „mittlere und kleinere Anwaltsbüros, etablierte Kanzleien und auch neugegründete, aufstrebende Kanzleien mit der
gemeinsamen Orientierung auf Arbeitnehmerrechte.“5
■■ Netzwerke in bestimmten Mandanten-Segmenten
Das Netzwerk „firstlex” versteht sich als „eine Qualitätszusicherung unter dem Dach
einer Marke“ und vereint nach eigenen Angaben6 „hochqualifizierte Kanzleien mit
anspruchsvollem Mandantenstamm,“ die gemeinsam für einen „Qualitätsstandard“
einstehen. Mandanten wird „noch mehr Sicherheit bei der Betreuung aller Rechtsfragen“ zugesichert. Das Netzwerk wehrt sich gegen die „Verwässerung der Rechtsberatung“ durch nicht-anwaltliche Anbieter und vertritt „klassischen Anspruch,
seriöse Interpretation des Standesrechts, qualifizierte und geldwerte Leistung, aber
das mit den modernsten Mitteln, die Technik und Management zu bieten haben.“
■■ Netzwerke mit europäischem Bezug
DIRO steht für eine zertifizierte anwaltliche Dienstleistung in Europa. DIRO zählt
heute nach eigenen Angaben zu den führenden Anwaltsnetzwerken7 in Europa. Von
einem unabhängigen Dritten zertifizierte Qualität ihrer anwaltlichen Dienstleistung
ist ein Merkmal, das die Arbeit der derzeit über 1.400 DIRO-Anwälte aus 24 Ländern in
175 selbstständigen Kanzleien auszeichnet. Präsent an allen wichtigen Wirtschaftsstandorten in Europa und flächendeckend in Deutschland bieten DIRO-Anwälte
Rechtsberatung und gerichtliche Vertretung in zahlreichen Rechtsgebieten an. Im
Netzwerk vereint werden sie auch den besonderen Anforderungen von Großnachfragern anwaltlicher Dienstleistung gerecht.
Eurojuris Deutschland e.V. ist Mitglied der Eurojuris International EWIV, dem
führenden internationalen Netzwerk von Rechtsanwälten in Europa. Nach
eigenen Angaben8 haben mehr als 5.500 Eurojuris-Rechtsanwälte an derzeit mehr
als 630 Standorten in 19 europäischen Ländern sowie die mit ihnen in Verbindung
4 www.hagen-law-school.de/index.php/fachanwaltslehrgaenge/erbrecht?start=1.
5 Vgl. www.br-anwälte.de.
6 Vgl. www.firstlex.de.
7 Vgl. www.diro.de.
8 Vgl. www.eurojuris.de.
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292 Netzwerke
stehenden Foreign Correspondents in Übersee eine gemeinsame Philosophie, die
rechtliche Beratung und Unterstützung vor Ort in ganz Europa anzubieten.
■■ Netzwerke für Unternehmensjuristen
Die Zusammenarbeit zwischen selbstständigen Rechtsanwälten und Unternehmensjuristen ist Gegenstand einer Erfolgsgeschichte aus Wien. Lesen Sie selbst:
1
Best Practice
Wir gründeten unsere Anwaltsgesellschaft im Jahr 2004, ohne einem institutionalisierten Netzwerk
anzugehören. Unsere Idee entstand durch unsere häufigen Kooperationen mit den Rechtsabteilungen
unserer Mandanten und auch mit denen der Gegner. Wir gründeten daher ein Jahr später ein Netzwerk für Unternehmensjuristen und nannten es „Zweiter Montag“. Wir gaben ihm das Ziel, Menschen
zusammen zu bringen, die zusammen gehören.
Juristen und Nicht-Juristen, die regelmäßig mit Rechtsproblemen konfrontiert sind, unterhalten
sich über ihre Interessen und Ideen. Sie bekommen und geben „Unterstützung, Unterhaltung und
Unterweisung“ (so ein Teilnehmer) und freuen sich jedes Mal auf erstklassige Referenten aus Industrie, Politik und Managementberatung. Immer sind die Redner prominent, längst nicht immer sind ihre
Themen juristisch. Redner und Teilnehmer sind überrascht, welch große Namen sich dort versammeln, und aus Rückmeldungen wissen wir, dass der nächste Termin für die Teilnehmer eine fixe Größe
im Geschäftsalltag ist.
Der „Zweite Montag“ ist in Österreich inzwischen eine Institution. Die Einladungen sind niemals
öffentlich, wir treffen uns stets an einem neutralen Ort und achten streng darauf, dass das Zielpublikum nicht verwässert wird.
Konzeption und Organisation des „Zweiten Montags“ hat jeden von uns 2004 noch ungefähr
sechs Monate lang je einen Tag pro Woche gekostet. Mit Ausnahme der Themen- und Referentenauswahl sowie der Vorbereitung der Moderation erledigen unsere Assistenten inzwischen die gesamte
Vorbereitung. Wir verfügen inzwischen über eine „gesättigte“ Einladungsliste, dennoch bekommen
wir immer wieder Anfragen von Unternehmensjuristen, die unserem Netzwerk angehören wollen.
Stamm-Mandanten empfinden den „Zweiten Montag“ als Kontaktbörse zu Kollegen und zu uns
(gerade auch außerhalb bestehender Mandate) und tilgen gewiss – u. a. dadurch – jeglichen Abwanderungswillen!
Wir konnten aus dem Kreis der Redner und Teilnehmer des „Zweiten Montags“ verschiedentlich
prominente Unterstützer für die Belange unserer Mandanten gewinnen und werden inzwischen auch
in Deutschland auf unser Netzwerk angesprochen.
Wir werden deutlich häufiger als Referenten für hochkarätige und teilweise medienträchtige
Podiums- (zweimal) und Vortragsveranstaltungen (über zwanzig Mal) sowie für Moderationen eingeladen, und wir schreiben einen Beitrag für dieses Buch!
Horst Fössl und Alexander Singer, Singer Fössl Rechtsanwälte OG, Wien, Tel.: 0043-1-2288500,
www.sfr.at
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II. Akquisestarke Anwälte gehen gern anderen „Spinnen ins Netz“ 293
II. Akquisestarke Anwälte gehen gern anderen „Spinnen ins Netz“II.
Eine weitere große Gruppe von Anwälten zeigt Präsenz, Witz und Wissen in den
Netzwerken ihrer Zielbranche. Kostenlose Vorträge dort sorgen für nachhaltige
Aufmerksamkeit.
Anwälte jeder Kanzleigröße begeben sich kurz entschlossen und mutterseelenallein in das BNI (Business Network International), um mit lokalen Geschäftsleuten
zu frühstücken. Sie kommen vermutlich bald mit Kunden zurück. Einziger Sinn und
Zweck dieser Treffen ist eine deutliche Umsatzsatzsteigerung aller teilnehmenden Unternehmer durch persönliche Empfehlungen, und die wird – nach eigenen
Angaben – erreicht. Wenn sie kein BNI bei sich haben, gründen sie eins!
Andere Anwälte gehen in Verbände, Anwaltsvereine, auf Kongresse und
engagieren als „Projektteam“ immer wieder (dieselben) Kollegen für punktuelle
Mandate. Sie greifen auf „ihr Netz“ zurück und machen sich seit Jahren Gedanken
über die Qualitätsanforderungen ihrer Kunden. Mit großem Erfolg, wie dieses
Beispiel zeigt:
Best Practice
Ich erweitere meine Netzwerke regelmäßig über Kongresse. Mit fällt es persönlich leicht, auf Menschen zuzugehen. Ich liebe neue Erfahrungen, Small Talk und kreative Vernetzungen. Ich nehme mir
vor jedem Kongress eine bestimmte Anzahl neuer und eine Mindestanzahl aufgefrischter Kontakte
vor. Ich treffe Auslandskollegen, vor allem in Paris, um Probleme persönlich zu diskutieren; teilweise
habe ich mich mit ihnen befreundet. Ich besuche regelmäßig internationale Markenkongresse, z. B.
INTA und ECTA.
Seit ich Mitglied einer französischen Anwaltsvereinigung bin, besuche ich auch deren Informationstage, durch die ich immer weitere Kontakte knüpfen kann. Selbst solche Kontakte, die vermutlich
niemals zu Mandaten werden, pflege ich akribisch... you never know.... In meinem hoch spezialisierten Geschäft sind Multiplikatoren – mit Verlaub – ohnehin fast wichtiger als die Mandanten selbst. Im
glücklichen Fall tragen beide Gruppen unsere Leistungen in die Welt.
In diesem Jahr habe ich türkische Kollegen, die insgesamt 3 % des Gesamtumsatzes ausmachten, in der Türkei besucht, dort einen Vortrag gehalten und mich anschließend zu einer Diskussion
über relevante aktenspezifische Probleme zur Verfügung gestellt.
Persönliche Empfehlungen sind ein dominanter Faktor in meiner Akquise. Vereinzelt sind wir
auch über die Gelben Seiten gefunden worden und konnten die Mandanten davon überzeugen, dass
kleinere Kanzleien nicht nur effizienter, sondern auch kostengünstiger arbeiten können, ohne dass
wir jemals „Dumping-Preise“ anbieten.
Kleinere Auskünfte oder Erstberatungen bieten wir manchmal auch kostenfrei an, was in zwei
Fällen sogar zu größeren Mandatierungen führte und über Umwege offenbar auch unsere Reputation
stärken konnte. Keinesfalls reduzieren wir jedoch jemals ein ausgesprochenes Honorar.
Kaufmann & Stumpf Patentanwalts-Partnerschaft, Patentanwältin Karin Stumpf, Stuttgart, Tel.: 0711
6583810
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1
294 1
Netzwerke
Erfolgstipps
– Erfolgreiche Einzelkämpfer und Netzwerke sind kein Widerspruch! Begeben Sie sich allein in
Netzwerke ihrer Interessenten!
– Gründen Sie eigene Netzwerke mit Nicht-Juristen und pflegen Sie sie!
– Gründen Sie eigene Netzwerke als „Projektteams“ (immer dieselben Kollegen für ähnliche
Mandate)!
– Werden Sie international und docken Sie an bei großen internationalen Anwaltsnetzwerken!
– Netzwerke Ihrer Zielmandantschaft sind Ihre Akquisefelder! Bieten Sie dort kostenlose Vorträge
an! Berichten Sie darüber auch online und holen Sie schriftliche Reaktionen ein.
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Online-Akquise
100 % indirekte Akquise
Erfolgreiche Anwälte sind Jäger, Heger und Pfleger. Ihr Credo ist ein Mix aus guter
Ausrüstung, hoher Flexibilität – und Tradition: Schon vor 181 Jahren konnten Jäger
in Deutschland „nicht verlangen, dass künftig auf einer gegebenen Fläche stets so viel
Wild bleiben müsse, als früher darauf bestand“.1
Diese Erkenntnis hatte weit reichende Konsequenzen: Wenn sich das Wild nicht
mehr in gewünschtem Umfang zur Verfügung stellt oder ganz weggeht, gehen wir
eben hinterher! Anwälte haben von verantwortungsvollen Jägern viel gelernt. Wenn
äußere Gegebenheiten sie dazu nötigen, ändern sie ihre Methoden.
Die erfolgreichsten aller anwaltlichen Jäger passten immer schon ihre Methoden
äußeren Gegebenheiten und inneren Befindlichkeiten ihrer „Beute“ an. Ausgeklügelte Hege- und Pflegesysteme sowie die systematische Erfassung von Besonderheiten und Bedürfnissen einer jeden Spezies stützen seit Jahren ihren Erfolg.
„Akquiriert wird dort, wo sich der zukünftige Mandant aufhält“ ist der Leitspruch erfolgreicher Anwälte. Dieses Kapitel wird in zwei Abschnitten behilflich
sein, die für Anwälte immer noch neue „Online-Pirsch“ zu systematisieren:
I. Das Internet verändert Akquisekulturen – sieben Ideen zum Mitmachen
II. Ist Ihre Webseite K _ R _ E _ A _ T _ I _ V?
I. D
as Internet verändert Akquisekulturen – sieben Ideen zum
MitmachenI.
Aus gutem Grund also entwickelt sich das Internet zu einem primären Akquisemedium für Anwälte: Inzwischen sind mit 75,6 % über drei Viertel aller Bewohner
Deutschlands über 14 Jahren online. Generell sind insgesamt 81 % der Männer und
70,5 % der Frauen Internetnutzer.2 16 % der Internetnutzer wählten sich 2011 über ihr
Handy ein. Die Anzahl derjenigen, die das Internet über Mobilfunk nutzen, hat sich
laut Angaben des Statistischen Bundesamtes um 78 % erhöht. 3
Diese Entwicklung der Marktgesetze hat eine Änderung von Kanzlei- und
Akquisekulturen zur Folge. Anwälte, die sich hierauf nicht oder zu spät einstellen,
1 Forst- und Jagdzeitung vom 29.12.1831, S. 620.
2 Nonliner Atlas 2012, S. 4 f., http://www.nonliner-atlas.de/.
3 https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2011/02/PD11_060_63931.html
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296 Online-Akquise
sortieren sich selbst aus dem Wettbewerb aus. „Survival of the fittest“ bedeutet
eben nicht nur das „Überleben des Stärkeren“, sondern – analog zur Doppelbedeutung von „to fit“ – vor allem das „Überleben des Passenden“. Machen Sie sich
also „passend“ zu den Marktgegebenheiten, um sie für sich zu nutzen. Ein für
Anwälte von Juristen geschriebener Ratgeber4 kann Sie dabei Schritt für Schritt
unterstützen.
Hier finden Sie sieben Veränderungen in der Kanzlei- und Akquisekultur, jeweils
verbunden mit Tipps und Schlussfolgerungen:
1. Chronologie der Kontaktaufnahme
Noch vor fünf Jahren meldeten sich Erstanrufer in einer Kanzlei, um über die
Kanzlei etwas zu erfahren. Heute nehmen Mandanten telefonischen Kontakt zu
einem neuen Anwalt erst auf, wenn und weil sie zuvor attraktive Eckdaten seiner
Kompetenz im Internet gefunden hatten.
Dadurch haben sich Erwartungshaltungen geändert. Ein Erstanrufer, ausgestattet mit Basisinformation über die Kanzlei, hat Sie bereits gewählt. Er vergleicht
Gelesenes mit Gehörtem und drückt mit seinem Anruf eine gewisse Vertrauensbereitschaft aus. Stützen Sie dieses Grundvertrauen. Verletzen Sie es niemals!
Das Aufzählen anwaltlicher Fachkenntnisse ist in der Situation nicht mehr
nur peinlich und angeberisch, sondern häufig objektiv redundant. Ohne einen trainierten Telefonservice und absolute Servicebereitschaft auf allen Seiten halten
Sie diesem Vergleich mit eigenen, geschrieben Standards nicht stand! Die Kunden
haben und empfinden einen Anspruch auf das, was ihnen versprochen wurde.
„Wir sind für Sie da“ in der Webseite verspricht viel und wird durch lösungslose
Gleichgültigkeit am Empfangstelefon ad absurdum geführt: „Tut mir Leid, er ist in
einer Besprechung“. Ein solcher Satz degradiert eigene Serviceversprechen – und
damit die Kanzlei.
1
Tipp
Neue Mandanten haben Vorinformationen, durch die sie anrufen. Fragen Sie den Mandanten, ob
Informationen über die Kanzlei überhaupt benötigt werden. Beginnen Sie Ihre Kompetenzpräsentation (höchstens zwei Sätze!) mit „Sie haben ja sicher schon gelesen, dass wir … Was kann ich für Sie
tun?“ Verbieten Sie Ihrer Assistentin, jemals wieder ein „Nein ohne Lösung“ in Ihr Telefon zu sagen.5
Telefonservice und mündliche Kompetenzpräsentation des Anwalts haben nicht nur ihre Reihenfolge
(Chronologie), sondern auch ihre Rangfolge (Wichtigkeit) vertauscht.
4 Friedmann/Schinkel/Pestow/Levelev, „Online-Marketing für Rechtsanwälte“ abrufbar unter
http://www.123recht.net/anwalt-online-marketing.
5 Vgl. die Tipps zum perfekten Telefonservice im Kapitel „Assistentin“.
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I. Das Internet verändert Akquisekulturen – sieben Ideen zum Mitmachen 297
2. Kostenstruktur von Akquise
Nach Auskunft einer Mittelstandsberatung6 haben sich die Akquisekosten pro
Neukunde, verglichen mit den 80er Jahren, durch das Internet auf 1/6 verringert.
Erste Konsequenz hieraus ist: Wer das Internet als Akquiseplattform auslässt, hat
zwei große Nachteile: Er betreibt ein „Mismatching“7 von Mandantenerwartungen, und er zahlt drauf. Er taucht im Blickfeld suchender Mandanten entweder gar
nicht erst auf oder riskiert den Eindruck altmodischen Wirtschaftens und fehlender Effizienz.
Hier eine Aufstellung der Methoden- und Kostenentwicklung anwaltlicher
Akquise über knapp vier Jahrzehnte:
1980er
1990er
2000er
2010er
Akquise-Methode
Termin
Mailing
Telefon- 
marketing
Internet
Medium
Besuch
Brief
Telefon
Webseite, Blog,
Facebook
Kosten pro
Neukunde
ca. € 300,–
ca. € 150,–
ca. € 100,–
ca. € 50
Tipp
Akquisefragen sind wohl Persönlichkeits-, nicht aber Geschmacksfragen. Anwälte, die das Internet
als Akquisemedium ganz oder fast vollständig außer Acht lassen, sortieren sich selbst aus dem Wettbewerb aus. Sie begründen ihre Zurückhaltung auch heute noch durch „technische Unkenntnis“, persönliche „Abneigung gegen Computer“ und „Angst um die Datensicherheit“.
Alle drei Gründe zementieren den Status quo zwischen den Ohren – und auf dem Konto! Alle drei
be- oder verhindern aktuelle Akquisevorhaben. Sofort flexibilisieren!
3. Organisationsstrukturen von Kanzleien
In reinen Internet-Kanzleien wird die Internet-Chance zur Kanzleikultur. Der Fokus
dort liegt auf dem technisch unterstützten Management menschlicher Schicksale.
Schnelle, starke Internetverbindungen sind Pflicht, geografische Standorte
von Mandant und Anwalt unwichtig. (Ausnahme: In manchen Rechtsgebieten sind
6 Jürgen Beckmann – http://www.mittelstandsberater.de/startseite.html – in einem Telefoninterview am 20. Juli 2012.
7 Vgl. zu „Matching“ und „Mismatching“ das Kapitel „Durchsetzung“.
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1
298 Online-Akquise
Anbindungen an einen ICE-Bahnhof oder Flughafen wegen zahlreicher gerichtlicher Verhandlungen wichtig). Manche Anwalts-Rechner haben wöchentlich wechselnde Sicherheitscodes, stündliche automatische Backups und einen Sicherheitsserver, der – wie in Science-Fiction-Filmen – irgendwo vergraben liegt.
Die Mandantschaft ist eng segmentiert und die Anwälte sind alle in demselben
Rechtsgebiet spezialisiert. Mandantenbefragungen in diesen Kanzleien ergeben ein
belastbares Vertrauensverhältnis zu den Anwälten und ihren telefonisch gezielt
geschulten Mitarbeitern.
Eine auf das Medizinrecht spezialisierte, reine Internet-Kanzlei berichtet:
1
Best Practice
Gutes Marketing ist für uns mehr als nur Akquise. Mandantenzufriedenheit und Weiterempfehlungen
sind mindestens ebenso wichtig.
Als Online-Kanzlei akquirieren wir bundesweit hoch spezialisierte Mandate. Wir vertreten ausschließlich geschädigte Patienten und Unfallopfer und lernen 95 % unserer Mandanten nie persönlich
kennen. Wir begeistern sie dennoch, wie wir aus den regelmäßigen, natürlich ebenfalls online geführten, detaillierten Befragungen unserer Mandanten wissen. So freuen wir uns über eine durchschnittliche Bewertung mit der Note „sehr gut“ (1,25).
Bereits Seit dem Jahr 2000 bieten wir unseren Mandanten mit der Webakte die Möglichkeit,
papierlos mit uns zusammenzuarbeiten. Über eine Million Akten werden über die Sicherheitsserver
der Firma eConsult von über 100.000 Anwendern bundesweit und international genutzt.
Für jeden unserer Mandanten legen wir eine eigene Webakte an. Er bekommt einen Benutzernamen und ein Passwort, mit denen er sich, wann immer er will, einloggen kann. Er liest in Echtzeit alle
unsere Schreiben und die von Gutachtern, Richtern und der Gegenseite in Ruhe durch.
Uns kann er durch Notizen in dieser Akte Fragen stellen und weitere Informationen geben.
Wir ermitteln schriftlich in kleinen Schritten und ohne jedes Fremdwort, welche Schäden durch
ärztliche Fehler oder durch Unfälle entstanden sind und motivieren unsere Mandanten – durch genau
diese Kleinschrittigkeit – auch wirklich alle Schäden zu benennen, an die sie vermutlich ohne diese
Details und ohne diese einfache Sprache nicht denken würden.
Das technische Verfahren ist inzwischen extrem vereinfacht; die Hochsicherheitsverschlüsselung und das TÜV Siegel lösen Vertrauen aus.
Wir sind bekannt für effiziente Fallbearbeitung, jahrelange Expertise auf einem einzigen Gebiet
und ebenso lange persönliche Integrität während der gerichtlichen und außergerichtlichen Verhandlungen. Wir lassen alle unsere Mitarbeiter beständig durch In-house Seminare trainieren.
Dies alles verschafft unseren Mandanten angemessene, am deutschen Markt aber leider eher
ungewöhnlich hohe Schadenersatzzahlungen.
Sebastian Quirmbach, Quirmbach & Partner, Montabaur, Tel.: 02602-999690, www.ihr-anwalt.com
1
Tipp
Eine reine Internetkanzlei zu werden, ist vielleicht keine Option für Sie. Dann fangen Sie klein an:
Überlegen Sie, welche Maßnahmen von den genannten zu Ihnen passen könnten. Stellen Sie ein
Gästebuch ein. Pflegen Sie Ihre Kundenkartei und laden Sie alle Mandanten ein, darin etwas über
Sie zu schreiben. Diskutieren Sie Wege Ihre Mandanten zu motivieren, ein schriftliches Feedback für
Sie abzugeben
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I. Das Internet verändert Akquisekulturen – sieben Ideen zum Mitmachen 299
4. Webseiten müssen gefunden, nicht nur gepflegt werden
Optimieren Sie noch Ihre Webseite oder werden Sie bereits gefunden? Webseiten sind
Geldverschwendung, wenn sie nicht aufwandslos gefunden werden. Ihr zukünftiger Mandant kennt Ihren Namen noch nicht! Machen Sie deshalb folgenden Test:
Geben Sie nur Ihren Beruf, Ihr Rechtsgebiet (evtl. mit Fachanwaltstitel) und Ihren
Ort ein. Das ist die von über 90 % der Anwaltssucher eingegebene Reihenfolge bei
der Anwaltssuche, wenn der Anwaltsname unbekannt ist.
Sehen Sie sich auf der ersten Seite? Mandanten entscheiden sich für Anwälte auf
der ersten Seite! Sie assoziieren sogar die Qualität der Kanzlei mit der prominenten
Positionierung bei Google.
■■ Anwaltsverzeichnisse
Anwaltsverzeichnisse8 sind inzwischen weit mehr als bloße Namens- und Adressenlisten! Sie sind Multiplikatoren, die Besucher und Sucher vor allem durch Aktivitäten auf diesen Verzeichnisseiten (Artikelveröffentlichungen, Videos) auf die
eigene Webseite bringen. Durch die Listung Ihrer Kanzlei in einem solchen Verzeichnis erreichen Sie nachweislich eine bedeutend höhere „Klickzahl“ auf Ihrer
Webseite. Test it!
■■ Google AdWords
Das sind bezahlte Anzeigen. Bei einer Suche über Google sehen Sie oben (gelb unterlegt) drei Nennungen und rechts viele kleine, vierzeilige Anzeigen. Hier werben
Firmen für ihre Produkte. Welche Anzeige bei Ihrer Suche geschaltet wird, entscheidet ein komplexes System von Google abhängig von Ihrem Suchwort. Google platziert
genau entsprechend Ihrem Suchbegriff das inhaltlich passende Angebot. Jeder
Klick auf eine Google AdWords Anzeige kostet den Auftraggeber Geld, manchmal bis
zu mehrere Euro für jeden einzelnen Klick.
Mit Google Adwords „kann man kurzfristig Top-Positionen erreichen. Hier muss
man gegenrechnen, ob Adwords nicht vielleicht günstiger sind als eine langfristige SEO Kampagne,9 deren Erfolg auch immer ungewiss ist. In den meisten Fällen
empfiehlt sich eine Kombination aus beidem.“10
■■ Suchmaschinenoptimierung (SEO)
Die Auffindbarkeit der Webseite an prominenter Stelle ist inzwischen (tausende
von zusätzlichen Anwaltswebseiten erfordern Unterscheidungsmerkmale!) bedeutend wichtiger als die Webseite selbst. Das zeigt auch das folgende Beispiel:
8 Z. B.: http://www.123recht.net/ – von Anwälten für Anwälte betrieben.
9 SEO (= Search Engine Optimizing) bezeichnet Techniken zur Optimierung der Auffindbarkeit von
Webseiten durch Suchmaschinen. Alles, was Ihre Homepage beim Ranking weiter nach vorne bringt,
kann helfen: Links zu anderen Homepages, Keywords, wechselnde Inhalte auf der eigenen Homepage und ca. weitere 200 Kriterien. Engagieren Sie Profis dafür.
10 Rechtsanwalt Michael Friedmann – http://www.123recht.net/ – in einem E-Mail Interview mit der
Autorin am 4.8.2012.
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300 Online-Akquise
Eine Rechtsanwaltskanzlei aus München möchte ihr Ranking (Auffindbarkeit
in Suchmaschinen) optimieren. Sie stand zunächst auf Position 38 bei den Suchbegriffen „Rechtsanwalt“, „München“ und „Arbeitsrecht“. Die Suchmaschine wirft
bei dieser Kombination in dieser Reihenfolge etwa 1.500.000 (!) Positionen aus. Der
suchende Probleminhaber ist angesichts dieser Masse an Möglichkeiten überfordert und wählt mangels inhaltlicher Unterscheidungskriterien die bequemste:
eine Kanzlei auf der ersten Seite.
Ein SEO-Spezialist, Berater dieser Münchner Kanzlei, teilt die Vorgehensweise mit:
„Wir haben die Seiten der Kanzlei technisch optimiert, links zu anderen Homepages
sowie Google Maps und einige weitere Maßnahmen eingerichtet und konnten dadurch
die Kanzlei bei einem sehr starken Wettbewerb (ca. 7000 Rechtsanwälte in München)
auf die Seite 2 beim Google Ranking bringen. Durch die zusätzlichen Suchbegriffe
„Arbeitsrecht“ und „Pasing“ (Stadtteil von München) konnten wir die Kanzlei dauerhaft
auf Platz 1 Seite 1 etablieren.“11
1
Tipp
Viele Wege führen zur Auffindbarkeit Ihrer Webseite, auch wenn der Sucher Ihren Namen nicht kennt.
Begeben Sie sich zunächst unter die Fittiche eines Anwaltsverzeichnisses mit hoher Eigenaktivität.
Bieten Sie dort „kleine frische Aufsätze“ in der Sprache von Nicht-Juristen an! Weiter geht’s vielleicht
durch ein Image-Video12 auf Ihrer eigenen Webseite und zugleich auf Youtube. Sorgen Sie dafür, dass
diese Videos von Profis gemacht und jeweils mit denselben Schlagwörtern angekündigt werden, die
ein Sucher Ihrer Dienstleistung angibt! Ein Schlagwort ist also nicht „Video“ oder „Kanzleipräsentation“ sondern alltägliche Rechtswörter wie „Unfall“, „Kündigung“, „Schadenersatz“ oder „Versicherung“ oder Problembeschreibungen wie „Lärmbelästigung Kindergarten“, „Mobbing Arbeitsplatz“
oder „Reise Mangel“.
5. Akquisemöglichkeiten über „Social Media“
Facebook und Twitter galten bis vor kurzem noch als reine Privat-Plattformen. Seit
Unternehmen jedoch Facebook entdeckt haben (oder war das etwa umgekehrt?),
ermöglicht diese Plattform auch Firmenpräsentationen über „Fanpages“. Der Konkurrent „Google Plus“ ist relativ neu am Markt und hat sich von Anfang an nicht nur
als reines Freundesnetzwerk verstanden sondern auch Büroanwendungen mit einbezogen. XING ist ein reines Business-Netzwerk. Hier ein Überblick über ausgewählte
Netzwerke:
11 Jürgen Beckmann – http://www.mittelstandsberater.de/startseite.html – in einem Telefoninterview mit der Autorin Juli 2012. Rechtsgebiet und Stadtteil sind in diesem Beispiel verändert. Externe
Berater übernehmen die komplette Unternehmenspräsentation in allen gewünschten und Ziel führenden Foren.
12 Gutes Beispiel für kleine Kanzleien auf http://www.rechthoch3.de/.
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I. Das Internet verändert Akquisekulturen – sieben Ideen zum Mitmachen 301
Facebook
Facebook ist das größte Netzwerk weltweit. Es verbindet Privatpersonen und inzwischen auch Geschäftsbeziehungen durch ein „Freunde“-Kontaktsystem. Sie haben
ein eigenes Profil oder / und eine eigene „Fanpage“ in Ihren Farben mit Ihrem
Logo. Diese „kleine Webseite“ ist kostenlos und kann zu Ihrer Webseite verlinkt
werden – und umgekehrt. Zukünftige Mandanten machen Sie immer wieder aufmerksam durch eigene Aktionen, Fotos, Filme, die Sie „posten“ (= einstellen).
Freunde können Sie gewinnen, indem Sie die Aktionen oder Bemerkungen anderer
User „gut finden“ oder andere User direkt in ihren „Freundeskreis“ einladen.
Akquisitorisch noch vollkommen unentdeckt: die humorvolle rechtliche Kommentierung geposteter Fotos, Filme, Berichte anderer: Autopannen, Reiseberichte,
eine Glasscherbe im Essen, eine falsche Haarfarbe beim Friseur. Alles, was Sie kommentieren, gelangt auch auf Ihre „Pinnwand“ und kann dort von Besuchern nacheinander gelesen werden. Vorsicht: Wettbewerbsgesetze greifen auch hier! Ihr Profil
kann zeitweise gesperrt werden, wenn Sie Freundeseinladungen an Unbekannte
versenden, die sich über die Einladungen beschweren. Anwender: Weltweit ca.
900 Millionen.
■■ Twitter
Der kostenlose „Micro-Blogging-Dienst“ Twitter ist auf schnelle Kommunikation
zwischen den Nutzern ausgelegt. Etliche deutschsprachige Anwälte nutzen diesen
Kanal, um sich über juristische Themen auszutauschen und Nachrichten zu verbreiten.13
Der Vorteil von Twitter ist der „Re-tweet“14: Mitteilungen werden an das Netzwerk
des Empfängers weitergeleitet. So kann ein Anwalt, einen hohen Informationsgehalt seiner Nachricht vorausgesetzt, nicht nur seine eigenen Kontakte (Follower)
erreichen, sondern im Falle eines Re-tweets auch deren Follower u.s.w. Eine wichtige
Mitteilung kann sich so im besten Fall innerhalb von wenigen Minuten unter allen
deutschsprachigen Twitternutzern verbreiten.
Deutschsprachige Anwender: 4,2 Millionen Twitterati nach Angaben des Messungsdienstes Comscore.
■■ XING
Xing ist die größte deutschsprachige Plattform für geschäftliche Kommunikation
im Internet. Der Nutzen sind die Kontakte zu Netzwerken Ihrer Zielmandantschaft.
Der Haupt-Akquisefehler von Anwälten bei XING ist, sich in Anwaltsnetzwerken
aufzuhalten! Gehen Sie in die Netzwerke Ihrer Zielmandantschaft. Anwälte tragen
■■
13 Microblogging = Blogging in Kurzform. Die Beiträge haben maximal 140 Zeichen. Möchte man
Beiträge einer Person lesen, muss man sich als deren „Follower“ eintragen. Dann erhält man ihre
neusten Kurz-Mitteilungen (Tweets) auf seiner Twitter Homepage angezeigt. Twitter kann auch über
das Handy bedient und abgerufen werden; siehe http://www.juratweet.de/.
14 Re-tweet = „zurück zwitschern“.
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302 Online-Akquise
ihre Spezialisierungen ein und hinterlegen maximal drei ihrer Publikationen als
PDF. Sie geben ihren beruflichen Werdegang, ihre Kenntnisse und ihre Wünsche an
(„Ich suche“). Maximal 20 unbekannte Personen pro Tag dürfen Sie (XING-Regel)
kontaktieren und in Ihre „Kontakte“-Liste einladen. Lassen Sie das Ihre Assistentin
jeden Morgen als erstes machen. Verwenden Sie immer denselben Suchbegriff! Laden
Sie Niemand zweimal ein. Großartig für die Akquise ist, wenn Sie ab 50 relevante
bestätigte Kontakte haben, können Sie sie alle zu einem selbst organisierten Event
(Vortrag oder Kanzleievent) einladen. XING Nutzer erhalten manchmal Sonderpreise
für den Einstieg bei Google AdWords. Der Premium Service kostet 5,55 € im Monat.
XING hat weltweit über 12 Millionen Benutzer.
1
Best Practice
„Wir akquirieren seit Gründung der Kanzlei im Jahr 2006 einen Großteil unserer Mandate über das
Internet. Das „Geheimnis“ ist: publizieren, publizieren, publizieren! So stellen wir pro Tag durchschnittlich zwei bis drei neue Beiträge ins Internet, darunter teils auch sehr ausführliche. Jeweils etwa
die Hälfte unserer Beiträge wird von unseren Anwälten bzw. unseren wissenschaftlichen Mitarbeitern
geschrieben.
Die Besucher unserer Internetpräsenz sind zumeist Hersteller, Importeure und auch Händler, die
einen eigenen Internet-Handel betreiben. Wir schreiben unsere Beiträge ausschließlich für Unternehmen, an der Beratung von Verbrauchern sind wir nicht interessiert.
Ebenso bemühen wir uns bei unseren Beiträgen um eine verständliche Sprache, da die Texte ja
auch verstanden werden sollen.
Seit ca. einem Jahr unterhalten wir eine Facebook-Präsenz mit derzeit um die 6000 „Fans“. Wir
stellen jedem Facebook-Fan unserer Kanzlei kostenlos ein rechtssicheres Impressum zu Verfügung
und stellen dieses über eine elektronische Maske automatisch in seine jeweilige Facebook-Seite ein.
Zuletzt gewannen wir dadurch einen italienischen Stoffgroßhandel, deren Onlineshop wir nun rechtlich begleiten.
Unser „Mandantenportal“ ist ein exklusiver Bereich, der allein unseren Mandanten vorbehalten
ist. Es schafft eine Intensivierung des Mandatsverhältnisses, da wir ihnen in unserem Portal zahlreiche kostenlose Leistungen anbieten – wie z. B. eine automatische Markenrecherche. Außerdem
gibt sie diverse Rechtstexte sowie kostenlose Zusatzleistungen und zahlreiche Vergünstigungen bei
Kooperationspartnern der IT-Recht Kanzlei. Die hierdurch gewonnene dauerhafte Mandantenbindung
ist für uns entscheidend.“
Rechtsanwalt Max-Lion Keller, München, www.it-recht-kanzlei.de, Tel.: 089-13014330
1
Tipp
„Social Media“ bietet inzwischen mehr als private Kommunikation. In Facebook sollten Sie eine
Fanpage erstellen lassen, falls Ihre Wunsch-Mandanten selbst Facebook nutzen. Laden Sie Ihre Mandanten ein, auch auf Facebook Kommentare über Ihre Leistungen abzugeben. Kontrollieren Sie diese
Kommentare! Youtube – Videos erhöhen ebenfalls die Auffindbarkeit Ihrer Webseite. Schreiben Sie
in Jura-Blogs, richten Sie selbst einen Blog ein. Gelungenes Beispiel ist der sogar mit dem Grimme
Online Award 2011 in der Kategorie “Information” ausgezeichnete „law blog“ des Düsseldorfer
Rechtsanwalts Udo Vetter.
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I. Das Internet verändert Akquisekulturen – sieben Ideen zum Mitmachen 303
6. Internet-Rechtsberatung revolutioniert Abläufe
„Zum Anwalt? Och nöööö … Lieber nicht!“ Anwälte sind teuer, schwer erreichbar und
lösen diverse Ängste aus: Mein Fall ist zu klein, der Weg ist zu weit, der Richter ist
bestimmt böse, der Anwalt vielleicht so ein Besserwisser und sicher von diesem Fall
gelangweilt …
Vielen Probleminhabern, vor allem Privatklientel, kommt die Internet-Rechtsberatung gerade recht.
■■ Online Rechtsberatungen haben viele Vorteile für den Mandanten. Sie:
–– sind 7 x 24 Stunden pro Woche für den Mandanten da,
–– sichern zunächst Anonymität,
–– sichern ihm ständig verfügbare Informationen,
–– bieten Einblick in die Honorarentwicklung und deren Basis ,
–– ermöglichen größte zeitliche und räumliche Flexibilität,
–– bringen ihm die oft sofortige Beantwortung seiner Frage,
–– ersparen ihm gruselige Anrufbeantworter-Texte auf dem Anwaltstelefon,
–– ersparen ihm fachlich vor sich hin murmelnde Rechtsanwälte,
–– sind oft durch SSL-Verbindungen sicherer als E-Mails oder Papier.
■■ Online Rechtsberatungen haben Vorteile für den Anwalt. Sie:
–– blockieren in der Kanzlei kein Telefon,
–– machen ein „kundengerechtes“ Anwaltsbüro unnötig,
–– machen den Anwalt geografisch unabhängig,
–– entspannen die Terminlage im Büro,
–– sparen Zeit durch E-Mail Unterlagenversendung,
–– ersparen ihm hohe Personal- und Mietkosten,
–– können der Beginn einer längeren Geschäftsbeziehung sein.
Zahlreiche Online-Rechtsberatungs-Portale konkurrieren inzwischen auf dem
Markt. „Als Ergänzung zum persönlichen Beratungsgespräch kann eine Online-Beratung durchaus Vorteile haben“,15 ein Service „rund um die Uhr“, Festpreis um € 50,–
(z. T. sogar ab € 20,–) für eine Erstberatung und oft ausführliche Antworten machen
aus Mandantensicht die Portale attraktiv.
Auf manchen Portalen wie www.frag-einen-anwalt.de oder www.answer24.
de bestimmen die Mandanten den Preis, den sie für eine Antwort bereit sind zu
zahlen. Wer zu diesem Preis antworten möchte, antwortet. Oft antworten sehr junge
Anwälte, „die sich noch ihre Nische suchen innerhalb von wenigen Stunden“.16 Aller-
15 Peggy Fiebig, Bundesrechtsanwaltskammer, in Henrik Wieduwilt, „Zum Anwalt surfen“, FAZ v.
21.6.2009.
16 Conny Leuschner vom Anwaltsverzeichnis Foris, in Henrik Wieduwilt „Zum Anwalt surfen“, FAZ v.
21.6.2009
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304 Online-Akquise
dings ist Vorsicht geboten: Weicht der Fall auch nur etwas vom Standard ab, kann die
Beratung schief gehen.17
1
Tipp
In der Regel sind diese Portale für Anwälte nicht lukrativ. Allerdings zählt für sie das Marketing: Einerseits können sie sich auf der Webseite der Anbieter mit einem Profil darstellen, andererseits durch
Beantwortung von Fragen direkt Mandate akquirieren und außerdem auf Bewertungen verweisen, die
sie als direktes Feedback („hilfreich“, „nicht hilfreich“ oder sogar „Volltext“) für ihre Beratungen
bekommen. Für ihre Listung zahlen Anwälte je nach Portal um die € 200,–/Jahr.
Online-Rechtsberatung ist als Akquiseinstrument eher umstritten: Viele Einzelfallmandate ohne weiter führendes Potenzial, die geringe Frustrationstoleranz
mancher Anfrager und der beständig lauernde Eindruck von „Dumping“ nach außen
als auch die objektive Unterbezahlung deuten eher auf fehlende langfristige
Perspektiven.
7. Reputation ist verletzungsanfällig
Langsam optimiert – schnell ruiniert! Reputation ist durch das Internet verletzungsanfälliger geworden. Daher lohnt sich für viele Kanzleien die Kontrolle ihrer Reputation durch das Reputations-„Monitoring“.
Meldungen, Andeutungen, Berichte, die mittelbar oder unmittelbar Ihre
Kanzlei bzw. Ihre Person betreffen, werden „gescannt“, Falschmeldungen gelöscht,
Bedrohungen beseitigt, Daten aktualisiert, deren Änderung überwacht, Einträge
in Blogs kommentiert und Diskussionen ergänzt. Unzufriedene Mandanten können
sehr leicht – und völlig unabhängig von der tatsächlichen „Mitschuld“ ihres
Anwalts – in Foren, Blogs und Bewertungsportalen dauerhaft das (Internet-) Image
einer Kanzlei beschädigen. Das gefährdet, sofern die „gepostete“ Kritik unkommentiert bleibt, den wirtschaftlichen Erfolg.
Aktives „Monitoring“ heißt die Lösung. Sie wird auch von Profis angeboten
(„Online Reputation Management“) und kümmert sich auch um die aktive und
kongruente Positionierung der Aktivitäten einer Kanzlei, z. B. durch tagesaktuelle
Urteile, einen verschlüsselten Mandantenbereich (wird als Bonus verstanden),
attraktive Schlagwörter, die „Wochenschau“ (aktuelle Videobotschaften zu aktuellen Rechtsthemen), ständig aktualisierte Fotos oder durch Kommentare von Presseberichten.
17 Vgl. Peggy Fiebig, Bundesrechtsanwaltskammer, in Henrik Wieduwilt, „Zum Anwalt surfen“, FAZ
v. 21.6.2009.
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I. Das Internet verändert Akquisekulturen – sieben Ideen zum Mitmachen 305
Die Reputation, die eine Kanzlei ohne Internet erwarb, zeigt sich im Internet
auch. Beide Auftritte sollen sich ergänzen und zueinander passen. Mandanten
honorieren diese Art von Kongruenz besonders nachhaltig, wie das folgende Beispiel zeigt:
Best Practice
„Wir können durch mehrere gezielte online Marketingmaßnahmen eine deutlich zunehmende Resonanz feststellen. Diese dürfte bei etwa 30–40 % liegen. Nachdem wir zuvor 10–15 Mandatsanfragen
täglich verzeichnen konnten, sind es nun häufig 20 oder mehr.
Wir nehmen aus unterschiedlichen Gründen nicht alle als Mandat an. Insbesondere scheint sich
auswirken, dass wir fast täglich die von uns erzielten Prozesserfolge mit den dazu gehörigen Aktenzeichen und darüber hinaus zahlreiche Pressebulletins veröffentlichen. Diese Berichte werden mit
populären und häufig gesuchten Schlagwörtern betitelt („Fehlgeschlagene Schönheitsoperation“,
„Spritze von Aushilfspfleger“ etc.).
Bei diesen Marketingmaßnahmen dürfte es sich allerdings nur um einen Mosaikstein des Erfolges handeln. Meine fast 20-jährige, durchaus anstrengende Aufbauarbeit, die Spezialisierung auf ein
„Nischenprodukt“, die systematische Weiterbildung sämtlicher juristischer Mitarbeiter, ausgedrückt
u. a. in Zusatzqualifikationen und meine regelmäßigen Vorträge seit der „Gründerzeit“ haben gewiss
den Löwenanteil an der Reputation unserer Kanzlei.
Gerade Opfer von medizinischen Behandlungsfehlern sind besonders kritisch bei Suche und
Auswahl des geeigneten, kompetenten Rechtsvertreters. Sie recherchieren lange in Presse, Umfeld
und Internet und vergleichen Anwälte durch direkte Rücksprachen oder durch die Erfahrungen von
Verbänden, Krankenkassen etc.
Unsere Leistungen werden hauptsächlich durch unsere Mandanten selbst und durch Patientenstellen weiter getragen. Krankenkassen, Versicherungsunternehmen, Betroffenenverbände, Verbraucherzentralen, Journalisten, vor allem aber Anwaltskollegen, Mediziner und Gutachter erweisen sich
ebenfalls als effiziente Multiplikatoren.
Wir sprechen in unseren Fallbeschreibungen und im direkten Kontakt die Sprache unserer Mandanten, die in unseren regelmäßigen Mandantenbefragungen vor allem unsere Menschlichkeit und
Hilfsbereitschaft erwähnen.“
Dr. Dirk C. Ciper LLM, Fachanwalt für Medizinrecht, Berlin, Düsseldorf, Tel.: 030-8532064 oder 0211556207
1
Tipp
Ihre Online-Reputation stützt oder stürzt Ihre „live“-Reputation; im Idealfall sind beide Auftritte
kongruent, vermitteln also dieselben Werte: Verlässlichkeit, Punktgenauigkeit, Verständlichkeit,
Servicebereitschaft. Sobald einer Ihrer Werte im Internet torpediert wird, auch durch Kleinigkeiten,
bekommt auch Ihr „live“-Image Risse.
Etablieren Sie ein „Monitoring“! Auch der kleinste Mandantenkommentar wird durch Sie oder
Ihre Mitarbeiter kommentiert, auch positiv durch Dank und weitere Beispiele! Oft lohnt sich bei einer
„genörgelten“ Kritik ein direkter Kommentar durch Ihre Kanzlei nicht. Als sinnreicher hat es sich
erwiesen, regelmäßige positive Meldungen zu „posten“ statt die negativen durch einen Kommentar
aufzubauschen.
1
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306 Online-Akquise
II. Ist Ihre Webseite K _ R _ E _ A ­_ T _ I _ V?II.
Ist Ihre Webseite eigentlich kreativ? Nein? Sollte sie aber sein! Der Besucher soll verleitet werden, lange zu bleiben und schnell und oft wieder zu kommen. Er soll ein
Lieblingsgast sein. Ihre KREATIV-Checkliste wird ihn dazu bewegen.
■■ K
–– Kontaktdaten sofort auffindbar?
–– Kostenlose Downloads, Checklisten, Artikel, Newsletter, Urteile, Blogs?
–– Klar aufgebaut und übersichtlich: Wo ist was? Schrift groß genug?
–– Kritik und Lob schriftlich möglich? Feedback-Formular? Protokoll-E-Mail an den
Sender?
–– Kompetenz kommuniziert? (Veröffentlichungen Referenzen, Seminare, Gästebuch)
–– Kontrolle der Zugriffszahlen eingerichtet?
1
Best Practice
„Durch „Google analytics“ (bereits vor 6 Jahren kostenlos installiert) beobachten wir akribisch das
Verhalten unserer Webseitenbesucher. Die Ergebnisse werten wir sorgfältig aus. Wir überarbeiten
unsere Webseite nach diesen Ergebnissen etwa alle zwei Jahre komplett neu.
Seit Beginn 2012 kommen 70 % unserer neuen Mandanten über die Webseite zu uns. Im April
2012 hatten wir im Ganzen 1422 Besucher, die 3900-mal eine unserer Inhaltsseiten aufriefen. 72 %
dieser April-Besucher waren erstmals zu Gast. Wir ermitteln auch die Wirksamkeit der eingegebenen Keywords. Von den Aprilbesuchern gaben 96 Personen die Nachnamen der Partner an („Lyck“ +
„Pätzold“), 30 lediglich die beiden Begriffe „Facebook“ + „Arzt“.
Wir haben seit kurzem einen Blog in die Webseite eingebunden; dort veröffentlichen wir regelmäßig kurze, verständliche Gerichts-Entscheidungen oder auch Marketing-Anforderungen an Arztpraxen.
Unser eigener „You-Tube-Channel“ fasst in 10–20 Kurzfilmen (Zahl variiert ständig, und immer
kommen neue Filme dazu) in einfachster Sprache unser Angebot zusammen.“
Rechtsanwältin Katri Helena Lyck, Lyck & Pätzold Medizinanwälte, Bad Homburg, Tel.: 06172- 139960
R
–– Rechtsgebiets-Nutzen eher erklärt als das Rechtsgebiet?
–– Reputation durch Kundenstimmen, Gästebuch, Vorträge, namhafte Mandate erläutert?
–– Rundschreiben bereitgestellt in eigener Rubrik?
–– Rubriken auch zum Mitmachen eingestellt?
■■ E
–– Einfache Navigation, ohne auf die Startseite zurück zu müssen? Stichworte?
–– Emotionale Ansprache? Sprache der Zielgruppe? Farben, Bildsprache, Symbole,
Motive?
■■ A
–– Auffindbar (SEO)?
–– Attraktiv? Anschaulich?
■■
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II. Ist Ihre Webseite K _ R _ E _ A ­_ T _ I _ V? 307
–– Aktuell? Tagesaktuelle Kommentare?
–– Anwälte mit Foto, Kompetenzen, Leitspruch und Kontaktdaten, besonders
E-Mail-Adresse?
–– Assistentinnen bei der Arbeit fotografiert? Mit Namen, E-Mail-Adresse und Leitspruch?
–– Anfahrtsskizzen eindeutig? (nicht aus Google Maps kopieren!)
–– Abonnement Ihres Newsletter möglich per RSS-Feed?18
–– Anfrageformular sendet automatisch eine Kopie an den Anfrager?
■■ T
–– Texte enthalten Nutzen der Leser? Verständlich? Juristenvokabular und Bleiwüsten abgeschafft?
–– Taktik: Aufmachung für Suchmaschinen optimiert und für Leser attraktiv?
■■ I
–– Innovativ? Prospektlyrik vermieden? Moderner Anstrich?
–– Informationen sofort auffindbar? Sexy aufgemacht? Kostenlos? regelmäßig Neues?
■■ V
–– Verständliche Texte?
–– Videos eingestellt?
–– Vortragskalender veröffentlicht?
–– Vernetzung mit anderen Seiten, „Social Media“, Facebook-Button, Links zu Vereinen, etc.
–– Veröffentlichen: Presseliste, Aufsatzliste, Buch, Stellungnahmen, Manuskripte.
Erfolgstipps
– Telefonservice besonders geschult? Erstanrufer vergleichen mit dem Online-Eindruck!
– Ihre Webseite muss gefunden und gepflegt, nicht nur gemacht werden!
– Gehen Sie in soziale Netze, wenn Ihre Wunschmandanten das auch tun!
– Erarbeiten Sie sich eine Online-Reputation, pflegen und kontrollieren Sie sie!
– Gestalten Sie Ihre Webseite K _ R _ E _ A _
­ T _ I _ V!
18 RSS = engl. Really Simple Syndication speichert Artikel einer Webseite oder dessen Kurzbeschreibung und stellt sie maschinenlesbar bereit, wird vor allem für Blogs und für Newsletter verwendet.
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Public Relations
100 % indirekte Akquise
Erfolgreiche Anwälte überdenken ihre öffentliche Wirkung nicht erst, wenn
Umsätze zurückgehen, sondern bereits, wenn sie kurz davor sind, den ersten Umsatz
zu generieren. Sie greifen zu diesem Zweck auf drei Kategorien von Öffentlichkeitsarbeit zurück:
–– Marketing1 klärt eine bestimmte Zielklientel durch bedarfsgerechte Vorträge,
Artikel, In-house Veranstaltungen und Inhalte auf der Webseite darüber auf, was
der Anwalt kann.
–– Werbung2 etabliert öffentlich platzierte, bezahlte, sichtbare bzw. hörbare Anzeigen, Plakate, Podcasts, Werbeaufschriften auf Fenstern, Autos, Einkaufswagen,
Laternenmasten, Schirmen und Fahrradständern, durch Anzeigen, Weihnachtsund Grußkarten, Flyer, Broschüren, Radio- Kino- und Internetspots.
–– Public Relations etabliert Methoden, durch die sich andere über die Leistung
der Kanzlei äußern. Pressekontakte, Pressekonferenzen, Kolumnen, Interviews,
Kriseninterventionen. PR fördert das Sprechen anderer über die Kanzlei.
Damit letzteres auch bei prominenten Mandanten oder besonders imageträchtigen Mandaten der Fall ist, bekommen diese Gruppen Litigation3-PR-Agenturen zur
Seite gestellt. Sie entwerfen mit dem Anwalt zusammen PR-Strategien.
Anwälte aktivieren also ihre Medienarbeit in alle strategisch sinnvollen Richtungen: Kulturelle Veranstaltungen, Reim-Reden bei Karnevalssitzungen, pro
bono Mandate (die Rechtsgeschichte schreiben) sowie besonderes soziales Engagement und Sponsoring, über das Medien berichten, tragen ebenfalls dazu bei, dass
andere über die anwaltlichen Leistungen reden.
Dieses Kapitel wird in zwei Abschnitten Ideen liefern, durch die Sie Ihre Medienarbeit neu einrichten, intensivieren oder in Spezialfällen zur Imagewerbung
nutzen können.
I. Eine Kanzlei ohne PR ist wie ein Klavier ohne Tasten
II. Litigation-PR: Öffentlicher Druck kann das Recht lenken
1 Vgl. das Kapitel „Kanzleimarketing“.
2 Vgl. das Kapitel „Werbemaßnahmen“.
3 „Litigation-PR = prozessbegleitende Kommunikation bzw. Öffentlichkeitsarbeit.
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310 Public Relations
I. Eine Kanzlei ohne PR ist wie ein Klavier ohne TastenI.
Tue Gutes – und lass andere darüber reden! Dies könnte das Motto von Public
Relations sein. Als Untergruppe des Kanzleimarketings erzeugt eine kluge PR langfristige, breit gestreute Imagegewinne.
Eine PR-Strategie ist darauf ausgerichtet, dass andere als der Anwalt selbst
über den Anwalt reden. Journalisten und viele andere Multiplikatoren agieren an
der Schnittstelle zwischen Kanzlei und Öffentlichkeit: Redakteure, Richter, Gegner,
Verbände, Staatsanwaltschaften, Vereine, Behörden, Mandanten, Mitarbeiter, Vermieter und viele andere sprechen über Anwälte. Sie sind längst nicht alle mit diesen
persönlich in Kontakt, sondern lesen und hören nur über sie. Wenn das geschieht,
ist die Medienarbeit gut.
Eine Kanzlei ohne Medienarbeit riskiert, dass über ihre Kompetenzen
nicht außerhalb des Hauses geredet wird. Wenn das wiederum geschieht, beginnen Anwälte, selber ihre Kompetenzen zu erklären. Da sie das nicht gelernt haben,
geraten Statements in eigener Sache in aller Regel zu angeberisch, zu kompliziert
oder zu schüchtern.
Eine eigene Medienarbeit lohnt sich, auch wenn sie Profis engagieren. Freiberufliche Texter oder gar – wie in Großkanzleien üblich – eigene PR-Mitarbeiter
kosten weit weniger Geld als sie einbringen.
Hier sind einige Tipps, durch die Sie Ihre PR-Arbeit – selbst oder durch Profis –
optimieren können:
–– Wählen Sie als „Pressesprecher“ Ihrer Kanzlei eine Plaudertasche: kommunikativ, eloquent, sympathische Ausstrahlung, angstfrei, aktiv und themensicher.
–– Suchen Sie Themen aus, auf die Journalisten anspringen. Das sind entweder
solche, durch die sie ihre Zeitungen verkaufen (hoher Lesernutzen) oder die in
ihr Spezial-Thema passen. Interessant sind Rechtsthemen, die den Leser oder
Hörer direkt oder indirekt beeinflussen, bedrohen, bestätigen oder einschränken.
–– Erstellen Sie Medieninformationen (Pressemitteilungen, Pressemappen), die
die Interessen der Medien bedienen. Sagen Sie nicht zuerst, was Sie (gemacht)
haben, sondern was daraus der Nutzen für die Leser ist.
–– Mieten Sie Profi-Texter und bieten Sie ihnen ein effizientes Briefing – sonst
sind auch sie machtlos!
–– Bieten Sie fertige E-Mail-Interviews an, sobald in Ihrem Rechtsgebiet relevante
Neuerungen auftauchen.
–– Seien Sie schneller, verbindlicher, kreativer und unnachgiebiger als Ihre
Konkurrenz!
–– Kommentieren Sie auf Facebook alle greifbaren Events und privaten Postings
aus Rechtssicht! Das ist bislang ein völlig unentdecktes Feld – besonders für
Allrounder: Privat gepostete Fotos von Unfällen, gequälten Tieren, Randale im
Fußballstadion, Urlaubsfotos von Kakerlaken in der Dusche, ungesicherten
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II. Litigation-PR: Öffentlicher Druck kann das Recht lenken 311
Zäunen in Kindertagesstätten, Konzertverschiebungen, fristlosen Kündigungen,
falscher Haarfarbe beim Friseur etc. rufen geradezu nach einer rechtlichen Einordnung.
Fassen Sie sich kurz. Bringen Ihre Aussagen zu komplizierten Rechtsthemen
auf den Punkt – damit Ihre Kanzlei auch zitiert wird.
Kommentieren Sie die aktuelle Gesetzgebung alle zwei Wochen unter Suchmaschinenoptimierter Überschrift auf Youtube, Ihrer Webseite und auf Ihrer
Facebook-Fanpage. Diese Botschaften haben alle dasselbe Intro: Logo Ihrer
Kanzlei + Musik + Überschrift für diese Reihe. Die Filme sollen sich sehen lassen
können.
Organisieren Sie selbst Umfragen in der Branche, in der Ihr Rechtsrat benötigt
wird. Veröffentlichen Sie die Ergebnisse auf Ihrer Webseite (Sucher müssen es
dort wiederfinden) und bieten Sie die Ergebnisse in relevanten Medien an!
Gewinnen Sie die Macher von Rechtsberatungshotlines für sich. Werden Sie
dort Rechtsexperte.
Ermitteln Sie die Spezialisierung von Journalisten und segmentieren Sie Ihre
Informationen nach Branchen.
Fachartikel stützen Ihre Reputation! Werden Sie niemals müde, sich bei Fachmagazinen vorzustellen. Anwaltliche Beiträge sind gefragt, solange sie nützlich
und verständlich für die User sind.
II. Litigation-PR: Öffentlicher Druck kann das Recht lenken4II.
Kriminelle Manager, gefeuerte Kassiererinnen, prominente Vergewaltiger, betrogene
Anleger, mordverdächtige amerikanische Kindermädchen in Italien und Veranstalter
von Massen-Facebook-Parties haben mindestens zwei Gemeinsamkeiten: Sie haben
–– eine breite Öffentlichkeit für oder gegen sich, und das sowohl im laufenden
Prozess als auch vorher und nachher sowie
–– Anwälte, die mit dieser Öffentlichkeit rechnen und daher mit Litigation-PRBeratern zusammen arbeiten.
Beispiel
„Öffentlicher Druck kann das Recht lenken“5 titelte die FAZ im Oktober 2011 über den Freispruch im
so genannten „Amanda-Prozess“: die Angeklagte war das amerikanische Mädchen Amanda Knox,
Austauschstudentin in Perugia/Italien. Im ersten Verfahren war sie zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt
und im Berufungsverfahren zwei Jahre später frei gesprochen worden.
4 Jörg Bremer, „Freispruch, keine Klärung“, http://www.FAZ.net/ v. 3.10.2011 über die Rolle von
Litigation-PR in deutschen Gerichtssälen.
5 Jörg Bremer, „Freispruch, keine Klärung“, http://www.FAZ.net/ v. 3.10.2011.
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5
312 Public Relations
Sie offenbarte der Öffentlichkeit in dieser Zeit einen vollständigen Imagewechsel und mutierte
vom sexbesessenen „Engel mit den Eisaugen“ zum lieben, neugierigen und sehr sportlichen amerikanischen Mittelklasse-Traum, der unschuldig von der anti-amerikanisch eingestellten Justiz Italiens
gequält wurde.
Hinter diesem Imagewechsel stand eine perfekt inszenierte Kampagne von Litigation-PR, die
erstmals durch diesen Fall eine breitere deutsche Öffentlichkeit erreichte.
1. Litigation-PR – viel gerühmt und wenig bekannt
Litigation-PR ist ein Hilfsmittel. Sie stellt einen Imagegewinn und eine langfristige
Reputation des Anwalts und seines Mandanten sicher. Wer einmal einen Litigation-PR-Berater engagiert hat, tut es wieder. Bislang engagieren deutsche und
österreichische Kanzleien einen Litigation-PR-Berater in (einer oder in einer Kombination der) folgenden Situationen:
–– Der Mandant sieht sich seit der Veröffentlichung eines Vorwurfs einer medialen Schlammschlacht gegenüber und befürchtet massive Imageschäden für
sich und sein Unternehmen.
–– Die Presseabteilung des Unternehmens eines Mandanten ist ängstlich. Sie
handelt bei strafrechtlichen Vorwürfen zunächst nur nach innen, viel zu
langsam und defensiv. Sie wirkt wie ein langsamer Tanker gegen das Speedboot der Staatsanwaltschaft.
–– Der Mandant plant unpopuläre Managemententscheidungen wie Fusionen
oder Massenentlassungen.
–– Der Mandant löst eine breit gefächerte, positive, öffentliche Identifikation mit
einem Wertekodex aus: Medien, Verbände, Kommunen, Privatorganisationen
rücken zusammen und beziehen Stellung im Kampf „Klein gegen Groß“ oder
„Gut gegen Böse“.
–– Die verfassungsmäßig garantierte Unschuldsvermutung ist lange vor Verfahrensbeginn durch Verdachtsberichterstattung in den Hintergrund gerückt oder
ganz verschwunden.
–– Anwälte sind im Umgang mit Medien unerfahren oder komplett ungeeignet
und reden sich in Anwesenheit von Presse und sogar im geplanten Interview
um Kopf und Kragen.
–– Der Mandant (oder die ihn vertretende Organisation) zahlt die PR Berater.
Auch Bedenken lassen sich derzeit gegen Litigation-PR ausmachen. Deutsche
Anwälte
–– wissen nicht, dass es so etwas in Deutschland gibt,
–– haben in Deutschlang wenig Vergleichsmöglichkeiten bei Anbietern,
–– überzeugen ihre Mandanten nicht davon oder raten selbst ab („zu aufwändig“),
–– können das Ergebnis nicht garantieren,
–– scheuen die weiteren Kosten,
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II. Litigation-PR: Öffentlicher Druck kann das Recht lenken 313
–– haben Imagebefürchtungen: Mandant und Öffentlichkeit bewerten nicht mehr
die Arbeit des Anwalts, sondern eher die der Öffentlichkeitsarbeit,
–– glauben, nicht, dass deutsche Gerichte maßgeblich beeinflussbar sind
(anders als das Jury-System mit Laienrichtern in USA),
–– möchten sich nicht mit Staatsanwälten auf eine Stufe stellen und die Presse
offensiv einbinden, sondern bevorzugen die „ehrliche Konfrontation“ mit dem
Rechtsstaat (besonders Strafverteidiger).
In Deutschland war Litigation-PR bereits behilflich bei der schnellen Beilegung
von gerichtlich oder vorgerichtlich ausgetragenen Konflikten. Hier einige ErgebnisBeispiele:6
–– Banken entschädigen Mittelständler oder Kommunen, die durch ihre Finanzprodukte geschädigt wurden.
–– Hersteller fehlerhafter Produkte einigen sich mit ihren geschädigten Kundengruppen.
–– Umweltfrevler entschädigen Betroffene oder lassen von ihren umweltschädlichen Bauvorhaben ab.
–– Staatsanwälte müssen ihre Ermittlungen einstellen oder in eine andere Richtung lenken.
–– Patentstreitigkeiten zwischen Unternehmen werden früher beigelegt.
–– Arbeitgeber hören auf, Mitarbeiter zu bespitzeln oder abzuhören.
–– Behörden müssen erkennbar absurde Entscheidungen zurücknehmen.
2. Anwälte brauchen Litigation-PR
Dass große PR-Agenturen Juristen anheuern, ist nichts Neues. Umgekehrt jedoch war
das bis vor kurzem in Deutschland weitgehend unbekannt. Anwälte hatten erstmals „die Verbindung von professioneller Medienarbeit und Mandantenakquise“7
erkannt, als Kleinanleger anfingen, im großen Stil Anwälte zu engagieren. Die
ersten Berichte einer PR-Agentur hatten die Geprellten wach gerüttelt und zusammen geschweißt. Sie wurden nun zu „großen Opfergruppen, die ... in Kameras jammerten und vor den Gerichten Plakate schwenkten.“8 Dadurch erhielten Anwälte
plötzlich ungleich mehr Aufmerksamkeit. Beinahe täglich wurden sie interviewt,
um Meinung gefragt und von weiteren Mandanten aufgesucht.
6 Aufzählung von Uwe Wolff, „Das Recht zu kommunizieren“, zitiert nach http://blog.sympra.de/
2010/01/15/litigation-pr-das-recht-zu-kommunizieren/.
7 PR-Berater Stephan Holzinger in: „Manipulation im Gerichtssaal“, FAZ.net.de v. 19.9.2010.
8 Melanie Amann, „Manipulation im Gerichtssaal“, http://www.FAZ.net./ v. 19.9.2010 über die
Rolle von Litigation-PR.
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314 Public Relations
Die Arbeit von Litigation-PR-Agenturen kanalisiert die öffentliche Meinung
und hat zum Ziel, durch öffentlichen Druck das Recht in die gewünschte Richtung
zu lenken. Dieses Ziel eint Unterstützer und auch bezahlte PR-Vertreter oben
genannter Mandantengruppen.
Vor allem Wirtschaftstrafrechtler brauchen Litigation-PR. Gerade Manager
von Großunternehmen und Banker stehen seit 2008 unter besonderer Beobachtung
von Strafverfolgungsbehörden. Die Öffentlichkeit reagiert äußerst empfindlich
auf jegliche justiziable und nicht justiziable Verfehlung von Managern. Der Imageschaden durch Wirtschaftskriminalität geht in die Millionen; der langfristige
öffentliche Vertrauensverlust ist nicht bezifferbar.
Wenn eine solche Straftat öffentlich wird, kann der Anwalt mit seinen eigenen
Kommunikationsmitteln so gut wie nie negative Publicity vermeiden. Selbst nach
einem Freispruch bleibt an der betroffenen Person und vor allem an seinem Unternehmen ein negativer Beigeschmack.
Hier setzt Litigation-PR an: Sie wird verstanden als bewusst gesteuerte und
mittelbar kommunizierte Beeinflussung des Verfahrens und der Öffentlichkeit. In vielen spektakulären Gerichtsfällen ziehen PR-Strategen im Hintergrund
die Fäden. „Manipulation im Gerichtssaal“9 ist eine häufig diagnostizierte Begleiterscheinung davon. Richter und Staatsanwälte sind nicht minder beeindruckt.
3. „Als das Wünschen noch geholfen hat“ – der Mythos vom unabhängigen Richter
Das Dogma der richterlichen Unabhängigkeit entspringt der rechtsphilosophischen
Idee von dem „gerechten Dritten“, der „unvoreingenommen“ und mit Abstand einen
Streit schlichten und gerechte Urteile fällen könne.
Unbefangenheit ist jedoch gehirnphysiologisch gesehen unmöglich: auch
Richter sind ausgestattet mit einem Wahrnehmungsfilter, der jede objektiv wahrnehmbare Information durch ein subjektives Raster filtert. Dieses wiederum ist
gekoppelt an höchst individuelle Werte und Lerngewohnheiten, die auch ihr
Inhaber nicht ausschalten kann.
Wahrnehmungsphysiologisch sind Einflüsse aus Akten, Zeugenvernehmungen, äußeren Bedingungen und berichtenden Medien gleichrangig. Sie sind alle
objektiv vorhanden und werden subjektiv verwertet. Die amerikanischen Versuche, die Jury unter „Wahrnehmungs-Quarantäne“ zu stellen, um ihren Objektivität zu
gewährleisten, belegen dies eindrucksvoll.
Gerade Staatsanwälte haben alle Macht, Vorverurteilungen systematisch zu
lenken und sehen sich bei Strafverfahren in einer Anklagelinie mit den Boule-
9 Melanie Amann, „Manipulation im Gerichtssaal“, http://www.FAZ.net./ v. 19.9.2010 über die Rolle
von Litigation-PR im Fall „Emmely“.
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II. Litigation-PR: Öffentlicher Druck kann das Recht lenken 315
vardblättern („Volkes Stimme“). Sie signalisieren allein dadurch bereits eine engere
Bindung und einen leichteren Zugang zu Journalisten.
Die meisten Strafverteidiger (und viele Kollegen aus anderen Rechtsgebieten)
sind meist zu schwach, um dagegen anzugehen. Sie scheuen aktiv eingeleitete Pressekontakte. Sie sollten in dieser Hinsicht von Staatsanwälten lernen und über eine
Änderung der Machtverhältnisse nachdenken.
Erfolgstipps
– „Public Relations“ = andere sprechen über meine Arbeit. Bringen Sie sie dazu!
– Richten Sie ein PR-Konzept ein. Beliefern Sie relevante Multiplikatoren mit Informationen!
– Bieten Sie sich für Interviews und Stellungnahmen aktiv an!
– Engagieren Sie freiberufliche Texter, PR-Agenturen oder sogar eigene PR-Mitarbeiter!
– Erwägen Sie Litigation-PR bei imageträchtigen Mandaten oder prominenten Mandanten!
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Qualität
100 % indirekte Akquise
„Qualität ist das beste Rezept.“1 Nicht nur der introvertierte Pudding-Milliardär Oetker
schwärmte mitsamt Millionen erleichterter Nachkriegs-Hausfrauen und – eine Generation später – mitsamt Abermillionen begeisterter Tiefkühl-Pizza-Esser von dieser
Erfolgsformel, sondern mit ihm – wenn auch aus anderen Gründen – viele Anwälte
und vor allem deren Kunden.
Nicht erst seit dem Wirtschaftswunder der 50er und 60er Jahre bezeichnet „Qualität“ eine aus Kundensicht stets eher intuitive und selten präzise messbare Größe.
Kunden müssen nicht fachlich spezifizieren, was sie unter „Qualität“ verstehen, um
Qualität beurteilen zu können, denn sie sind die Käufer.
Dieses Kapitel versteht sich als Entscheidungshilfe für Anwälte. Wessen Qualitätskriterien soll die anwaltliche Leistung erfüllen? Und wie geht das? Und: Wie
steht es mit der Akquise-Qualität in Ihrer Kanzlei?
I. Qualität – eine Frage der Wahrnehmung2
II. Qualität liefern heißt: Bedarf erkennen
III. Die große Qualitäts-Checkliste für Ihre Akquise
I. Qualität – eine Frage der WahrnehmungI.
Kunden-Urteile über Produktqualitäten werden fast ausnahmslos subjektiv gefällt,
entscheiden dennoch allein über den Erfolg eines Produktes und kennen nur zwei
Folgen: „kaufen“ oder „nicht kaufen“.
Der Macher eines Autos hält Sachleistungen, wie etwa Kennzahlen, Herstellungsmodus, Sicherheitsgarantien, Motorleistung, Umweltverträglichkeit, beheizbare
Rückspiegel sowie weitere Details der Ingenieurskunst, für Qualitätskennzeichen.
Der Käufer eines Autos dagegen verbindet mit dem Kauf persönliche Werte, wie
etwa Familienfreundlichkeit, Image, Genuss oder Bedienfreundlichkeit. Selbst wenn
Letzterer wollte, könnte er sachliche Qualitätskriterien nicht objektiv bewerten
oder schlüssig vergleichen.
Dasselbe gilt in besonderem Maße für nicht anfassbare, hoch erklärungsbedürftige Produkte wie die anwaltliche Dienstleistung. Mandanten können die
1 Werbeslogan Dr. Oetker, 1980.
2 Hommerich/Kilian, „Qualität – eine Frage der Wahrnehmung“, AnwBl 11/2008, S. 784.
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318 Qualität
Qualität anwaltlicher Arbeit nicht in „der Sache“ beurteilen und schauen – mangels
Paragrafenkenntnis – auf kommunikative Details der Mandatsbearbeitung.
Manche Anwälte dagegen möchten ihre Qualität keinesfalls losgelöst von ihren
Rechtskenntnissen definieren und schauen daher – mangels Empathie – auf eine
Optimierung derselben durch juristische Vorträge, Fachanwaltskurse und monatelange Rechtsprechungslektüre in orangefarbenen Fachzeitschriften.
Dass diese beiden „Qualitätserwartungen“ sich irgendwann zufällig treffen, ist
ungefähr so wahrscheinlich wie eine physische Begegnung von Rhein und Weser.
II. Qualität liefern heißt: Bedarf erkennen und deckenII.
Wo Mandanten die „unbekannten Wesen“ bleiben, merken ihre Anwälte durch rückgängige Umsatzzahlen schnell, dass sie sich diese Art von Desinteresse nicht leisten
können. Sie führen Bewertungssysteme ein, kümmern sich um regelmäßiges Feedback und erfragen Wünsche, um sie zu erfüllen. Sie erhöhen im Kundenkontakt
äußerst effizient ihre „gefühlte Qualität“, optimieren spürbar die Details in der
Mandatsabwicklung und setzen ihre fachlichen Kompetenzen nur noch auf Nachfrage, in Verhandlungen oder in Abwesenheit ihrer Mandanten ein. Zuhören und
Empathie werden zu Königsdisziplinen, Verlässlichkeit zu einem hohen Wert und
Transparenz zu einer alltäglichen Selbstverständlichkeit.
Akquisestarke Anwälte machen sich seit Jahren Gedanken über die Qualitätsanforderungen ihrer Käufer, und das mit großem Erfolg.
1. Qualität ist, was der Mandant darunter versteht
Eine systematische Untersuchung3 von Mandantenanforderungen an ihre Anwälte
beweist, dass Anwälte in den kommunikativen Details von Mandatsannahme und
-abwicklung aus Sicht ihrer Mandanten gut aufgestellt sind:
Thema: Mein Anwalt...
in %
stimmt
indifferent
stimmt nicht
setzte sich intensiv mit meinem Problem auseinander
82
12
5
nahm sich ausreichend Zeit für mich
89
8
2
machte jederzeit einen kompetenten Eindruck
91
6
3
hielt mich über den Stand der Angelegenheit 
auf dem Laufenden
85
8
3
3 Hommerich/Kilian, SOLDAN Institut, „Die Prozessqualität anwaltlicher Rechtsdienstleistungen“,
AnwBl 4/2008, S. 286. Die Antwortmöglichkeit „keine Angabe“ wurde hier nicht berücksichtigt.
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II. Qualität liefern heißt: Bedarf erkennen und decken erklärte rechtliche Angelegenheiten verständlich
91
5
3
bearbeitete meine Angelegenheit immer persönlich
78
9
4
schrieb verständliche Briefe
83
7
5
hielt sich an vereinbarte Termine für Rückrufe und
Stellungnahmen
90
5
2
erörterte ausführlich das Ergebnis,
z. B. von Gerichtsurteilen
76
10
6
vergab unverzüglich Erstberatungs-Termin
94
3
1
war für mich gut erreichbar
88
8
4
war freundlich
94
5
1
hörte aufmerksam zu
92
6
2
319
Zwei Wermutstropfen „bereichern“ allerdings die Studie:
–– Wenn Anwälte von ihren Mandanten als „erfolglos“ oder „teilweise erfolglos“
eingeschätzt wurden, erhielten sie – auch in der Rückschau – negativere Bewertungen über Mandantengespräche, Verlässlichkeit und Transparenz.
–– Wenn „jeder zweite volljährige Bürger in einem Fünfjahreszeitraum mindestens
ein Rechtsproblem hat und 80 % dieser Gruppe sodann einen Rechtsanwalt
beauftragen, werden von Privatpersonen jährlich deutlich mehr als 5 Millionen
Mandate erteilt. Die gering erscheinende Zahl von z. B. 5 % der Mandanten, die
kein Vertrauen in ihren Rechtsanwalt hatten, übersetzt sich in eine absolute Zahl
von immerhin mehreren Hunderttausend solcher Einzelschicksale pro Jahr.“4
2. Arbeitsergebnis beeinflusst die Weiterempfehlung
„Wodurch gewinnen Sie Ihre Mandanten?“ Weiterempfehlungen entpuppen sich bei
dieser Frage als Stütze anwaltlicher Akquise, insgesamt gesehen ist das Weiterempfehlungsverhalten von Mandanten jedoch erstaunlich träge.5 Sowohl gute als auch
schlechte als auch neutrale Nachrichten kennzeichnen diese erstaunliche Erkenntnis.
Gut: Der „gute Anwalt“ erhält auch im Falle des Misserfolgs gute Noten vom
Mandanten. Das Einhalten von Zusagen, realistische Prognosen, eine geschickte
Übermittlung negativer Nachrichten und eine korrekte Kostenabrechnung
4 Hommerich/Kilian, SOLDAN Institut: „Die Prozessqualität anwaltlicher Rechtsdienstleistungen“,
AnwBl 4/2008, S. 286.
5 Das belegen jedenfalls hier zitierte Studien aus dem Jahr 2008. Vermutlich würden neue Untersuchungen, die auch Internet-Foren und Blogs einbeziehen, zu anderen Ergebnissen kommen.
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320 Qualität
können dazu beitragen. 71 % aller befragten Mandanten zeigte sich mit ihrem Anwalt
explizit zufrieden.
Schlecht: Fast die Hälfte der Befragten gab einen (teilweisen) Misserfolg ihres
Anwalts an. Aus dieser Menge gaben wiederum 9 % aller Befragten dem Anwalt eine
Mitschuld am (teilweisen) Misserfolg. Fast die Hälfte der Befragten (44 %) aus dieser
letzten Gruppe hielt ihren Anwalt für unzuverlässig und etwa 33 % hielten ihren
Anwalt für inkompetent. Die mangelnde Erreichbarkeit des Anwalts wurde von
weiteren Mandanten als ursächlich für Niederlagen und negatives Feedback genannt.
Neutral: Wer ein geschäftliches Problem durch einen Anwalt lösen lässt, empfiehlt den Anwalt bedeutend häufiger (60 %) weiter als ein Mandant mit einem privaten Rechtsstreit.
Wer zufrieden mit seinem Anwalt war (61 % der sehr zufriedenen und 41 % der
zufriedenen Mandanten) empfahlen den Anwalt weiter, beim unzufriedenen Rest der
Mandanten fällt die Weiterempfehlungsrate kaum noch ins Gewicht.
3. Empfehlen Sie Weiterempfehlungen
Vorhandene Qualität alleine treibt Mandanten also noch nicht in die Kanzlei. Höchste
Zeit also, die Weiterempfehlungen der eigenen Mandanten zu verdoppeln! Diesem
Plan muss das Mandantenverständnis von „Qualität“ zugrunde liegen. Allein
durch erhöhte Rechtskenntnis und Fortbildungen in Ihrem Fach wird das nicht
gelingen.
Kanzleien haben große Vorteile durch Weiterempfehlungen. Sie sind völlig
kostenfrei, extrem energiesparend und entfalten nachhaltige Marketingeffekte,
da ein anderer als der Anwalt selbst die Vorzüge einer Kanzlei darstellt.
Häufig unerwähnt bleibt dieser besondere Vorteil: Das Ergebnis von Weiterempfehlungen sind „Referenzkunden“. Jeder Mandant, der seine eigenen positiven Erfahrungen mit seinem Anwalt an einen zukünftigen Mandanten weiter gibt,
„vererbt“ sein Vertrauensverhältnis gleich mit. Referenzkunden sind wegen dieses
exklusiven Vertrauensvorschusses besonders leicht zu führen.
Machen Sie die Wirkung Ihrer Qualität erlebbar und machen Sie sich selbst zu
einem „ungewöhnlichen Player“. Hier sind acht vielfach erprobte Tipps, durch
die Sie „altes“ Verhalten ersetzen und die Anzahl Ihrer Weiterempfehlungen durch
den Mandanten steigern:
■■ Beschwerdemanagement ersetzt Angeberei
Große Entwicklungen werfen ihr Licht voraus: Moderne Anwaltskanzleien akquirieren seit Jahren erfolgreich durch die Einrichtung eines professionellen Beschwerdemanagements in ihren Kanzleien. Der pro-aktive und selbstkritische Umgang
mit eigenen Fehlern macht nicht nur auf Mandanten, sondern auch auf Kollegen
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II. Qualität liefern heißt: Bedarf erkennen und decken 321
und auf eigene Mitarbeiter Eindruck und wird allseits honoriert.6 Vermutlich hat
das abgefärbt auf die Bundesrechtsanwaltskammer. Sie hat eine Schlichtungsstelle7
eingerichtet, bei der sich Mandanten seit dem 1.1.2011 offiziell über die Qualität ihrer
Anwälte beschweren können.
Optimieren Sie Ihr Beschwerdemanagement und machen Sie aus jeder Beschwerde ein neues Mandat.8 Nur der laut kritisierende Mandant ist leicht zu
führen. Wer wortlos zum Mitbewerber wechselt, gibt Ihnen keine Chance auf Optimierung und Dialog.
„Ich bin so toll“ hat ausgedient, während „Ich bin angewiesen auf Ihr Feedback,
um meine Qualität zu optimieren“ Sie als furchtlosen und servicebereiten Dienstleister zeigt.
■■ Segment-Marketing ersetzt „Schrotschuss“- Desaster
158.426 Anwälte waren am 1.1.2012 in Deutschland zugelassen, um die 5.000 in Österreich. Zwar verlangsamt sich in beiden Ländern der Anstieg der Zulassungszahlen,
doch statistisch gesehen kommen bereits jetzt auf jeden in Deutschland zugelassenen
Anwalt ungefähr 528 potenzielle Mandanten9.
Wer kann eigentlich so viel Streit machen? Wer braucht so viel Prophylaxe?
Welche Beratungsfelder können noch dazu kommen? „Viele Großkanzleien stehen
für schiere Größe, viele Kleinere stehen für Verzettelung und eher diffuse
Leistungskataloge“.10 Deshalb muss anwaltliches Marketing als langfristiger, kontinuierlicher und integrierter Prozess angelegt sein und nicht als Schrotschuss auf
ein ungewisses Ziel.
Wie geht das? Alle gesellschaftlichen Bewegungen bieten Chancen für eine
Segmentierung. Beispiel: Deutschland veraltet. Überlegen Sie, wenn Sie heute 30 sind,
welche Angebote Sie Menschen über 60 Jahren machen können, denn nur wenn
„sich Menschen über 60 Jahre sowie Frauen in allen Altersklassen deutlich stärker
als heute am Erwerbsleben beteiligen, kann der demografisch bedingte Rückgang des
6 Vgl. zur Akquiserelevanz von Beschwerdemanagement das Kapitel „Kanzleimarketing“.
7 http://www.schlichtungsstelle-der-rechtsanwaltschaft.de/; Die Fälle dürfen max. € 15.000,–
Gegenstandswert haben und müssen anhand von Aktenlage ohne mündliche Verhandlung beurteilbar sein. Ein schriftlicher Antrag ist Pflicht. Schlichter sind keine Anwälte sondern Richter. Die
Richter werden durch einen Beirat unterstützt. Mandanten und Anwälte haben einen Monat Zeit, den
Schlichtervorschlag zu überdenken. Erst wenn eine Partei dagegen ist, geht die Sache vor Gericht.
Anm.: Bis Ende 2010 waren Mandanten-Beschwerden bei der B(RAK) nur über Höhe und Grundlage
der Gebühren möglich, und bislang konnten Mandanten nur auf dem Klageweg Schadenersatz von
einem Anwalt erhalten.
8 Vgl. zur Akquiserelevanz des Beschwerdemanagements das Kapitel „Kanzleimarketing“.
9 SOLDAN Institut für Anwaltsmanagement: „Statistisches Jahrbuch der Anwaltschaft“ 2012, DeutscherAnwaltVerlag, S. 33.
10 Prof. Dr. Christoph Hommerich in: „Akquirieren, akquirieren, akquirieren“ von Marcus Creutz,
Handelsblatt v. 24.5.2006.
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322 Qualität
gesamtwirtschaftlichen Arbeitsumfangs kompensiert werden“.11 Seien Sie schneller
als der Gesetzgeber! Spezialisieren Sie sich auf die Beratung von Fachkräften aus
dem Ausland. Welche Chancen bietet Ihnen die Finanzkrise? Brain-Storming hilft!
■■ Der frühe Fachanwaltstitel ersetzt den Dauer-Allrounder
41.569 Fachanwaltstitel waren im Jahr 2011 vergeben, 11.142 davon an Anwältinnen.12
Die Bevölkerung setzt anwaltliche Qualität durchaus mit einem Fachanwaltstitel
gleich und weiß dennoch nicht, dass der Titel nur durch permanente lebenslange
Fortbildungen gehalten werden kann. Erwähnen Sie das immer in Nebensätzen!
Strategiebewusste Marktneulinge verschaffen sich den theoretischen Teil des
Fachanwaltstitels in einem zukunftsträchtigen Segment bereits während des
Referendariats, meistens während der Anwaltsstation oder der Wahlstation, und
steigen mit diesem in ihre erste Kanzlei ein. Sie wissen, dass die Kosten für die FAKurse für Referendare deutlich niedriger und teilweise oder komplett steuerlich
absetzbar sind. Nach dem 2. Staatsexamen können angehende Anwälte sich als
arbeitssuchend melden und nach § 77 SGB III eine Förderung des Lehrgangs bei der
Arbeitsagentur beantragen.13 Manche Anbieter reduzieren die Kosten auch nach
Ende des Referendariats, so reduziert bspw. die Mitgliedschaft im „Forum Junger
Anwälte“ die Kosten für die Fachanwaltsausbildungen der DeutschenAnwaltAkademie um 10 %, bei bestimmten Kursen sogar um 20 %. Weitere Fördermöglichkeiten
bestehen über die Bildungsprämie der Bundesregierung. Über diese werden bis zu
50 % der Kurskosten übernommen.
Die theoretischen Grundlagen des Fachanwaltstitels verfallen nicht, solange sie
zehn Fortbildungsstunden pro Jahr in ihrem Fachgebiet nachweisen. Da ist es irrelevant, dass der komplette Fachanwaltstitel erst zwei Jahre später möglich wird.
Spezialisierung und Ehrgeiz sind bewiesen. Das rockt die Bühne!
■■ Allianz mit dem Mandantenziel ersetzt das „Narziss“-Image
„Wenn Sie an Rechtsberatung und Rechtsanwälte denken, was fällt Ihnen spontan
dazu ein?“ Diese Frage verleitet nur 30 Prozent der befragten Probanden zu positiven
Assoziationen. Honorarintransparenz und selbstverliebtes Anwaltsverhalten behindern, so die Studie14 weiter, ein nachhaltiges Wachstum der Rechtsberaterbranche.
„Unsere Aufgabe muss es also sein, die Kundenwahrnehmung unserer Qualität als wesentliches Differenzierungsmerkmal zu steigern. Unzufriedene Kunden
betreiben negative Mundpropaganda und erzählen durchschnittlich zehn bis zwölf
weiteren Personen von ihrer Unzufriedenheit.“15
11 Prognos-Geschäftsführer Christian Böllhoff am 19.5.2010 bei der Vorstellung des „Prognos
Deutschland Report 2035“, zitiert nach: www.rp-online.de/wirtschaft/unternehmen.
12 SOLDAN Institut für Anwaltsmanagement: „Statistisches Jahrbuch der Anwaltschaft 2012“,
DeutscherAnwaltVerlag, S. 80.
13 Wendt, „Fachanwalt – Chance für den Berufseinstieg“, JuS 2007, S. 21.
14 Exeo Strategic Consulting AG, Bonn, in: „Akquirieren, akquirieren, akquirieren“, von Marcus
Creutz, Handelsblatt v. 24.5.2006.
15 Kölner Anwalt Henrich J. Potthast, Referent beim DAT 2006 zum Thema „Qualität verkaufen“, in:
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II. Qualität liefern heißt: Bedarf erkennen und decken 323
Diese Forderung erfüllen Sie im Mandantenerstgespräch! Der eine Kunde
braucht viel Empathie, der andere viel Struktur. Der eine will viel sprechen, der
andere viel hören. Der eine braucht Small Talk, der andere hasst ihn. Der eine ist
voller Sorge, der andere voller Zorn. Der eine hat großes Misstrauen gegen Anwälte,
der andere ist Referenzkunde mit einem gewaltigen Vertrauensvorschuss. Der eine
ist Geschäftsmann und geübt mit Anwälten, der andere hat vor Ihnen Angst. Der
eine braucht sicher gehaltene Zusagen, der andere eine eher taktische Allianz
gegen den „gemeinsamen“ Gegner.16 Ermitteln Sie diese Art von nicht-inhaltlichen
Bedarfen und decken Sie sie! Zuhören ist die Königsdisziplin; wer viel redet, disqualifiziert sich!
■■ Erreichbarkeit ersetzt unwillige Audienzen.
Nach Angaben einer Spezialistin für Marketingfragen in Steuerberatungskanzleien17
kommen 70–80 % der neuen Mandanten über eine Weiterempfehlung, ohne dass
dort besonderer Wert auf die Förderung dieses Weges gelegt würde. Das ist in
Anwaltskanzleien ebenfalls zu beobachten: Mandanten müssen das Gefühl haben,
dass Sie Zeit haben. Verlässlichkeit, Erreichbarkeit und insbesondere ein diszipliniertes Rückrufverhalten sind Voraussetzungen für ein nachhaltiges Qualitätsempfinden beim Mandanten.
Erreichbarkeit ist übrigens, anders als Rückrufe, eine B-Aufgabe, also in vollem
Umfang an eine rhetorisch geschulte Assistentin delegierbar, die die Erreichbarkeit ihres Chefs „gefühlt“ sicherstellt, auch wenn er 1000 km entfernt ist. Dazu
braucht sie präzise Anweisungen.
■■ Die „Marketingfrage“18 ersetzt unsinnige Geldausgaben
Die Marketingfrage gehört in jedes Erstgespräch mit dem Mandanten und evaluiert
die Wirksamkeit Ihrer Marketinginstrumente! „Wodurch wurden Sie auf unsere
Kanzlei aufmerksam?“ Stellen Sie diese Frage nur, wenn Sie die Antwort auswertbar festhalten; sie verkommt sonst zu einem Saison-Trend, abgeschaut aus modisch
appellativen Marketingbüchern und ohne jede Verbindung zu Ihrem Kanzleiziel. Ihre Kanzleisoftware sieht die Möglichkeit der detailreichen Datensicherung mit
hoher Wahrscheinlichkeit vor.
Schon in der Einleitung dieses Buches lesen Sie die Warnung: Akquise ist nicht
an sich teuer; die Unkenntnis über die Wirkung der für sie verwendeten Marketingmethoden schon. Wozu sollten Sie ein weiteres Jahr die umrandete Anzeige in
den Gelben Seiten bezahlen, wenn niemand durch sie in die Kanzlei kommt? Die Antworten auf Ihre Frage zeigen, welche Ihrer Akquisemaßnahmen erfolgreich sind
„Akquirieren, akquirieren, akquirieren“, von Marcus Creutz, Handelsblatt v. 24.5.2006.
16 Vgl. das Kapitel „Mandantengespräche“.
17 http://www.Kanzlei4you.com, Angela + Erwin Hamatschek.
18 Vgl. dazu das Kapitel „Mandantengespräche“.
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324 Qualität
und welche nicht. Weisen Sie Ihre Assistentin an, wie sie mit der Dokumentation
und mit der Datenerfassung umgehen soll.19
■■ Die Mandantenbefragung ersetzt Vermutungen
Mandantenbefragungen sichern Ihre Qualität. Wer Mandantenbefragungen nicht
nur macht, sondern ihren Ergebnissen tatsächlich folgt, ist der Konkurrenz immer
um Längen voraus. Halten Sie nicht nur fest, wer Sie wie oft empfiehlt oder empfehlen würde, sondern vor allem: Wodurch genau! Lassen Sie den Mandanten
niemals nur ankreuzen „auf einer Skala von 1–6“ (mutet an wie in bemühten Hotels),
sondern lassen Sie Platz für Freitext, den Sie durch offene Fragen einleiten. „Was
hat Ihnen besonders gefallen?“ und „Was können wir optimieren?“ In manchen
Kanzleien werden umgesetzte Vorschläge prämiert. Denken Sie darüber nach,
Gutscheine zu verschenken für ein Essen beim Italiener zu zweit oder für ein Sportereignis! Honorieren Sie die Bemühungen Ihrer Mandanten, Ihre eigene Qualität zu optimieren! Siedeln Sie das „Honorar“ immer bei Nebenleistungen an, die
nichts mit der Kanzlei zu tun haben. Lassen Sie sich Stärken und Schwächen Ihrer
Kanzlei stets aus Mandantensicht erläutern. Der Mandant ist Außenstehender und
hat als Nutzer Ihrer Dienste die unbestrittene Kompetenz dazu, denn: Kommunikation ist immer Wirkung, nicht Absicht! Was Sie bewirken, ist Fakt, und Fakten
schaffen Sie auch, wenn Sie das nicht vorhaben. Verwenden Sie nach Rücksprache das Feedback für Blogs, Gästebücher, Facebook, Webseite etc. Besonders
wenn Sie eine „Cross-Selling“ Möglichkeit sehen, verwenden Sie das Instrument des
„Abschlussgesprächs“20, in dessen Verlauf Sie selbst den Feedback Bogen durchgehen. Alternativ kann das auch sehr gut Ihre Assistentin am Telefon erledigen. Sie
erhält durch diese Aufgabe einen eigenen, von innerer Autorität gekennzeichneten Status dem Mandanten gegenüber! Das spart allseits viel Zeit und Energie und
macht Eindruck auf den Mandanten.
■■ Begeisterungsqualität ersetzt Neutralität
Erhöhen Sie Ihre „Weitertratschquoten“ durch Begeisterungsqualität! Wer
bekommt, was er erwartet hatte, ist lediglich zufrieden, und zufriedene Mandanten
machen von sich aus keinerlei Publicity für ihren Anwalt. Wenn sie nach einem
Anwalt gefragt werden, sprechen Zufriedene in neutralen Worten oft ohne aktive
Empfehlung über ihren Anwalt.
Begeistert ist Ihr Mandant erst, wenn Sie seine Erwartungen übertreffen!
Wenn er eine verbindliche und herzliche Begrüßung erwartet, ist er bei deren Eintritt lediglich zufrieden; begeistert könnte er sein über das unerwartete MandantenTablet im Wartezimmer.
19 Vgl. das Kapitel „Assistentin“.
20 Mehr über Abschlussgespräche zur Einleitung einer Mandatsausweitung im Kapitel „CrossSelling“.
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III. Qualitätscheck: Ist Ihre Kanzlei reif für die Akquise? 325
Der Begeisterte wartet mit seiner Weiterempfehlung nicht, bis er von anderen
nach einem guten Anwalt gefragt wird, sondern berichtet über diesen spontan.
Er spricht – statistisch gesehen – eine einfache(!) unverlangte Empfehlung aus,
während der unzufriedene Kunde – statistisch gesehen – eine zehnfache unverlangte(!) Antiwerbung für die Kanzlei macht.
Zufriedenheit entsteht also, wenn Sie Erwartungen erfüllen, Begeisterung entsteht, wenn Sie Erwartungen übererfüllen. Daraus folgt: Überraschen Sie Ihren
Kunden durch Spielecken für die Kinder im Wartezimmer, durch die namentliche,
herzliche Begrüßung durch die Empfangsassistentin, durch Ausreden lassen, pünktliche Rückrufe, schnelle Erledigung, Anrufe bei ihm zuhause, Transparenz beim
Honorar, verständliche Sprache etc. Produzieren Sie niemals Enttäuschung; das
ruiniert Ihre Reputation21.
Tipp
„Unverlangte Publicity“ macht nur der begeisterte Kunde, nicht der zufriedene.
III. Qualitätscheck: Ist Ihre Kanzlei reif für die Akquise?III.
„Gut wenn sich Kompetenzen ergänzen.“22 Die jetzt folgende 120 Fragen umfassende
Checkliste erlaubt Ihnen einen Überblick über Qualität und Nachhaltigkeit von
Akquisestrategien in Ihrer Kanzlei. Hier kommt eine vielfach erprobte Anleitung
zum Einsatz der Checkliste:
Verteilen Sie Kopien dieser Fragen, und lassen Sie sie getrennt von allen
Anwälten Ihrer Kanzlei beantworten. Diskutieren Sie die Antworten in Ihren nächsten Kanzleiversammlungen.
Beginnen Sie spätestens etwas zu optimieren, wenn Sie mehr als 20 Mal „nein“
ankreuzen. Beschränken Sie sich dabei auf wenige Gebiete, die für Ihre Kanzlei
wichtig sind oder werden sollen. Streichen Sie Punkte komplett weg, die für Sie
irrelevant sind. Weniger ist mehr, und ein definiertes Kanzleiziel23 verhindert Verzettelung.
Delegieren Sie Aufgaben zur Einrichtung von Akquisemethoden, kontrollieren Sie das Delegierte und vereinbaren Sie mit Ihren Mitarbeitern, bis wann eine
Aufgabe erledigt werden soll. Lassen Sie sich das Ergebnis zu einem gemeinsam festgelegten Zeitpunkt präsentieren. Delegiertes Material setzt eine Bringschuld durch
Ihre Mitarbeiter in Gang, nicht eine Holschuld durch Sie! Sie laufen also einem (Zwischen-) Ergebnis niemals hinterher!
21 Vgl. die Tipps im Kapitel „Reputation“.
22 Werbeslogan der Sparkasse, 2005.
23 Vgl. das Kapitel „Zielführung“.
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1
326 Qualität
Sie werden auf viele Einwände, Ideen und manchmal auf Richtungsstreits
treffen. Cool bleiben! Jeder Einwand ist (aus der Sicht seiner Inhaber) berechtigt.
Würdigen Sie das. Sprechen Sie die guten Absichten hinter dem Einwand aus und
arbeiten Sie stets mit offenen Fragen: Wie sollen wir die Wettbewerbsfähigkeit
unserer Kanzlei sicherstellen? Was ist Ihr Vorschlag? Wie können wir sicherstellen,
dass unsere bestehenden Mandanten nicht für das nächste Mandat zum Mitbewerber gehen? Als wer wollen wir am Markt gelten? Was sind unsere Kernkompetenzen? Welche brauchen wir zusätzlich? Wodurch kriegen wir die? Bis wann ist Ihr
erster Vorschlag fertig? Etc.
Falls Sie „nein“ ankreuzen, notieren Sie in dem Feld rechts (getrennt voneinander) Ihren Vorschlag zur Optimierung. Bedenken Sie dabei: Ein Problem zeigt nur
die Entfernung zum Ziel. Gestalten Sie den Weg. Los geht’s:
5
Checkliste
Akquiseaktivität
ja
nein
Optimierung durch:
1. Assistentin:
Ist Ihre Assistentin ausreichend freundlich, 
verbindlich und servicebereit am Telefon?
Wird sie dem Mandanten persönlich vorgestellt?
Schreibt sie Begrüßungs- und Organisationsmails 
vom eigenen Account?
Hat sie ausreichend klare und ausreichend viele 
Anweisungen?
Übernimmt sie eigenständig Terminkalender, 
Rückruf- und Beschwerdemanagement?
Fühlt sie sich ausreichend durch Sie unterstützt?
2. Kanzleipräsentationen
Ist Ihre elektronische Kanzleipräsentation für 
den Kunden interessant?
Ist Ihre rhetorische Präsentation für den Mandanten 
interessant?
Halbieren Sie die Anzahl Ihrer Worte und verdoppeln 
Sie die Anzahl Ihrer Fragen?
Erfragen Sie ausreichend die Interessen des 
Mandanten, bevor Sie loslegen?
Kommunizieren Sie den Mandanten-Nutzen der 
Kooperation ausreichend?
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III. Qualitätscheck: Ist Ihre Kanzlei reif für die Akquise? Akquiseaktivität
ja
nein
327
Optimierung durch:
Spezifizieren und quantifizieren Sie Ihre Leistungen 
ausreichend?
3. Neukundenakquise
Folgen Sie bei der Akquise einem Unternehmensziel?
Sprechen Sie die zu Ihrem Ziel passenden Mandanten 
direkt an?
Sprechen Sie die zu Ihrem Ziel passenden 
Multiplikatoren direkt an?
Sind Sie passend zum Anlass oder zur Zielperson 
zurück haltend / offensiv genug?
Laden Sie telefonisch unbekannte Personen 
zu Vorträgen ein?
Sind Ihre Mandantenveranstaltungen effiziente 
Akquiseveranstaltungen?
4. Ehemalige Mandanten zurück gewinnen
Haben Sie definiert, wen Sie zurück gewinnen wollen?
Wissen Sie, was an Ihrem Verhalten ihn zum Wechsel 
oder zum Weggang bewegt hat?
Sind Sie bereit, eigene Fehler offen einzugestehen?
Haben Sie einen „kleinen, frischen Aufsatz“ parat, 
der den Mandanten interessiert?
Haben Sie Kollegen, die mit Ihnen zusammen den 
Mandanten zurückholen können?
Wissen Sie, was der Mitbewerber besser macht, 
bei dem der Mandant jetzt ist?
5. Derzeitige Mandate ausweiten (Cross-Selling)
Haben Sie definiert, welche Mandate Sie ausweiten
möchten?
Halten Sie fest, was Ihre derzeitigen Mandanten 
zusätzlich benötigen könnten?
Überreichen Sie in diesen Fällen die Rechnung 
während eines Abschlussgesprächs?
Haben Sie für die Ausweitung einen „kleinen, 
frischen Aufsatz“ oder einen Kollegen parat?
Gehen Sie nach dem Mandat aktiv auf Ihre Mandanten zu?
Halten Sie Kontakt?
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328 Qualität
Akquiseaktivität
ja
nein
Optimierung durch:
Honoriert Ihre Kanzlei das „Coss-Selling“ genau 
wie die Neuakquise?
6. Kanzleikommunikation
Ist Ihre Broschüre am Nutzen für den Leser orientiert?
Ist Ihr Newsletter am Nutzen für den Leser orientiert?
Ist der live-Empfang in Ihrer Kanzlei für den 
Mandanten attraktiv?
Ist der Wartebereich für den Mandanten attraktiv?
Wird eine „Corporate Identity“ Ihrer Kanzlei täglich 
sichtbar und erlebbar promotet?
Verwenden Sie eine gut gepflegte Kundenkartei? 
(auch nach innen)
7. Beschwerdemanagement
Rezipieren Sie Beschwerden als Hinweise auf Ihren 
eigenen Lernbedarf?
Ist Ihre Assistentin angewiesen, pro-aktiv auf 
Beschwerden zu reagieren?
Reagieren Sie selbst pro-aktiv auf Beschwerden? 
(notieren, bedanken, umsetzen!)
Fordern Sie Ihre Mandanten offensiv zu Kritik auf? 
(Feedback Bögen, Abschlussgespräche)
Werden Ihre Kritiker über Verbesserungen in der 
Kanzlei informiert?
Sind eingegangene Beschwerden regelmäßig Thema 
Ihrer Partnermeetings?
8. Persönlichkeit
Akquirieren Sie Ihrer Persönlichkeit und Ihren 
Fähigkeiten gemäß?
Wird der akquisestarke Anwalt in Ihrer Kanzlei von 
Alltagsaufgaben frei gestellt? (Of counsel)
Werden introvertiertere Anwälte für die „leise“ Akquise 
(= gute, zügige Arbeit) honoriert?
Werden Einzelkämpfer durch ihre Teams in die 
Schranken gewiesen?
Halten Sie Akquise in Ihrer Kanzlei für notwendig?
Weiß Ihre Umgebung, was Sie unterstützen würde, 
damit Ihre Akquise besser gelingt?
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III. Qualitätscheck: Ist Ihre Kanzlei reif für die Akquise? Akquiseaktivität
ja
nein
329
Optimierung durch:
9. Ziele
Haben Sie ein gemeinsames, erreichbares Unter- 
nehmensziel definiert?
Kennen alle Ihre Mitarbeiter dieses Unternehmensziel 
und folgen ihm?
Werden aufgrund dieses Ziels auch Mandate abgelehnt?
Werden kleinere Zwischenerfolge gemeinsam groß 
gefeiert – und große auch?
Diskutieren Sie offen Hindernisse und Einwände in 
Bezug auf das Ziel?
Merken Mandanten, Mitarbeiter und Ihre Familie 
Ihnen das Ziel an, das Sie verfolgen?
10. Vorträge
Kontaktieren Sie aktiv Multiplikatoren, zu deren 
Veranstaltungen Ihre Wunsch-Mandanten kommen?
Faszinieren Sie durch Ihren Vortrag ihr Publikum?
Teilen Sie den Nutzen Ihres Vortrags noch vor seinem 
Inhalt mit?
Gehen Sie respektvoll und taktisch klug mit allen 
Arten schwieriger Fragen um?
Dialogisieren Sie Ihren Monolog? Beteiligen Sie das 
Publikum? Lockern Sie Ihre Methoden auf?
Visualisieren Sie (auch in PowerPoint) zurück haltend 
und nur in Stichworten?
11. In-house Veranstaltungen
Veranstalten Sie eigene Vorträge? Auch mit anderen
(kleinen) Kanzleien zusammen?
Haben Sie regelmäßig mehr als 20 % Nicht-Mandanten 
unter Ihren Gästen?
Entspricht die Anzahl neu akquirierter Mandate in 
etwa der der anwesenden Nicht-Mandanten?
Erkennen Sie Beratungswünsche der Gäste, 
ohne lange darüber zu sprechen?
Nehmen Sie Small Talk begabte Mitarbeiter aller 
Hierarchien mit in die Veranstaltung?
Schaffen Sie die „Staffelübergabe“? 
(Referent spricht nach dem Vortrag mit allen Gästen)
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330 Qualität
Akquiseaktivität
ja
nein
Optimierung durch:
12. Reputation
Haben Sie sich ausreichend und Akquise erleichternd
spezialisiert?
Stärkt Ihr Verhalten Ihre positive Reputation? 
(Wort-Treue, Rückrufe, Verbindlichkeit?)
Sind Sie ein „Early Mover“? (Früherkennung neuer 
Strömungen + umsetzen in Angebot?)
Dürfen Sie ausreichend viele Referenzmandate 
veröffentlichen?
Reden und schreiben Sie ausreichend viel über das, 
was Sie tun und können?
Sind Ihre Mandanten Ihre wichtigsten Akquisiteure?
13. Telefonakquise
Planen Sie kalte (unverlangte) Anrufe bei Nicht- 
Mandanten? Wen? Wann? Wie? Ziel?
Planen Sie warme (verlangte) Anrufe bei Nicht- 
Mandanten? Wen? Wann? Wie? Ziel?
Rufen Sie ohne Vorkontakte Multiplikatoren 
(Presse, Seminarveranstalter, Initiativen) an?
Laden Sie telefonisch Nicht-Mandanten zu einem 
Vortrag ein?
Speichern Sie Ergebnisse dieser Anrufe in einem 
Extra-Teil Ihrer Kundenkartei?
Versenden Sie ansprechende „kleine frische Aufsätze“ 
als Appetizer?
14. Matching
Verwenden Sie das Vokabular, das Ihr Gegenüber 
benötigt, um Ihnen zu vertrauen?
Verwenden Sie Lautstärke und Sprechtempo so, 
dass Vertrauen entsteht?
Sprechen Sie Befindlichkeiten Ihres Gesprächspartners 
so aus, dass er Ihnen traut?
Übernehmen Sie einen Teil der Körpersprache des 
anderen in Ihr Repertoire?
Verwenden Sie visuelle (nicken) und auditive 
(„ja, verstehe, hab ich notiert“) Zuhörbeweise?
Nutzen Sie visuelle, auditive und kinästhetische Riten? 
(mitschreiben, zitieren, selbst abholen)
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III. Qualitätscheck: Ist Ihre Kanzlei reif für die Akquise? Akquiseaktivität
ja
nein
331
Optimierung durch:
15. Durchsetzung
Ist ein „Nein“ für Sie eine Aufforderung zum Tanz?
Stellen Sie offene Fragen, sobald Sie unsachlich 
angegriffen werden?
Können Sie die selbst geglaubten Einwände Ihrer 
Gesprächspartner drehen?
Ersetzen Sie regelmäßig „ja, aber“ durch „gerade weil“ 
oder „gerade deshalb“?
Reagieren sie freundlich und durch offene Fragen auf 
kritische Bemerkungen?
Verteidigen Sie Ihre Mitarbeiter, Ihr Honorar, 
Ihre Organisation elegant gegen Übergriffe?
16. Honorar
Informieren Sie innerlich locker über die Gegenleistung
(Honorar)?
Halten Sie Ihr Honorar auch bei Einwänden aufrecht?
Leiten Sie Ihre Honorarinformation durch einen 
„Usus“ ein? („Bei uns zahlen alle Mandanten...“)
Fragen Sie bei Einwänden? („Auf welchen Teil 
meiner Leistung möchten Sie verzichten?“)
Bieten Sie pro-aktiv (ohne in Not zu sein!) Nachlass an, 
z. B. bei Stammkunden?
Verzichten Sie komplett auf Rechtfertigungen nach 
Attacken und Honorareinwänden?
17. Mandantengespräche
Sind Ihre Mandantengespräche gut strukturiert, 
effizient – und stärken sie den Mandanten?
Hat Ihre Assistentin das Erstgespräch vorbereitet? 
(Kundendaten, Termin, Unterlagen, Anfahrt...)
Sind Honorarinformation und Marketingfrage integraler
Bestandteil des Erstgesprächs?
Sind Hausaufgaben und Vorstellen der Assistentin 
Bestandteil des Erstgesprächs?
Weiß jeder Mandant am Ende des Gesprächs, wer, 
was, bis wann und wie macht?
Halten Sie alle Versprechen?
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332 Qualität
Akquiseaktivität
ja
nein
Optimierung durch:
18. Feedback
Lassen Sie sich regelmäßig von Ihrer Mitarbeiterin 
kritisieren?
Kritisieren Sie regelmäßig Ihre Mitarbeiter – 
mit detailliertem Verbesserungsvorschlag?
Loben Sie Ihre Mitarbeiter regelmäßig, „echt“ – 
und vor allem mit Begründung?
Bitten Sie Ihre Mandanten um Feedback über Auftritte 
vor Gericht, bei Verhandlung, Schriftsatz?
Bitten Sie Ihre Mandanten regelmäßig um schriftliches 
Feedback in Fragebögen etc.?
Verwerten Sie diese Feedbacks für die Optimierung 
Ihrer Abläufe?
19. Online Akquise
Ist Ihre Webseite aktuell, leicht zu navigieren und 
gut gepflegt?
Ist sie suchmaschinenoptimiert (Test: Eingabe ohne 
Nachname und Stadt) auffindbar?
Hat sie leicht auffindbare, vollständige Kontaktdaten 
und eine übersichtliche Optik?
Hat sie Echtzeit-Fotos, eine schlüssige CI mit anderen 
Publikationen?
Bitten Sie Ihre Mandanten regelmäßig um schriftliches 
Feedback in Fragebögen etc.?
Ermöglicht sie Mandantenbeteiligung? Blogs, Chat, 
Downloads, Webakte, Social Media Link?
20. Small Talk
Halten Sie einvernehmlichen Small Talk für eine 
Akquisestrategie?
Können Sie bei Bedarf Themen in die Breite statt 
in die Tiefe ausweiten?
Können Sie sich leicht einer Gruppe von Fremden 
anschließen?
Können Sie dieselbe Gruppe leicht und ohne 
Irritationen wieder verlassen?
Können Sie durch Small Talk wildfremde Menschen 
zu Interessenten machen?
Suchen Sie in reiner Akquiseabsicht zielangemessene 
soziale Treffpunkte auf?
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Reputationsmanagement
100 % indirekte Akquise
„Es braucht zwanzig Jahre, eine Reputation aufzubauen und fünf Minuten, sie zu zerstören.“1 Dieser Satz entstammt der krisengeschüttelten Investment-Branche, die
jüngst einen historischen Vertrauensverlust hinnehmen musste.
Auch Anwälte können davon einige derbe Lieder singen; die „Unbeliebtheit der
Juristen“ ist bezeichnenderweise nicht nur unter Nichtjuristen Fakt. Sie ist, wie einer
der Betroffenen2 unter der ironischen Prämisse „Unter Juristen ist der Jurist durchaus beliebt“3 selbst analysierte, stets hausgemacht:
–– Ihre rechtlichen Belehrungen wirken demütigend.
–– Durch juristische Fachsprache entrechten sie den Laien.
–– Ihre Erfolge beruhen auf binären Systemen: einer muss verlieren, wenn ein
anderer gewinnt.
–– Recht wird von Nichtjuristen als statisch und anwaltliche Arbeit oft als unnötig
angesehen: „Das Recht siegt doch von selbst“.
–– Juristen müssen sich gegenseitig beschuldigen! Sie werden dafür sogar bezahlt,
sich gegenseitig die Augen auszuhacken.
–– Anwälte vertreten formell – als „Organ der Rechtspflege“ – den Staat und
damit „das kälteste aller kalten Ungeheuer“.4 Der Jurist „beleuchtet alles und
1 „It takes 20 years to build a reputation and five minutes to ruin it.” Warren Buffett, geb 1930,
amerikanischer Value-Investor, Chairman von Berkshire Hathaway, deren Jahreshauptversammlungen
zuletzt von mehr als 37.000 Menschen besucht wurden und den Namen „Woodstock für Kapitalisten“
trugen. Der amerikanische Investor gilt als drittreichster Mann der Welt. Das Zitat ist entnommen
aus www.normanrentrop.de/zitate.
2 Braun, „Über die Unbeliebtheit des Juristen“, JuS 1996, S. 287 ff., seit 11/2006 unter http://
www.jurawelt.com/aufsaetze/11240.
3 Braun, a.a.O.: „Wenn ein Jurist mit anderen Leuten zusammensteht oder -sitzt, sind die anderen
gewöhnlich auch Juristen, und man kann wetten, dass sie über irgendwelche Rechtsfälle fachsimpeln und sich pudelwohl dabei fühlen. Dabei kann man allerdings auch übertreiben. Wenn man die
vielen Festschriften und Widmungsaufsätze zur Hand nimmt, mit denen sich die Juristen gegenseitig
beweihräuchern, sobald sie die 50 überschritten haben, könnte man meinen, dass alle Juristen nur
noch Juristen kennen und dass sie allesamt ohne Ausnahme Unsterbliches geleistet haben.“
4 Friedrich Nietzsche, „Also sprach Zarathustra„ (Von neuen Götzen), zitiert nach Braun, „Über die
Unbeliebtheit des Juristen“, JuS 1996, S. 287 ff., seit 11/2006 auch unter http://www.jurawelt.com/
aufsaetze/11240.
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334 Reputationsmanagement
erwärmt nichts“, und seine „vielgepriesene Objektivität“ tritt immer wieder
auf als „eisige Gleichgültigkeit“.5
Da fragt man sich, wie der freiwillig und selbsttätig demontierte „gute Ruf“ wieder
hergestellt werden kann. Gute Nachricht: Ändern kann man nur, was man selbst
vermasselt hat! Wären Konjunktur, böse Mandanten oder hundsgemeine Wettbewerber wirklich „Schuld“, hätte man keine Chance.
Dieses Kapitel wird behilflich sein, die persönliche Reputation eines Anwalts
von Beginn seiner Karriere an aufzubauen und die Reputation einer Kanzlei – auch
lange nach ihrer Gründung – einzurichten und zu erweitern.
I. Was ist Reputation?
II. Persönliche Reputation für Anfänger – eine Bauanleitung in acht Schritten
III. Kanzleireputation für Fortgeschrittene – Reputation aufbauen und verbessern
IV. Ihr guter Ruf ist schützenswert? Dann schützen Sie ihn auch!
I. Was ist Reputation?I.
Von nichts kommt nichts. Der „gute Ruf“ eines Anwalts ist hart erarbeitet, viel
gerühmt und nicht messbar. Der „gute Ruf“ ist der am häufigsten von Mandanten
jeglicher Couleur benannte Grund für den Erstauftrag an einen Anwalt.
„70 % der Werte einer Organisation sind immateriell(!) und verdanken sich der
Reputation“6 und nach aktuellen Forschungen hängen über 22 % des Umsatzes
von zehn untersuchten DAX-Unternehmen von deren Reputation ab.7 Dieser Prozentsatz wird in Anwaltskanzleien vermutlich höher liegen, denn wo immer eine Leistung
oder ein Produkt als unzureichend bewertet werden kann, ist Reputation besonders wichtig. Das nicht anfassbare und hoch erklärungsbedürftige Produkt eines
Anwalts gehört dazu.
Der Aufbau einer hohen Reputation benötigt Zeit, Geduld und eine vielfache
Wiederholung derselben Maßnahmen. Schnellschüsse, kurzfristige Erfolge und
Einmalauftritte sind ungeeignet, im „kollektiven Gedächtnis“8 relevanter Bevölkerungsgruppen den Eindruck von Reputation entstehen zu lassen.
5 v. Ihering, Dt. Dichtung, Bd. XIII, 1893, S. 47, zitiert nach Braun, a.a.O.
6 Fombrun, S. 75 ff.
7 Biesalski & Company Managementberatung befragte für die Zeitschrift „Acquisa“ 2.384 Kunden
von 10 DAX Unternehmen nach den aus Käufersicht relevanten Reputationsinhalten, Kundenorientierung, wirtschaftliche Stärke, Nachhaltigkeit, Attraktivität, Kapitalmarktattraktivität und Innovationskraft v. 18.5.2012, zitiert nach: www.haufe.de/marketing-vertrieb/dialogmarketing/marke-einegute-reputation-zahlt-sich-aus_126_116230.html.
8 Der Begriff wurde in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts eingeführt durch den französischen Philosophen und Soziologen Maurice Halbwachs und wird für eine unterstellte, gemeinsame
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II. „Reputation für Anfänger“ – eine Bauanleitung in acht Schritten 335
Folge und Sinn des „guten Rufs“ ist die Weiterempfehlung. Damit relevante
Marktsegmente positive Reputationssignale empfangen, „speichern“ und weiter
geben können, müssen diese „stetig gesendet werden, konsistent und widerspruchsfrei sein und ... möglichst alle in die gleiche positive Richtung weisen“.9
Reputation setzt die Krisen- und Konjunkturanfälligkeit einer Kanzlei herab
und Vertrauenswürdigkeit, Glaubwürdigkeit, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit voraus.10 In vielen Mandantenfragebögen kommen – vorausgesetzt, die Mandanten kreuzen nicht nur an – diese Worte als Adjektive tatsächlich vor. Test it!
Eine langfristig aufgebaute hohe Reputation kann kurzfristig vernichtet und
nur sehr schwer – manchmal nie – ganz wiederhergestellt werden. Denken Sie an
SHELL und das Desaster mit der Brent Spar Plattform (heute, 18 Jahre später, noch
immer im „kollektiven Gedächtnis“) oder an Ihr Lieblings-Luxus-Hotel in Ägypten,
das Sie eigentlich gern zum x-ten Mal besucht hätten, wären da nicht im Internet
plötzlich Bewertungen über „unhygienische Zustände am Buffet“ und „Anmache
am Pool“ und „Betteln um Trinkgeld“ zu lesen gewesen...
Reputation wird oft mit Image verwechselt. Reputation ist – im Unterschied zu
Image – das von anderen wahrgenommene Ansehen eines Unternehmens oder einer
Person und fungiert als „ein Feedback auf das erwünschte bzw. angestrebte Image.“11
Reputation gilt als unberechenbar und subjektiv, da sie nicht durch harte
Fakten sondern durch weiche Faktoren definiert ist. Sie ist eng mit der Persönlichkeit der handelnden Anwälte verknüpft und wird darüber hinaus – Skurriles bahnt
sich seinen Weg – von Anwälten und Mandanten entgegengesetzt definiert:
Anwälte empfinden ihre nachgewiesen hervorragende Kenntnis der Juristerei als
Basis ihrer Reputation. Etwa 80 % der Mandanten12 hingegen begründen ihre Erstentscheidung für einen Anwalt aufgrund dessen „guten Ruf“, ohne jemals selbst
vorher von der Sachkunde des Anwalts profitiert zu haben!
II. „ Reputation für Anfänger“ – eine Bauanleitung in
acht SchrittenII.
Junganwälte können ihren Erfolg von Anfang an selbst bestimmen, indem sie ihrem
Image eine Richtung und dadurch ihrer persönlichen Reputation eine Chance
geben.
Wahrnehmung eines Ereignisses durch Teile der Bevölkerung verwendet. Hier wird er überhöht als
Synonym für „Allgemeinwissen“.
9 Hommerich/Kilian, „Reputation – Wie der gute Ruf entsteht“, AnwBl 7/2008, S. 532.
10 Fombrun, S. 75 ff.
11 Schwalbach, „Reputation“, www2.wiwi.hu-berlin.de/institute/im/publikdl/2004-2.pdf.
12 Eigene Schätzung aufgrund der Auswertung der „Marketingfrage“ in 60 Erstgesprächen in mittelständischen Kanzleien.
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336 Reputationsmanagement
Anwaltliche Reputation von Anfang an auf Erfolg ausrichten? „Kein Problem“,
versichert auch der Seniorpartner einer Großkanzlei und bringt es auf eine simple
Formel: „Kompetenz ist die Basis, Reputation bringt das Geschäft“. Dahinter
stecken zwei einfache Erkenntnisse:
–– Solange mögliche Mandanten nichts über eine Kanzlei oder einen Anwalt wissen,
nützt selbst höchste Kompetenz nichts.
–– Eine kontinuierliche Promotion dieser Kompetenzen auf immer denselben
Wegen (sofern dies auch die Wege der Zielmandantschaft sind) führt zu aktiven
Empfehlungen des Mandanten.
Im Folgenden finden Sie sieben Tipps für das Management der eigenen Reputation.13 Alle Tipps haben „Stresstests“ in Boutiquen, Großkanzleien und hoch spezialisierten Mittelstandskanzleien durchlaufen und erfolgreich bestanden, und alle
sieben befördern die Marktpositionierung von Junganwälten von Beginn Ihrer
Anwaltstätigkeit an.
1. Wählen Sie die für Sie passende Kanzlei
Ihre persönliche Reputation hängt anfangs von Sprungbrettmandaten ab. Wenden
Sie sich deshalb entweder an eine Kanzlei, deren Rechtsgebiets-Lücke Sie zu Ihrem
Schwerpunkt machen (Kanzlei ist früher entschieden als Schwerpunkt) oder an
eine, die Ihr bereits fest stehendes Spezialgebiet noch nicht anbietet (Schwerpunkt ist früher entschieden als Kanzlei).
Ihre neuen Kollegen werden in beiden Fällen die eigenen Mandanten gern
über die neuen Möglichkeiten informieren. Beide Szenarien ermöglichen Ihnen
die Chance des schnellen Aufstiegs und der Teamleitung bereits in jungen Jahren.
Vielleicht wählen Sie auch eine Kanzlei, die sich bereits einen wohlklingenden
Namen gemacht, also eine Unternehmensreputation14 aufgebaut hat in dem von
Ihnen gewählten Schwerpunkt (Rechtsgebietsfokus).
Sie werden diesen Weg wählen, wenn Sie möglichst schnell möglichst viel in
einem Gebiet lernen und eigenverantwortlich spezialisierte Mandate bearbeiten
wollen. Vielleicht gründen Sie auch eine Kanzlei von vornherein als Boutique mit
allen Beratungsbereichen und den entsprechenden Kollegen, die eine bestimmte
13 Schon Adam Smith, Begründer der Nationalökonomie, beschrieb das Phänomen Reputation in
zwei Beispielen: 1) Betrug ist nicht profitabel, da er am Ende mehr Verträge kostet als er bringt und
2) die Bereitschaft, einen Kunden zu betrügen, sinkt mit der Häufigkeit der Geschäfte, die gemeinsam erfolgreich getätigt werden.
14 1983 führte Professor Carl Shapiro, amerikanischer Volkswirt und derzeit Wirtschaftsberater von
Präsident Obama, den Begriff „Reputation“ in die Betriebswirtschaftslehre ein. Er fand heraus, dass
Reputation besonders dann ausschlaggebend für einen Kauf ist, wenn die Qualität des Produkts für
den Kunden nicht sofort erkennbar ist.
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II. „Reputation für Anfänger“ – eine Bauanleitung in acht Schritten 337
Mandantengruppe benötigt (Mandantenfokus). Sprungbrettmandate, Kanzleiwahl
und Branchen-Fokussierung sind der Schlüssel zu manch großer Karriere.
2. Wählen Sie Sprungbrettmandate
Am Start großer Karrieren finden sich häufig kleine Mandate. Anwälte aller Kanzleigrößen unterschätzen deren Wichtigkeit. Suchen Sie Ihr „Sprungbrett“ passend aus
zu Ihrem Ziel, Ihrem Rechtsgebiet, Ihrer gewünschten Spezialisierung, zur angepeilten Branche – und besonders zur eigenen Passion! Ohne Leidenschaft sind
Erfolge selten nachhaltig.
Legen Sie es in der Anfangszeit auf die erfolgreiche Vertretung kleiner Unternehmen eines Segments oder in einem Rechtsgebiet an. Machen Sie mit Ihren Kollegen „gemeinsame Sache“ und präsentieren Sie ihnen kanzleiintern – auch im Vorbeigehen – den Nutzen Ihres Rechtsgebiets für deren Mandanten. Manchmal hilft
der sog. Zufall, und die Passion für ein Rechtsgebiet „fällt Ihnen zu“: der Senior delegiert einen kleineren Fall an Sie – und Sie verlieben sich im Alter von 32 Jahren
unsterblich in rechtliche Details der Unternehmensnachfolge.
Sprungbrettmandate sind oft klein und fallen als „Abfallprodukte“ größerer
Mandate nicht jedem Mandatsinhaber auf. Weisen Sie immer wieder pro-aktiv alle
Kollegen auf die typischen Einfallstore solcher Mandate hin. Ihre Reputation innerhalb der Kanzlei hängt davon ab, wie oft und viel Sie von sich positiv reden machen!
In Nebensätzen sollten Ihre Kollegen und deren Mandanten auf weiter führende
Rechtsberatungsbedarfe hinweisen. Nutzen Sie Kontakte Ihrer Kollegen und
führen Sie Mandantengespräche gemeinsam! Gehen Sie mit auf Messen. Gehen
Sie mit Mandanten zum Lunch. Trainieren Sie dabei die überzeugenden Nutzenargumentationen, die ihn dazu bewegen, weiter führenden Rechtsberatungsbedarf
bei sich zu erkennen.
3. Optimieren Sie Ihren „Track-Record“
Ihre Reputation setzt sich zusammen aus der Liste erfolgreich beendeter Mandate
bzw. erfolgreich beratener Mandanten (Track-Record) und Ihrer persönlichen
Bekanntheit in Fachkreisen. Die immer wieder kehrende Frage aus dem Kreis
potenzieller Mandanten lautet: „Was haben Sie in diesem Bereich bereits gemacht?“
Benennen Sie in dieser Situation möglichst konkret die Ausrichtung bisheriger
Mandate und deren Gemeinsamkeiten (Spezifizierung) sowie deren Anzahl, Dauer
und Streitwerte (Quantifizierung). Das macht die Schilderung Ihrer Kompetenzen
anschaulich und glaubhaft.
Die Antwort wird Ihnen umso leichter fallen, wenn Sie frühere Mandanten als
Referenzen benennen dürfen. Das setzt entweder einen Pressebericht voraus, in
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338 Reputationsmanagement
dem Sie öffentlich als Anwalt dieses Mandaten benannt sind oder Ihnen liegt die
Zustimmung des Mandanten vor. Letzteres ist nicht immer einfach zu erreichen.
Unternehmen schätzen die Diskretion über eigene gerichtliche Auseinandersetzungen – der Wunsch nach Vertraulichkeit wächst nach aller Erfahrung mit der Größe
des von Ihnen vertretenen Unternehmens.
In manchen Fällen verspricht ein Appell zum erfolgreichen Mandatsabschluss
Erfolg: „Jetzt könnten Sie auch für uns etwas tun“ oder: „Wir würden über unseren
gemeinsamen Erfolg gern etwas veröffentlichen. Was müssen wir beachten?“ TrackRecords eines jeden Anwalts gehören in die interne Dokumentation auch mittelständischer Kanzleien. Sie sind dort über das Intranet für jeden Kollegen einsehbar, müssen durch jeden Anwalt akribisch aktualisiert werden und bilden so eine
Voraussetzung für ein strukturiertes Cross-Selling.15
1
Tipp
Bauen Sie Ihren Track-Record nach strategischen Gesichtspunkten (Persönlichkeit, Geografie, Marktsättigung, Rechtsentwicklung, Passion etc.) und nicht nach der Tagesform oder nach kurzfristigen
Honorarkicks auf.
4. Einmal investiert – sechsmal profitiert
Das Management Ihrer Reputation setzt Effizienz voraus. Wer einmal einen Vortrag
in allen Details ausgearbeitet hat, verfügt über abrufbares Spezialwissen in
gebündelter Form. Dieses „Kapital“ können Sie gewinnbringend bei mindestens
fünf weiteren Akquise-Aktivitäten anlegen:
–– inhaltlich erweitert in Fach-Aufsätzen,
–– deutlich reduziert und sprachlich banalisiert in Ihrem Newsletter,
–– mit fetziger Überschrift auszugsweise auf Ihrer Internetseite als Download,
–– bei Ihren „Cold Calls“ als Appetizer in Gestalt eines „kleinen, frischen Aufsatzes“ – und
–– schließlich als ständig aktualisierter Beitrag in einem Buch.
Diese sechsfache Hebelwirkung (Leveraging) gibt der anstrengenden und langwierigen Erststrukturierung des Stoffs Sinn und Richtung.
5. Fokussieren Sie
„Ich bin spezialisiert auf alles, was Geld bringt“, postulierten noch vor wenigen
Jahren Vertreter einer inzwischen fast ausgestorbenen Spezies von Anwaltsstrategen,
15 Vgl. zur Ausweitung von Mandaten das Kapitel „Cross-Selling“.
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II. „Reputation für Anfänger“ – eine Bauanleitung in acht Schritten 339
deren Weitsicht durch Dollarzeichen im Auge getrübt war: Je höher das Honorar,
desto besser das Mandat! Keinem jungen Anwalt kann man heute diese Überzeugung
verdenken, besonders nicht, wenn er im Bereich von Großkanzleien im Unternehmenskauf oder anderen „high-end“-Mandaten anzudocken versucht. Strukturen von
Großkanzleien begünstigen in zweierlei Hinsicht diese kurzfristig verführerische
Denkweise:
–– der Associate punktet in den Augen der Partnerriege eher durch hohe Umsätze
als durch stringente Arbeit an einem Schwerpunkt und
–– nur 10 % von ihnen werden überhaupt zum Partner ernannt.
Die Entwicklung eines nachhaltigen Track-Record setzt jedoch die innere Stringenz
der darin gebündelten Mandate voraus. Daraus folgt ein direkter Rat des oben zitierten Seniorpartners an seine eigenen Associates:
Tipp
Ohne persönliche Reputation gibt es langfristig keinen Erfolg. Haben Sie den Mut, lieber kleinere
Mandate auf dem Gebiet Ihrer angestrebten Spezialisierung zu bearbeiten als alles opportunistisch
zu bearbeiten, was lohnende Umsätze verspricht.
6. „Umwege schärfen die Ortskenntnis“
Die persönliche Reputation ist eine Mischung aus harter Arbeit und anfangs schmerzhafter Fokussierung. Um an einen lohnenden Mandanten heran zu kommen, wählen
junge Anwälte besonders in Großkanzleien, Boutiquen und spezialisierten Mittelstandskanzleien gezwungenermaßen einen Umweg. Sie machen sich als Fachleute
bekannt bei Multiplikatoren im Internet, Branchenforen, bei Jahrestreffen einer
Berufsvereinigung, als Gast auf Kongressen der Zielmandantschaft, bei den Lieferanten des eigentlichen Ziels, durch Vertretung von Gegnern des eigentlichen Ziels
und durch Veröffentlichungen in den Fachzeitschriften des Ziels. Sie betreiben
Radiusarbeit.
Dieses Vorgehen hat sich vielfach als beste langfristige Akquisestrategie bestätigt. Der eigentlich angestrebte Unternehmer-Mandant wählt seinen externen
Anwalt16 entweder nach Empfehlungen vertrauter Partner – oder er folgt der Wahrnehmung der Peergroups, die die Reputation einzelner Spezialisten promoten:
Redakteure von Fachzeitschriften drucken Artikel mit hohem Alltagsnutzen für
die Leser, Vortragsveranstalter wie das „Forum“ versenden 10.000-fach Programme
mit Namen und Themen der Referenten an potenzielle Mandanten, Richter zitieren
Sonderdrucke und Urteile. Rechtsmarktspezialisten wie JUVE ermitteln in Rankings
16 Auch die Frage, wer an einem „Beauty Contest“ teilnimmt, wird auf diese Weise entschieden.
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340 Reputationsmanagement
die umsatzstärksten Kanzleien und vergeben „Awards“ für die besten Kanzleien auf
vielen Rechtsgebieten. Das „Anwaltskarussell“ (öffentliche Informationen über personelle Wechsel von Kanzlei zu Kanzlei) sowie Mitteilungen über abgeschlossene
Deals befördern weiter die Reputation einzelner Anwälte.
7. The „Early Mover Advantage“
Der frühe Vogel fängt den Wurm! „Je früher ein Anbieter auf einem neuen Markt präsent
ist, desto erfolgreicher wird er sein.“17 Wer im Jahr 1996 einen 1.500 Seiten starken
Praktiker-Kommentar zum Markenrecht heraus gibt, obwohl erst sechs Monate
vorher das neue Markengesetz erlassen wurde, hat ihn. Wer noch im Jahr der EU
Erweiterung die steuerrechtlichen Eckpunkte für Investitionen in acht neuen
osteuropäischen EU-Ländern in einem modulhaften Nachschlagewerk erläutert,
hat ihn auch. Wer 1990 die Rechtsfolgen der Überführung der Treuhand in eine
GmbH in Mandate umzuwandeln verstand, hat ihn. Wer 1992, dem Geburtsjahr des
Domainrechts, einen umfassenden Kommentar zu diesem nagelneuen Rechtsgebiet
schrieb, hat ihn ebenfalls: den „Early Mover Advantage“.
Sehr frühe Werke zur Internetkriminalität werden heute noch ehrfurchtsvoll
zitiert. Sie stammen aus einer Zeit, als noch niemand ahnte, dass es eines nicht so
entfernten Tages honorarträchtige Streits um den Domain-Namen „www.pamelaanderson.com“ geben würde, und auch wer den „frühen Riecher“ für die Finanzkrise
hatte, erwarb eine besondere Reputation im Steuer(straf)recht, wie dieses Beispiel
zeigt:
1
Best Practice
„Der Druck, Steuerschlupflöcher zu schließen, erhöhte sich mit der Finanzkrise. Wir hatten bereits in
den Jahren 2003 und 2004 verstärkt Verfahren zur Steueramnestie betreut und uns – auch international – im Bereich der rechtlichen Begleitung von steuerlichen Selbstanzeigern positioniert. Lange
vor dem „Kavallerieansatz“ des damaligen Finanzministers Steinbrück im Frühjahr 2009 zum Thema
„Steuerhinterziehung deutscher Kontoinhaber in der Schweiz“ intensivierten wir unsere Kontakte zu
Banken und Anwaltskollegen an den Finanzplätzen Zürich und Basel. So sorgten unsere Präsentationen bereits einige Monate vor dem 30.1.2010 (erste Berichtserstattung in der deutschen Presse über
den Ankauf einer CD mit Daten von „Steuersündern“) für große Aufmerksamkeit. Auf Grund unserer
frühen Kontaktaufnahmen in der Schweiz empfahlen uns Schweizer Banken und Anwaltskollegen
wegen unserer unbestrittenen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Expertisen. Sie trugen Beratungsmandate anfänglich in Sachen „strafloser Bereinigung durch Selbstanzeigen“ an uns heran.
Diese Empfehlungen wiederum führten durch das weitreichende Vertrauensverhältnis zu unseren
neuen Mandanten vielfach auch zu weiteren Beratungsmandaten in anderen Rechtsbereichen.“
Rechtsanwalt + Steuerberater Dr. Michael Kreft - Partner - SJ Berwin LLP, Tel.: 089-89081-341
17 Von der Oelsnitz, „Der Erfolg des Pioniers: Zufall oder Gesetz?“ Der Markt, Vol. 35, Nr. 4, 1996,
S. 181–190.
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II. „Reputation für Anfänger“ – eine Bauanleitung in acht Schritten 341
8. Anwaltliche „Sekundärtugenden“18 bilden die Basis persönlicher Reputation
Die folgende Aufzählung ist inspiriert durch einen berühmt gewordenen Gründer
einer Großkanzlei. Was er jungen Anwälten in seinem „Brief an junge Juristen“ zu
sagen hat, mutet an wie eine Mischung aus Business Knigge, Lebensweisheit und
Managementtraining. Am besten, Sie nehmen alles wörtlich und beherzigen die
zehn Leitsätze Ihrer persönlichen Reputation:
■■ Nur ein glaubwürdiger Rechtsanwalt hat Erfolg
Glaubwürdigkeit bewirkt Überzeugungskraft. Anwälte punkten, wenn sie im richtigen
Moment „nein“ sagen und niemals Versprechen geben, die sie nicht halten können.
■■ Die Reputation, die man in zehn Jahren aufbaut, kann man an einem einzigen Tag verlieren
Reputation kann nicht durch fünf kluge Argumente entstehen, wohl aber durch ein
verfehltes einstürzen.
■■ Für jede Gerichtsentscheidung ist die Rechtslage mit weniger als 50 Prozent
verantwortlich
Jedes große Verfahren hat emotional bedingte Ermessensspielräume, die durch Auftreten und persönliches Standing fair beeinflusst werden können.
■■ Ein guter Anwalt verdient mehr als er verdient
Bescheidenheit und Augenmaß sind Komponenten materiellen Reichtums: „Geld soll
man nur da holen, wo welches ist, nicht dort, wo keines ist.“
■■ Keine Kumpanei – weder mit Kollegen noch mit Mandanten
„Geschenke verderben die Zahlungsmoral.“ Verbindliche und freundliche Töne
sorgen für Reputation und bezahlte Rechnungen. Kumpanei verdirbt beides.
■■ Ohne Fleiß kein Preis
Anwaltliche Qualität kommt nicht „aus dem Ärmel“ sondern durch die dafür nötige
beständige Anstrengungsbereitschaft.
■■ Schuster, bleib’ bei deinen Leisten
Reputation kann nur erwerben, wer seinen Fachgebieten treu bleibt. Der Einzelkämpfer wird schnell unglaubwürdig, wenn er außerhalb seines Fachgebietes agiert.
■■ Teamplayer machen Reputation, „Stars“ machen Einzelaktionen
Das Team arbeitet für die Reputation des Einzelnen, der Einzelne, wenn er sich als
Star aufführt, arbeitet nicht für das Team.
■■ Anwaltliche Kompetenz bewirkt erst durch ihre Vermittlung Reputation
Die Qualität anwaltlicher Arbeit ist davon lediglich das Sahnehäubchen und
bewirkt allein noch keine Reputation.
18 Dolf Weber: „Brief an junge Juristen“, zitiert nach spiegel.de v. 2.4.2011; Dolf Weber (Jahrgang
1936) schloss sich 1969 mit Rüdiger Volhard zur Sozietät Pünder, Volhard & Weber zusammen. 
Im Jahr 2000 fusionierte die Kanzlei mit Clifford Chance. (Einige Überschriften und jeder Unter-Text
gekürzt).
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342 Reputationsmanagement
Think big
Großzügigkeit im Umgang mit Kollegen und Mandanten zahlt sich vielfältig aus.
Intelligenz, Phantasie, Organisationstalent und Sozialkompetenz machen Erfolg aus.
Kleinkrämerei hindert!
■■
III. Kanzleireputation für Fortgeschrittene –
Reputation aufbauen und verbessernIII.
Reputation dient den zukünftigen Kunden als Wegweiser und den Kanzleien als vertrauensbildende Maßnahme Unbekannten gegenüber.
Lebensläufe, Doktortitel, Fotos, Videos und Fachbeiträge, Wahlsprüche, Aufsatzsammlungen, Blogs, Facebookseiten und „Employer branding“19 machen erreichbar
und transparent. Diese „Kriegsbemalung“ dient dem Kunden „als Navigator auf einem
unübersichtlichen Anwaltsmarkt. Vertrauen aufzubauen und zu erhalten, ist daher ein
entscheidendes Kanzleikapital – denn der Erfolg von Anwälten entscheidet sich nur zur
Hälfte vor Gericht.“20
Eine Kanzlei, die ihre Reputation aktiv verbessern will, steht tatsächlich vor
einigen lohnenden Aufgaben. Sie muss
–– nach außen erklären, wofür sie steht und stehen will. Das tut sie in Broschüren, Artikeln, auf ihrer Webseite und in Vorträgen. Während die Fernsehwerbung
„die mit dem roten Stuhl“ platziert oder „Freude am Fahren“ postuliert, berichtet
“JUVE“ über eine „Duisburger Sozietät mit tiefen Wurzeln und langer Tradition im
Ruhrgebiet, die seit Jahren zu den führenden Kanzleien in der Region zählt. Ihren
hervorragenden Ruf am Markt verdankt Grüter ihrer auch überregional hochangesehenen Corporate Praxis. Der Beratungsbedarf der teils hochkarätigen Mandanten, zu denen die Kanzlei langjährige Beziehungen pflegt, nahmen nach dem Ende
der Krise deutlich zu.“21
–– ein authentisches Leistungsversprechen22 abgeben und einhalten. Jeder, der
in unsere Kanzlei kommt, wird von derselben Sache X profitieren. Das betrifft
nicht nur Rechtsgebiete und Fachwissen, sondern vor allem die kommunikativen Details in Mandatsannahme und -abwicklung. Jeder bekommt eine
Begrüßungsmail von der Assistentin. Jeder bekommt den Ordner in den Farben
der Kanzlei. Jeder bekommt den schnellen Termin. Jeder wird pünktlich zurück
gerufen etc.
19 „Employer branding“ = dem Bewerber eine Marke präsentieren (nicht nur die Kanzlei), um ihn zu
gewinnen.
20 Tobias Gostomzyk: „Vertrauen Sie mir, ich bin Anwalt“, spiegel.de v. 18.8.2004.
21 http://www.grueter.de/kanzlei/reputation, JUVE Handbuch 2010/2011.
22 Hommerich/Kilian, S. 107 ff.
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III. Kanzleireputation für Fortgeschrittene – Reputation aufbauen und verbessern 343
–– eine „Marke“ bilden und immer nach Einzigartigkeit und Eigenartigkeit23
suchen. Unterscheidbarkeit ist ein Erfolgskriterium. Suchen Sie nach Ihrem
USP. Sieben Kanzleien in Ihrem PLZ-Bereich sind auf Familienrecht spezialisiert? Dann seien Sie die einzige mit einem Schwerpunkt auf bilanzrechtlicher
Expertise bei der Bewertung von mittelständischen Unternehmen zur Unterhaltsberechnung! Das können Sie nicht? Dann suchen Sie einen für Ihr Team,
der das kann.
–– hochwertig delegieren. Sie möchten den Abschied vom „Allrounder“ einleiten
und Ihre (zukünftigen) Mandanten nach und nach für ein neues, fokussiertes
Leistungsangebot gewinnen und durch qualitativ hochwertige Beratung in
demselben Segment oder für dieselbe Branche überzeugen? Der erste Schritt
zur Strukturierung Ihrer Mandantschaft ist die hochwertige Delegation. Jene
Mandate, die Sie nicht mehr selbst abwickeln, müssen an einen qualifizierten
Kollegen abgegeben werden, der nachgewiesener Maßen gute Arbeit abliefert.
Alles, was dabei schief geht, geht gegen Sie schief!
–– sich auf ganzer Linie fortbilden. Ihre Fachanwaltstitel und Ihre Akquisestrategien müssen geplant, strukturiert und aufeinander abgestimmt sein und derselben Klientel nützen! Ihr Cross-Selling24 erfordert eine exakte Dokumentation aller Kontakte und Schritte. Jeder muss wissen, was der andere tut oder
getan hat. Kommunikationstrainings machen die ganze Mannschaft fit für
den Wettbewerb. Fortbildungen im Steuerrecht ergänzen bestens das Familienrecht. Wer Erbrecht mag, wird Unternehmensnachfolge lieben. Bieten Sie Ihren
Auszubildenden und Ihren Junganwälten ein gutes Mentoring (alles andere
ist langfristig zu teuer). Fordern und fördern Sie In-house Seminare durch Ihre
Mitarbeiter!
–– die Persönlichkeiten ihrer Anwälte respektieren und entwickeln. Reputation
ist von Persönlichkeiten abhängig. Alle handelnden Personen einer Kanzlei sind
zugleich „Außendienstmitarbeiter“,25 die die Kanzlei-Reputation stützen und
entwickeln helfen. Introvertierte Anwälte werden das eher durch effiziente und
qualitativ hochwertige Arbeit herstellen, extrovertierte eher durch Auftritte,
direkte Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Auch Rechtsgebiete sind
manchmal Persönlichkeitsstrukturen regelrecht zugeordnet: Verwaltungsrecht
wird häufig durch andere „Typen“ besetzt als Strafrecht.
–– einen Dienstleistungshabitus etablieren. Es gibt in der Kanzlei keine Wartezeiten, kein „Nein ohne Lösung“, keine bemerkbaren Mittagspausen, keine unwirschen Ansagen, besonders nicht durch Uhrzeiten auf einem Anrufbeantworter,26
23 Siehe „Seien Sie eigenartig“ im Kapitel „Kanzleimarketing“.
24 Vgl. Details zur Ausweitung von Mandaten unter „Cross-Selling“.
25 Hommerich/Kilian, „Reputation – Wie der gute Ruf entsteht“, AnwBl 7/2008, S. 532.
26 Siehe dazu das Kapitel „Kanzleimarketing“.
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344 Reputationsmanagement
keine Juristensprache gegenüber Nicht-Juristen, keine Bandwurmsätze, keine
sichtbaren Tattoos am 7. Lendenwirbel, keine Verzögerungen, keine gebrochenen Versprechen(!), keine Verstöße gegen die Schweigepflicht durch herumliegende Akten, keinerlei servicefeindliche Bemerkung („Das geht nicht“) etc.
–– ein Unternehmen sein, das Management als „Dach“ versteht, das Ziele definiert,
daraus Strategien entwickelt und aus den Strategien wiederum Aktionen. So
stellen Sie sicher, dass keine Aktion beliebig in der Gegend herum navigiert.
Letzteres macht Ihre Reputation diffus, und das wiederum führt dazu, dass Sie
im sich „weiter intensivierenden Wettbewerb immer verletzlicher werden.“27
–– Controlling einführen. Regelmäßig benötigen Sie Meetings, in denen die Richtung besprochen und ggf. korrigiert wird. Ein wirksames Controlling ist nicht
gerade des Anwalts liebstes Kind. Stellen Sie Verständnis für die Notwendigkeit
von Controlling her, indem Sie auf eigene Kostenquoten hinweisen und Verfahren zur Kostensenkung einschlagen. Bedenken Sie dabei, dass die meisten
Kanzleien, die von einem „Kostenproblem“ reden, in Wirklichkeit ein „Akquiseproblem“ haben. Sie müssen nicht wirklich ihre Kosten reduzieren, sondern
schleunigst ihre Umsätze optimieren. Controlling ist auch notwendig für Ihre
Reputation. Lassen Sie jeden Ihrer öffentlichen Auftritte und jedes Mandantengespräch bewerten. Veröffentlichen Sie die Bewertungen auf Ihrer Webseite. Richten Sie ein „Gästebuch“ ein. Ersuchen Sie Mandanten, mit Namen die
Bewertung selbst einzustellen. Haben Sie mindestens zwei wachsame Augen auf
Bewertungsportale im Internet. Kontrollieren Sie Meldungen auf ihrer Facebook-Seite, falls vorhanden. Beteiligen Sie sich an Blogs oder richten Sie selbst
einen ein. Suchmaschinen lieben Blogeinträge!
–– ihre Einzelkämpfer sinnvoll integrieren. Echte Einzelkämpfer lassen sich nicht
in Management-Strukturen einbinden, und es ist Energieverschwendung
(auch für die Betroffenen selbst), das zu versuchen. Es empfiehlt sich, falls Sie die
Kanzleireputation optimieren und den Einzelkämpfer in Ihren Reihen halten
wollen, ihm eine Position als „Of counsel“ anzubieten. Von dort aus hat er eine
Sonderrolle. Er ist nicht mehr involviert in das Kanzleigeschehen, hat keine
Mitspracherechte bei Unternehmensentscheidungen und unterliegt einem
individuell verhandelten Entnahmemodus.
IV. Ihr guter Ruf ist schützenswert? Dann schützen Sie ihn auch!IV.
Wissen Sie, welche Informationen im Internet über Ihre Kanzlei gefunden werden?
Ob diese veraltet, falsch oder rufschädigend sind? Welchen ersten Eindruck hinterlassen Sie online bei Mandanten, Geschäftspartnern und Stellensuchenden?
27 Hommerich/Kilian, „Reputation – Wie der gute Ruf entsteht“, AnwBl 7/2008, S. 532.
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IV. Ihr guter Ruf ist schützenswert? Dann schützen Sie ihn auch! 345
Googeln Sie sich selbst und zählen Sie, wie viele veraltete Angaben über Ihren
früheren Kanzleinamen, über Ihre Telefonnummern, Adressen und Rechtsgebiete
Sie finden. Beauftragen Sie einen internetaffinen Jura-Studenten mit der Löschung
dieser Daten!
Wie lange dauert es, bis Ihre Telefonnummer oder Ihre E-Mail Adresse gefunden sind? Googeln Sie sich selbst – ohne Nachnamen und Stadt – und zählen Sie die
Google-Seiten, bis Sie sich endlich sehen! Sie sehen sich gar nicht? So geht es Ihren
Interessenten auch! Und weg sind sie! Viele Anwälte beschädigen ihren Ruf, den
sie sich analog gebildet haben (durch Direktkontakte), indem sie ihn digital gleich
wieder verscherbeln (nicht auffindbar im Internet).
Wissen Sie, ob sich jemand mit „Ihren Federn schmückt“ oder absichtslos denselben oder einen sehr ähnlichen Namen führt und mit diesem in der rechtsradikalen
Szene herumtönt? Wissen Sie, ob Sie häufig gefunden werden, wenn jemand nach
„Strafrecht“ sucht, obwohl Sie das noch nie gemacht haben?
Wissen Sie, ob man Ihre Texte ohne Erlaubnis kopiert und verwendet? „Illegale
Dubletten“28 werden durch die elektronischen Tools professioneller Anbieter heraus
gefischt. Der Bösewicht wird ggf. zur Verantwortung gezogen.
Wissen Sie, wie einfach es für Konkurrenten, gegnerische Parteien und streitbare Mandanten ist, Ihren guten Ruf massiv und nachhaltig zu schädigen? Aufgrund der unklaren Online-Rechtslage ist eine juristische Reaktion nicht immer zielführend und „kann die Rufschädigung sogar noch verstärken.“29
Erfolgstipps
– Reputation ist harte Arbeit: Ziel, Zeit und Zusammenarbeit sind unerlässlich.
– Planen Sie Ihr Image am Markt und bestimmen Sie dadurch Ihre Reputation. (Feedback)
– Steuern Sie Sprungbrettmandate an, und optimieren Sie Ihren Track-Record!
– Wiederholen Sie Ihre Aktivitäten viele Male. Schaffen Sie ein „Bild“ von sich.
– Schützen Sie Ihre Reputation, besonders im Internet, notfalls durch Profis!
28 Vgl. diverse Anbieter von „Reputationstools“ wie etwa www.reputationtool.com.
29 So die Anbieter von „Legal Reputation Management“ auf http://www.revolvermaenner.com/
legal-reputation-management.html.
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