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SPRACHE DER GEGENWART Herausgegeben im Auftrag des Instituts für deutsche Sprache von Joachim Ballweg, Inken Keim, Hugo Steger und Rainer Wimmer Schriftleitung: Ursula Hoberg BAND LXIII SPRACHKULTUR Jahrbuch 1984 des Instituts für deutsche Sprache Herausgegeben von Rainer Wimmer SCHWANN CIP-Kur^titelaufnahme der Deutschen Bibliothek S p ra c h k u ltu r / hrsg. von Rainer W immer — 1. Aufl. —D üsseldorf : Pädagogischer Verlag Schwann-Bagel, 1985. (Jahrbuch . . . des Instituts für Deutsche Sprache ; 1984) (Sprache der G egenw art ; Bd. 63) ISBN 3-590-15663-5 N E: W immer, Rainer [Hrsg.] ; Institut für Deutsche Sprache <Mannheim> : Jahrbuch . . . des Instituts 2. G T © 1985 Pädagogischer Verlag Schwann-Bagel G m bH D üsseldorf Alle Rechte Vorbehalten • 1. Auflage 1985 Um schlaggestaltung Paul Effert Herstellung Lengericher Handelsdruckerei, Jürgen Bossemeyer G m bH + Co K G , 4540 Lengerich/W estf. ISBN 3-590-15663-5 20 JAHRE INSTITUT FÜR DEUTSCHE SPRACHE 1964-1984 (ilsi INTERNATIONALE JAHRESTAGUNG 1984 INHALT V orw ort 9 Eröffnung 11 Klaus von Bism arck / Wilhelm Siegler: Problem atik der S prachkultur im Blick auf das nicht-deutschsprachige A usland 24 Janos Juhäsz: Der S tellenw ert der S prachkultur in der m odernen G esellschaft 33 D ieter Nerius: Zur G eschichte und B edeutung des Begriffes S prachkultur in der Linguistik der DDR 55 W olfdietrich H artung: S prachkultur als gesellschaftliches Problem und als linguistische Aufgabe 70 S prachkultur und In stitutionen G erhard Stickel: V orbem erkungen über “ S prachkultur und In stitu tio n en ” 82 G ünther D rosdow ski: Die D udenredaktion 85 Hans-Martin Gauger: Bericht über eine A kadem ie 93 O tto Nüssler: Die G esellschaft für deutsche Sprache (GfdS) 100 Karl Eibl: S prachkultur im 18. Ja h rh u n d ert 108 Franz H ebel: Sprachkultivierung in der schulischen Bildung 125 A dolf Muschg: S prachkultur und L iteratur 139 Ludwig Harig: Das R auschen des sechsten Sinnes 151 Uwe Pörksen: Das D em okratisierungsparadoxon 159 7 Sprachkultur und politische K ultur W alther D ieckm ann: V orw ort: S prachkultur und politische K ultur 182 Wolfgang Bergsdorf: Über die Schw ierigkeiten des politischen Sprechens in der D em okratie 184 W erner H olly: Politische K ultur und Sprachkultur Wie sich der Bürger politische Ä ußerungen verständlich m achen kann 196 G erhard Strauß / Gisela Z ifonun: Sprachkultivierung als politische A ufklärung 211 W alther D ieckm ann: N achw ort: Das Reden der Politiker und das Problem der G laubw ürdigkeit 223 Hugo Steger / R ainer Wimmer: K urzbericht über die Podium sdiskussion “ Sprachglossen in Zeitungen und Z eitschriften” 230 Das In stitu t für deutsche Sprache im Jahre 1984 233 8 V orwort “ S prachkultur ist die K unst, andere zu verstehen und sich anderen ver ständlich zu m achen. Ein wenig beherrscht sie jeder, m ancher ist in ihr gew andter, keinem ist sie angeboren. Als Teil der K ultur eines Volkes drückt S prachkultur die Fähigkeit ebenso wie die B ereitschaft der Bür ger aus, sich m iteinander über die individuellen und gem einsam en In teressen zu verständigen.” So hieß es im V orw ort des M itteilungshef tes 10 des In stitu ts für deutsche Sprache, das u n te r dem T itel “A spekte der S prachkultur” kurz vor der IdS-Jahrestagung 1984 erschien. Das Z itat verdeutlicht die außerordentliche Spannw eite des Rahm enthem as “ S p rachkultur” dieser internationalen Tagung, die vom 13. bis zum 16. März 1984 im M annheim er R osengarten stattfan d und deren Refe rate und V erhandlungen in diesem Band d o k u m en tiert sind. Der V orbereitungsausschuß (Siegfried Grosse, H elm ut H enne, Alan Kirkness, G erhard Stickel, Harald W einrich) war sich darüber im klaren, daß es nicht möglich sein würde, im begrenzten Rahm en der Tagung alle wichtigen und wünschbaren A spekte des w eitgespannten Them as zu behandeln. Daß au f vieles ganz verzichtet w erden m ußte, daß an vie len einzelnen P unkten A bstriche zu m achen w aren: diese Feststellungen sind bezüglich des Sprachkulturthem as nicht nur Floskeln, m it denen Planer au f ihr “ Gewissen” einwirken. Das Tagungsthem a war absichtlich so gew ählt, daß A nregungen für eine Diskussion und A useinanderset zung m it N achbardisziplinen der traditionellen Sprachgerm anistik er w artet w erden k onnten und daß berechtigte H offnungen bestanden, auch eine breitere, an Sprachfragen interessierte Ö ffentlichkeit anzu sprechen. Der V orbereitungsausschuß h at seine Aufgabe dadurch zu lö sen versucht, daß er a) Ü berblicksreferate vorsah, die einer A ufbereitung und D arstellung des Kenntnis- und Forschungsstandes auf dem G ebiet dienen k onnten, b) bezüglich besonders zu behandelnder T hem enkom ple xe d o rt S chw erpunkte setzte, wo die S prachkulturdiskussion in den ver gangenen Jahren sehr intensiv geführt wurde, und c) sich bem ühte, durch gelegentliche V ariierung der V eranstaltungsform (neben großen R efera ten auch K urzreferate; S tatem ents; Podium sdiskussionen) die A spekte vielfalt zu erhöhen. — Die Beiträge in diesem Band sind dem Tagungs verlauf entsprechend angeordnet, so daß das Inhaltsverzeichnis zugleich ein Spiegel des V eranstaltungsprogram m s ist. Im Frühjahr 1984 bestand das In stitu t für deutsche Sprache zwanzig Jahre. Die G rußw orte, die zum Teil aus diesem A nlaß ü berm ittelt w ur den, sind in diesen Band m it aufgenom m en. — Wie bereits lange T radi 9 tio n — enthält der Band am Schluß den IdS-Jahresbericht für 1984. Abschließend bleibt mir die angenehm e Pflicht, allen zu danken, die zum Gelingen der Tagung beigetragen haben, vor allem den R eferenten und D iskutanten sowie den M itgliedern des V orbereitungsausschusses. Rainer Wimmer 10 Eröffnung Ansprache des Präsidenten des Instituts für deutsche Sprache, Prof. Dr. Heinz Rupp Meine Damen und Herren, “ein G o tt hat ihn [den M enschen] auch die K unst gelehrt, Ideen in T öne zu prägen, G estalten durch L aute zu bezeichnen und die Erde zu beherr schen durch das W ort seines M undes. V on der Sprache also fängt seine V ernunft und K ultur a n ; denn nur durch sie beherrscht er auch sich selbst und w ird des N achsinnens u nd Wählens ... m ächtig.” Das schrieb H erder 1784, vor genau 200 Jahren, im 3. Kapitel des 4. Buchs seiner “ Ideen zur Philosophie der G eschichte der M enschheit” . Und das heißt doch w ohl schlicht und einfach, daß m enschliche K ultur ohne m enschliche Sprache n icht denkbar ist. O der anders gesagt, daß m ensch liche Sozialisation, Zivilisation und K ultur auf der menschlichen Sprache beruhen. Wenn dem so ist, und daran w ird w ohl niem and zweifeln, dann ist die Frage nicht nur berechtigt, sondern nötig, welche Sprache, welche Sprachverw endung die beste oder die rechte ist, um — ich m öchte nicht sagen — den F o rtsch ritt, aber die Fortbildung m enschlicher Sozialisation, Zivilisation und K ultur zu gew ährleisten und zu optim ieren. Und dam it sind wir beim T hem a der Jahrestagung des Instituts für deutsche Sprache, bei der S prachkultur. Das W ort ‘S p rachkultur’ ist noch nicht sehr alt. Die Sache ist aber keines wegs neu. In den sechziger Jahren des 9. Jahrhunderts h at O tfrid von W eißenburg seine Evangeliendichtung m it der dazugehörenden K om m en tierung geschaffen, und da er sich als Erster fühlt, der in fränkischer, das ist deutscher Sprache eine religiöse D ichtung schreibt, versucht er sich zu rechtfertigen. Seine literarischen V orbilder sind selbstverständlich die großen D ichter der A ntike und S pätantike (Vergil, Ovid, Statius und Prudentius, Sedulius, A rator). A ber sie sind V orbilder für das Stilistische, das heiß t für den ästhetischen Bereich. Das Entscheidende ist das aber für O tfrid nicht; denn er verlangt von der Sprache zuerst einmal die ‘rihti in sconeru slihti’ (I, 1,36), das heißt die ‘R ichtigkeit in schöner E infachheit’, die ‘rec titu d o ’, um bei einem Begriff der K arolingerzeit zu bleiben. Die Sprache m uß recht, m uß richtig sein. Sie m uß eine G ram m atik haben, und sie m uß sich in dieser G ram m atik bewegen. A ber auch das ist noch nicht das E ntscheidende. An anderer Stelle b itte t er G o tt, er möge verhüten, daß ihm — dem D ichter — ‘in them u w ahen thiu w ort ni m issifahen’ (I, 2,16), daß er, beim Versuch zu dichten, also ‘schön zu schreiben’, sich 11 n ich t ‘am W ort vergreift’. D enn nach den A nschauungen der Zeit ist ein V ergreifen am W ort ein Vergreifen an der Sache. ‘N om en est res’ — das W ort ist identisch m it der Sache. Weil aber das W ort m it der Sache iden tisch ist, ist ein V ergreifen, ein Vergehen am W ort, ein Vergehen an der Sache und dam it an G o tt, dem Schöpfer, also Sünde. Sprache m uß also richtig sein, und die Sprachrichtigkeit kom m t vor der Sprachschönheit. Sprachrichtigkeit wird aber gerade dadurch bestim m t, daß m an der platonisch-neuplatonischen A nsicht ist, W ort und Sache seien identisch. S prachkultur ist für O tfrid in erster Linie ein religiöses und ein ethisches Problem . Über 600 Jahre später: Für L uther ist kein Problem m ehr, daß W ort und Sache identisch sind. Der N om inalism us hat sich durchgesetzt, das W ort ist nur noch ein H auch der Stim m e; ‘nom en est flatus vocis’, n ich t m ehr m it der gem einten Sache identisch. Das W ort be-deutet vielm ehr etwas. A ber auch für L uther ist S prachkultur ein religiöses und ethisches P rob lem, schon deshalb, weil das große V orbild — das W ort G ottes — so, wie es in der Bibel niedergelegt ist, die absolute W ahrheit ist. Dieses W ort darf man nicht verfehlen oder verfälschen, man m uß es adäquat überset zen. Zum Problem der Sprachrichtigkeit tr itt bei L uther ein w eiteres hin zu. Er will ja den L euten aufs Maul schauen. Und das h eiß t n ich t nur, daß er so redet und schreibt, wie die L eute reden — das tu t er teilweise in seinen T ischreden und Pam phleten —, sondern das heißt, und vielleicht in erster Linie im Bereich der Bibelübersetzung, daß m an so übersetzt, daß die Leute das Ü bersetzte richtig verstehen, so, wie es G o tt selbst ge m eint und niedergelegt hat. Zum Problem der Sprachrichtigkeit kom m t bei L uther das Problem der K om m unikationssicherung. A ber wie gesagt, auch für ihn ist S prachkultur ein ethisch-religiöses Problem. Machen wir w ieder einen Sprung von L uther zu uns, einen Sprung von wieder etw a 500 Jahren. Was sollen wir heute u n te r S prachkultur ver stehen und m it dem W ort meinen? Meine D am en und H erren: Man k ö nnte das Ende des M ittelalters leicht verschieben und die N euzeit m it G oethes T od beginnen lassen. In zahl reichen Bereichen der m enschlichen Zivilisation änd ert sich von den frü hen Zeiten bis in die dreißiger Jahre des 19. Jah rhunderts recht wenig. Napoleons Heere sind n icht viel schneller vorangekom m en als die A lexan ders. Von diesen dreißiger Jahren an änd ert sich die Welt in im m er schneller w erdendem Tem po. Ein paar S tichw örter: Eisenbahn, A u to , Flugzeug, Raum schiff; Telegraf, T elefon, T onband, Radio, Television, N achrichtenTelefon- und TV -Satelliten; E lektrizität, C om puter, M ikroelektronik; 12 von der E ntw icklung der W affentechnik ganz zu schweigen. Die Welt ist anders, n icht nu r im Technischen, zwangsweise auch in Politik und Ju risprudenz. Die Welt ist kleiner und kom plizierter gew orden. Wir selbst leben in einer anderen Welt, die gesellschaftlichen Bindungen, Fam ilien stru k turen u.a. haben sich entscheidend verw andelt. Bei all dem, von der T echnik bis zur Ich-Du-Beziehung, ist Sprache nötig. Das F azit: Wir stehen heute in einer Entw icklung, die nicht zu vergleichen ist m it S ituationen aller vergangener Zeiten, und genau dasselbe gilt für unsere Sprache. D am it bin ich bei der A nfangsfrage: .Was m uß m enschliche Sprache h e u t e leisten, wie sollten wir sie verw enden, dam it unsere heutige Zeit noch m enschlich, noch verständlich, noch vernünftig w eiterbildbar bleibt? Teil antw orten können die V orträge und Diskussionen der nächsten Tage ge ben. Ich meine, ‘S prach k u ltu r’ heute sollte ausgehen von der Sprachrichtigkeit, und das h eiß t von der Sachgem äßheit beim Sprechen, sollte Kom m unikationssicherung w o im m er möglich erreichen, K om m unikations löcher ausfüllen. K om m unikationssicherung heißt aber im m er auch eingehen auf den G esprächspartner. ‘S p rachkultur’ ist deshalb für mich heu te ein gesellschaftspolitisches, pädagogisches und ethisches Problem. Und die Sprachw issenschaft tu t gut daran, w enn sie sich m it aller N üchtern heit u nd allem Sachverstand dieses Problem s annim m t. Daß wir dieses T hem a gerade für die Tagung 1984 gew ählt haben, hat noch einen besonderen G ru n d : Das In stitu t für deutsche Sprache wird in diesen Tagen 20 Jahre alt. Im März 1964 ist es vor allem dank des großen Einsatzes von Hugo Moser ins Leben gerufen w orden. Es ist nach diesen 20 Jahren erw achsen. Und m ehr soll aus diesem 20. G eburtstag auch nicht herausinterpretiert w erden. A ber wir m einten, daß diesem 20. G eburtstag des IdS ein Tagungsthem a w ie ‘S p rachk u ltu r’ angemessen sei, da dieses T hem a Sprache in einem w eiten Umfeld sieht und da dieses T hem a heute m ehr denn je bedenkensw ert ist. Wir freuen uns, daß so viele Gäste, K olleginnen und Kollegen zu uns ge kom m en sind, d arunter als V ortragende auch zwei Kollegen aus der DDR; sie sind gekom m en aus Interesse am T hem a und vielleicht auch etwas aus Interesse am IdS und seiner Arbeit. 13 Grußwort des Bundesministers für Forschung und Technologie, Dr. Heinz Riesenhuber Den Teilnehm ern an der Jahrestagung “ S p rachkultur” übersende ich meine besten Grüße. Ich freue mich besonders, daß der Einladung zu dieser V eranstaltung so viele G äste aus dem Ausland gefolgt sind, ins besondere aus dem deutschen Sprachraum . Die Entw icklung unserer Sprache vollzog sich bekanntlich nicht deckungsgleich m it der staatli chen Entw icklung in M itteleuropa. Mit dieser Tatsache haben wir nicht nur zu leben, wir müssen sie bei der Pflege und E ntw icklung unserer Sprache berücksichtigen. Daß der hierzu notw endige Beitrag der F or schung seit langem in unauffälliger, partnerschaftlicher Zusam m enar b eit zwischen den W issenschaftlern der deutschsprachigen Länder gelei stet w ird, ist uns allen dankbar bew ußt. Das In stitu t für deutsche Sprache blickt in diesen Tagen auf eine zw an zigjährige Vergangenheit zurück, in der es m it beschränkten personellen und m ateriellen M itteln Beachtliches geleistet hat. Ein Blick au f die lan ge Liste der Institutsveröffentlichungen zeigt die intensive A useinander setzung sowohl m it traditionellen Them en der Sprachw issenschaft als auch m it neuen Forschungsbereichen, wie zum Beispiel der linguistischen D atenverarbeitung oder dem S chw erpunkt ‘Sprache und G esellschaft’. In der Bearbeitung dieser Fragestellungen liegt für das In stitu t eine Heraus forderung, die es — dessen bin ich sicher — m eistern wird. Das diesjährige T hem a dieser seit Jahren bew ährten V eranstaltung gibt aber n icht nur G elegenheit zur Zwischenbilanz, sondern auch Anlaß, erneut auf die G efahren hinzuweisen, denen die deutsche Sprache in steigendem Maße ausgesetzt ist: auf die zunehm ende Sorglosigkeit im täglichen Sprachgebrauch und au f die V erw endung von Sondersprachen, die nur Eingeweihte beherrschen. So gibt es leider eine Sprache der Ver w altung, die im Stil und W ortlaut zwar unverkennbar, aber nicht jedem verständlich ist. Daß die Soziologen und N aturw issenschaftler ihre eige nen Sprachen sprechen, erfäh rt jeder, der sich au f diese G ebiete wagt. Die V erpflichtung, sich einfach und verständlich auszudrücken, verlangt von uns aber auch, den gedankenlosen G ebrauch von F rem dw örtern zu vermeiden. Ich glaube nicht, daß wir in diesem Fall dem Beispiel unseres französischen N achbarn folgen sollten, durch Regierungsanweisung auf die V erw endung bestim m ter W örter der eigenen Sprache zu dringen. Auch ohne obrigkeitliche Regelung sollte es uns gelingen, m it unserer Sprache sorgfältiger um zugehen. Ich messe daher besondere B edeutung all denjenigen P unkten Ihres Tagungsprogramm s zu, die sich m it dieser Aufgabe befassen. Die Tagung wird dazu sicherlich einen w ertvollen Bei trag leisten. 14 Ich wünsche der V eranstaltung einen guten und erfolgreichen Verlauf. G rußw ort des Leiters der K ulturabteilung des A usw ärtigen Amts, Dr. B arthold C. W itte Das zwanzigjährige Bestehen des Instituts für deutsche Sprache ist mir ein w illkom m ener A nlaß, die W ertschätzung des A uswärtigen A m ts für die von seinen M itarbeitern geleistete A rbeit über die deutsche Sprache zum A usdruck zu bringen. Viele in- und ausländische G erm anisten neh men die Ergebnisse der Forschungsarbeiten am In stitu t für deutsche Sprache m it großem Interesse auf. Die bew ährte Zusam m enarbeit zwischen dem A usw ärtigen A m t und dem In stitu t für deutsche Sprache hat gute Früchte getragen. Im A uftrag des A usw ärtigen A m ts h at das In stitu t für deutsche Sprache m ehrere deutsch-frem dsprachige kontrastive G ram m atiken erarbeitet. Sie stellen eine wichtige wissenschaftliche Grundlage für Sprachw issenschaftler bei der Erarbeitung von U nterrichtsm aterial in insgesamt sechs Sprachen dar und tragen dam it zum V erständnis der M enschen sow ohl im w örtlichen als auch im übertragenen Sinne bei. Ich bin sicher, daß wir auch künftig m it Erfolg im D ienst an unserer schönen M uttersprache Zusammenwir ken werden. G rußw ort des S taatssekretärs im M inisterium für W issenschaft und K unst (Baden-W ürttemberg), N orbert Schneider Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte ausländische Gäste, sehr geehrte Gäste aus der DDR, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich sehr, zur Jahrestagung 1984 des In stituts für deutsche Sprache in M annheim eine so große und illustre Schar von S prachfor schern hier versam m elt zu sehen und darf Ihnen Grüße der Landesregie rung und insbesondere des heute leider anderweitig verhinderten Mini sterpräsidenten L othar Späth überm itteln. Ihre diesjährige Tagung gilt gleichzeitig dem 20jährigen Bestehen des Instituts für deutsche Sprache, das sich in dieser Zeit zu einem einzig artigen Z entrum wissenschaftlichen A ustausches für Sprachgerm anisten im In- und A usland entw ickelt hat. Die Erforschung, D okum entation und Kultivierung der deutschen G egenwartssprache ist schon bisher 15 durch dieses In stitu t sehr gut vorangekom m en, u nd ich darf seinen M it arbeitern für die Z ukun ft den gleichen w issenschaftlichen Erfolg wün schen wie in den vergangenen Jahren. Die heutige Tagung steh t u n te r dem Them a “ S prachkultu r” und eröff n et dam it viele Perspektiven. Sie w erden n icht erw arten, daß ich mich als Politiker in einem G rußw ort m it allen A spekten dieses kom plexen Begriffes befasse. Zu der Fülle von Them en, m it denen Sie sich beschäf tigen, m öchte ich lediglich ein paar G edanken zu dem Bereich ‘Sprach k u ltu r und politische K u ltu r’ beitragen, m it dem Sie sich im V erlauf die ser Tagung auseinandersetzen w erden. Politische K ultur ist zu einem erheblichen Teil auch S prachkultur, und ich glaube, daß die S prachkultur insow eit auch ein guter Gradmesser für die politische Reife einer D em okratie ist. Es ist dabei sehr erfreulich, daß die neuere Sprachw issenschaft schon w ichtige Beiträge zu einer po sitiv verstandenen K ritik der politischen K om m unikation geleistet hat, und ich bin sicher, daß von dieser A rbeit für unsere D em okratie noch wertvolle Impulse ausgehen w erden. Verständigung zwischen K om m unikationspartnern setzt neben der Ge m einsam keit des K om m unikationsm ittels, der gem einsam en Sprache, auch eine gewisse “ kom m unikative E th ik ” voraus. Ich bin der Meinung, daß die von Heringer explizierten drei M aximen — sei inform ativ, rede verständlich und sei w ahrhaftig — auch für die politische Sprache als Grundregel uneingeschränkt gelten müssen. G leichwohl glaube ich, daß es nützlich ist, die H aberm assche U nterscheidung zwischen verständi gungsorientierter u nd erfolgsorientierter K om m unikation insbesondere auch auf den Bereich der politischen S prachkultur anzuw enden. Politische K om m unikation ist ihrer N atur nach zum indest n ich t aus schließlich verständigungsorientiert, sondern in hohem Maße erfolgsorien tiert. Dies kann allerdings nicht bedeuten, daß dadurch die Maxime der W ahrhaftigkeit außer K raft gesetzt ist, vielm ehr bin ich überzeugt, daß der langfristige Erfolg in der Politik entscheidend von diesem K riterium abhängt. Meines Erachtens m uß bei der Bew ertung der politischen erfolgsorien tierten K om m unikation auch sehr stark das R ollenverhalten des Politi kers und die Rollenerw artung des Publikum s einbezogen w erden, die zu A kzentuierungen im kom m unikativen H andeln führen müssen, ohne daß dabei gegen die kom m unikative E thik verstoßen w erden muß. Es wäre reizvoll, diese Problem atik einmal in einem gem einsam en Sem inar zwi schen Sprachforschern und Politikern näher zu beleuchten, was an dieser Stelle leider schon aus zeitlichen Gründen nicht geschehen kann. 16 Politische K ultur im besonderen und Sprachkultur im allgemeinen k ö n nen fruchtbar in D eutschland im übrigen wohl nur behandelt werden vor dem H intergrund der Teilung unseres H eim atlandes. In letzter Zeit ist zwischen den beiden deutschen Staaten eine sehr erfreuliche A nnä herung in Gang gekom m en, und ich könnte mir vorstellen, daß die Sprachw issenschaft hierzu einen wichtigen Beitrag leisten kann. Wir alle sollten uns dabei stets des tschechischen Sprichw ortes bew ußt sein, das da lau tet: “ Solange eine Sprache lebendig ist, ist keine N ation to t! ” In diesem Sinne wünsche ich Ihrer Tagung einen wissenschaftlich ergie bigen V erlauf und allen Teilnehm ern einen angenehm en A ufenthalt in Baden-W ürttemberg. A nsprache von Bürgermeister Niels G orm sen (M annheim) Herr Präsident, Herr Staatssekretär, Magnifizenz, Frau A bgeordnete, meine Damen und Herren, auf der Jahrestagung des In stituts für deutsche Sprache u n ter dem Them a “ S prachkultur” das W ort zu ergreifen, erfordert M ut: Mut, sich der Sprachkritik zu stellen, die sich sezierend und decouvrierend m it dem Gesagten auseinandersetzt nach Form und Inhalt; M ut auch deshalb, weil das Gesagte erkennen lassen kann, daß es dem Sprecher eben an der S prachkultur mangelt. Ich will trotzdem sprechen und dabei m öglichst “ inform ativ, verständlich und w ahrhaftig” zu reden versuchen. In diesem Sinne überbringe ich die Grüße des O berbürgerm eisters und des G em einderats der S tad t M annheim und füge die herzlichen Glück wünsche zum 20jährigen Bestehen des Instituts an. Ich freue mich, zwei G ründungsm itglieder in den Herren Prof. Moser und G rebe begrüßen zu können. Wir betrachten es als eine Ehre, dieses bedeutende In stitu t in unseren Mauern zu beherbergen — im übertragenen Sinne der (nicht mehr vorhandenen) Stadtm auern — und auch im eigentlichen, da das IdS in einem der S tadt gehörenden Gebäude untergebracht ist. Und als kleine Gabe zum 20. G eburtstag kann ich die erfreuliche M itteilung überbringen, daß noch in diesem Ja h r der altersschw ache Personenaufzug durch einen neuen ersetzt wird (nachdem der G em einderat im N achtragsetat 1984 die erforderlichen M ittel bereitgestellt hat). 17 Als Baudezernent m eint man zuerst, keine d irekte Beziehung zum T a gungsthem a zu haben. Beim D urchblättern des Program m s, des Jahres berichts und der “M itteilungen” habe ich als einer, der Sprache ständig konsum iert und auch produziert (als Beam ter wahrscheinlich A m ts deutsch), doch m anche Beziehung festgestellt. Wenn ich im V orw ort lese: “ S prachkultur ist die K unst, andere zu ver stehen und sich anderen verständlich zu m achen” , stelle ich fest, daß diese K unst nicht überall beherrscht wird. Wie schwierig es sein kann, einen kom plexen städtebaulichen Sachver halt anderen M enschen nahezubringen, dam it sie selbst über Inhalt und Ziel urteilen und sachgerecht diskutieren können, das habe ich einmal m ehr vor ein paar Tagen in einer Bürgerversammlung erfahren.- als es dem sehr engagierten und m it der Problem atik des Jungbuschgebiets gut v ertrauten Planer nicht gelang, die Ziele und M aßnahm en eines städ te baulichen R ahm enplans den Zuhörern verständlich zu m achen und ihr Interesse zu w ecken. Die Bürger dieses problem atischen S tadtteils woll ten lieber ihre aktuellen Sorgen und N öte Vorbringen, als sich m it den — in ihrem Interesse ausgearbeiteten — Plänen für eine bessere Z ukunft des Jungbuschs auseinanderzusetzen. Dazu hat sicher beigetragen, daß der Planer zwar viele schöne bunte Pläne zeigte und sie auch erläuterte, sich dabei aber einer wissenschaftlichen Fachsprache bediente, die die Frauen und M änner aus dem Jungbusch nicht verstanden: er sprach “Planer-Chinesisch” . Den Zuhörern ging es w ohl wie den m edizinischen Laien, die Packungs beilagen von M edikam enten zwar lesen, aber m eist nicht verstehen k ö n nen, solange die am IdS bearbeiteten Em pfehlungen zur G estaltung der T exte nicht angew andt w erden. Vielleicht sollte man einige Planer-Ausdrücke in das “ H andbuch der schweren W örter” aufnehm en — besser wäre aber, den Planern eine all gemein verständliche Fachsprache beizubringen! Eine A ufgabe von Sprachkultur, die eigentlich an den H ochschulen geleistet w erden sollte! Hier g eh t’s um die “ Verw issenschaftlichung und V erfachlichung” unserer Sprache, die im Blick auf echte D em okratie tatsächlich eine zwiespältige Sache ist. Mit großem Interesse verfolgen wir die A rbeit über “ K om m unikation in der S ta d t” , die den Zusam m enhang zwischen Sprache und lokaler K ultur im städtischen Lebensraum am Beispiel M annheim untersu ch t. Wir er w arten gespannt die ersten V eröffentlichungen und erhoffen uns (über den allgemein wissenschaftlichen Zweck hinaus) A nregungen dafür, wie sich die K om m unikation m it den Bürgern verbessern läßt — auch: wie 18 sich V erw altung und Planung den Bürgern besser verständlich machen kann! Sie haben sich für die Jahrestagung ein um fangreiches Programm vorge nom m en — ich bedaure, daß ich m anche V orträge nicht m it anhören kann (etw a Prof. Pörksen über das D em okratisierungsparadoxon, die Diskussionen über S prachkultur und politische K ultur oder über Sprachglossen); ich wäre auch neugierig zu erfahren, was es m it dem “ R auschen des sechsten Sinnes” auf sich hat. Ich wünsche der Jahrestagung und allen ihren Teilnehm ern einen guten, erfolgreichen und befriedigenden Verlauf. Ich hoffe, daß sich die auswärtigen Tagungsteilnehm er und ihre Beglei ter in M annheim wohlfühlen, und denke dabei insbesondere an die vie len aus dem A usland A ngereisten. Mögen sie neben und zwischen dem vollen Programm noch die Zeit finden, außer dem Musensaal und dem H otel einiges von unserer S tad t und ihren S chönheiten und Eigenheiten zu sehen. V ielleicht kann sie ein Besuch in der K unsthalle —genau gegen über auf der anderen Seite des Friedrichsplatzes — locken, die in ihrem erst kürzlich eröffneten Erw eiterungsbau eine hervorragende Sammlung m oderner Plastik bietet. Ich erw arte einige von Ihnen morgen abend im R ittersaal des K urfürst lichen Schlosses, w enn der O berbürgerm eister den D udenpreis an Frau Prof. G uchm ann aus Moskau verleihen wird — ich freue mich, Sie,gnä dige Frau, heute morgen begrüßen zu können. Ich sehe an der Teilnahm e so vieler ausländischer Sprachw issenschaftler einen Beweis für die internationale Bedeutung des IdS, dem ich für die Tagung und für die w eitere A rbeit viel Erfolg wünsche! Dr. Rainer Wimmer (IdS): Zum zwanzigjährigen Bestehen des Instituts für deutsche Sprache Sehr geehrte Damen und Herren, es ist heute meine Aufgabe, wenigstens ein paar W orte zur G eschichte des Instituts für deutsche Sprache zu sagen, das im Frühjahr 1984 zw an zig Jahre alt wird. H err R upp hat in seiner Begrüßungsrede bereits darauf hingewiesen: Das In stitu t kom m t in die Tw en-Jahre — w enn Sie m ir die sen A usdruck gestatten. Dies ist noch kein ordentliches Jubiläum , das erst m it 25 Jahren zu begehen ist, aber es kann doch A nlaß zu einer klei nen Rückschau sein und zu einem N achdenken über die gegenwärtige Situation des Instituts. Ich bin erst seit eineinhalb Jahren M itarbeiter 19 am In stitu t für deutsche Sprache und deshalb vielleicht am wenigsten geeignet und befugt, etwas zur G eschichte des Instituts zu sagen. A nde rerseits können Sie es m ir möglicherweise leichter nachsehen, w enn ich auf jeglichen A nspruch au f V ollständigkeit verzichte, lediglich einige wenige P unkte aus der IdS-Geschichte herausgreife und all die Schwie rigkeiten vergesse, die das In stitu t in seinen bew egten Teenager-Jahren durchzustehen hatte. Das In stitu t für deutsche Sprache w urde im Jahre 1964 von den acht Professoren Paul G rebe, W alter Hensen, R udolf H otzenköcherle, Karl K urt Klein, Friedrich M aurer, Hugo Moser, Jo st Trier und Leo Weisgerber als Stiftung des bürgerlichen R echts gegründet. Besonders bem erkensw ert erscheint es mir, daß es sich hierbei um eine Privatinitiative von Sprach w issenschaftlern handelte — sofern eine wissenschaftliche und wissen schaftsorganisatorische Initiative überhaupt privaten C harakter haben kann. Jedenfalls ging die Initiative n icht von staatlichen Stellen oder an deren Institutionen aus, und — w enn ich es richtig sehe — h atte die Ini tiative viel zu tu n m it einem U nbehagen an dem dam aligen Z ustand der Erforschung der deutschen Sprache, besonders der Gegenwartssprache. Es w urde zu Beginn der sechziger Jahre ganz offensichtlich, daß die ger manistische Sprachw issenschaft in der Bundesrepublik D eutschland in der jüngeren Vergangenheit die Erforschung, D okum entation und Be schreibung der deutschen Gegenwartssprache relativ vernachlässigt h at te — relativ zu den kontinuierlichen und vergleichsweise intensiven Be mühungen um ältere Sprachstufen des D eutschen und um die Sprachge schichte.1 H eute hat sich diese Situation geändert, und das ist zu einem guten Teil tatsächlich m it das V erdienst derer, die das In stitu t für deutsche Sprache gegründet haben, und all derer, die in der Zw ischenzeit o ft h art und m it großer A usdauer für die E rhaltung des In stituts gearbeitet haben. Das In stitu t w urde so etwas wie ein Sammel- und K ristallisationspunkt für die Sprachw issenschaft, die sich direkt m it der Erforschung der deutschen Gegenwartssprache befaßt, und auch für all die D isziplinen, die m ehr oder weniger indirekt das heutige D eutsch in ihre A ufgabenbereiche m it ein beziehen. N eben dem ausschließlichen und unm ittelbaren Zweck der 1 20 ln seiner “ Ansprache zur G ründung des Instituts für deutsche Sprache in M ann heim ” sagte J. Trier: “ Es hängt m it der Geschichte der Germ anistik als Wissen schaft zusammen, daß die Probleme des gegenwärtigen Sprachzustandes lange Zeit hinter den Fragen der Genese zurücktraten und noch im m er spürbar zu rückliegen.” Stiftung, näm lich “ die w issenschaftliche Erforschung der deutschen Sprache, vor allem in ihrem heutigen G ebrauch” zu betreiben, ist in der Satzung festgelegt, daß das In stitu t “ die Zusam m enarbeit m it anderen m it der deutschen Sprache befaßten Stellen im Sinne einer Abstim m ung der gegenseitigen Forschungsvorhaben” pflegt. D em entsprechend w urde das In stitu t für deutsche Sprache im Laufe seiner G eschichte zu einem T reffpunkt und zu einer K oordinationsstelle auch für die internationale Sprachgerm anistik. Es ist w ohl nicht übertrieben, zu sagen, daß die Wir kungen des Instituts über die G renzen der B undesrepublik Deutschland hinaus wohl ebenso deutlich waren und sind wie nach “in n en ” . Der wis senschaftliche R at des Instituts hat hier eine hervorragende Rolle gespielt. Zahlreiche Gastwissenschaftler haben am In stitu t ihre A rbeiten zur d eu t schen Sprache begonnen und fertiggestellt. Die Zahl der Besucher h at im Jahre 1983 einen H öchststand erreicht. Das In stitu t u n terh ält inzwischen viele fruchtbare Beziehungen zu Wissenschaftlern und A rbeitsgruppen in zahlreichen europäischen und außereuropäischen L ä n d e rn / Wir sind dankbar für diese Beziehungen, die für alle Seiten hilfreich und nützlich sind. Eine besondere Erw ähnung verdient, daß auch die DDR in den vergan genen Jahrzehnten besondere A nstrengungen unternom m en hat, die Er forschung und Beschreibung der deutschen Gegenwartssprache durch ein zentrales Forschungsinstitut, das an der A kadem ie der W issenschaften in Berlin angesiedelt ist, zu fördern. Zwischen dem IdS und dem Z entralin stitu t für Sprachw issenschaft in Berlin gibt es m ittlerw eile Ansätze zu einem gegenseitigen A ustausch, die unseres E rachtens fortgesetzt und intensiviert w erden sollten — im Dienste und zum N utzen der gemein samen sprachw issenschaftlichen Aufgaben. Wer die im m ensen Aufgaben der Sprachgerm anistik einmal abzustecken und zu überschauen versucht, wird es keineswegs für übertrieben halten, daß sich zentrale In stitu te in der DDR und in der Bundesrepublik gleicherm aßen m it der deutschen G egenwartssprache beschäftigen. N ur eine K oordination ist nützlich und tu t not. Zurück zu den V ätern des Instituts für deutsche Sprache! Als Hugo Moser am 5.4.1974 eine A nsprache zum zehnjährigen Bestehen des IdS h ie lt3, 2 Vgl. den Jahresbericht 1983 in: G. Stickel (Hrsg.): Pragm atik in der Gram matik. Jahrbuch 1983 des Instituts für deutsche Sprache (= Sprache der Gegenwart 60), Düsseldorf 1984, 333 ff. 3 Vgl. M itteilungen des Instituts für deutsche Sprache 3 (1974), 1-8. 21 kon n te und m ußte er zahlreichen Persönlichkeiten, Institu tio n en und staatlichen Stellen dafür danken, daß sie ihre A rbeitskraft dem Aufbau des IdS zur Verfügung gestellt h atten, daß sie für den E rhalt des IdS ge w orben, ihre U nterstützung gegeben und o ft geradezu gekäm pft h atten . Den Danksagungen von dam als kann ich mich heute nur anschließen, obw ohl es m ir als Jüngerem und relativem Neuling im IdS eigentlich gar nicht zusteht, derartiges auszusprechen. Auch die letzten zehn Jahre des IdS waren — sow eit ich es bisher erfah ren habe — h art und von zahlreichen D urststrecken gekennzeichnet.4 V erdient gem acht haben sich in der zwanzigjährigen Auf- und A usbau phase des IdS insbesondere die Präsidenten des K uratorium s, Hugo Moser und Heinz R upp, und die wissenschaftlichen D irektoren: Paul Grebe, Ulrich Engel und G erhard Stickel. Viele andere Namen w ären zu nennen, vor allem die Namen all derjenigen, die in den G rem ien des IdS ehrenam t lich gearbeitet haben und noch arbeiten. Bitte sehen Sie es mir nach, wenn ich sie in diesem R ahm en n icht alle erwähne. Wenn ich als ein noch ein klein wenig m it der A ußensicht B ehafteter die A rbeit des IdS heute überblicke, m öchte ich sagen: Die Mühen der Grün dungs- und A ufbauzeit, die noch nicht ganz abgeschlossen ist, haben sich gelohnt. Erinnern m öchte ich insbesondere an — das Projekt “ G rundstrukturen des D eutschen” , das zusam m en m it dem G oethe-Institut untei nom m en w urde und aus dem zahlreiche Publikationen hervorgingen, — die kontrastiven G ram m atiken, die m ethodisch und forschungsorga nisatorisch Pionierarbeiten darstellten. Die A rbeiten sind z.T. noch im Erscheinen, — die vielen sprach- und gram m atiktheoretischen A nstöße, die aus dem IdS hervorgingen, — die A rbeiten zur deutschen S yntax und insbesondere zur Verbvalenz, — die A rbeiten zur deutschen W ortbildung, die zur Zeit von der Inns brucker A ußenstelle des IdS zu Ende geführt w erden, — die kom putergestützte A ufbereitung, Bearbeitung und Ausw ertung von T ex tkorpora als Grundlage für die em pirische sprachw issenschaft liche A rbeit. 4 22 Vgl. G. Stickel: Schwierigkeiten, das Institut für deutsche Sprache zu erhalten. M em orandum zur Situation des IdS. Mannheim 1977. Wenn das In stitu t für deutsche Sprache den je tz t eingeschlagenen Weg w eitergeht und sich gem äß den Em pfehlungen des W issenschaftsrats auf die begonnenen G roßprojekte zur deutschen G ram m atik, zur Lexikogra phie und zur Soziolinguistik konzentriert, wird es — da bin ich sicher — auch in Z ukunft eine w ichtige Rolle in der Sprachgerm anistik spielen. Gemeinsam m it m einen Institutskolleginnen und -kollegen hoffe ich, daß die A nteile des In stituts an der arbeitsteiligen Erforschung der d eu t schen Sprache eher noch zunehm en werden. Meine V orredner haben zu dem Them a “ S p rachkultur” unserer heute beginnenden Jahrestagung, das ja w eit über den w issenschaftlichen A uf gabenbereich des IdS hinausreicht, bereits einiges gesagt. Es erscheint mir nicht o p portun, dem noch etwas hinzuzufügen, was möglicherweise unangemessene A kzente setzen würde für ein Program m , das wir je tz t alle m it Spannung erw arten. Ich wünsche Ihnen allen, daß Sie sich heute und in den nächsten Tagen als Gäste des Institu ts für deutsche Sprache in M annheim w ohlfühlen. 23 KLAUS VON BISMARCK / WILHELM SIEG LER *) Problematik der Sprachkultur im Blick auf das nicht-deutschsprachige Ausland Das W ort “S p rachkultur” hat mich stutzen lassen. Warum? Weil ich selbst gewiß gelegentlich dagegen verstoße? O der schwingt hier für meine Wahr nehm ung noch immer etwas vom alten, stark m etaphysisch befrachteten K ulturbegriff m it? Meine Nachfrage ergab, daß dieser K ulturbegriff vor, w ährend und nach dem ersten Weltkrieg von A utoren wie Ferdinand Toennies, Oswald Spengler, Thom as M ann und vielen anderen verw endet wurde. Dieser Begriff scheint m ir in seiner norm gebenden F un k tio n auf den ersten Blick nur d o rt sinnvoll anw endbar zu sein, wo die betreffende Sprache als M uttersprache zu Hause ist. Ich frage m ich, ob er im frem d sprachigen A usland, wo D eutsch als Frem dsprache gelehrt wird, brauchbar ist. Der deutschlernende Ausländer, so könnte m an überspitzt form ulieren, steh t wie das Kind noch jenseits von G ut und Böse. Wäre es nicht höchst unbillig, seine tastenden V ersuche an denselben M aßstäben wie denen des M uttersprachlers messen zu wollen? Und entsprechend dazu ließe sich von den Lehrenden, den D ozenten und Sprachlehrern des G oethe-Instituts aus argum entieren, daß ihr erstes Ziel die V erm ittlung der deutschen Sprache, au f welchem Niveau auch im m er, und nicht deren Pflege im D ienste eines norm ativen Sprachkultur-Begriffs sein müsse. Richtig daran scheint mir jedenfalls zu sein, daß für In- und A usland, der jeweils verschiedenen A us gangssituation entsprechend, die A nsprüche, was den Umgang m it der deutschen Sprache betrifft, jeweils verschieden gesetzt w erden müssen. So kann etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, der ungehem m te G ebrauch von Internationalism en, der bei M uttersprachlern zu rügen wäre, für den A us länder gerade zum M ittel w erden, das ihm zu einem raschen passiven und aktiven G ebrauch der deutschen Sprache verhilft. Es wäre som it falsch, wenn man im Ausland aus sprachpuristischen Gründen das internationale V okabular, wie es sich aus griechischen, lateinischen und in jüngster Zeit auch aus englischsprachigen Begriffen gebildet hat, ungenützt ließe. Und aus dem gleichen G rund wird m an im A usland bereitwillig alle im m odernen deutschen Sprachgebrauch angelegten T endenzen zur gram m atikalischen Vereinfachung aufgreifen. Ich höre von den F achleuten, es handle sich z.B. um die Zurückdrängung des K onjunktivs, das Unüblichwerden vieler Genitiv*) D. Klaus von Bismarck ist Präsident, Dr. Wilhelm Siegler Beauftragter für Inspektion des G oethe-Instituts 24 Wendungen oder das unaufhaltsam e V ordringen des Akkusativs. Die praktische Aufgabe, dem A usländer auf m öglichst kurzem Weg die Be herrschung der einzelnen sprachlichen F ertigkeiten zu verm itteln, läßt für die m oralischen Skrupel des Sprachkritikers eigentlich wenig Raum. Insgesam t wird m an som it für die Spracharbeit im A usland m it einem ge wissen Maß an Indifferenz und Laxheit gegenüber den A nsprüchen, wie sie der Begriff S prachkultur insinuiert, rechnen müssen, sofern m an bei diesem A usdruck prim är an form ale sprachliche Q ualitäten denkt. A ndere Perspektiven ergeben sich dagegen, sobald wir inhaltliche Ge sichtspunkte in unsere Überlegungen einbeziehen. Hier ist zunächst zu fragen, aus w elchen G ründen D eutsch gegenwärtig im A usland gelernt w ird, welche bildungspolitischen Ziele etw a hin ter der Einführung von D eutsch als Schul- und H ochschulfach stehen. Welche Motive und Erw ar tungen bewegen eine Vielzahl von Erw achsenen in aller Welt, die Mühsal des D eutschlernens au f sich zu nehm en? V on der B eantw ortung dieser Fragen stoßen wir, um m it dem Philosophen Karl Jaspers zu reden, au f ein “A nderes, das nicht Sprache ist, sondern durch Sprache ergriffen w ird ” , also au f spezifische kulturelle Inhalte, die man sich durch den E r w erb der deutschen Sprache aneignen m öchte. V on der geistigen H öhen lage dieser Inhalte wird das jeweils intendierte sprachliche Niveau en t scheidend abhängen. Besuche in vielen Klassen im Aus- und Inland haben m ich persönlich gelehrt, daß m an das qualifizierte Interesse an solchen “ In h alten ” kaum überschätzen kann. Erlauben Sie mir, bevor ich mich diesen Fragen für die G egenwart zuw ende, einen kurzen historischen Rückblick. Der Aufstieg der deutschen K ultur und Sprache zu internationalem A nsehen ist sehr jungen Datum s. Er voll zieht sich im V erlauf des 19. Jah rhunderts und steh t zunächst in u n m ittel barem Zusam m enhang m it der großen, Philosophie, L iteratu r und Musik gleicherm aßen um spannenden kulturellen Bewegung, die m it dem Wirken Lessings um die M itte des 18. Jah rhunderts einsetzt und m it G oethes T od ihren A bschluß findet. M adame de Staël h a tte kurz nach der Ja h rh u n d e rt w ende als erste diese bis dahin im V erborgenen blühende K ultur für das A usland entd eck t und in ihrem Buch “ De l ’A llem agne” ausführlich be schrieben. Was ihr daran so besonders charakteristisch und bem erkensw ert erschien, das enge Ineinander von Philosophie, L iteratu r und Leben, brachte sie m it ihrer K ennzeichnung D eutschlands als “ patrie de la pensée” auf eine lang nachw irkende Form el. A uf M adame de Staël folgten rasch w eitere E ntdecker und Bew underer. Ich erinnere nu r an die englischen R om anti ker von Coleridge und W ordsw orth bis zu Carlyle od er an die Faszination, die Berlins U niversität seit der Zeit, da Hegel d o rt als philosophischer 25 Lehrer w irkte, auf zahllose junge A usländer ausübte. A ber auch Heinrich Heine ist hier zu nennen, sein erfolgreiches Bemühen in den 30er Jahren, seine Leser in Paris system atisch in deutsche Philosophie und L iteratu r ein zuführen. Ich habe m ir sagen lassen, daß im O sten Europas und insbesondere u n te r den V ölkern des H absburger Reiches Herders Ideen vom Volksgeist zusamm en m it Schillers F reiheitsbotschaft em anzipatorische Prozesse vor bereiteten. Dies sind nur Beispiele, die sich unbegrenzt verm ehren ließen. Die W irkungsgeschichte der deutschen K ultur und Sprache im Ausland ist, wie Werner Ross 1971 in seinem w ichtigen Beitrag “D eutsch in der K onkurrenz der W eltsprachen” feststellte, noch nicht geschrieben. Soviel aber ist sicher: Der eigentliche D urchbruch erfolgt erst nach der Reichs gründung, als sich zur kulturellen die naturw issenschaftliche und technische, die w irtschaftliche und politische B edeutung D eutschlands gesellen. Erst je tz t gew innt die deutsche K ultur — den Begriff im w eitesten, alle Bereiche m enschlicher T ätigkeit um fassenden Sinn genom m en —jenes Prestige, das die U nterrichtsverw altungen und Schulbehörden vieler L änder veranlaßt, Deutsch neben Französisch und Englisch als U nterrichtsfach einzuführen. Den allgemeinen bildungstheoretischen V oraussetzungen der Zeit en t sprechend, treten dabei jedoch praktische hinter ideellen Zielsetzungen auch w eiterhin deutlich zurück, sei es, daß man sich von der frühzeitigen Beschäftigung m it der deutschen Sprache — bei entsprechender Betonung des G ram m atikunterrichts — eine besondere Schulung der D enkfähigkeit, analog zum L ateinunterricht, verspricht, sei es, daß man den D eutsch unterrichts von vornherein in den D ienst der V erm ittlung der klassischen und rom antischen deutschen L iteratur stellt. Weil man in erster Linie das “ Land der D ichter und D enker” sucht, bekom m t das D eutschlandbild in vielen Ländern einen rom antisierenden, vergangenheitsbezogenen und irrealen C harakter. Zu diesem Bild trägt auch das deutsche Selbstverständ nis jener Zeit bei, das sich um den besonderen K ulturbegriff rankt, auf den ich eingangs hingewiesen habe. A ber tro tzd em gilt: D eutschland entw ickelt sich in den Jahrzehnten vor dem ersten W eltkrieg zur führenden M acht auf dem europäischen K ontinent, seine U niversitäten genießen W eltruf, und seine Sprache ist in den Schulsystem en vieler Länder, ganz besonders in Skandinavien, fest verankert. A uch die K atastrophe des ersten Welt kriegs hat erstaunlicherw eise das internationale A nsehen der deutschen K ultur und die V erbreitung der deutschen Sprache n icht entscheidend geschwächt. Dies ist w ohl zunächst der T atsache zu danken, daß sich in den zwanziger J ahren der W eimarer R epublik in D eutschland und nicht zuletzt in Berlin ein kulturelles Leben von so hohem Niveau entfaltete. Erst die heraufziehende N azibarbarei und der von H itler en tfach te Welt brand bereiten m it der Z erstörung des alten Europas auch der W eltbe deutung unserer K ultur und Sprache ein gewaltsames Ende. 26 W enden wir uns der G egenw art zu, so scheint es auf den ersten Blick, als sei inzwischen viel von dem verlorengegangenen Terrain wiedergew onnen w orden. Mit einer geschätzten Zahl von 16 bis 17 M illionen D eutsch schülern an Schulen im A usland und w eiteren 3 bis 4 Millionen in der Erw achsenenbildung nim m t D eutsch in der Reihenfolge der erlernten Frem dsprachen heute nach Englisch und Französisch ern eu t den dritten Platz ein. Im Schulbereich ist D eutsch am stärksten in O steuropa vertre te n — allein in der S ow jetunion erlernen schätzungsweise 10 bis 12 Millio nen Schüler die deutsche Sprache. Auch als V erhandlungssprache erfüllt D eutsch neben Russisch in O steuropa noch eine w ichtige Funktion, ln W esteuropa liegen die Schw erpunkte unserer A ktivitäten zur Förderung des D eutschunterrichts in Frankreich, den Benelux-Ländern und Skan dinavien, außerhalb Europas in Japan, Indonesien und Korea. So eindrucksvoll diese Zahlen — für sich genom m en — sind, so ist doch nicht zu leugnen, daß sich die S ituation gegenüber früheren Zeiten in eini gen P unkten entscheidend verändert hat. Zum einen h at der u naufhalt same Aufstieg des Englischen zu einer A rt W eltverkehrssprache bew irkt, daß Englisch heute in den m eisten Ländern als erste Frem dsprache gelehrt wird, w ährend D eutsch gew öhlich nu r noch als W ahlpflichfach (in K onkur renz m it anderen Sprachen bzw. Sachfächern) oder gar n u r als Wahlfach m it ungenügender S tundenzahl angeboten wird. Zum anderen haben sich die dem F rem dsprachenunterricht zugrunde liegenden bildungstheore tischen K onzeptionen entscheidend gew andelt. Die frühere A uffassung vom form alen oder inhaltlichen Bildungswert des F rem dsprachenunterrichts hat inzwischen einer pragm atischeren, am G ebrauchsw ert von Frem dsprachen ausgerichteten und folglich die praktische Sprachbeherrschung in den V or dergrund stellenden Einstellung Platz gem acht. A nstelle einer gründlichen Beschäftigung m it G ram m atik bzw. L iteratur ist som it eine möglichst sichere Beherrschung des D eutschen im mündlichen A usdruck als oberste Zielsetzung getreten. Gegenüber dieser E ntw icklung sind einige einschränkende Bemerkungen angebracht. Erstens bem ißt sich der Wert dieser K onzeption zu einseitig an den M öglichkeiten des Schülers, die erlernte Sprache auch zu prakti zieren und sie im späteren Leben m öglichst auch beruflich zu verw erten. A uch w enn zuzugeben ist, daß diese M öglichkeiten gegenüber früheren Zeiten erheblich zugenom m en haben, so bleiben sie im Schüleralltag doch relativ sporadisch und verringern sich außerdem m it w achsendem geo graphischen A bstand zu den deutschsprachigen Ländern. Sie dürften daher für sich allein keine ausreichende M otivation für Schüler und Eltern darstellen, sich gerade für dieses Fach zu entscheiden, zumal überall die 27 aus Bequem lichkeit genährte Überzeugung w ächst, allein m it Englisch auf der ganzen Welt zurechtzukom m en. Der Rückgang der Schülerzahlen und verbunden dam it auch ein stark rückläufiges Interesse am G erm anistikstudium in vielen Ländern bestä tigen diese V erm utung. Zweitens: Ein Frem dsprachenunterricht, der auf die V erm ittlung von Bildungswerten jeglicher A rt verzichtet, verstößt gegen den w ichtigen G rundsatz, daß Sprachen wegen der Inhalte gelernt w erden sollten, denn, um das bereits erw ähnte Jaspers-Zitat zu w iederholen, “ ... in der w ahr haften und w irklichen Sprache ist stets durch sie ein A nderes, das nicht Sprache ist, sondern durch Sprache ergriffen wird, das eigentlich Gew ollte und Bezweckte: die B edeutungen” . Im recht verstandenen k om m unikativen U nterricht dürfte es daher nicht um einen V erzicht au f In halte, sondern um deren Neufassung und A ktualisierung in Form einer zeitgem äßen, um politische und gesellschaftliche G esichtspunkte erw ei te rten K ultur- oder L andeskunde gehen, in der auch völkercharakterologische A spekte der deutschsprachigen L änder gebührend berücksichtigt werden m üßten. Das G oethe-Institut hat bereits V o rjah ren m it einem breit angelegten internationalen Sym posium zum Them a “ Die K ultur der deutschsprachigen Länder im U nterricht” au f diese N otw endig keit aufm erksam gem acht. A nsätze zu einer derartigen K ulturkunde als integrierendem B estandteil des D eutschunterrichts an Schulen sind aber bisher nur in wenigen Ländern, z.B. in F rankreich und in Schw eden, er kennbar. Dies leitet bereits über zu m einer d ritte n A nm erkung: Der D eutschunterricht an Schulen scheint gegenwärtig in vielen, ich bin ver sucht zu sagen, in den m eisten Ländern (w obei ich die besondere Situa tio n in O steuropa nicht behandeln m öchte) an unzureichendem und ver altetem Lehrm aterial, m ethodisch und didaktisch m angelhaft ausgebilde ten L ehrkräften und eben auch daran zu leiden, daß m an sich über Stel lenw ert und Zweck des D eutschunterrichts nicht m ehr so recht im klaren ist. L etzteres kann beispielsweise dazu führen, daß in den U nter richtsplänen die S tundenzahl für D eutsch zugunsten anderer Fächer im m er w eiter reduziert w ird, oder daß, w enn es um die Einsparung von Personalstellen geht, der D eutschunterricht m eist vor allen ande ren Fächern betroffen ist. Die Bundesregierung bem üht sich m it einem ganzen Bündel von F örderungs m aßnahm en, an denen das G oethe-Institut m aßgeblich beteiligt ist, den hier nur angedeuteten Mängeln abzuhelfen. So wichtig und unentbehrlich diese sprachpolitischen M aßnahm en auch sind, so wäre ein fundam entaler Wandel meines Erachtens doch nur u n te r zwei V oraussetzungen zu er 28 w arten: Daß näm lich einmal bei den zuständigen Erziehungsm inisterien wieder die Ü berzeugung von der W ichtigkeit der deutschen Sprache und K ultur wächst, und daß m an sich zum anderen wieder verstärkt auf die spezifischen Werte, sprich Bedeutungen, besinnt, die durch den D eutsch u n terricht verm ittelt w erden sollen. F ehlt diese D imension, so ist zu be fürchten, daß die deutsche Sprache ihre jetzige Position in absehbarer Zeit an eine andere Sprache, z.B. an Spanisch, ab treten m uß. Denn der reine G ebrauchsw ert des D eutschen ist — und w ar es w ohl im m er — im Vergleich zu anderen Sprachen relativ beschränkt. W enden wir uns noch kurz dem E rw achsenenunterricht zu. Hier liegen die V erhältnisse unvergleichlich günstiger. Das läßt sich schon allein durch den in den letzten Jahrzehnten ständig gewachsenen Z ulauf zu den D eutsch kursen an V olkshochschulen und kom m erziellen F rem dspracheninstitu ten , zu interfakultativen D eutschkursen an U niversitäten und zu den Er w achsenenkursen des G oethe-Instituts in aller Welt belegen. In bestim m ten Ländern scheint ein direkter Zusam m enhang zwischen der abnehm en den B edeutung des D eutschunterrichts an Schulen und seiner Zunahm e im Erw achsenenbereich zu bestehen. In m anchen Regionen, in denen D eutsch an Schulen n icht oder kaum gelehrt wird, ist der Andrang zu den Erw achsenenkursen besonders groß. Dies gilt beispielsweise für L atein am erika, wo bis vor kurzem jährlich über 20.000 Erwachsene an den Sprachkursen des G oethe-Instituts teilnahm en. Das ist nahezu ein D rittel unserer Sprachschüler in aller Welt. In den letzten zwei Jahren ist w elt w eit ein gewisser Rückgang der Nachfrage festzustellen, was wohl in erster Linie auf die verschlechterte W irtschaftslage in vielen Ländern zurückzuführen ist. Der E rw achsenenunterricht vermag wesentlich elastischer auf Nachfrage schwankungen zu reagieren, als der aufgrund institutioneller F aktoren vielfältiger A rt unbew eglichere Schulbereich. Ferner sind Erwachsene im U nterschied zu Schülern stets positiv m otiviert und verbinden m it dem Erlernen einer bestim m ten Sprache in der Regel auch m ehr oder weniger präzise Zielvorstellungen. Vom Umfang des Erw achsenenunterrichts kön nen daher genauere Aufschlüsse über die tatsächliche W ertschätzung, die die deutsche Sprache und K ultur heutzutage in der Welt genießen, er w artet werden. Aus den Schülerum fragen, wie sie das G oethe-Institut an den deutschen K ulturinstituten im A usland in regelmäßigen A bständen durchführt, hebe ich folgende Ergebnisse als für unser Them a bedeutsam hervor: 29 1. Der A nteil von K ursteilnehm ern, die ein S tudium bereits abgeschlossen haben, oder sich noch im S tudium befinden, liegt bei m indestens 70 %, in der Mehrzahl der Fälle sogar deutlich darüber. Ein ebenso großer Personenkreis besitzt in aller Regel neben der M uttersprache bereits K enntnisse in einer anderen Frem dsprache. Dieser außerordentlich hohe durchschnittliche Bildungsstand der K ursteilnehm er w irkt sich u n m ittel bar positiv auf das U nterrichtsniveau aus. 2. Bei der Frage, aus w elchen Gründen D eutsch gelernt w ird, ist das im m er wieder überraschende und diejenigen, die nur an ganz handfeste pragm atische Motive für jede A rt menschlichen Tuns glauben, befrem den de Ergebnis, daß in der Regel 50 bis 60 % der Befragten ih r Interesse an der deutschen Sprache un d L iteratur als H auptgrund nennen. Erst da nach folgen m it w eitem A bstand die G ruppen derjenigen, die Deutsch für ihr Studium oder ihren B eruf benötigen, und schließlich jene, die sich sprachlich auf ein S tudium oder eine Tätigkeit in D eutschland vorberei ten wollen. Wir w erden au f dieses bem erkensw erte Ergebnis noch einmal zurückkom m en müssen. 3. Eine weitere Frage bezieht sich auf die F ertigkeiten, die man vor allem zu erw erben w ünscht, also H ören, Sprechen, Lesen, Schreiben. Hier lassen die Umfrageergebnisse aus der ganzen Welt klar erkennen, daß die Mehr zahl der K ursteilnehm er, im D urchschnitt m indestens 70 %, keine Spe zialisierung anstrebt, sondern sich in allen Fertigkeiten gleichmäßig auszu bilden wünscht. A uch dieses Ergebnis läßt den Schluß zu, daß pragma tische Interessen als M otive für das Erlernen einer Frem dsprache oder, vorsichtiger form uliert, des D eutschen, bei w eitem keine so große Rolle spielen, wie man dies häufig verm utet hat. Neben dieser M ehrheit geben gew öhnlich rund 10 % der K ursteilnehm er an, daß es ihnen prim är au f die Fertigkeiten des H örverstehens und Spre chens ankom m t, und w eitere 10 % sind vor allem daran interessiert, deutsche w issenschaftliche L iteratur lesen zu können. Diesem letzteren Bedarf muß durch die E inrichtung von Lesekursen, die ein rasches Ver ständnis der spezifischen deutschen W issenschaftssprache ermöglichen, Rechnung getragen w erden. Dabei wird es vom Einzelfall abhängen, in w ieweit solche Kurse bereits wieder fachspezifisch ausgerichtet sein kön nen, sich also speziell als Lesekurse für Mediziner, Juristen, Physiker usw. verstehen, oder allgemeiner gehalten sein müssen. Ich darf erw ähnen, daß das G oethe-Institut in der E ntw icklung von Lesekursen für W issenschaft ler verschiedener A rten in den letzten Jahren große F o rtsch ritte gem acht hat. 30 Unsere Umfrageergebnisse lassen aber andererseits klar erkennen, daß der S chw erpunkt des D eutschunterrichts im Ausland auch w eiterhin auf den alle Fertigkeiten gleichm äßig fördernden N orm alunterricht gelegt w erden muß. Dieses Ergebnis bedarf nun allerdings einer w ichtigen Modi fikation. Denn wie wir schon bei der Behandlung des D eutschunterrichts an Schulen gesehen haben, verlieren die Fertigkeiten des Hörverstehens und Sprechens m it zunehm endem A bstand zum deutschsprachigen Ge biet an Gew icht, w ährend die geschriebene Sprache an Bedeutung ge w innt. Es ist deshalb ganz natürlich, daß in der U nterrichtspraxis der Förderung der L esekom petenz besondere A ufm erksam keit geschenkt wird. Mit der Frage nach der A rt der T exte, die dabei V erw endung finden, treten w ir erneut in das Reich der Bedeutungen oder Inhalte ein, die durch Sprache verm ittelt w erden sollen. Eine Zeitlang scheint m an in der A bsicht, ein möglichst aktuelles D eutschlandbild und eine Sprache zu ver m itteln, wie sie von breiten Bevölkerungsschichten verw endet wird, Ge brauchstexten aus dem Alltag den Vorzug gegeben zu haben, z.B. Zei tungsartikeln, unverfälschten G esprächsprotokollen, G ebrauchsanw ei sungen, Werbeslogans und dergleichen. Es hat sich jedoch gezeigt, daß sich die K ursteilnehm er durch T exte dieser A rt gew öhnlich nicht genü gend angesprochen fühlten, und kehrte deshalb inzwischen m ehr zu lite rarischen sowie zu inhaltlich anspruchsvollen Inform ationstexten aus Gegenwart und V ergangenheit zurück, zu einer L iteratu r also, deren dichter geistiger und em otionaler Bedeutungsgehalt den Erw artungen der Schüler am besten entspricht. Man kann sich — wie erw ähnt — diese Erw artungen in der T at nicht anspruchsvoll genug vorstellen. Ich habe in den sieben Jahren als Präsident des G oethe-Instituts im m er wieder erfahren, daß etwas von dem D eutschlandbild, wie es einst von Madame de Staël und anderen gezeichnet w orden war, im Ausland als Erw artung noch im m er lebendig ist. Diese E rfahrung hat zwiespältige Gefühle in m ir ausgelöst: e i n e r s e i t s F reude und Stolz, n icht nur für das reiche kulturelle deutsche Erbe heute im A usland einzustehen, sondern auch das kulturelle Leben der G egenw art verständlich zu m achen, das in allen seinen M anifestationen erneut etwas von dem “engen Ineinander von Philosophie, L iteratur und L eben” im Sinne von Madame de Staël spüren läßt. A n d e r e r s e i t s löst die Erfahrung dieser E rw artung bei mir auch T rauer aus: Ist es nur H itler zuzuschreiben, daß sich Züge des R ätselhaften, Irrationalen und U nheim lichen durch die G eschichte dieses Jah rh underts zusätzlich in das Bild des D eutschen eingebrannt haben? 31 Ich gestehe es: bei aller W ertschätzung W agnerscher Musik ist m ir in einigen Ländern der Welt n icht ganz w ohl bei der Feststellung, daß es neuerdings fast eine S ucht gibt, sich dieses “ R ätselhafte, Irrationale und o ft U nheim liche” des deutschen Wesens durch eine Wagner-Renaissance bestätigen zu lassen. Natürlich wissen w ir alle, daß es einer A nm aßung gleichkäm e, für die heutige Bundesrepublik in A nspruch zu nehm en, w ir seien im Vergleich zu anderen V ölkern noch ein Volk der D ichter und D enker. Die hohen kulturellen Erw artungen an uns mischen sich im A usland o ft auf eine quälende Weise m it dem D eutschlandbild des (für uns längst vergangenen) W irtschaftswunders, obw ohl M ercedes-Stern und Volkswagen gewiß nach wie vor Q ualitätsm arkenzeichen in vielen Ländern geblieben sind. Wenn ein G roßteil der Erwachsenen, die im Ausland die deutsche Sprache erlernen, dies —wie w ir festgestellt haben — um der deutschen K ultur willen tu t, so ist dies im Sinne von T o y n b ee’s “Challenge and response” eine H erausforderung an uns. Viele Programm e des G oethe-Instituts in aller Welt erweisen es: Es gibt nachw achsende künstlerische Kräfte in unserem Land, die sich im Ausland sehen und hören lassen können und jedenfalls bem erkensw erte T eilantw orten au f die H erausforderung der erw ähnten E rw artung geben. Solange daher diese K ultur lebendig bleibt, d.h. auch, solange nicht nur das populäre Gängige, sondern auch das E xperim ent gefördert und die K ultur n icht u n te r hausbackenen Ge sichtspunkten vom S taat gegängelt oder von parteipolitischen oder kom m erziellen Interessen erstickt wird, solange in deutscher Sprache auch w eiterhin geistige M anifestationen stattfinden, die dem R u f einer “ patrie de la pensee” Ehre m achen, solange wird es auch um die deutsche S prachkultur im A usland nicht schlecht bestellt sein. 32 JÄNOS JUHÄSZ Der Stellenwert der Sprachkultur in der modernen Gesellschaft ökologische Aufgaben der Linguistik 1. Kultur — Kultiviertheit des Sprachgebrauchs — Sprachkultur Bekanntlich wird u n te r “ K u ltu r” recht vieles und Unterschiedliches ver standen. So spricht man z.B. von “ K u ltu r” im Zusam m enhang m it den Künsten, im Zusam m enhang m it U nterricht und Erziehung (im klassi schen Latein bedeutete cultura u.a. ‘geistige Bildung’), im Zusam men hang m it geistigen T raditionen oder überhaupt im Zusam menhang m it all dem, was sich au f die geistigen P rodukte der M enschheit bezieht. Mit “ K u ltu r” wird aber auch das bezeichnet, was das Zusam m enleben der M enschheit betrifft, also in ethischen K ategorien ausgedrückt wird. Eine D ifferenzierung erhielt der Begriff, als m an von einer “ industriellen Kul tu r ” , von einer “W ohnkultur” , von einer “V erkehrskultur” , von einer “ politischen K u ltu r” oder von einer “ K ultur der A rb eit” zu sprechen be gann, was im G runde einer konsequenten D istanzierung vom zoologi schen Individualismus gleichkam. Schließlich findet sich heute eine In terp retatio n des Wortes in der Bestim mung, daß darunter die G esam t heit der Errungenschaften der G esellschaft in ihrer m ateriellen und gei stigen Entw icklung (Filosofskaja enziklopedija 1964, S. 118) zu verste hen ist. Daraus geht hervor, daß ein w issenschaftliches Umgehen m it dem W ort nicht ungefährlich ist; eine extensionale D efinition würde ins Ufer lose führen, also eigentlich keine D efinition m ehr sein. Was ist nun unter “ S prach k u ltu r” zu verstehen? Das W ort w urde vom Prager Kreis geschaffen, in der ersten Zeit allerdings noch nicht differen ziert gebraucht; es konnte sow ohl die K ultiviertheit des Sprachgebrauchs als auch die Sprachpflege bedeuten. 1932 heißt es dann aber schon in den “ Allgemeinen G rundsätzen der S prachkultur” , daß u n ter “ K ultur der L iteratursprache” die bew ußte Pflege der L iteratursprache zu verste hen ist (G rundlagen der S prachkultur 1976, S. 74. Hier und im weiteren stehen die bibliographischen A ngaben m it den Erscheinungsjahren der zugänglichen deutschen Ausgabe und nicht m it dem ursprünglichen Er scheinungsjahr). M athesius b e to n t im gleichen Jahr, daß jede K ultur eine O rdnung ist und das Prinzip der O rdnung in jeder kultivierten Sprache steck t (1976, S. 89). 33 Insofern haben die Prager das W ort zu einem N om en actionis und den Begriff eindeutig gem acht sowie ihn zu dem traditionell “Sprachpflege” genannten Begriff in V erw andtschaft gesetzt, und in diesem Sinne wer de auch ich ihn im folgenden gebrauchen. Inw iefern Sprachkultur sich au f L iteratursprache bezieht, w ird allerdings noch zu erö rtern sein. Sprachkultur unterscheidet sich jedoch von Sprachpflege dadurch, daß sie im Besitz einer w ohlfundierten K onzeption und einer entsprechenden M ethode ist. Sie unterscheidet sich von ihr nicht im H inblick auf ihre In tentionen, d.h. auf die V erbesserung des Sprachgebrauchs. Intentionen sind aber nicht unabhängig von K onzeption und M ethode, weil das F eh len einer K onzeption oder eine unangem essene M ethode u.U. das Ziel der T ätigkeit nicht richtig erkennen lassen und dam it die In ten tio n e n t stellen können. Deshalb sollte zwischen S prachkultur und Sprachpflege kein G leichheitszeichen gesetzt w erden. Diese Behauptung wird im wei teren zu erörtern sein. Das Ziel der S prachkultur ist die K ultiviertheit des Sprachgebrauchs. Selbstverständlich hängt dies m it der Beeinflussung der Sprache selbst zusamm en. D arauf, d.h. z.B. auf das aktive Eingreifen in die E ntw ick lung der L iteratursprache, das die “Allgemeinen G rundsätze der Sprach k u ltu r” (1976, S. 74) sich zum Ziel setzten, gehe ich hier nicht ein, zu mal die sprachliche S ituation in der Tschechoslow akei jen er Zeit sich von der heutigen deutschen Situation unterscheidet. Die K ultiviertheit des Sprachgebrauchs ist ein kom plexer Begriff, dessen Kriterien m annigfaltig sind und der in engem V erhältnis zu der K ultiviert heit nonverbalen V erhaltens steh t (vgl. G auger/O esterreicher 1982, S. 33 f.). A ber selbst innersprachlich liegen die Dinge n icht einfach. Eine solche F o r derung wie z.B. die der G ram m atikalität der Ä ußerung ist nicht u n te r al len Um ständen eine Bedingung der Sprachkultur; es ist keine seltene Er scheinung, daß die S ituationsadäquatheit z.B. einen A nakoluth fo rd ert — was natürlich keiner allgemeinen R echtfertigung ungeordneter Satzm en gen gleichkom m t. In provisorischer und grober Form ulierung: Das eigentliche K riterium der K ultiviertheit des Sprachgebrauchs ist die Situationsadäquatheit. V er ständlichkeit, P artnerbezogenheit, Them aabhängigkeit usw. sind im G run de genom m en F orderungen, die in der K ultiviertheit drinstecken. Man könnte einw enden, daß eine solche A uffassung sich m it dem deckt, was man in der einschlägigen sow jetischen und D D R -Literatur (Riesel/ Schendels 1975; Michel 1968; Fleischer/M ichel 1979; u.a.) u n ter fu n k tionaler Stilistik versteht. Der Einwand ist berechtigt, es gilt jedoch, eine entsprechende Stilistik praktikabler zu gestalten, da eine Stilistik, die aufs 34 Ganze geht, stets Züge der W issenschaft u n d der K unstkritik aufweist und daraus eine der größten theoretischen und praktischen Schwierig keiten entsteht. Diese Feststellungen reichen selbstverständlich noch nicht für die Bildung einer konsistenten K onzeption der S prachkultur aus. Weder der Zusam m enhang zwischen nichtsprachlicher und sprachlicher K ultiviertheit, noch die Kriterien für eine Beurteilung sprachlicher Ä ußerungen w erden da durch geklärt bzw. festgelegt. Infolge der genannten Schwierigkeiten ver zichte ich auf eine D efinition und versuche zur Klärung des Begriffs der K ultiviertheit m it einer B e s c h r e i b u n g beizutragen; ich m öchte im folgenden beweisen, w arum und bis zu welchem Grad der Begriff der S prachkultur operationalisierbar ist, was seine A nw endung erforderlich m acht, und andeuten, welche A ufgaben eine S prachkultur heute in der deutschen Sprachgem einschaft zu lösen hat. S prachkultur soll also nicht als ein statischer Begriff, sondern als eine T ätigkeit dargestellt werden. Daß eine ausführliche D arstellung der Problem atik in diesem V ortrag, ja selbst in einem ganzen Buch nicht möglich ist, bedarf wohl keines Bewei ses. Die Auswahl der Problem e weist aber auf die A ktu alität der In ten tionen hin. Keines Beweises bedarf es w eiterhin, w arum die A usführun gen sich auf die A rbeiten der Prager Schule stützen, und wenn einiges auch schon längst b ekannt ist, so verweise ich auf die alte Weisheit, daß alles V ernünftige schon einm al gesagt w orden ist... 2. Einschränkungen der M öglichkeiten von Sprachkultur Zunächst m öchte ich über den erw ähnten Zusam m enhang von außer sprachlicher und sprachlicher K ultiviertheit kurz nur so viel sagen, daß darüber in den 60er Jahren schon viel diskutiert w urde, auch im In stitu t für deutsche Sprache, näm lich damals, als die N orm auf der Tagesordnung stand (Jahrbuch des IdS 1966/67) und man zu dem Konsens gelangte, daß Sprachkritik bzw. S prachnorm enkritik n icht m it Sozialkritik ver w echselt werden darf. Ich schließe mich dieser Auffassung an, besonders so, wie sie von Werner Betz (1968) und Peter von Polenz (1968) form u liert wurde, und bedauere, daß die Verwechslung in den letzten Jahren wieder auftaucht, und zwar in Form der Forderung nach D em okratie (z.B. Heringer 1982). Es wäre aber zum indest ein M ißverständnis, m it “S p rachkultur” Sozialkritik üben zu wollen (vgl. Juhasz 1980; Juhasz 1984). Daran ändert sich auch nichts, wenn man nicht “ S p rach k u ltu r”, sondern “ S prachkritik” sagt. 35 Sodann m uß eine w eitere Einschränkung vorgenom m en w erden. Es gibt zwei Anw endungsbereiche der Sprache, wo es unsinnig ist, Bemühungen um die u n m i t t e l b a r e Verbesserung des Sprachgebrauchs zu ver langen. Dies sind die Belletristik, innerhalb dieser vor allem die Lyrik, und der Hum or. Man m üßte dazu erst genauer wissen, was sprachliche K reativität ist. Da es hier n ich t möglich ist, auf diese Problem atik einzu gehen, möge ein Beispiel aus dem relativ neuen Sprachgebrauch zeigen, wie vorsichtig man in der S prachkultur m it Bew ertungen der K reativität umgehen muß. Das Beispiel steh t an der N ahtstelle von verbalem H um or, also Okkasionalität, und kodifizierter Norm . Das Verbgefüge etwas verbrochen haben hat die Eigentüm lichkeit, i.a. m it einem Indefinitpronom en in der A kku sativ-Leerstelle zu stehen. Man kann also nicht sagen *Er hat einen M ord verbrochen. N un h at sich aber seit geraum er Zeit (laut Küpper 1963 stam m t der erste Beleg aus dem Jahre 1860, laut Trübner 1956 aus den 1930er Jahren) die Form eingebürgert, Publikationen bezeichnende Sub stantive in der Leerstelle zu gebrauchen, und zwar m it einem ironischen Effekt. Also wenn z.B. dieser V ortrag einmal im D ruck erscheinen wird, so werde ich jem andem , dem ich einen Sonderdruck geben will, sagen können: Ich habe hier einen kleinen Beitrag über Sprachkultur verbro chen. Haben Sie Interesse dafür? Dies ist ein typischer Fall für den Über gang vom W ortspiel, vom verbalen H um or zur V eränderung der Norm. (“ W ortspiel” ist hier nicht zu verwechseln m it dem W ittgensteinschen “ Sprachspiel”-Begriff, obw ohl die beiden Dinge natürlich m iteinander Zusammenhängen.) Und eben dieser Übergang ist es, der eine Prognose beim ersten A uftauchen der Inkom patibilität erschw erte und der es der S prachkultur nicht gestattet, apodiktische Feststellungen zu machen. So gab es bei dem erw ähnten Beispiel u.a. folgende U nsicherheitsfakto ren: a) Da es sich um einen Neologismus handelte, k o nnte m an nicht wissen, wie langlebig er sein wird. b) V erbreitete sich auch der G ebrauch des Verbs m it einem Substantiv in der Leerstelle, so m ußte sich der Lexikograph, der ja eine wichtige F unktion in der S prachkultur hat, fragen, von wann an er die sem an tische D istribution des Verbs neukodifiziert. Er darf ja seiner Zeit w e der hinterherhinken noch ihr vorauslaufen. (Das Ironische dürfte übri gens wohl noch lange bestehen bleiben, weil die Inkom patibilität sehr durchsichtig ist.) c) Da zu gleicher Zeit im m er m ehrere G enerationen m it unterschiedli chem Normgefühl leben, war es geradezu notw endig, daß die Beurtei36 lung der F orm eine Zeitlang nicht einheitlich war. Ä ltere Menschen halten an älteren F orm en fest. Ihre gesellschaftliche F u n k tio n ist es, für die K on tin u ität der Norm, für die relative E inheitlichkeit der Kom m unikation zu sorgen, w ährend jüngere Sprachteilhaber den neuen A nforderungen der sich w andelnden G esellschaft gerecht werden wol len (vgl. Müller 1982, S. 219). Dies sollte als eine gesunde Selbstregu lierung b etra ch te t w erden, und für die S prachkultur ist das V erständ nis dieses perm anent entstehenden und sich perm anent aufhebenden Gegensatzes von größter Bedeutung. Diese wenigen vorläufigen Überlegungen mögen angedeutet haben, daß eine realistische S prachkultur sich über ihre G renzen im klaren sein muß. 3. Zur linguistischen Grundlage der S prachkultur Für eine realistische S prachkultur braucht man eine linguistische K onzep tion, die sich nicht auf das vergegenständlichte Sprachsystem und auf die M ethoden der System linguistik beschränkt, sondern die in Kenntnis der Ergebnisse der System linguistik den sozialen C harakter jeglicher sprach lichen Ä ußerung berücksichtigt und deren M ethoden flexibel und vielsei tig sind. Dies finden wir in der Prager Schule und den an sie anschließen den A rbeiten. Aus der Fülle der sich hier findenden G edanken seien hier nur zwei heraus gegriffen. Der eine ist die These der elastischen S tabilität der Synchronie (M athesius 1976, S. 89). Abgesehen von der erstaunlichen w issenschaftsgeschichtli chen Leistung, schon in den 20er Jahren, also zu einer Zeit, als synchronische U ntersuchungen noch in den K inderschuhen steckten, das Wesen der Synchronie derm aßen gut zu erfassen und dam it die damals rund hun d ert Jahre alten A rbeiten H um boldts wesentlich fortzuführen (von de Saussure und von der G abelentz schon gar nicht zu reden), ist diese These heute nicht nur einfach richtig, sondern sie ist auch aktuell. A ktuell ist sie deshalb, weil selbst viele spätere Schulen, wie z.B. die generative Gram m atik, die den D ynam ism us der Synchronie betonen, das V erhältnis von S tatik und D ynam ik weniger bzw. anders vor Augen halten als die Prager Schule und ihre Anhänger. Für die S prachkultur b ed eu tet die Prager These so viel, daß 1. eine Bewer tung sprachlicher Ä ußerungen ohne die Berücksichtigung des potentiellen Sprachwandels undenkbar ist, und daß 2. “das System ein System von M öglichkeiten, von K oordinaten (ist), welche gangbare und versperrte Wege bezeichnen. D aher kann es sowohl als G esam theit bestim m ter ‘Zwän 37 ge’, aber auch vielleicht eher noch als ein K om p lex von Freiheiten gelten, zumal es unendliche Realisierungen zuläßt und nur die N icht-B eeinträch tigung der funktioneilen Bedingungen des sprachlichen Instrum ents fo r dert. So ist denn seine N atur n icht ‘zw anghaft’, sondern eher b eraten d .” (Coseriu 1975, S. 88) Es ist übrigens bezeichnend, daß in den letzten Jahren viele Linguisten die Synonym ie them atisierten, so z.B. Gauger 1972; Bere?an 1973; Bickmann 1978; gar nicht zu reden von den S ynonym w örterbüchern wie z.B. Die richtige W ortwahl 1977; Sinn- und sachverw andte W örter und W endungen 1972; S ynonym w örterbuch 1973; u.a. Es ist seltsam, daß das Prinzip der elastischen S tabilität in der Sprachpfle ge der D eutschen und anderer N ationen wenig zur K enntnis genom m en wird — abgesehen von einigen A usnahm en wie z.B. Wolfgang Müller in der Z eitschrift “te x ten + schreiben” . Allerdings kann man noch hinzu fügen, daß es eigentlich n i c h t seltsam ist; denn es ist ja bedeutend einfacher und bedarf weniger geistigen A ufw andes, die Dinge nur in Schwarz und Weiß zu sehen, als A lternativen anzuerkennen und zur Ver fügung zu stellen. Viele Sprachpfleger gehen lieber den Weg des geringe ren W iderstandes. Der zweite G edanke kann m it den W orten von Danes wiedergegeben wer den: “Der Begriff des System s ru ft gewöhnlich die Vorstellung einer ganz regelmäßigen Einordnung der E lem ente hervor, zu der u n te r anderem ge hö rt, daß eine vollständige, erschöpfende K lassifikation aller Elem ente in eine bestim m te A nzahl von zueinander in O pposition stehenden (...) K ategorien und Klassen aufgrund der relevanten Merkmale möglich ist. Doch unsere analytische Praxis übezeugt uns davon, daß eine solche Klas sifikation zu vielen Schw ierigkeiten und m anchm al gar zu unlösbaren Problem en führt. Diese A uffassung setzt voraus, daß jedes Elem ent alle relevanten M erkmale in vollem Maße enthält, d.h. daß die sprachlichen Kategorien und Klassen genau und scharf voneinander abgegrenzt sind. Doch es gibt kein wissenschaftliches Prinzip, das uns a priori zwingen würde, um jeden Preis eine E ntscheidung zwischen zwei M öglichkeiten zu tref fen, wenn im gegebenen Falle die sprachliche R ealität keine Grundlage dafür b ietet und sich dagegen sträubt. Meiner A nsicht nach ist es richti ger, w enn man einfach anerkennt, daß die sprachlichen K ategorien oder Klassen keine geschlossenen Schachteln sind, sondern G ebilde m it einem festen kom pakten Kern (oder Z entrum ) und einer diffusen Peripherie, die in die Peripherie einer oppositionalen Kategorie oder Klasse übergeht oder in sie eindringt.” (1982, S. 132 - 133) 38 Aus diesem zentralen und die M ethode determ inierenden G edanken der Prager Schule folgt vieles, was sowohl für die allgemeine linguistische K onzeption als auch für die darauf beruhende S prachkultur wesentlich ist. Was vor allem auffällt, sind das Aufs-Ganze-Gehen und die Selbstbe schränkung zugleich. Aufs Ganze gehen die Prager, indem sie n ich t ver gessen, daß die Sprache letzten Endes nur als to tale Einheit existiert und funktioniert. Wenn auch Segmente u n tersucht w erden, so m uß sich in ihnen das Ganze zeigen wie im T ropfen das Meer. Die Selbstbeschrän kung ist kom plem entär dazu: Wenn nicht in jedem T ropfen (= Klasse oder Kategorie) gleicherm aßen das Meer (= System ) gezeigt w erden kann, weil es viele solche Elem ente gibt, die einander n i c h t i m m e r aus schließen, so gibt es eben Übergänge. D am it fällt der Sprache noch kein Zacken aus der K rone und eben deshalb auch dem Linguisten nicht. Natürlich wäre es schön, alles säuberlich form alisieren zu können, in die Sprache der S prachkultur übersetzt: Natürlich wäre es schön, w enn man sagen k ö nnte “Wer nämlich m it h schreibt, ist däm lich” , aber ich finde, wenn ein Lausbub m it Kreide an die H ausm auer Hans ist dähm lich schreibt, so ist das stilgerechter, als w enn er däm lich schriebe (besonders in Sachsen). Wo bleibt da Platz für absolute O ppositionen?! Aus dieser Selbstbeschränkung wird jedoch kein Agnostizismus und auch kein Nihilismus, keine A narchie; kein Prager hat je b eh au p tet, daß das sprachliche System am orph sei — das wäre eine contradictio in adiecto —; eben die form alisierteste Disziplin der Linguistik — die Phonologie — stam m t von den Pragern. Wie erw ähnt, b e to n t M athesius das Prinzip der O rdnung in jeder kultivierten Sprache. Das L eitm otiv von Z entrum und Peripherie bildet die Betrachtungsw eise, die O rdnung in unserem D en ken über Sprache schafft. Eine funktionale S prachkultur kann nur auf grund dieses Leitm otivs getrieben w erden. Und wem in unserem Z eitalter des hohen Prestiges von N aturw issenschaft und T echnik eine solche “ u n ex a k te” H andhabung von Sprache und Sprachkultur nicht gefällt, der erinnere sich an die U nschärferelationen Heisenbergs oder an die W ahrscheinlichkeitstheorie der M athem atik! Man findet selbst in der außerm enschlichen N atur Erscheinungen, die man nur m ithilfe von unscharf abgegrenzten K ategorien und Klassen be schreiben bzw. erkennen und erklären kann. Um wieviel m ehr m uß sich dies auf hum ane Phänom ene beziehen, die noch dazu gesellschaftlich determ iniert sind. Für diese gilt die Zentrum -Peripherie-A uffassung als d i e E xaktheit der Beschreibung. “Es ist nicht m öglich” , schreibt Mathesius, “und es ist auch gar nicht w ünschensw ert, daß jederm ann in jeder S ituation gleich schreibt. Ein 39 S prachreform ertum , das das nicht erkennen kann oder will, h at seine Sache schon von vornherein verloren. Deshalb habe ich hervorgehoben, daß die S tabilität der Literatursprache elastisch sein muß. Wenn nun je m and einw endet, daß m it dieser Forderung eine genaue wissenschaftli che Festlegung des richtigen Sprachgebrauchs unm öglich wird, so stim me ich ihm bei. Ich füge aber hinzu, daß sich keine lebende Sprache wis senschaftlich fest in die Zügel nehm en läßt. Die sprachliche Praxis war und ist im m er die Folge eines recht kom plizierten Zusam m enw irkens verschiedener K räfte, und die Linguisten müssen zufrieden sein, w enn es ihnen gelingt, ihren klärenden Einfluß ein wenig zur G eltung zu bringen. Die Sprachkultur ist vor allem eine Sache der praktischen Erfahrung und Entscheidung. Man kann über die Prinzipien dieses V erfahrens diskutie ren, aber nicht ein System zur K ontrolle der Sprache konstruieren, das präzise und in logischer Abfolge wie ein A utom at funktio n iert. Wir k ö n nen und müssen jedoch den Sinn für eine sorgfältige sprachliche A usdrucks weise entw ickeln und ihn in unserem Volk zu einem festen Bestandteil der Allgemeinbildung m achen...” (1976, S. 101 - 102) Dies führt hinüber zu der A ktu alität der Sprachkultur, d.h. welche Pro bleme gibt es hier und heute? 4. Die A ktualität der Sprachkultur Zunächst eine genauere Bestim mung des G egenstands der Sprachkultur. Wie erw ähnt, spricht M athesius von der K ultur der Literatursprache. Da zu ist zweierlei zu bem erken. Erstens ist die einschlägige Prager L iteratur in dieser H insicht nicht ein heitlich. So m acht schon H avränek 1932 darauf aufm erksam , daß es Unterschiede zwischen der N orm der L iteratursprache und der der “ Volks sprache” gibt (1976, S. 105 - 106). Jedli^ka bezeichnet als L iteratur sprache die kultivierte Form der N ationalsprache, “ die sow ohl in ge schriebener als auch in gesprochener Form (in dieser Reihenfolge! J.J.) verw endet w ird” , und m eint, daß die Einbeziehung der sog. Alltagsspra che in die L iteratursprache offen bleibt (1982, S. 54). Und an anderer Stelle schreibt er, daß die Literatursprache in der neuen Auffassung nicht m ehr auf die sog. “ B uchsprache” beschränkt w urde, sondern daß als Be standteil der Literatursprache auch diejenige Form angesehen w urde, die die eigentlichen Träger der L iteratursprache im Alltag verw enden (1982, 5. 46; vgl. auch R om porti 1982). N un b esteht jedoch für die Praxis — und dies ist die zw eite Bemerkung — ein schwerwiegender U nterschied zwischen der K ultur der gesprochenen 40 und der der geschriebenen Sprache. Die rapide V erbreitung der Massen m edien zeigt besonders in der deutschen Sprache, daß es signifikante U nterschiede zwischen den beiden Realisationsweisen der Sprache gibt und daß infolgedessen die S prachkultur sow ohl in bezug au f die N orm als auch auf die M ethoden unterschiedlich Vorgehen m uß. N im m t man das H ochdeutsch als Grundlage, so gibt es zwar zwischen den beiden R ea lisationsweisen keine System unterschiede, aber besonders zwischen dem Usus und in gewisser H insicht auch zwischen der N orm sind die U nter schiede recht groß (vgl. T exte gesprochener deutscher Standardsprache 1971). Man vergegenwärtige sich nur die Ä ußerungen von Interview ten in R undfunk und Fernsehen, die glauben, sich gew ählt ausdrücken zu müssen, und deshalb o ft das sog. Papierdeutsch sprechen! Oder um ge kehrt: wie schwer es einem Schüler, der nu r an den m ündlichen V erkehr gew öhnt ist, fällt, ein Schriftstück aufzusetzen (vgl. A ugst 1982)! Infolgedessen ist es zweckmäßig, den Gegenstand und die M ethoden der S prachkultur zu differenzieren. N icht geleugnet wird dam it selbstver ständlich, daß die Lektüre guter L iteratur ( “ L ite ra tu r” hier im w eitesten Sinne des W ortes) auch die K ultiviertheit der gesprochenen Sprache fö r dert. Nach dieser Bem erkung kom m e ich nun zu dem , was S prachkultur eigent lich aktuell m acht. A uch für die B eantw ortung dieser Frage gibt es eine Fülle von F akten, von denen ich nur einige herausgreife, und zwar eben diese, weil sie die w ichtigsten sind oder zum indest zu den w ichtigsten ge rechnet w erden müssen. Die Beschleunigung des Lebenstem pos ist eine Eigenschaft des m ensch lichen Zusam m enlebens, die es schon lange gibt. Schließlich h at sich kein Lebewesen so schnell entw ickelt wie der Homo sapiens. Die Beschleuni gung h at jedoch ungefähr seit dem vorigen Ja h rh u n d e rt und besonders nach dem Zw eiten W eltkrieg Maße angenom m en, die m it einer geom e trischen Progression gemessen w erden könnten. Für den Inform ations austausch b ed eu tet das, daß n icht nu r die Sprache, sondern sogar zahlen mäßige A ngaben m it konventionellen M ethoden n ich t m ehr schnell genug verarbeitet w erden können und infolgedessen neue K odes (für die Com puter) erarbeitet w erden müssen. Bleiben wir indes bei der natürlichen Sprache. In einer solchen Zeit der Beschleunigung des Inform ationsaustauschs gilt — ausgesprochen oder nicht ausgesprochen — die Devise: Inform ation — alles, Form der Inform ation — nichts! (Vgl. Juhasz 1982, S. 216 ff.) Man brau ch t gar nicht die Headlines der englischsprachigen Zeitungen als Bei spiel heranzuziehen, um sich davon zu überzeugen, sondern es genügt, sich 41 anzuhören, wie D urchschnittsm enschen sich in den m odernen Industrie gesellschaften unterhalten. Ellipsen, Abkürzungen, K urzw örter, sehr schnelle A rtikulation usw. entstehen aus dem Bedürfnis heraus bzw. ha ben die F unktion, Inform ationen so schnell wie möglich zu verm itteln. Selbst in der künstlerischen Sprache ist eine solche T endenz zu beobach ten: Ich habe alte T heateraufnahm en aus den 20er Jahren m it heutigen A ufführungen verglichen und dabei beobachtet, daß früher bedeutend größerer Wert auf vollständig artikulierte W örter und auf entsprechende In to n ation gelegt w urde als heute. Es ist deshalb kein Wunder, wenn heu te viele M enschen z.B. die Sprache T hom as Manns für an tiq u iert und arti fiziell halten, ja daß m anchm al sogar die Sprache eines Max Frisch für langweilig gehalten wird. Um dem V orw urf zuvorzukom m en, daß ich dam it die Position einer k o n servativen Sprachpflege vertrete, beeile ich mich zu betonen, daß ich das nur registriere und n icht m it einem W ertungsetikett versehe, so sehr ich als V ertreter einer älteren G eneration im oben erw ähnten Sinne auch in V ersuchung gerate, von einer V erschlam pung und Verküm m erung der Sprache, von einem Sinken des Sprachgebrauch-Niveaus zu sprechen. Eine weitere Folge des beschleunigten L ebenstem pos in der m odernen Industriegesellschaft ist die U niform ierung der Sprache. Dabei ist nicht nur an die erw ähnten Abkürzungen usw. zu denken, sondern auch an die große Anzahl von S tereotypien, die vor allem in F orm von Syntagm en Vorkommen, wie z.B. der positive Trend. Viele Syntagm en sind m it ihrer Bildhaftigkeit recht kom prim iert und deshalb zweifellos expressiv — vor allem in Reklam en —, m anchm al allerdings auch katachresenverdächtig, w erden jedoch so häufig gebraucht, daß die Fertigteile wenig Möglich keit für einen individuellen Sprachgebrauch zulassen. Warum soll man diese Dinge anders ausdrücken, w enn sie einem bei diesem L ebenstem po fertig zur Verfügung stehen, k ö nnte sich sow ohl der durchschnittliche Sprachteilhaber als auch z.B. der Journalist fragen. (A uf die w eitere F ra ge, inw iefern sie zur V erdunkelung von Sachverhalten beitragen bzw. beitragen können, gehe ich hier n icht ein.) Nun gehört es zwar zum Wesen der natürlichen Sprache, daß man die vorhandenen Phonem sequenzen und gram m atischen S tru k tu ren m it dem Erwerb der M uttersprache in einem System bzw. in Subsystem en erhält. Selbst größere Blöcke, die Phraseologismen und Idiom e, sind “vorgefer tig t” . B ekanntlich besteht jedoch eben eine der w ichtigsten und w ert vollsten Fähigkeiten des M enschen darin, die relativ kleinen Sprachentitäten zu kom binieren (= die sprachliche K reativität), und dies wird durch Stereotypien wenn auch n ich t verhindert, so doch beeinträchtigt. H at man keine Z eit dazu, für jede S ituation seine eigene und beste K om bina 42 i tion zu schaffen, so bleibt man bei den Stereotypien. Zu den S tereotypien rechne ich auch solche Erscheinungen, die m anch mal auf unseren Tagungen zu hören sind. So fragte einmal vor einigen Jahren ein R eferent nach jeder B ehauptung okay}, was m aniriert w irkte. In einem anderen Jahr gebrauchte fast jeder R edner die W endung Es ist legitim, hier von dem und dem zu sprechen. Einräum end m uß man allerdings zugeben, daß jedes Z eitalter seine Stereo typien hatte, sie w echselten aber früher n icht so schnell wie heute. Es liegt auf der H and, daß die U niform iertheit des Sprachgebrauchs in erster Linie von den M assenmedien gefördert wird. Die große Zahl von S tunden, die etw a ein Engländer m it dem Lesen von Zeitungen, ein A m e rikaner und ein D eutscher m it dem Sitzen vor dem Bildschirm verbringen, erw eckt Erinnerungen an die S ituationen in der “ Brave New W orld” von Huxley. Es ist hier aber n icht von der sozialen M anipulation, sondern von dem sprachlichen Einfluß die Rede. Der U niform iertheit des Sprachgebrauchs wird übrigens auch durch die D em okratisierung der G esellschaft V orschub geleistet; denn je m ehr Menschen sich an der Bildung der öffentlichen Meinung in der Ö ffent lichkeit beteiligen bzw. zu beteiligen versuchen und zu beteiligen ange halten w erden, desto m ehr verschiebt sich das V erhältnis der sprachlich gut G eschulten zu den sprachlich U ngeschulten zugunsten der letzteren. Die sprachlich Ungeschulten neigen zu S tereotypien, solange die Allge m einbildung n icht wesentlich ansteigt. Dies ist ein langwieriger Prozeß, an dem m itzuw irken im Interesse der D em okratisierung u.a. auch eine Aufgabe der Linguisten ist. Daß das A nwachsen der Bürokratie das W uchern von S tereotypien be günstigt, braucht w ohl n icht erö rtert zu w erden. Für die m oderne G esellschaft ist n icht nur die Beschleunigung des Lebens tem pos, sondern auch — wie gesagt — die V erbreitung der M assenmedien charakteristisch. Die M edien haben neben ihren positiven F unktionen auch noch die Auswirkung, daß sie sozusagen ein eigenständiges Leben führen und für ihre Existenz käm pfen. Dies geschieht u.a. dadurch, daß sie die Dinge “ zerreden” . Indem sie sie zerreden, füllen sie Spalten und Zeit aus. A uf der einen Seite treffen wir also in unserer Zeit eine größt mögliche Beschränkung des Umfangs der Inform ationsträger, auf der an deren dagegen eine große R edundanz. U nter solchen U m ständen hat die S prachkultur n icht nur viele Aufgaben, sondern sie hat es auch m it äußerst heterogenen, u.U. einander w idersprechenden Erscheinungsform en des Sprachgebrauchs zu tun. 43 Die U niform iertheit des öffentlichen Lebens u nd des Sprachgebrauchs löst bei der Jugend perm anent die R eaktion aus, sich n ich t uniform ieren zu lassen — eine durchaus verständliche und begrüßensw erte R eaktion. Die R eaktion m ündet jedoch o ft in eine entgegengesetzte U niform iert heit; Mode, sog. Musik, V erhaltensw eisen u nd selbstverständlich auch der Sprachgebrauch weisen eine geradezu verblüffende U niform iertheit auf. Die F unktion dieser U niform iertheit ist w ahrscheinlich in dem kol lektivkonstituierenden Bestreben zu suchen, darin, daß der Widerstand gegen etablierte N orm en m it gem einsamen A nti-N orm en leichter zu be werkstelligen ist. Das V erständnis dieser F u n k tio n ist natürlich nicht gleichbedeutend m it dem Sich-A bfinden: auch der P rotest gegen die Uni form iertheit des Sprachgebrauchs seitens der Jugend läßt sich effektiver und vor allem angemessener realisieren, w enn die Jugend kreativ m it der Sprache um geht. Schließlich sei im A nschluß an die letzte Feststellung der m.E. wichtigste Sachverhalt kurz skizziert. Die Schule steh t seit geraum er Zeit vor dem Dilemma, wie die Leistungen der Schüler zu bew erten seien, ob der sub jektive F aktor ausgeschlossen w erden könne, ob es objektive Messungen gebe. Für den Sprachgebrauch bed eu tet die sog. objektive Messung der Leistung, daß der Lernende m eist nur ein K reuz zu m achen oder eine T aste zu drücken braucht, also nonverbal handelt, um eine A n tw o rt zu geben. Dies gibt es selbst schon im M uttersprachenunterricht. Intensiviert wird das nonverbale H andeln auf K osten des verbalen auch durch den zunehm enden Gebrauch von C om putern, deren Einzug in den S chulunterricht im übrigen natürlich zu begrüßen ist. Hier m uß man schon ein W erturteil fällen und von G efahren und Miß ständen sprechen, weil eben die Schule — aber auch die H ochschule — es ist, wo der Sprachgebrauch gefördert w erden m uß. Wo anders sollte der Mensch seine sprachliche K reativität am besten en tfalten lernen können als eben unter der persönlichen Anweisung des dazu berufenen und qua lifizierten Lehrers? Man brau ch t sich nur den Sprachgebrauch der Schü ler anzuhören, die es m it T estern und Lehrm aschinen zu tu n haben: Sie gebrauchen übermäßig viele Interjektionen und unartikulierte oder schlecht artikulierte L aute und kehren zu dem zurück, was es w ahrschein lich vor dem E ntstehen von Sprachen m it entw ickelten phonologischen D istributionsregeln und gram m atischen S trukturen, vor der Herausgestal tung der “ double articu latio n ” gab, näm lich dazu, daß E m otionen und G edanken vor allem intonatorisch zum A usdruck gebracht w erden. Eine R ückkehr zur Into n atio n als grundlegender diskreter Einheit würde eine Regression der K ultur bedeuten. Es ist nicht zu bestreiten, daß die T en denz zur unartikulierten Ausdrucksweise auch als eine R eaktion auf “die 44 guten alten S itte n ” älterer G enerationen zu verstehen ist, aber nur dieser R eaktion ist sie sicher n ich t zuzuschreiben. Die V erbreitung von technischen G eräten birgt jedoch noch eine weitere G efahr in sich. Wenn der Schüler in seinem em pfänglichsten A lter nicht dazu angehalten wird, seine G edanken verbal zu äußern, so fragt sich, wie effektiv ein solches Lernen überhaupt sein kann. Wenn D enken ohne Sprache nicht oder nur sehr rudim entär möglich ist, so führt die “ Sprach losigkeit” des D enkens zum A bnehm en der Effizienz des Lernens, zu ei ner Verarm ung des D enkens, zu einem Rückgang nicht nur der s p r a c h l i c h e n K reativität, zu einer Verküm m erung dessen, w odurch der Mensch eigentlich zum M enschen wird. Ich m öchte m it diesen Überlegungen n icht unken. Ich bin überzeugt da von, daß die M ißstände früher oder später erk an n t und beseitigt werden. Es wäre jedoch verantw ortungslos, w enn gerade Linguisten zu diesem Problem n icht Stellung nehm en w ollten. Eine solche Stellungnahm e ge h ö rt zu unseren ökologischen Aufgaben. Der Linguist m uß sich als W issenschaftler und als soziales Wesen der de term inierenden Rolle der Schule als w ichtigster institutionalisierter kul turtragender, -verm ittelnder, -bew ahrender und -fördernder Instanz ja eben deshalb bew ußt sein, weil G esellschaft ohne K om m unikation, ohne Sprache nicht denkbar ist. Die N orm en der Sprache — und nicht nur der Sprache — w erden in der Schule z.T. gefestigt und z.T. sogar geschaffen, die B e w u ß t h e i t der N orm en wird u n te r allen U m ständen hier ge bildet. D arum m uß die m anipulierende F unktion der Schule von den Lin guisten m itgestaltet und m itkontrolliert w erden. Dies sind wir der K ultur der Gesellschaft schuldig; so ist u.a. die A ktualität der Sprachkultur zu verstehen. Die aufgezählten — und auch nicht aufgezählten — F ak ten hängen natür lich m iteinander zusam m en. Es ist hier aber leider nicht möglich, die Zu sammenhänge zu explizieren, wie es auch nicht möglich ist, w eitere w ich tige A rgum ente anzuführen, die die N otw endigkeit der Beschäftigung m it S prachkultur unterstützen. 5. Zu den M ethoden der S prachkultur und den A ufgaben der Linguistik Nach den konzeptionellen Überlegungen und Lagedarstellungen stellen sich nun zwei Fragen: a) Wie soll die Lage beurteilt w erden und welche K onsequenzen sind daraus zu ziehen? 45 b) A uf welche Weise kann man sich für einen kultivierten Sprachgebrauch einsetzen, ohne in die Fehler der traditionellen Sprachpflege bzw. eines Teils von ihr zu verfallen? Was die erste Frage anbelangt, so bietet die Prager K onzeption eine soli de und realistische Grundlage. In diesem Geiste w erden keine pauschalen und zeitlosen Urteile gefällt, sondern für die Bew ertung einer Ä ußerung bzw. als R ichtlinie für die Erzeugung von Ä ußerungen gelten die von je her in der Schule von besseren M uttersprachenlehrern praktizierten G rundsätze, die etwas vereinfacht etw a auf folgende Form el gebracht w erden können: Wer sagt bzw . schreibt w em was wann wo zu w elchem Zw eck? Die S prechakttheorie involviert zwar diesen G rundsatz, ist vorläufig je doch noch zu sehr theoretisch ausgerichtet, als daß sie ihre Ergebnisse in der Praxis anw enden könnte. Die Prager Zentrum -Peripherie-K onzeption jedoch ist ohne größere Schwierigkeiten operationalisierbar. Wenn z.B. Inhalt und Form der Ä ußerung nicht m ehr in dem tradierten Verhältnis stehen, w enn der Inform ationsgehalt in kürzeren und schnel ler artikulierten F orm en gesichert ist, ja selbst w enn S tereotypien in be stim m ten S ituationen w eder V erständnisschw ierigkeiten, noch soziale K onflikte, noch ein Sinken des kulturellen Niveaus zur Folge haben, so en tsteh t die berechtigte Frage, ob die K ultiviertheit des Sprachgebrauchs m it den überlieferten N orm en zu messen ist. Jede Stellungnahm e in Fragen der S prachkultur m uß viele G esichtspunk te berücksichtigen, denn — die W orte M athesius’ paraphrasierend — es ist ja gar nicht w ünschensw ert, daß sich jeder Mensch in jeder Situation auf die gleiche Weise ausdrückt. Es gibt auch Fälle, w o Beurteilungen sich voneinander unterscheiden, so z.B. auch in diesem Satz von m ir: ... es g ibt Fälle, wo ... M.E. ist hier T o leranz am Platze. Wer h ie r ... es g ib t Fälle, in denen ... für richtig hält, der h at einen anderen Geschmack, aber deshalb sollte er nicht verurteilt w erden, wie auch ich n icht verurteilt w erden m öchte. Das wo ist kürzer, ist schneller zu artikulieren, w ahrscheinlich ist seine Entstehung neben den dialektalen Einflüssen auch dem beschleunigten Lebenstem po zuzu schreiben. Es befindet sich im Übergang zwischen Z entrum und Periphe rie — einmal historisch und einmal stilistisch gesehen. Ob es einmal zum Z entrum gehören wird, weiß heute wohl noch niem and. A uf die zweite Frage ist z.T. schon m it der A n tw o rt auf die erste geant w ortet. Hinzuzufügen ist, daß für die K ultiviertheit des Sprachgebrauchs vor allem die Schule verantw ortlich ist. (Es wäre eine wichtige Aufgabe 46 der letzten “ kleinen” Tagung des Instituts für deutsche Sprache gewesen, diesen A spekt der Pragm atik zu behandeln.) N icht als ob die Rolle der Eltern, des Kindergartens, der populärw issenschaftlichen L iteratur über S prachkultur u n terschätzt w erden darf, die w ichtigste F un k tio n obliegt jedoch der Schule, und hier zwar vor allem dem M uttersprachenunter richt, aber auch den Lehrern der anderen Fächer, da diese ja zusam m en genom m en häufiger m it den Schülern Zusam m enkom m en als der M utter sprachenlehrer (vgl. Weinrich 1982, S. 9). An dieser Stelle kom m e ich zu dem w ichtigsten Punkt m einer Ausfüh rungen. Es ist die A ufgabe des Linguisten, die Prager K onzeption wei terzuentw ickeln und zu aktualisieren. Da dies kein V ortrag über pädago gische Problem e ist, noch weniger von didaktischen und m ethodischen V erfahren die Rede sein kann, m uß ich auf die Behandlung spezifisch schulischer Aufgaben verzichten. Ich beschränke mich auf die Feststel lung, daß es d i e w i c h t i g s t e A u f g a b e d e s H o c h s c h u l g e r m a n i s t e n ist, in der L e h r e r a u s b i l d u n g und - W e i t e r b i l d u n g die S p r a c h k u l t u r in de n M i t t e l p u n k t von L e h r e u n d F o r s c h u n g zu s t e l l e n , den L e h r e r d a z u zu b e f ä h i g e n , S p r a c h k u l t u r mi t a n g e m e s s e n e n M e t h o d e n zu b e t r e i b e n . 6. Einige spezifisch deutsche D etailfragen der S prachkultur In F ortsetzung zu der Tagung des Instituts für deutsche Sprache über “schwere W örter” ist es notw endig, nochm als auf die soziale Bedingt heit der Schwierigkeiten hinzuweisen, wie es seinerzeit von Polenz ta t (1967, S. 72 ff.). Die deutsche Sprachgem einschaft ist groß, und sie ist nicht nur deshalb groß, weil sie aus vielen M enschen besteh t und weil sie in m ehreren Staaten die oder eine M uttersprache der Bevölkerung ist, sondern auch deshalb, weil sie sich infolge der historischen Entw ick lung sozial sehr unterschiedlich geschichtet hat. Das Soziale b esteh t na türlich auch in der Staats- und Klassenzugehörigkeit, im Beruf, im gesell schaftlichen Prestige und in der Bildung, es hängt aber auch m it Ethnik, K ulturkreis und nichtdeutschen Einflüssen zusam m en (vgl. Gauger/ O esterreicher 1982, S. 37). Eine S prachkultur sollte deshalb m ehr T o leranz w alten lassen, als es gew öhnlich getan wird. M ehrere Schriftstel ler zeigen auf diesem G ebiet ein gutes Beispiel, indem sie W örter in ihren Werken gebrauchen, die n icht allgem einbekannt und deshalb “schw er” sind. D am it helfen sie V erständnis für den Sprachgebrauch unterschied licher ethnischer G ruppen der deutschen Sprachgem einschaft schaffen. Solche Schriftsteller sind z.B. Erwin S trittm a tte r, Siegfried Lenz, Barbara Frischm uth. 47 Ebenfalls der G röße und der H eterogenität der deutschen Sprachgem ein schaft zuzuschreiben sind solche Erscheinungen wie die, daß viele D eut sche, ja sogar D eutschlehrer, nur die N orm gelten lassen, die sie selbst gebrauchen. Ich habe gehört, daß Berliner D eutschlehrer ein etwas palataleres l\l im Sprachgebrauch der im Süden lebenden D eutschen nicht als norm ativ anerkannten. Das neue Hallenser “ G roße W örterbuch der deutschen A ussprache” (1982), das zwar einen großen S ch ritt vorwärts zur Liberalisierung m acht, vor allem durch die Kodifizierung des Schw un des der schw achtonigen Vokale in bestim m ten Positionen (S. 76), geht auf solche Fragen leider nicht ein. Solange es — besonders für den D eutsch u n terricht an A usländer — notw endig ist, eine hochdeutsche N orm zu kodifizieren, mag diese als Z entrum gelten. Dies bed eu tet jedoch nicht, daß sprachliche Form en der Übergangszone verpönt w erden dürfen. Die Devise “Meine N orm ist d i e N orm ” sollte von den Hochschullinguisten nicht akzeptiert w erden. Einige W orte zum imm ergrünen Problem der regional bedingten gram m a tischen Form en. Ich bediene mich dabei zur Illustration einer Episode, die mir einmal ein Kollege erzählte: Er nahm an einer K onferenz in Eßlingen teil und saß neben einer Dame aus Bayern. Die Sitzung zog sich lange dahin, und am Ende sagte mein Kollege, als sie au fstan d en : “ Na, je tz t haben w ir aber lange genug gesessen.” W orauf die bayrische Dame em pört folgenderm aßen reagierte: “ A ber H err Kollege, ein an ständiger Mensch sagt doch n icht wir h a b e n gesessen!” (Vgl. Müller 1982, S. 228 f. — Die Lesart ‘im Gefängnis sein’ ist hier selbstverständ lich auszuschließen.) Ich bin nicht überzeugt davon, ob das ein extrem er Fall war, aber selbst w enn es einer war, so ist es doch charakteristisch, daß selbst eine Philo login m it einer syntaktischen Form “ U nanständigkeit” , also etwas E thi sches, assoziierte. Dieser sozusagen antagonistische Gegensatz zwischen Nord- und Süddeutschen trägt heute geradezu anachronistische Züge (vgl. das D idaktische dazu bei Glinz 1980, S. 65 f.). Wenn es einem A usländer g estattet ist, in solchen Fragen Stellung zu nehm en, so würde ich dies folgenderm aßen tu n : Da es für viele p hone tische, lexikalische und gram m atische F orm en territoriale D ubletten gibt und auch sicher noch lange geben wird, sollte man sie in verschie denen Z entren anlagern, jedem Zentrum jedoch s o z i a l e G l e i c h w e r t i g k e i t zuerkennen. Erst wenn sich A usgleichstendenzen be m erkbar m achen, kann man die S prachkultur so orientieren, daß sich bestim m te Elem ente in die Peripherie verlagert haben und zum Z entrum nur noch wenige Elem ente gehören. 48 T u t man dies nicht oder stellt m an sich auf einen weniger toleranten Standpunkt, so beschw ört man ein Problem herauf, das entw eder nicht gelöst w erden kann oder aber zu einem lächerlichen Ausweg verführt. Dieser lächerliche Ausweg ist der, daß man nur ein paar hunderttausend D eutschen — denen um Hannover und Braunschweig herum — das R echt zuspricht, H ochdeutsch zu sprechen, und H ochdeutsch sprechen ist doch ein K riterium des sozialen Prestiges. An dem Prestige än d ert sich auch nichts, w enn man an statt “ H ochdeutsch” “ S tandardd eu tsch ” sagt “ S tandarddeutsch” ist im nichtdeutschsprachigen A usland übrigens so etwas wie ein Euphem ism us und wird sich z.B. in Ungarn noch lange nicht durchsetzen. (Mit dem Plädoyer für die regional bedingten F ärb u n gen ist natürlich nichts über die r e i n e n D ialekte gesagt.) Zweifellos brauchen wir im A usland eine einheitliche Norm , da es u n möglich ist, dem D eutsch Lernenden m ehrere N orm en beizubringen, und insofern haben die idealisierten F orm en und ihre K odifizierung ih re wichtige F unktion. Ja, auch in innerdeutscher R elation ist es zweck mäßig, zum indest von einer Richtungsw eisung zu sprechen, wie es z.B. die D uden-G ram m atik von 1959 (S. 393) und 1984 (S. 8) tu t. Es heißt aber die sprachliche W irklichkeit verkennen, es heißt eine falsche Sprach politik betreiben, es h eiß t dem dialektal gefärbten Sprachgebrauch ein schlechtes soziales Prestige zuschreiben und dieses schlechte Prestige konservieren, w enn man die regional bedingten Form en nicht als hochoder standarddeutsche V arianten anerkennt und sie an die horizontale Peripherie abschiebt (vgl. dazu aus der reichen L iteratu r die diesbezüg lichen A rbeiten in: S tandard und D ialekt 1979!). Eine für die deutsche Sprachpflege und neuerdings auch für die Sozio linguistik recht charakteristische und häufige Erscheinung ist die, daß solche W ortbildungen und Syntagm en verurteilt w erden, die durch die Bew ußtm achung der D urchsichtigkeit, o ft durch die sem antische Remotivierung einer verblaßten M etapher, eine “ U nw ahrheit” enth alten oder zu enthalten scheinen (vgl. dazu die K ritik in Ju h isz 1980, S. 78 ff.; Juhasz 1984). Zweifellos besteht die M öglichkeit, daß sprachliche F or men, die einem veralteten E rkenntnisstand oder einer bew ußten Mani pulation entspringen, beim N achdenken über ihre Sem antik falsche Asso ziationen suggerieren. D ennoch gebraucht der überwiegend größte Teil der deutschen Sprachgem einschaft die F orm en unbefangen und ihrer synchronen F unktion entsprechend. Wird der Sprachteilhaber darauf nicht aufm erksam gem acht, so assoziiert er dazu nichts anderes als das, was ihm von den zeitgenössischen gesellschaftlichen V erhältnissen vor gegeben ist. (Eine A usnahm e bilden die Kinder, die im Laufe des Sprach erwerbs gern m it der sem antischen M otiviertheit spielen.) 49 Die Praxis der Sprachpflege u nd eines Teils der Soziolinguistik, verblaßte Bilder zu rem otivieren, ist verfehlt, da es ja zu den im m anenten Eigen schaften der natürlichen Sprache gehört, daß die M otiviertheit im Laufe der Zeit verblaßt, d.h. daß das Zeichen arbiträr wird. Die Sprache ist, wie Leo Spitzer seinerzeit schrieb, eine gefrorene M etapher. Die B ehaup tung, “falsche” Bildungen k önnten gefährlich sein, ist schlechthin eine Ü bertreibung, und es gehört zu den Aufgaben der Sprachkultur, au f die sem G ebiet O rdnung zu schaffen. Ein Beispiel möge dies illustrieren. Es gibt z.Zt. die Forderung von Per sonen weiblichen G eschlechts, nicht m it Fräulein, sondern m it Frau an gesprochen zu w erden, und die Begründung dafür lautet, die A nrede Fräulein verrate sogleich etwas über den Fam ilienstand und sei deshalb indiskret, außerdem sage man ja auch zu unverheirateten M ännern nicht Herrlein. In diesem A rgum ent — wenn m an so etwas A rgum ent nennen darf — zeigt sich, wie eine soziale Ström ung, näm lich der Feminismus, sich von den G egebenheiten der sprachlichen W irklichkeit en tfe rn t und eine dem eigengesetzlichen Sprachw andel w idersprechende Position be zieht, um dam it gewisse Ziele zu erreichen. (Ob diese Ziele berechtigt sind oder nicht, sei hier dahingestellt.) Für ganz extrem und verstiegen halte ich z.B. auch solche Bestrebungen wie die Ersetzung des Indefinitpronom ens man durch frau, w enn es sich um Personen w eiblichen G eschlechts handelt, also etw a ln der E n tb in dungsanstalt fü h lte frau sieb wohl. (Für diese Inform ation danke ich Herrn Wolfgang Müller vom Dudenverlag.) Die D em otivierung und D em etaphorisierung sind übrigens keine neue Erscheinung, es gab sie schon bei der rom antischen Sprachpflege des 19. Jahrhunderts und auch bei anderen N ationen. Allerdings h atte sie d o rt andere soziale Beweggründe als heute, und sie h atte verständlicher weise eine andere allgemein-linguistische Grundlage. 7. Abschließende Bem erkungen K ultiviertheit des Sprachgebrauchs und S prachkultur sind keine Begriffe, die sich nach der Forderung der klassischen Logik “O m nis determ inatio est negatio” bestim m en lassen. V ielm ehr gilt hier der Begriffsapparat der m odalen Logik (vgl. Gloy 1975). Der unbefangene S prachteilhaber drückt sich gew öhnlich nicht in vorge fertigten, m ethodologisch abgesicherten U rteilen und D efinitionen aus. Vielmehr kom m t bei den m eisten Sprechakten prinzipiell jene gewisse K reativität zur G eltung, von der wir vorläufig nicht wissen, wie sie fu n k 50 tioniert, sondern auf deren Existenz wir nur aufgrund von Sym ptom en schließen. Deshalb steh t der Sprachgebrauch dem nahe, was man Kunst zu nennen pflegt. A uf diese Weise entstehen für die S prachkultur solche Forderungen wie die, daß man das singuläre H ier-und-Jetzt der Ä ußerung berücksichtige, ja daß nicht einm al subjektive F aktoren ausgeschlossen w erden dürfen. Im Begriffsapparat von Coseriu ausgedrückt: “ ... /M an k an n / den soge nannten sozialen A spekt der Sprache nicht einfach dem individuellen A spekt gegenüberstellen ..., da das Individuum n icht das Gegenteil der G esellschaft, sondern schon selbst G esellschaft i s t ..., und da der soge nannte soziale A spekt sich gerade im konkreten Sprechen m anifestiert, in den R edeakten des Individuum s...” (1970, S. 199). Ich erinnere hier an die Diskussionen, die sich zwischen D eutschen m it annähernd gleicher Bildung, gleichen Interessen usw. über solche F orm en zu entspinnen pflegen, für deren Bew ertung es allem A nschein nach keinen Konsens gibt. Die M annheim er V alenzgruppe w üßte über die U nterschiedlichkeit der Stellungnahm en ihrer Inform anten ein Liedchen zu singen. O der wer entscheidet z.B., ob eine Ä ußerung in einer bestim m ten Situation durch ihre In tonation m aniriert w irkt oder nicht? (Die M aniriertheit erhält übrigens in der traditionellen Sprachpflege einen falschen Stellenw ert oder kom m t überhaupt nicht zur Sprache.) Und gehört es nicht zur Kul tiviertheit, daß jeder Mensch durch seinen Sprachgebrauch eine persön liche N ote erhält, die ihn von allen anderen M enschen unterscheidet?! Die Singularität, das Künstlerische, das Subjektive sind solche Faktoren, die m anchen Linguisten abstoßen; viele Linguisten wissen dam it nichts anzufangen, weil sie so keine M öglichkeit sehen, “ ex a k te ” M ethoden an zuw enden. Eine W issenschaft, die nicht abstrahiert, typ isiert und ideali siert, ist natürlich keine W issenschaft. Der auf der Prager Schule b eruhen den S prachkultur-T ätigkeit liegt jedoch eine gutfundierte w i s s e n s c h a f t l i c h e K onzeption zugrunde, deren spezifisch linguistische m ethodologische E xaktheit in der Zentrum -Peripherie-A uffassung be steh t und insofern für einen beträchtlichen Teil der Problem e eindeutige Stellungnahm en und G renzziehungen erm öglicht. Ich bin m it Hans-Martin Gauger der A nsicht, daß der W ert einer w issenschaftlichen M ethode sich nicht an dem Grad ihrer “ E x ak th eit” , ihrer Nähe zur M athem atik, son dern letzten Endes an dem m ißt, was sie der E rkenntnis der W irklichkeit an Sicherem und Interessantem erbringt. W issenschaft m uß nicht nur “w issenschaftlich” , sondern auch interessant sein (Gauger 1970, S. VIII). Ich füge hinzu: Das Sichere ist in der Zentrum -Peripherie-A uffassung zu sehen und das Interessante darin, wie flexibel die Prager die Sprache zei gen. Sollte das für die S prachkultur nicht genügen? 51 Nichts in der Gesellschaft ist fest, unveränderlich und w iderspruchsfrei. Warum sollte gerade der Sprachgebrauch es sein? Und wie sollte es der Sprachgebrauch in der m odernen Gesellschaft sein? Und w arum kön n te dann die Sprachkultur es sein? Wollen wir jedoch unser Leben im w ahrsten Sinne des W ortes m ensch lich gestalten, so brauchen wir eine K ultur des Zusam m enlebens, die eine r e l a t i v e Festigkeit und eine m öglichst geringe W idersprüchlich keit, um m it Mathesius zu sprechen: eine O rdnung, nötig m acht. Zu die ser K ultur des Zusam m enlebens gehört u.a. auch die K ultiviertheit des Sprachgebrauchs. Bis zu diesem P unkt dürfte wohl ein Konsens bestehen. Wie die Kriterien der K ultiviertheit des Sprachgebrauchs und die M etho den der S prachkultur i m e i n z e l n e n zu bestim m en sind, das k o n n te in diesem R ahm en nur gestreift w erden; das sind die Fragen, zu deren B eantw ortung diese Tagung beitragen will. Meine Überlegungen sollten keinen uferlosen Relativism us proklam ieren, sie w ollten nur auf die realistische Einschätzung der M öglichkeiten und Grenzen einer m odernen Sprachkultur, auf ihre A ktualität und vor allem auf die V erantw ortung und die Aufgaben der Linguisten aufm erksam machen. L iteratur Allgemeine G rundsätze der Sprachkultur. In: Grundlagen der Sprachkultur. Teil 1 (s. dort). S. 74-85. Augst, Gerhard: Soll die Schule Sprachnorm en als fest, w andelbar oder veränder bar lehren? In: Schulen für einen guten Sprachgebrauch (s. dort). S. 126-143. Bereian, S.G.: Sem anticeskaja ekvivalentnost ’ leksiceskich ediniz (Die sem antische Äquivalenz lexikalischer E inheiten). Kisinev 1973. 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Trübners Deutsches W örterbuch. Begründet von A lfred G ötze. Hrsg. von W alther Mitzka. 7. Bd. Berlin 1956. Weinrich, Harald: Der richtige und der gute Sprachgebrauch. In: Schulen für einen guten Sprachgebrauch (s. dort). S. 7-14. 54 DIETER NERIUS Zur G eschichte und Bedeutung des Begriffes Sprachkultur in der Linguistik der DDR 1. V oraussetzungen und G rundlagen für die Entw icklung des Begriffes Sprachkultur in der Linguistik der DDR W ährend der Begriff Sprachpflege im D eutschen schon eine rech t lange, wenn auch um strittene T radition besitzt, stellt der Begriff S prachkultur in der germ anistischen Sprachw issenschaft und im Hinblick auf die d eu t sche Sprache noch einen sehr jungen, erst in A nsätzen und allgemeinen Umrissen ausgearbeiteten linguistischen Begriff dar. Sprachpflege gibt es im Sinne von Bemühungen um eine Beeinflussung des Sprachgebrauchs, vornehm lich um die sogenannte Reinerhaltung der deutschen Sprache, was im m er man in den verschiedenen historischen E tappen auch d arun te r verstand, m indestens seit den “ U nvorgreifflichen G edanken b etref fend die Ausübung und Verbesserung der T eutschen S prache” von G.W. Leibniz aus dem Jahre 1697, von S prachkultur ist in der germ anistischen Sprachw issenschaft, von vereinzelten früheren Erw ähnungen abgesehen, erst seit Anfang der 70er Jah re unseres Jahrhunderts häufiger die Rede. Dabei ist offenkundig, daß dieser Begriff n icht einfach an die Stelle des Begriffes Sprachpflege tritt, sondern einen um fassenderen, in w eiter greifende theoretische Zusam m enhänge eingebetteten Inhalt zum Aus druck bringt als der freilich auch nicht überall einheitlich verstandene Begriff Sprachpflege, der überdies von der G eschichte her m it einer be trächtlichen nationalistischen und puristischen H ypoth ek belastet ist. Wie kam es zu dieser A usbreitung des Begriffes Sprachkultur? Die Sprach pflege und die ihr zugrunde liegende linguistische A rbeit h atten nach 1945 und in den ersten Jahren der DDR im Zusam m enhang m it der Über windung der erw ähnten nationalistischen und puristischen H ypothek vor allem zwei A ufgaben: auf der einen Seite die Elim inierung des faschisti schen G edankengutes m itsam t seinen vielen sprachlichen Form en und auf der anderen Seite die Bestim mung, U ntersuchung und Darstellung der N orm en der deutschen Gegenwartssprache als Voraussetzung aller sprachpflegerischen Bemühungen. Die erste Aufgabe fand in V. Klemperers “ L T I” ihren noch heute bekannten H öhepunkt, für die zw eite A uf gabe w ar ein w eitgehender N euansatz der germ anistischen Sprachwissen schaft erforderlich, denn sie war seit den Zeiten der Junggram m atiker überwiegend auf die historische Sprachbetrachtung orien tiert und hatte 55 sich zudem w ährend der H errschaft des Faschismus völlig von der in ter nationalen sprachw issenschaftlichen E ntw icklung isoliert, so daß es auch diese Entw icklung erst einmal zu rezipieren galt. Wichtige Teile eines solchen N euansatzes w aren die Gründung des In stitu ts für deutsche Spra che und L iteratur an der Akadem ie der W issenschaften im Jahre 1952 m it seinen vor allem durch W. Steinitz initiierten F orschungsunterneh men zur Gegenwartssprache, darunter auch das heute schon zum allge m einen H andbuch avancierte “W örterbuch der deutschen Gegenwarts sprache” , sowie die Studienreform an den Universitäten und H ochschu len in den 50er Jahren, in deren Ergebnis das Fach D eutsche Sprache der G egenwart als H auptbestandteil der sprachwissenschaftlich-germ anisti schen akadem ischen Ausbildung etabliert w urde, was natürlich auch eine entsprechende O rientierung in der Forschung nach sich zog. E rw ähnt w erden m uß hier aber auch, daß bereits im Jahre 1952 als unm ittelbares Organ sprachpflegerischer Bemühungen in der D D R die Zeitschrift “Sprachpflege” zu erscheinen begann, die ihre diesbezüglichen Ziele bis heute kontinuierlich weiterverfolgt. Solche A ktivitäten w urden jedoch seinerzeit noch nicht m it der Bezeich nung S prachkultur erfaßt oder in V erbindung gebracht. Die A ufnahm e und A usarbeitung des Begriffes S prachkultur beginnt in der Linguistik der DDR, wie erw ähnt, erst Anfang der 70er Jahre und leitet eine quali tativ neue Stufe linguistischer Bemühungen um die Pflege und Vervoll kom m nung der deutschen Sprache ein. Zeitlich verläuft das ungefähr parallel m it dem , was in westlichen Ländern die “ pragm atische Wende der L inguistik” genannt w urde. Damals begann u n te r den Sprachwissen schaftlern der DDR in kritischer A useinandersetzung m it bisherigen Po sitionen und Leistungen eine intensive Diskussion über die theoretischen und praktischen Aufgaben der Sprachw issenschaft in der sozialistischen Gesellschaft. Es erfolgte eine gewisse A bkehr von der einseitigen O rien tierung auf eine isolierte B etrachtung des Sprachsystem s, wie sie im Er gebnis der R ezeption der internationalen sprachw issenschaftlichen E n t wicklung in der Linguistik der DDR in den 60er Jahren teilweise bestan den hatte. Demgegenüber w urde der gesellschaftliche C harakter der Spra che deutlicher hervorgehoben, soziale und kom m unikative G esichtspunk te traten in der Linguistik in den V ordergrund. Sprache w urde nun stär ker im G esam trahm en des sozialen V erhaltens gesehen und sprachlich kom m unikatives H andeln als eine besondere Form gesellschaftlicher Tätigkeit des M enschen begriffen. Neue G egenstände w urden in der Lin guistik them atisiert, die bisher vernachlässigt w urden oder am Rande des Interesses lagen, so vor allem Problem e der K om m unikation (u.a. “ Sprachliche K om m unikation und G esellschaft” 1974), soziolinguistische 56 Fragen verschiedener Bereiche und unterschiedlicher D im ensionen, d aru n ter Problem e der N orm und der Sprachvariation (u.a. “ N orm en in der sprachlichen K om m unikation” 1977), die A daption linguistischer Er kenntnisse für die Bedürfnisse des Bildungswesens (u.a. “ Sprache — Bil dung und Erziehung” 1977) und Fragen der deutschen O rthographie (u.a. “T heoretische Problem e der deutschen O rthographie” 1980), um nur einiges zu nennen. Eine vorläufige Zusam m enfassung dieser N eu orientierung wird in dem Buch “T heoretische Problem e der Sprachwis senschaft” (1976) versucht, in dem sich allerdings im einzelnen auch die unterschiedlichen Positionen verschiedener linguistischer Forschungs richtungen in der DDR deutlich widerspiegeln. In diesem Zusam m enhang ist auch die A ufnahm e und Entw icklung des Begriffes S prachkultur in der D D R-Linguistik zu sehen. Die Verw endung der Bezeichnung S prachkultur wie auch die theoretische A usarbeitung dieses Begriffes gehen dabei, wie noch zu zeigen sein w ird, zunächst auf Anregungen aus der sow jetischen und der tschechischen Linguistik zu rück, wo der Begriff S prachkultur bereits eine längere T radition besitzt. Dieser Begriff schien gut geeignet, das qualitativ Neue der Bemühungen um die Sprache zum A usdruck zu bringen, das m it der erw ähnten N eu orientierung der Linguistik in der DDR verbunden war: einerseits den Bezug zu den übergeordneten theoretischen Positionen des Zusam m en hanges von Sprache und G esellschaft und andererseits den Bezug zum sprachlich-kom m unikativen Handeln, zur E ntw icklung der sprachlichen Fähigkeiten des einzelnen Sprachbenutzers. Im Laufe der 70er Jahre kam es dann u n te r den DDR-Sprachwissenschaftlern zu lebhaften D iskussionen um den Begriff, die A ufgaben und die Problem e der S prachkultur und in W echselbeziehung dam it, wie schon angedeutet, auch zu neuen theoretischen und em pirischen Forschungen, die die G rundlage für die w eitere Entw icklung einer T heorie der Sprach ku ltu r bildeten, deren kom plexe A usarbeitung allerdings auch heute noch eine Z ukunftsaufgabe darstellt. Einer der ersten, die diese T hem atik auf griffen, war W. M otsch in einem A rtikel in der Zeitschrift “ Sprachpflege” (7 /1972). Ihm folgten zahlreiche w eitere Beiträge in dieser Zeitschrift, aber auch in anderen sprachw issenschaftlichen Publikationsorganen. Meh rere w issenschaftliche Tagungen w idm eten sich Problem en der Sprachkul tu r, so das K olloquium “T heoretische und em pirische Problem e bei der U ntersuchung der sprachlichen K om m unikation” 1973 in Berlin (Lin guistische Studien, A, Nr. 8 und 9), die A rbeitstagung “Sozialistische Sprachkultur in der DDR — Begriff und A ufgaben” 1976 in Greifswald (Wiss. Zeitschrift der Ernst-M oritz-Arndt-Univ. Bd. XXV) und das Kollo quium “ G esellschaftliche F unktionen und S tru k tu ren sprachlicher Kom 57 m u n ik ation” 1979 in Magdeburg (Linguistische Studien, A, Nr. 72/1 und 2). Auch auf die unm ittelbare Diskussion sprachkultureller Proble me in der breiten Ö ffentlichkeit zielende A rbeiten entstan d en in diesem Zeitraum , so das von E. Ising herausgegebene Buch “ S prachkultur — wa rum , w ozu?” (1977) sowie A rbeiten zum F rem dw ortgebrauch und zur Sportsprache. Neben diesen d irekt auf die Bestim mung, A usarbeitung und A nw endung des Begriffes S prachkultur gerichteten A ktivitäten war es jedoch für die w eitere Entw icklung besonders bedeutsam , daß auch die durch die erw ähnte N euorientierung der D D R-Sprachwissenschaft ausgelösten theoretischen und em pirischen Forschungen in einem d eu t lichen Zusam m enhang m it der S prachkultur gesehen und als G rundlagen für ihre weitere A usbildung verstanden w urden. So ist der Begriff Sprach k u ltu r seit dieser Zeit zu einer wichtigen Zielstellung der DDR-Linguistik überhaupt gew orden, und es gibt heute kaum eine größere germ anistisch linguistische Forschungsaufgabe oder Publikation, die n ich t direkt oder indirekt auf diese Zielorientierung sprachw issenschaftlicher A rbeit Be zug nim m t. 2. Bezugspunkte und Erfahrungen aus der Arbeit mit dem Begriff Sprachkultur in anderen sozialistischen Ländern Wie schon erw ähnt, erfolgte die A ufnahm e und A usarbeitung des Begrif fes S prachkultur in der Linguistik der DDR un ter deutlicher Bezugnahme auf die Erfahrungen anderer sozialistischer Länder, vor allem der Sow jet union und der Tschechoslow akei, w o dieser Begriff schon seit den 20er Jahren unseres Jahrhunderts gebräuchlich ist. Natürlich kon n te es sich dabei nicht einfach um die Ü bernahm e der u n te r den spezifischen sprach lichen Bedingungen dieser L änder entw ickelten A uffassungen zur Sprach ku ltu r handeln, sondern um eine A nw endung der hier gew onnenen Er kenntnisse und Erfahrungen auf die Bedingungen unseres Landes. Aller dings ist auch zu betonen, daß S prachkultur zwar im R ahm en einer Sprach- bzw. K om m unikationsgem einschaft verw irklicht wird, daß es aber neben spezifischen Besonderheiten auch viele allgemeine und über greifende Merkmale dieses Begriffes gibt, die — zum al bei ähnlichen ge sellschaftlichen V erhältnissen und Sprachsituationen — auch eine sprachübergreifende V erallgem einerung und internationale Zusam m enarbeit auf diesem G ebiet erm öglichen. Von besonders großem Einfluß auf die linguistische Beschäftigung m it der Sprachkultur in der DDR ist die Theorie der Prager Linguistik gewe sen; m it den tschechischen und auch slowakischen Kollegen bestand und besteh t noch heute auf diesem Felde eine enge Z usam m enarbeit. Ein 58 wichtiges Zeugnis für diesen E influß und diese V erbindung sind die von J. S charnhorst und E. Ising herausgegebenen Bände “ Grundlagen der Sprachkultur. Beiträge der Prager Linguistik zur S prachtheorie und Sprachpflege” (1976 und 1982), die viele bedeutsam e A rbeiten der Pra ger Linguistik zu dieser Problem atik überhaupt erstm als in deutscher Sprache zugänglich m achen, d arunter auch die “ Allgemeinen G rundsät ze der S prachkultur” des Prager Linguistenkreises aus dem Jahre 1932. Die Prager h atten den Begriff S prachkultur aus der sow jetischen Lingui stik übernom m en, wo er 1924 von G.O. V inokur geprägt w orden war, und h atten ihn dann vor allem m it Blick au f die damalige S ituation der tschechischen L iteratursprache w eiter ausgearbeitet und theoretisch be gründet. Das führte im Laufe der Zeit dann auch zu bestim m ten inhalt lichen W eiterentw icklungen u nd D ifferenzierungen dieses Begriffes in der Prager Linguistik, vor allem im Zusam m enhang m it den V eränderun gen in den sozialen und sprachlichen V erhältnissen der Tschechoslow a kei nach 1945, was hier n icht im einzelnen nachgezeichnet w erden soll. C harakteristisch und als E influßfaktor für die D D R-Linguistik besonders bedeutsam bleibt dabei aber die um fassende, auf übergreifende th eo reti sche Zusam m enhänge gerichtete Sicht der Problem e der Sprachkultur, die eine praktizistische Enge, wie sie sprachpflegerischen Bemühungen der Vergangenheit bei uns nicht selten eigen war, von vornherein aus schließt. Für die jüngste Zeit kom m en J. K uchar u nd A. Stich zu folgen der Bestim mung und zu folgenden T eilbereichen des Begriffes Sprach ku ltu r in der Prager Linguistik: “a) K ultur der Sprache ist der Z ustand des System s der L iteraturspra che, der G rad ihrer Stabilisierung, des B edeutungsreichtum s, der stilistischen Schichtung und der Fähigkeit, ohne Störungen allen Bereichen der sprachlichen K om m unikation, besonders der ö ffen t lichen, zu dienen; b) K ultivierung der Sprache, d.h. die Bemühungen um die K ultur der Sprache. Diese T ätigkeit ist darauf gerichtet, daß sich die L itera tursprache in Ü bereinstim m ung m it den erkannten Gesetzmäßig keiten und den A usdrucksbedürfnissen der G esellschaft entw ickelt; c) K ultur der Rede (m an könnte auch den T erm inus K ultur der Aus drucksgestaltung gebrauchen), d.h. der Z ustand der Summe sprach licher Ä ußerungen, das Niveau der gesellschaftlichen V erständigung m ittels Sprache; d) K ultivierung der Rede, d.h. die Bemühungen um die K ultur der Rede. Diese T ätigkeit ist auf die Erhöhung des Niveaus der sprach lichen K om m unikation gerichtet. 59 Für den übergeordneten Begriff, der alle vier eben genannten Bereiche einschließt, kann der T erm inus S prachkultur verw endet w erden.” (1976, S. 332). D am it w ollen wir unsere A ufm erksam keit nun auf die inhaltliche Be stim m ung und A usarbeitung des Begriffes S prachkultur in der Linguistik der DDR richten. 3. Begriffsbestim m ung und Problem e der S prachkultur in der DDRLinguistik Weitgehende Ü bereinstim m ung unter den beteiligten Sprachw issenschaft lern der DDR b esteht zunächst darin, daß S prachkultur ein Bestandteil der K ultur überhaupt ist, also zu einem allgemeinen K ulturbegriff in Be ziehung steh t (vgl. dazu genauer die Ausführungen von W. H artung in diesem Band). Das schließt ein, daß nicht jede sprachliche Erscheinung oder Ä ußerung S prachkultur repräsentiert, sondern nu r solche, die b e stim m te M erkmale aufw eisen, wie sie auch einem allgemeinen K ulturbe griff zuzuordnen w ären, die also beispielsweise ein gewisses qualitatives Niveau, einen bestim m ten Grad an G eform theit, G epflegtheit und Aus bildung zeigen. Ebenso ist man sich aber auch einig, daß Sprachkultur nicht m it S prachkunst verw echselt w erden darf, daß sie nicht als elitäre Befähigung weniger K önner verstanden w erden sollte, sondern im Prinzip für jeden S prachbenutzer produktiv und rezeptiv erreichbar ist. Aus ei ner solchen Zuordnung ergibt sich die N otw endigkeit eines Bewertungs m aßstabes, m it dem M erkmale wie Q ualität und Niveau sprachlicher Ä ußerungen oder T exte gemessen w erden können, denn erst durch den Bezug auf einen M aßstab kann die K ultiviertheit sprachlicher Ä ußerun gen festgestellt w erden. Der M aßstab w iederum ergibt sich aus den kom m unikativen M öglichkeiten und Bedingungen u n te r den jeweiligen histo risch-konkreten gesellschaftlichen V erhältnissen, er w iderspiegelt die u n ter diesen V erhältnissen bestehenden sprachlichen W ertungen, die ihrer seits gesellschaftlich produziert und institutionalisiert w erden. Welche G esichtspunkte sind es nun, die in der Linguistik der DDR als Bew ertungsm aßstab für sprachliche Ä ußerungen bzw. T exte in H insicht auf die S prachkultur diskutiert w erden? Sie w urden erstm als in dem Ver such einer D efinition der S prachkultur von E. Ising aus dem Jahre 1974 zusam m enhängend genannt. Es h eiß t d o rt: “ S prachkultur bezeichnet das Niveau eines angemessenen, norm gerechten und schöpferischen Sprachgebrauchs in bestim m ten S ituationen, gegenüber bestim m ten P art nern und u n te r Berücksichtigung des G egenstandes der K om m unikation” . (1974, S. 198). Die hier und später im m er wieder genannten Bew ertungs 60 gesichtspunkte ‘angem essen’, ‘norm gerecht’ und ‘schöpferisch’ beziehen sich auf unterschiedliche Eigenschaften sprachlicher Ä ußerungen und dam it auch au f verschiedene A spekte sprachlich-kom m unikativen Ver haltens, das natürlich in V erbindung m it der Sprachbeherrschung der Sprachbenutzer den konkreten Eigenschaften sprachlicher Äußerungen zugrundeliegt. Der funktionale G esichtspunkt der Angem essenheit orien tiert auf die Beachtung der Bedingungen der K om m unikation, z.B. in bezug auf die Situation, den P artner und den Gegenstand, um nu r einige der F aktoren zu nennen, die A. G reule (1982, S. 285) insgesam t m it dem Begriff “K om m unikationskonstellation” zusam m enfaßt. Diese Faktoren betreffen noch nicht die Beschaffenheit der sprachlichen Ä ußerungen selbst, sie legen n icht die S tru k tu r der Ä ußerungen fest, “w irken aber auf sie ein, indem sie einen Realisierungsbereich m öglicher Ä ußerungsvarianten o r ganisieren. Es handelt sich um norm determ inierende F aktoren der sprach lichen K om m unikation, die ihrerseits gewissen N orm ierungen unterlie gen” (K.D. Ludwig 1980, S. 58). Dieser G esichtspunkt ist zunächst nicht an eine bestim m te E xistenzform , etw a die L iteratursprache (H ochspra che, Standardsprache), gebunden, sondern schließt alle Existenzform en der Sprache ein. D am it ist ein D iskussionspunkt angesprochen, auf den wir noch zurrckkom m en. Der G esichtspunkt der N orm gerechtheit bezieht sich au f die Einhal tung bestehender sprachlicher N orm en, im engeren Sinne zum eist auf die Einhaltung der N orm en der L iteratursprache, und zwar sow ohl der System norm en als auch der kom m unikativen N orm en m it ihren verschie denen Subnorm en. Dazu gehören also sow ohl die Einhaltung phonetischphonologischer, graphischer, m orphologischer, lexikalischer und sy n tak tischer N orm en als auch die Berücksichtigung von T extnorm en und sti listischen N orm en. Ob sich der Begriff der S prachkultur dabei allein auf die N orm en der L iteratursprache ausrichten sollte oder auch die N orm en der anderen Existenzform en Umgangssprache und M undart einschließen kann, ist ein in der DDR-Linguistik häufig diskutiertes und noch u m strit tenes Problem. Der G esichtspunkt des Schöpferischen schließlich rich tet sich auf bestim m te zusätzliche M erkmale der Ä ußerungen bzw. T exte, die noch nicht in gleicher Weise wie die beiden anderen A spekte generalisiert und system a tisiert w erden können, die aber gleichwohl für die Bestim mung der Sprach ku ltur n icht ganz unw esentlich sind. Dazu gehören solche M erkmale wie die A usnutzung der stilistischen V ariationsm öglichkeiten, die A nschau lichkeit der D arstellung, eine gewisse Souveränität im Umgang m it den sprachlichen M itteln, kurz, die kreative Bewältigung sprachlich-kom m u 61 nikativen Handelns. A uch dieser G esichtspunkt jedoch ist n ich t auf die künstlerische Sprachtätigkeit beschränkt, die ja ohnehin besonderen Be dingungen unterliegt. Die bisher genannten G esichtspunkte definieren die S prachkultur als eine Eigenschaft von Ä ußerungen, deren P roduktion beim Sprachbe nutzer einen bestim m ten Grad der Sprachbeherrschung und vor allem ein bestim m tes Niveau des Sprachverhaltens erfordert. Diese zunächst auf das Niveau eines bew ußten Sprachverhaltens des einzelnen gerichte te Bestim mung der S prachkultur, die, was auch hervorgehoben w erden soll, sowohl die produktive als auch die rezeptive Seite des V erhaltens zur Sprache einschließt, ist in den späteren Diskussionen vor allem u n ter A nlehnung an die A rbeiten der Prager Linguistik erw eitert w orden, so daß man heute in der D D R-Linguistik zwischen der oben gekenn zeichneten engeren Fassung und einer w eiteren Fassung des Begriffes Sprachkultur unterscheiden kann. Die weitere Fassung dieses Begriffes schließt auch die G esam theit der M aßnahm en ein, die von seiten der W issenschaft oder verschiedener Institutionen unternom m en w erden, um ein entsprechendes Niveau des Sprachgebrauchs zu erm öglichen bzw. zu erreichen, also das, was wir traditionell als Sprachpflege bezeichnen. W ährend der Begriff S prachkultur im engeren Sinne gewissermaßen ein Ziel fixiert bzw. einen A nspruch an den Sprachgebrauch zum A usdruck bringt, schließt der Begriff Sprachkultur im w eiteren Sinne m it der n u n m ehr von nationalistischen und puristischen T raditionen befreiten Sprachpflege auch die Bemühungen zur Erreichung dieses Zieles ein. Da zu gehören dann aber nicht nur die Schaffung entsprechender H ilfsm it tel und A nleitungen sowie die ganze Palette sprachpflegerischer Ö ffent lichkeitsarbeit, sondern als V oraussetzung solchen Bemühens auch die Erfassung und Kodifizierung der L iteratursprache und ihrer verschiede nen system bezogenen oder kom m unikativ-stilistischen N orm en. Sprach k u ltu r in dieser w eiteren Fassung ist also ein O berbegriff, der Gegeben heiten der Sprache, des Sprachverhaltens und des Sprachgebrauchs so wie Bemühungen der Sprachw issenschaft zusam m enfaßt. Diese Bestim mung des Begriffes S prachkultur finden wir resüm iert bei W. Schm idt, der hervorhebt: “ Im Begriff der S prachkultur widerspiegeln sich also die D ialektik von Sprachsystem und Sprachtätigkeit (K om m unikations tätigkeit) einerseits und die D ialektik des Gesellschaftlichen und des Individuellen im Bereich von Sprache und S prachtätigkeit andererseits” (1976, S. 136). D em entsprechend unterscheidet er zwischen Sprachkul tu r, bezogen au f die Gesellschaft, und Sprachkultur, bezogen au f das Individuum . Zum erstgenannten rechnet er den Zustand des System s und der N orm der Sprache, das Niveau der Rede und die Bemühungen 62 um die Pflege der Sprache und R ede; zum letzteren rechnet er die Fähig keit des Individuum s zu angemessenem, norm gerechtem und wirkungs vollem G ebrauch und zu sachgem äßer Beurteilung von Sprache sowie eine verantw ortungsbew ußte Einstellung zur Sprache und gegenüber dem K om m unikationspartner (1976, S. 137). Der w ichtigste D iskussionspunkt un ter den Linguisten der DDR im Zu sam m enhang m it der S prachkultur ist jedoch n icht die engere oder wei tere Fassung dieses Begriffes, sondern die Beziehung von S prachkultur und L iteratursprache, die Frage, ob sich die Bemühungen um die Sprach k u ltu r nu r auf die L iteratursprache und ihren G ebrauch richten oder ob sie auch die anderen Existenzform en Umgangssprache und M undart ein beziehen sollen. Diese Frage wird unterschiedlich b ean tw o rtet. Von be sonderer B edeutung ist hier der von B. T echtm eier entw ickelte Begriff der kom m unikativen A däquatheit, der vor allem einen funktional und situativ angemessenen Sprachgebrauch als G rundlage der Sprachkultur anbietet und sich nicht auf die V erw endung der L iteratursprache be schränkt. U nbestritten ist jedoch, daß die L iteratursprache im Z entrum der Bemühungen um die S prachkultur stehen sollte. Das gilt jedenfalls für die S prachsituation in der DDR, möglicherweise liegen die V erhält nisse hier in anderen deutschsprachigen Ländern, wie etw a in der Schweiz, durchaus anders. Auch wenn wir berücksichtigen, daß die Bestimmung sprachlicher E xistenzform en oder V arietäten als V ariantenm engen m it einem K ernbestand gem einsam er Merkmale, vor allem funktionaler und regionaler, aber auch struktureller M erkmale, eine relativ starke Ideali sierung darstellt, so steh t doch außer Zweifel, daß sich auf G rund dieser M erkmale eine E xistenzform feststellen läßt, die wir L iteratursprache nennen und die sonst auch Standardsprache, H ochsprache, Schriftspra che usw. genannt wird. Sie ist un ter den Bedingungen unseres Landes die wichtigste E xistenzform , sie ist überregional, besitzt eine relativ ein heitliche, w enn auch in verschiedenen Bereichen unterschiedlich stark ausgeprägte N orm und erfüllt reichere und vielseitigere F un k tio n en als Umgangssprache und M undart. Sie findet in vielen G ebieten Anw endung, vor allem in Situationen und für Zwecke, die um fassendere Geltung bean spruchen, so im öffentlichen V erkehr, in der W issenschaft, im Bildungs wesen, in der Publizistik usw., w o sie für die Bewältigung der kom m u nikativen A ufgaben unverzichtbar ist. Mit der zunehm enden Bedeutung der L iteratursprache in w eiten Bereichen der gesellschaftlichen K om m u nikation vollzieht sich in der DDR aber gleichzeitig auch allmählich eine Ä nderung in der B ew ertung der regionalen V arietäten Umgangssprache und M undart. Diese verlieren m ehr und m ehr ihre sozial distinktive R ol le und w erden im m er stärker zu funktional und situativ differenzierenden 63 sprachlichen M itteln, die vornehm lich zur U nterscheidung von G raden der O ffizialität der K om m unikation dienen und auch entsprechend b e w ertet w erden. Als M ittel der nicht-offiziellen K om m unikation behal ten sie durchaus ihre Bedeutung, w obei auf die im einzelnen erheblichen U nterschiede zwischen Umgangssprache und M undart hier nicht weiter eingegangen w erden soll. Die Bemühungen um die S prachkultur aber richten sich prim är auf die Beherrschung der L iteratursprache, sie w ollen den S prachbenutzer zu ihr hinführen, da ihre K enntnis und Beherrschung für die Bewältigung der A nforderungen der Gesellschaft, für die erfolgreiche Teilnahm e an den Bildungsprozessen, für die M itwirkung am öffentlichen Leben auf den verschiedensten Ebenen, für die Erschließung der K ulturgüter usw. unerläßlich ist. N ur m it Hilfe der L iteratursprache kann der Sprachbe nutzer die vielfältigen kom m unikativen A ufgaben bew ältigen, die sich im Zuge der Entw icklung unserer G esellschaft für fast jeden einzelnen ergeben. Ein Ziel der Bemühungen um die S prachkultur, das sich daraus ableitet, ist es som it, die L iteratursprache tatsächlich in vollem Umfang zum G em einbesitz zu m achen, was heute zweifellos noch nicht der Fall ist. Gleichzeitig m uß m an aber natürlich auch berücksichtigen, daß die L iteratursprache kein geschlossenes Gebilde darstellt, sondern mannig faltige D ifferenzierungen aufw eist und auch in ihren einzelnen Teilnor men unterschiedlich strengen Bewertungen unterliegt, die zum Beispiel für die geschriebene Sprache im allgemeinen w esentlich stärker ausge bildet sind als für die gesprochene Sprache, wo man eine erheblich grö ßere V ariationsbreite zu tolerieren bereit ist. Die O rientierung der Bemühungen um die S prachkultur auf die Hinfüh rung der S prachbenutzer zur L iteratursprache b ed eu tet andererseits je doch keine A bw ertung oder gar Bekäm pfung der regionalen Existenz form en, die in bestim m ten, vor allem nichtoffiziellen und privaten Kom m unikationsbereichen nach wie vor ihre Lebensfähigkeit behalten und diese — vor allem was die vielfältig differenzierte V arietät der Umgangs sprache angeht — auch sehr deutlich unter Beweis stellen. N icht die Ver drängung regionaler V arietäten aus den für sie angemessenen Bereichen ist das Ziel sprachkultureller Bemühungen, sondern die Erw eiterung des sprachlichen Registers um die D im ension der L iteratursprache für mög lichst viele Sprachbenutzer. 4. A ufgaben der Linguistik zur W eiterentw icklung der S prachkultur Welche unm ittelbaren Aufgaben erwachsen nun der Linguistik im Zu sammenhang m it der S prachkultur, welchen A nteil h at sie an der Be64 wältigung dieses gesellschaftlichen Anliegens? Wir sehen ihre Aufgaben vor allem auf zwei Ebenen: a) in der A usarbeitung der theoretischen G rundlagen der Sprachkul tu r und der Schaffung der erforderlichen w issenschaftlichen V oraus setzungen, b) in einer praktischen U m setzung der theoretischen Erkenntnisse in Lehr- und H andbüchern sowie in der sprachpflegerischen Ö ffent lichkeitsarbeit. Die zentrale A ufgabe ist dabei die A usarbeitung einer übergreifenden Theorie der S prachkultur, die, ausgehend von der S prachsituation unse res Landes, alle A spekte dieses Begriffes u m faßt und die Basis für alle praktischen Bemühungen auf diesem Felde darstellt. Wichtige Teilaspek te, die in eine solche Theorie eingehen müssen, betreffen z.B.: — Problem e der sprachlichen N orm , ihres Wesens, ihrer Typologie, ihrer Entw icklung, ihrer B estim m ungsfaktoren sowie ihrer Kodifizierung in den verschiedenen Teilbereichen der L iteratursprache, — Problem e der E xistenzform en oder Sprachvarietäten und ihrer A n wendungsbereiche, speziell ihrer funktionalen, situativen und stru k turellen Merkmale. Von besonderer Bedeutung sind hier das V erhält nis und die U nterschiede von geschriebener und gesprochener Sprache und K om m unikation. — Problem e des Zusam m enhanges und der U nterschiede von soziolinguistischer und stilistischer D ifferenziertheit der Sprache sowie die Erforschung der stilistischen M ittel und M öglichkeiten der L iteratur sprache in ihren verschiedenen A nw endungsbereichen. Zu diesen und w eiteren Problem kreisen, die m it der S prachkultur Zusam menhängen, gibt es natürlich in der germ anistischen Linguistik der DDR schon eine ganze Reihe von A rbeiten, eine zusam m enfassende th eo reti sche G rundlage für die T ätigkeit auf dem G ebiet der S prachkultur exi stiert aber bisher noch nicht. Was den zw eiten oben erw ähnten A ufgabenbereich angeht, so handelt es sich hier vor allem um öffentlichkeitsw irksam e Beiträge, die den Zugang zur L iteratursprache in ihren verschiedenen A nw endungsgebieten erleich tern und fördern und die auf die E ntw icklung des allgemeinen Sprachbe w ußtseins hinw irken. Dies ist natürlich gleichzeitig auch ein ständiges Anliegen des M uttersprachunterrichts in der Schule, der jedoch allein nicht ausreicht, um die V ielfalt der in diesem Zusam m enhang erwachsen den A ufgaben zu lösen. Deshalb bedarf es dafür der aktiven M itwirkung der Sprachw issenschaft, die durch die Schaffung entsprechender Hand65 bücher, populärw issenschaftlicher Sprach-Sachbücher und differenzierter sprachlicher R atgeber für einen breiten N utzerkreis sowie auch durch Sprachkritik in der Ö ffentlichkeit an der E ntw icklung eines bew ußten Sprachverhaltens m itw irken sollte. Auch auf diesem Feld gibt es bei uns m ancherlei A nsätze, aber vieles läuft noch ganz spontan, zufällig und unkoordiniert, was denn gelegentlich auch schon den bisher aber noch nicht ernsthaft verfolgten G edanken einer zentralen sprachlichen Instanz für Problem e der N orm kodifizierung und der S prachkultur auf den Plan gerufen hat. Ob eine solche Sprachakadem ie hier den w ünschenswerten und notw endigen F o rtsch ritt bringen könnte, m uß deshalb dahingestellt bleiben. U nbestritten ist aber, daß die Bemühungen um die S prachkultur heute und in Z ukunft eine wichtige Aufgabe der Sprachw issenschaft sind und bleiben werden. L iteratur Allgemeine Grundsätze der Sprachkultur (1932). In: Grundlagen der Sprachkultur. Teil 1, S. 74-85. B uttler, D. (1974): Bemühungen um die Sprachkultur in der VR Polen. In: Lin guistische Studien. Berlin. Reihe A, H. 9, S. 56-59. Filipec, J. (1982): Sprachkultur und Lexikographie. In: Grundlagen der Sprach kultur. Teil 2, S. 174-202. Fleischer, W. (1974): Einige Bemerkungen über Ziele und Aufgaben unserer Sprachpflege. In: Linguistische Studien. Berlin. Reihe A, H. 9, S. 38-55. (1976): K om m unikation, Sprachkultur und Stil. In: Sprachpflege. Leipzig. 25. J„ H. 5, S. 97-99. Gesellschaftliche F unktionen und Strukturen sprachlicher K om m unikation (1980). Linguistische Studien. Berlin. Reihe A, H. 72/1 und 2. Greule, A. (1982): Theorie und Praxis der germanistischen Sprachpflege. In: M ut tersprache. Wiesbaden. 92. 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In m ehreren slawischsprachigen Ländern kann der Begriff — als O rientierung sow ohl für öffentliches Umgehen m it der Sprache wie für linguistische Fundierungen dieses Umgehens — auf eine T radition zurück blicken, die ihren Anfang bereits in den 20er und 30er Jahren n ah m .1 Vor m ehr als einem Jah rzeh n t begannen Linguisten in der DDR eine Diskussion, die vor allem das Ziel verfolgte, den sozialen Inhalt aller öf fentlichen Bemühungen um die Sprache herauszuarbeiten und über den für die deutsche Sprache dam als noch nicht festen Begriff der Sprachkul tu r vielleicht einen neuen Zugang zu Problem en zu finden, die dank dem unseligen Wirken nicht weniger vorgeblicher Pfleger und Wahrer der d eu t schen Sprache in der V ergangenheit m it teilweise schweren H ypotheken belastet w orden waren. Wir w ollten den sachlichen Kern dieser Proble me wieder diskutierbar m achen und in eine Linguistik hineinholen, die inzwischen sehr viel m ehr über die Sprache und ihre gesellschaftliche Einbindung w ußte. Natürlich spielte dabei auch die uns gerade in diesen Jahren ebenso wie die Linguisten vieler anderer Länder bewegende N eu bestim m ung des V erhältnisses zu den disziplinspezifischen Praxisberei chen eine Rolle. M it Interesse beobachten wir deshalb, wie der Begriff der S prachkultur in jüngster Zeit auch außerhalb der G renzen der DDR einer gewissen K onjunktur entgegenzugehen scheint. Und daß die K on stellationen der A rgum ente uns in einigen Fällen an zurückliegende eige ne Diskussionen erinnern, nehm en wir nicht nur interessiert zur K ennt nis. Wenn man “ S prachkultur” zu einem zentralen Begriff vor allem für die Bewertung von Sprache und sprachlichem V erkehr und für die Förderung eines m öglichst unbehin derten und souveränen Verfügens der Menschen über Sprache m acht, also auch einen großen Teil der praktischen Bemü hungen um m uttersprachliche Bildung und Sprachpflege auf diesen Be griff beziehen m öchte, dann sollte man sich zunächst einige G edanken um die M otivation dieses Begriffs und seine Stellung in den vorherrschen den O rdnungen unseres Wissens in diesem Sachbereich machen. 70 Der Bereich von Phänom enen und Problem en, auf den man sich m it “S prachkultur” bezieht, ist keineswegs erst in jüngerer Zeit als ein proble m atischer Bereich ins Bew ußtsein getreten. In den vergangenen zwei bis drei Jahrhunderten ist über richtigen, reinen, schönen und zw eckm äßi gen Sprachgebrauch so viel lam entiert, doziert, argum entiert und gestrit ten w orden — von vernünftigen, unvernünftigen und m eist natürlich to tal entgegengesetzten Positionen aus —, daß man denken könnte, inzwi schen sei eigentlich alles gesagt, je tz t käm e es allenfalls noch darauf an, das Bleibende aus der Fülle der Meinungen herauszuziehen, den S treit dage gen könne man als ein K uriosum eines vergangenen Praxisverständnisses der Linguisten abtun. Die Gründe dafür, daß heute im m er noch — oder: wieder — über Sprachrichtigkeit, Sprachschönheit und A ngem essenheit diskutiert wird, liegen einmal darin, daß offensichtlich bestim m te Proble me — U nterschiede im sprachlichen Vermögen der einzelnen Sprecher und auch in den auf die Sprache gerichteten W ertvorstellungen von Spre chergruppen — fo rtbestehen oder neu entstehen, und daß ihre Ü berw in dung — in w elcher R ichtung auch im m er — m ehr verlangt als nur das Be folgen sprachpflegerischer Appelle. W eitere Gründe für die Lebenskraft dieser T hem atik liegen zweifellos auch darin, daß die m eisten der bisher entw ickelten A nsichten u nd Positionen einzelne Erscheinungen isolieren, Heterogenes m iteinander vermengen und überhaupt nicht sehr tief unter die O berfläche einer K ritik an sprachlichen Form en Vordringen. Es geht auch n icht einfach nur darum , daß man früher vertretene bornierte oder enge A uffassungen nur durch uns m ehr entsprechende to leran te oder weite A uffassungen zu ersetzen hätte. Es h at ja auch in der Vergangen heit fast im m er Stim m en gegeben, die sich gegen zu enge V orschriften oder gegen das Vorgeben sprachlicher Regeln überhaupt gew andt haben. Die V oraussetzungen, u n te r denen unser D iskussionsthem a im m er wie der neue A ufm erksam keit auf sich zieht, sind offenbar wesentlich kom pli zierter. Warum sprechen wir dann aber von Sprach k u 11 u r ? B esteht nicht die Gefahr, daß hier un ter einem neuen, m odern klingenden Namen alte Hüte verkauft werden? O der verbirgt sich hinter dem neuen W ort auch eine andere, eine neue A kzentuierung? Wenn das der Fall ist, sollte man sie aber auch explizieren, und es sollte verlangt w erden, daß sie expliziert wird. Für mich und uns schafft der Bezug auf Sprach k u 1 1 u r vor al lem einen Rahm en, der die Einordnung sprachlicher Leistungen in die G esam theit geistiger und m aterieller Leistungen der gesellschaftlich m it einander verbundenen M enschen gestattet. (Natürlich sind solche R ah m ungen auch auf anderen Wegen und ohne explizite N ennung des Bezugs punktes möglich, etw a über eine Menge von M aximen über Sprache und ihre W erte; so ist man bisher m eist vorgegangen). Selbstverständlich ist 71 m it der N ennung eines so allgem einen Rahm ens noch nicht viel getan. Das Beziehen von Sprachlichem auf den K ulturbegriff ist, wie dieser selbst, in m anchen A spekten um stritten ; und wir m üßten natürlich auch die üblichen D ifferenzierungen des Sprachlichen gesondert betrachten: Für welche Ebenen des Sprachlichen soll der K ulturbegriff denn in wel cher Weise gelten? — Linguisten suchen gern in W örterbüchern nach ih nen geeignet erscheinenden D efinitionen und belegen dann einzelne Ele m ente einer solchen Begriffsdefinition durch sprachliche Phänom ene. Der Begriff “ S p rachkultur” erscheint bei diesem H erangehen als eine m ehr oder weniger genaue Entsprechung zum Begriff “ K u ltu r” . Eine an dere, sicher bessere M öglichkeit bestünde darin, den Sprachkultur-Begriff aus einer K ulturtheorie abzuleiten. Wir brauchen den Begriff jedoch nicht nur zur Selbstverständigung, wir richten uns m it ihm auch an den D urch schnittssprecher, dessen Wissen über K ultur und kulturelle Leistungen in bestim m ten D im ensionen geordnet ist. Wie wir verstanden w erden, wie wir den D urchschnittssprecher zu etwas bewegen können, ist folglich auch davon abhängig, wie wir uns auf die besonderen V erstehensbedin gungen einstellen. Hier sind zunächst zwei O rdnungsdim ensionen von In teresse, deren scheinbares Gegenübergestelltsein ich allerdings etwas rela tivieren m öchte. (1) Man kann das V orhandensein von K ultur dem N icht-V orhandensein oder einem geringeren V orhandensein von K ultur gegenüberstellen, Kul tu r also der U n-K ultur oder der N icht-K ultur. D em entsprechen alltags w eltliche K onzepte wie E ßkultur, V erkaufskultur, W ohnkultur, G ast stätten k u ltu r und in einem verbreiteten V erständnis eben auch Sprach kultur. Von dieser A rt K ultur spricht man nur in besonderen herausra genden Fällen oder, was häufiger ist, in negativen Fällen: jem and hat k e i n e E ßkultur, W ohnkultur usw. Das dahinterstehende Modell faß t K ultur als etwas Hohes, dem ein Alltag, ein D urchschnittsverhalten, eine G ew öhnung die Verw irklichung schwer m achen oder verhindern. K ultur b e g i n n t som it erst bei einem b e s t i m m t e n , jedenfalls über dem D urchschnitt liegenden N i v e a u . Das für S prachkultur voraus zusetzende Niveau ist m indestens ein “gepflegter” Sprachgebrauch, bes ser aber noch ein ästhetischer und kreativer, wie er insbesondere in der künstlerischen K om m unikation erw artet wird. — Zu so oder ähnlich ge ordneten A uffassungen von K ultur ist in den letzten Jahren viel K riti sches gesagt w orden. Sie können in der T at in elitäre A uffassungen mün den. Darin ist zweifellos ein gewisser Teil des nicht seltenen Unbehagens am Sprachkultur-Begriff begründet. Insofern ist die K ritik an einem Sprachkultur-Begriff, der das K ulturvolle als ein kaum erreichbares Ideal dem alltäglichen G ebrauch von Sprache gegenüberstellt, sicher auch be rechtigt. A ndererseits sollte aber die V orstellung von einer qualitativen 72 Bew ertbarkeit des G eleisteten nach Rangstufen n icht einfach abgetan w erden, sie m uß auch n icht notw endig in eine elitäre Position münden. (2) Dieser O rdnung kultureller Leistungen scheint eine andere ziemlich grundsätzlich gegenüberzustehen. K ultur ist hier generell eine Dim en sion m enschlicher gesellschaftlicher A ktivität. Man spricht in diesem Fall im allgemeinen von einem w e i t e n Kultur-Begriff. Alles, was der Mensch in der A useinandersetzung m it seinen Lebensbedingungen her vorbringt, i s t K ultur, die man in Ü bereinstim m ung m it der E xistenz form der jeweiligen T ätigkeitsprodukte in m aterielle und geistige K ultur untergliedern kann und die entsprechend der V erschiedenheit der Le bensbedingungen in K ulturen oder S ubkulturen differenzierbar ist. L etz ten Endes kann das zu einer bestim m ten A rt von unproduktiver Bew un derung für a l l e A rten der M eisterung von Lebensbedingungen führen2 : Jede A rt, m it Sprache um zugehen, sei gleich hoch zu bew erten, sofern nur die jeweiligen kom m unikativen Aufgaben erfüllt w erden. Diese A uf fassung, die der D ifferenzhypothese der frühen Soziolinguistik entspricht, m acht den Sprachkultur-Begriff im G runde überflüssig; man kön n te der S prachkultur allenfalls noch ein kom m unikationsethnographisches In teresse entgegenbringen. Das zeigt, daß es n icht allein darauf ankom m t, einem engen Begriff einen w eiten gegenüberzustellen. Vielm ehr kom m t es darauf an, einen nichtssagenden w eiten Begriff durch bew ertete Ein schränkungen interessant zu m achen. Das kann beispielsweise dadurch geschehen, daß man sich bew ußt m acht, daß K ultur n ich t nur das Ergeb nis des aktuellen A useinandersetzens m it den Lebensbedingungen ist, sondern auch das Ergebnis einer T r a d i t i o n d e s A u s e i n a n d e r s e t z e n s , die Erfahrungen angehäuft und in N orm en verfestigt hat. K ultur ist nicht nur das Befolgen von N orm en oder gar nur das Hinausgehen über sie, bereits das V orhandensein von N orm en ist eine bestim m te Vergegenständlichung des A useinandersetzens m it Lebensbe dingungen und insofern K ultur. In dem Maße, in dem die Lebensbedin gungen wechseln, kom plexer w erden oder in bestim m ten Bereichen auch gleich bleiben, ergeben sich Erfahrungen, die, bezogen au f eine K om m u nikationsgem einschaft, n icht m ehr gleichwertig sind, sondern nach be stim m ten Rangstufen bew ertbar werden. Ich will das der E infachheit und Kürze halber gleich au f den Sprachkul tur-Begriff beziehen und hier eine vorläufige Bestim mung seines Inhalts geben, die eigentlich Ergebnisse meines nächsten P unktes voraussetzte: Sprachkulturelle Leistungen e n t s t e h e n au f der Grundlage eines bestim m ten Verfügens über N orm en. O hne ein bestim m tes Normwissen — das nicht m it den vorherrschenden oder “gültigen” N orm form ulierun gen zusam m enfällt, aber in irgendeiner Weise auf sie bezogen sein m uß — 73 gibt es w eder produktive noch rezeptive Leistungen in der K om m unika tion. Dieses Wissen bezieht sich jedoch nicht nur auf “ S ystem norm en” in einem engen Sinn, sondern auch auf m ehrere A rten von übergreifen den, historisch entstandenen und bis zu einem gewissen Grade an Ein zelsprachen gebundenen N orm ierungen des kom m unikativen G esam t geschehens. ’ Weiter bezieht sich das zugrundezulegende Wissen auf N or mierungen unterschiedlicher situativer, regionaler und sozialer Geprägtheit. A uf G rund des Entw icklungsstandes der K om m unikationsgem einschaft(en) sind die verschiedenen Prägungen funktional allerdings nicht gleichwertig; standardsprachliche Norm en nehm en eine hervorgehobene Stellung ein. S prachkultur ist dann die Beziehbarkeit von Produkteigen schaften (von Ä ußerungen, T exten) auf M aßstäbe — die prinzipiell an beliebige sprachliche Leistungen oder Produkte angelegt w erden kön nen —, deren E ckpunkte das V orhandensein von N orm en (als verfestig ten Erfahrungen der A useinandersetzung m it Lebensbedingungen) und ein bestim m ter G ebrauch dieser N orm en sind. Wenn wir Norm en auf diese A rt bestim m en, dann sind ihr Inhalt und ihre V erbreitung natürlich eng m it der G eschichte der K om m unikation in sozialen G em einschaften verbunden, dam it, wie das Umgehen m it Sprache ein gesellschaftliches Problem war und ist. II. S p r a c h k u l t u r a l s g e s e l l s c h a f t l i c h e s P r o b l e m be zieht sich auf historisch gewachsene Sprachsituationen. Das Besondere des historisch G ewachsenen von Situationen ist, daß wir die M ittel zur A useinandersetzung m it Lebensbedingungen niemals in ihrer G esam t heit ad hoc schaffen. In irgendeiner Weise finden wir stets M ittel vor. Indem wir aber das V orgefundene benutzen, leiten w ir zum indest p o te n tiell auch seine V eränderung ein. Das gilt sicher in ganz besonderem Maße für das M ittel Sprache und ebenso auch für den Zugang der einzelnen Sprecher zu diesem M ittel zu einem gegebenen Z eitpunkt. Bei der Lö sung kom m unikativer A ufgaben können wir gar nicht anders verfahren, als auf V orgefundenes zurückzugreifen, u nd der Zugang zu — Vorgefun denen oder veränderten — M itteln ist, sow eit er an Lernprozesse und möglicherweise auch an die Schaffung von V oraussetzungen für L ern prozesse gebunden ist, o ft nur im V erlaufe von G enerationen m erkbar zu verändern. Ich habe m ehrfach über historische G rundlagen von D ifferenzierungen der Sprache und über T ypen ihrer Widerspiegelung im Bew ußtsein der Sprecher geschrieben4 , so daß ich mich hier auf eine knappe Skizze des Problems beschränken kann. 74 Mit der schon auf einer frühen Stufe der gesellschaftlichen Entw icklung einsetzenden D ifferenzierung der Tätigkeiten dürfte teilweise auch eine D ifferenzierung der K om m unikation einhergegangen sein. Das wird vor allem in jenen Tätigkeitsbereichen der Fall gewesen sein, in denen die verschiedenen kom m unikativen A ufgaben Spezialisierungen erforderlich m achten, die sich in der Herausbildung besonderer sprachlicher M ittel zeigten, was von einem bestim m ten Umfang an zu U nterschieden im sprachlichen V ermögen einzelner Individuen führen m ußte und sicher auch zu U nterschieden in der individuellen E rreichbarkeit eines bestim m ten sprachlichen Vermögens. Diese Prozesse vollzogen sich zunächst im Bereich der M ündlichkeit und dürften kaum zu einem eigentlich gesell schaftlichen, über eng begrenzte Personengruppen hinausgehenden Pro blem gew orden sein. Das änderte sich spätestens jedoch m it dem A uf kom m en und der V erbreitung der Schriftlichkeit. Jedenfalls für den deutschen Sprachraum gilt, daß sich weitgehend auf der G rundlage der S chriftlichkeit ein neuer T yp des S tandards5 entw ickelte. W esentliche Spezialisierungen der K om m unikation erfolgen von diesem Z eitpunkt an auf der Grundlage des Standards oder gehen an ihn über. Zur gespro chenen Sprache zeigt der Standard von Anfang an eine gewisse E ntferntheit. Die U nterschiede in der sozialen Zugänglichkeit des Standards neh men je tz t ganz andere D im ensionen an. Sie verbinden sich m ehr oder weniger m it Teilungen, die die ganze G esellschaft durchziehen und Min derheiten gegenüber M ehrheiten abgrenzen: Berufsgruppen, die über eine bestim m te Bildung und o ft auch über Besitz verfügen; die Bevölkerung der S tad t gegenüber der Landbevölkerung. Es entw ickeln sich insbeson dere F orm en der öffentlichen K om m unikation, an denen beträchtliche Teile der Bevölkerung überhaupt nicht oder nur rezeptiv teilnehm en kön nen. Es entstand ein — w enn auch im einzelnen m eist deutlich begrenztes — gesellschaftliches Interesse daran, den Zugang zu standardsprachlichen A usdrucksform en zu erleichtern. Gleichzeitig w urden aber die U nter schiede im Zugang und dam it im sprachlichen V ermögen zu sozial u n te r scheidenden M erkmalen, die —je nach Position — zur sozialen Abgren zung oder Identifizierung dienten. Daran bauten sich bestim m te Bewer tungssystem e auf, die die U nterschiede im Zugang zum Standard nun auch auf der Ebene der W iderspiegelung im Bew ußtsein zu einem gesell schaftlichen Problem m achten. Die Begründung für das M eiden oder A n streben von Redeweisen erfolgte nicht m ehr nur auf einer kom m unikati ven A rgum entationsbasis, sondern zunehm end auch auf einer sozialen. Dies ist zu beachten, w enn man die N orm enbegründungen und Leitbilder richtig verstehen will, die zu verschiedenen Zeiten entw ickelt wurden. 75 Ü berhaupt sind solche Prozesse nur zu verstehen, w enn m an berücksich tigt, daß reales V erhalten in der K om m unikation und tatsächliche kom m unikative Bedürfnisse m ehrfach und auch gruppenspezifisch w iderspie gelt w erden und daß diese W iderspiegelungen auf das reale V erhalten zurückwirken. O der m it anderen W orten: Was über U nterschiede von Re deweisen gedacht und gesagt w ird, kann auch verzerrende M om ente en t halten. Und wie sich jem and in der K om m unikation real verhält, ist nicht einfach ein zw eckentsprechendes Auswahlen aus V orgefundenem , nicht einmal aus Verfügbarem. III. Wenn es sich n u r um verzerrende Bew ertungen handelte, wäre das Problem relativ einfach zu lösen: Man könnte die Bew ertungen bekäm p fen und ansonsten jeden so sprechen lassen, wie er es m öchte. In der T at sind solche G edanken o ft geäußert w orden. Und wir w erden m anchm al gefragt, ob es n icht einer sozialistischen G esellschaft besser anstünde, die von allen Sprechern beherrschte Umgangssprache in den Rang eines Standards zu erheben. So einfach sind die Dinge natürlich nicht. Ich kom m e dam it auf das Problem zurück, ob und wie Sprachen (oder ge nauer: E xistenzform en der Sprache) qualitativ bew ertbar sind. O der fo r m ulieren wir es noch einm al anders: Viele M enschen w aren und sind der Meinung, daß die D iskrepanz zwischen den reichen M öglichkeiten einer Sprache und dem bescheidenen G ebrauch, den die M ehrzahl der Sprecher von diesen M öglichkeiten m acht, vor allem ein Problem m angelnder oder ungenügender Bildung ist. Im 19., aber auch noch im 20. Jah rh u n d ert war dies die bevorzugte Erklärung für den Vorgefundenen Z ustand und zugleich Begründung für M aßnahm en, um über ihn hinauszukom m en. Bei uns beispielsweise sind nun die Bildungsschranken beseitigt, und der M uttsprachunterricht spielt im Bildungssystem eine beachtliche Rolle und h at außerdem eine konzeptionelle Basis, die auch im internationalen Vergleich nicht schlecht dasteht. Angesichts dieser S ituation ergeben sich nun folgende Fragen: Bleibt auch unter diesen Bedingungen noch etwas von der erw ähnten D iskrepanz bestehen? H aben U nterschiede im Verfügen über die Sprache ernstere K onsequenzen, oder kann man sie vernachlässigen? Wenn sie aber K onsequenzen haben, dann sollten diese die Begründungen liefern für unsere O rientierung auf eine bestim m te an zustrebende oder zu bevorzugende A rt zu kom m unizieren. Alle Bemü hungen um die H ebung der S prachkultur sollten irgendwie auf solche K onsequenzen aus U nterschieden im sprachlichen Vermögen Bezug neh men. 76 U nterschiede in der A rt und im Niveau, sich sprachlich m itzuteilen, beste hen tatsächlich fo rt, w obei bis je tz t allerdings keineswegs im m er klar ist, w odurch die U nterschiede im einzelnen bedingt sind und w elche Konse quenzen sie wirklich haben. Es bleiben u.a. auch U nterschiede in bezug auf die Beherrschung des Standards. Natürlich kann man heute nicht m ehr sagen, daß es eine nennensw erte Zahl von Sprechern gibt, für die der S tandard etwas absolut Frem des ist. Es gibt aber doch n ich t selten Schwierigkeiten im Umgehen m it der einen oder anderen A rt von stan dardsprachlichen T exten (eine Erscheinung, die heute in einer ganzen R ei he von Ländern die A ufm erksam keit auf sich zieht, n ich t unbedingt, weil sie neu ist, eher w ohl, weil sie bestim m ten Erw artungen nicht ganz en t spricht). Das ist an der T ex tp ro d u k tio n gewissermaßen w ahrnehm bar, dürfte aber auch die T extrezeption in einem nicht sehr viel geringeren Maße betreffen. Die H auptursache dürfte darin liegen, daß für den en t sprechenden Umgang m it T exten kom m unikative Erfahrungen erforder lich sind, die entw eder nicht spontan erw orben w erden oder aber relativ spät und nu r u n te r bestim m ten, nicht allen Sprechern in gleicher Weise zugänglichen Bedingungen. W elcher A rt sind diese kom m unikativen Er fahrungen aber? Welche Bedeutung haben sie für das Individuum ? G eht es nur um eine geringere oder größere G eübtheit in N orm en, die sich von der A lltagskom m unikation etwas en tfe rn t haben? Das allein würde unsere O rientierung au f die Ü berw indung der hier offenbar vorhandenen U nter schiede im Verfügen über Sprache noch nicht überzeugend begründen. Ein beträchtlicher Teil der für die N otw endigkeit des S tandards gegebenen Be gründungen kann in der T a t kaum als ausreichend angesehen werden. H äu fig wird erklärt, daß der S tandard das gesam tgesellschaftliche K om m uni kationsm ittel ist, so daß die V erständigung jedenfalls auf der gesamtgesell schaftlichen Ebene die Beherrschung des Standards voraussetze. In einem direkten Sinn ist das sicher nicht richtig. V erständigung verlangt sehr viel weniger als den Standard. Im Alltagsbewußtsein vieler Sprecher spielt der “unschöne K lang” nicht-standardsprachlicher F orm en eine gewisse Rolle als A nreiz für das Streben zum Standard. V on der S ubjektivität dieser Be gründungsdim ension zeugt, daß sie teilweise auch um gekehrt w erden kann und um gekehrt w orden ist. A ndere Begründungen verweisen einfach auf T raditionen und Erw artungen. Am ehesten in die richtige R ichtung weist noch, w enn m an im S tandard die am w eitesten entw ickelte Sprachform sieht. Das aber wäre im einzelnen zu explizieren. So sagt es noch nicht viel. Es ist sicher auch n icht richtig, daß der S tandard j e d e r kom m uni kativen A ufgabe gewachsen ist, die Umgangssprache etw a dagegen nicht. Hier besteht vielm ehr ein Überlappungsverhältnis, w obei der S tandard si cher den größeren Bereich kom m unikativer Aufgaben abdeckt. 77 Das w ichtigste A rgum ent für die O rientierung auf den S tandard m uß m.E. dies sein: A uf G rund seiner engen Bindung an die Schriftlichkeit ist der S t a n d a r d die H a u p t f o r m , in der g e s e l l s c h a f t l i c h e s W i s s e n f i x i e r t ist. Mit dem Zugang zum S tandard bekom men die Menschen Zugang zum gesellschaftlichen Wissen. Das darf man nun aber nicht vorrangig als ein Problem des lexikalischen Verfügbarmachens von Wissen sehen. Dazu gehören in einem sehr viel fundam entale ren Sinn sprachliche V erfahren des Fixierens und Präsentierens von ge sellschaftlichem Wissen, die n icht auf die S chriftlichkeit beschränkt blei ben, sondern einen großen Teil auch der mündlichen K om m unikation zu nehm end prägen.6 Wenn dies das H auptargum ent für die O rientierung auf den S tandard ist, fragt sich natürlich, ob es dann nicht übertrieben ist, auf die Einhaltung gram m atischer N orm en ein so großes Gew icht zu legen, und ob es nicht angebrachter wäre, beispielsweise T extnorm en eine größere A ufm erksam keit zu w idm en. Das ist bis zu einem gewissen G rade sicher richtig. In der T at ist S prachkultur m eist nur als ein Problem von F orm en gesehen w or den, weniger als eins von V erfahren oder O rganisationsprinzipien. A nde rerseits ist natürlich n icht zu übersehen, daß Form en eine Signalfunktion haben können, also über den Grad des Verfügens über Sprache A uskunft geben können und infolgedessen auch m it Erw artungen und entsprechen den W erturteilen verbunden w erden können. Was die kom m unikative Leistungsfähigkeit einer bestim m ten Sprachform — Standard, Umgangssprache, D ialekt — ausm acht, ist einstw eilen relativ offen. Für die Begründung sprachkultureller O rientierungen sind solche Aussagen jedoch notw endig. Hier ergeben sich zahlreiche l i n g u i s t i s c h e A u f g a b e n . Ein zentraler Punkt scheint m ir die w eitere Klä rung des Verhältnisses von Schriftlichkeit und M ündlichkeit zu sein. IV. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, daß ein w ichtiger Bezugspunkt für S prachkultur auf jeden Fall die N orm en des Standars sind. Dabei ist die H ervorhebung des Standards eine praktisch bedingte Einschränkung. Streng genom m en, könnten auch die N orm en anderer Existenzform en der Spra che Bezugspunkte von S prachkultur sein. A uch ein umgangssprachlicher oder dialektaler T ext könnten u n te r dem G esichtspunkt einer jeweils spe zifischen Sprachkulturellen Leistung b etra ch te t und entsprechend beurteilt w erden. V oraussetzung ist wohl nur, daß die Einhaltung der jeweiligen Norm en positiv bew ertet w ird und daß sie nicht jedem Sprecher in gleicher Weise oder ohne besondere Mühe möglich ist. Der Unterschied liegt im Ge w icht des gesellschaftlichen Interesses an der E inhaltung der betreffenden 78 N orm en. (Rein theoretisch sind aber natürlich auch Bedingungen denkbar, u n ter denen G esellschaften ein besonders gewichtiges Interesse daran en t wickeln könnten, daß alle ihre M itglieder nicht-standardsprachliche F or men möglichst perfekt gebrauchen). Bezugspunkt für S prachkultur ist jedoch n ich t nu r die Einhaltung von Norm en in dem verbreiteten, relativ engen Sinn. Seit der A ntike ist es üb lich, die F orderung nach der Richtigkeit durch die nach der Schönheit der D arstellung zu erw eitern. Die Fähigkeit zum Hervorbringen richtiger T exte müsse ergänzt w erden durch eine besondere M eisterschaft im Um gehen m it der Sprache, die den entstehenden T exten Eigenschaften wie K larheit, V erständlichkeit, Wohlklang, kom positorische H arm onie u.ä. verleiht. Solche “ Zusatzbedingungen” können, w enn sie zu eng gesehen oder überbetont w erden, dazu führen, daß S prachkultur im G runde nur noch eine Eigenschaft künstlerischer T exte sein kann. A ndererseits ist natürlich nicht zu bestreiten, daß es viele T exte gibt, für die es unangem es sen wäre, eine “ Schönheit der D arstellung” zu verlangen. A uf die Erwei terung der R ichtigkeit durch besondere M eisterschaft zu verzichten, wäre aber auch nicht ratsam ; zum indest verlöre der Sprachkultur-Begriff sehr viel an M otivation und natürlich auch an Reiz, w ollte man ihn auf die Einhaltung m orphologischer, syntaktischer, orthographischer u.ä. Nor men beschränken. Schließlich w erden T exte und Sprachgebrauch ja auch noch durch m ehr charakterisiert. Der angemessenste Weg, dieses Problem in unsere B etrachtungen zur S prachkultur einzubeziehen, ist m.E. eine entsprechende Erw eiterung und D ifferenzierung des Norm begriffs. N eben den N orm en, die in einem engeren Sinn die Laut-Bedeutungs-Zuordnung organisieren — m an k ö nnte sie g r a m m a t i s c h e N o r m e n nennen —, gibt es solche, die den Bezug von Ä ußerungen auf Situa tionen und kom m unikative Aufgaben organisieren und die eher für die Sinnzuordnung w esentlich sind. Man k ö nnte sie etw a k o m m u n i k a t i v e N o r m e n nennen. In diesem Zusam m enhang w erden dann Be griffe wie K reativität, V ariabilität, A nschaulichkeit u.ä. wichtig. Man kann nicht sagen, daß solche K riterien schon von ihrer A rt her gegenüber der Richtigkeit zusätzlich, weniger verbindlich oder situativ beschränkt sind. Sie berühren andere Ebenen des Hervorbringens von Ä ußerungen, sind aber nicht weniger verbindlich, w enn man sie als bestim m te M om ente in einem übergreifenden Prinzip der Präsentation von Inform ation in kom munikativen S ituationen versteht, nicht als absolute Werte. N icht jede Si tu atio n verlangt K reativität, A nschaulichkeit oder V ariabilität. In dem Maße aber, in dem die Inform ationsdarbietung etw a verschiedene A rten der W issensorganisation bei den an der K om m unikation Beteiligten zu b e rücksichtigen hat, können V erfahren der K onkretisierung oder der Subjek79 tivierung erforderlich werden. Der Begriff S prachkultur bezieht sich dann auch auf das Niveau, au f dem von solchen kom m unikativen N orm en Ge brauch gem acht wird. Dies führt uns zu einer — sicher noch etwas provisorischen — Zusam m en fassung: S prachkultur gründet sich auf System e von N orm en, die in einer Gesell schaft zu einer gegebenen Zeit zur Lösung kom m unikativer A ufgaben zur Verfügung steh en .7 Insofern ist S prachkultur am Niveau des Umgangs m it solchen N orm en zu beurteilen. ( “ Umgang” — sta tt “ E inhaltung” — soll darauf hindeuten, daß auch N orm enübertretungen und Norm enver änderungen möglich sein müssen). Zu einem gesellschaftlichen Problem wird Sprachkultur im Ergebnis sozial bedingter U nterschiede im Zugang zur N orm enaneignung. Entsprechende Aufgaben orientieren sich dann daran, den Zugang insbesondere von sozialen Beschränkungen freizum a chen. Der linguistische Teil dieser A ufgabe besteht darin, erforderliche G rundlagen und A bsicherungen bereitzustellen. Diese reichen von der G rundlagenforschung über H andbücher bis zur Förderung des allgemei nen Sprachbew ußtseins in einer Gesellschaft. Und dam it können sie — letzten Endes und hoffentlich — auch zu einem verm ehrten Reflektieren über Sprache beitragen, das seinerseits auf die A rt und Weise zurückzu wirken vermag, in der die Individuen von der Sprache G ebrauch m achen. A nm erkungen 1 Ober die tschechoslowakischen Quellen und ihre W eiterentwicklungen geben die beiden Bände “ Grundlagen der Sprachkultur” recht gute A uskunft. Zu den bereits in den 20er Jahren einsetzenden sow jetischen Bemühungen um die Sprachkultur fehlt bisher leider eine deutschsprachige Zusammenstellung oder Darstellung. 2 Zur Kritik eines nur w eiten Kulturbegriffs vgl. auch W arneken 1981. 3 Zum Begriff der Norm vgl. H artung 1977. 4 Vgl. etw a H artung/Schönfeld 1981. 5 Angesichts zahlreicher M ißverständnisse und unnötiger Diskussionen, die Be griffe wie “ H ochsprache” , “ Gem einsprache” oder “ L iteratursprache” im m er wieder auslösen, bevorzuge ich heute “ Standard(sprache)” . 6 Vgl. zu diesem Problem in jüngster Zeit auch Schlieben-Lange 1983. 7 Die teilweise kritische R eaktion von Tagungsteilnehm ern und -beobachtern auf die ausdrückliche Bindung von Sprachkultur an zugrundezulegende N or m en war insofern zu erw arten, als die Ü berbew ertung eines allzu eng verstan denen Norm begriffs ja eine der uns von früheren Sprachpflegern und -hütern hinterlassenen und offenbar noch nicht überall in gleicher Weise abgetragenen 80 H ypotheken ist. Ein ausreichender Grad von N orm enbeherrschung ist nun einmal für jedes soziale V erhalten vorauszusetzen, und erst recht für ein e n t wickeltes und anspruchsvolles. Deshalb gründeten wir unser Herangehen — nach anfänglich sehr ähnlichen, von M ißtrauen gegenüber jeglicher Norm geprägten Diskussionen — auf eine Erw eiterung des Norm begriffs. Selbstver ständlich um auf diese A rt überkom m ene Maximen zu relativieren und zu differenzieren und letztlich gerade in diesem Bereich einen stärker reflektier ten Sprachgebrauch zu erleichtern. Insofern sehe ich überhaupt keinen Ge gensatz etw a zwischen Wimmers (1984) Auffassung und m einer eigenen. Al lerdings stellt sich die Fähigkeit zum R eflektieren vielleicht nicht nur spon tan ein. Sie m uß auch angeregt, gefördert und m it O rientierungen und Wert m aßstäben versehen werden. Oder allgemeiner gesagt: Reflektieren, auch in Wimmers Sinn, wird erst dann möglich, w enn kom m unikative Erfahrung ver allgemeinert und auf Inhalte eines öffentlichen oder jedenfalls überindividuel len Bewußtseins bezogen wird. Und das geht wohl nicht ganz ohne Sprach ku ltu r “ von o b e n ” . (A ndernfalls bekäm e “ S prachkultur” einen ganz anderen und sicher sehr engen, w enn nicht elitären Inhalt: man hat sie, oder man hat sie nicht). Das Anregen, Fördern und O rientieren sollte — das jedenfalls ist unsere Position —in einer vernünftigen, wissenschaftlich begründeten und toleranten Weise erfolgen, m itgetragen von einer Linguistik, die all das be denkt und einbringt, was sie sich in den letzten Jahrzehnten an Einsichten erarbeitet hat. Gerade deshalb ist die Bezugnahme auf erste oder zweite Schritte in der Verwirklichung von S prachkultur nicht einfach als das alter native Beziehen von konservativen oder progressiven Positionen interpretier bar; für konservativ hielte ich in diesem Zusam m enhang eher eine Linguistik, die ihre eigenen Einsichten nicht (m ehr) wahrhaben will. L iteratur Grundlagen der Sprachkultur. Beiträge der Prager Linguistik zur Sprachtheorie und Sprachpflege. Hrsg. von J. Scharnhorst und E. Ising. Teil 1: 1976, Teil 2: 1982. Berlin. Hartung, W. (1977): Zum Inhalt des Norm begriffs in der Linguistik. In: Normen in der sprachlichen K om m unikation, Berlin, S. 9-69. Hartung, W ./Schönfeld, H. u.a. (1981): K om m unikation und Sprachvariation. Berlin. Schlieben-Lange, B. (1983): T raditionen des Sprechens. S tuttgart. Warneken, B.J. (1981): Neuer K ulturbegriff und alternative K ulturpraxis. Ober das B edeutungsspektrum einer “ nicht-affirm ativen” K ulturauffassung. In: J. Held (Hrsg.), Kunst und A lltagskultur, Köln, S. 13-24. Wimmer, R. (1984): Sprachkultivierung durch Sprachkritik: Ein Plädoyer für reflek tierten Sprachgebrauch. — In: Institut für deutsche Sprache Mannheim, Mit teilungen 10, “A spekte der S prachkultur", S. 7-28. 81 Sprachkultur und Institutionen GERHARD STICKEL Vorbemerkungen über ‘‘Sprachkultur und Institutionen” Zu den A spekten des vieldeutigen A usdrucks Sprachkultur gehört die Betrachtung von V oraussetzungen und Zielen, die Institu tio n en m it ih ren au f Sprache und Sprachgebrauch gerichteten A ktivitäten verbinden. Neben den E inrichtungen des Bildungswesens gehören hierher vor allem die Institutionen, die Sprache n icht nur als Teil gesellschaftlicher Kul tu r insgesamt, als Medium aller sozialen und individuellen V erhaltens weisen und H andlungsform en untersuchen und beschreiben, die es sich vielmehr zur A ufgabe gem acht haben, auf den Sprachgebrauch der Ge sellschaft kultivierend einzuw irken: durch N orm setzungen, G ebrauchs em pfehlungen, Sprach(gebrauchs)kritik oder auch durch die Förderung von beispielgebendem Reden und Schreiben. Das In stitu t für deutsche Sprache hat sich in seiner zwanzigjährigen Ge schichte nur hin und w ieder m it Fragen der sprachkultivierenden Wir kungen seiner A rbeiten befaßt. Nach seinem generellen Forschungsauf trag kam und kom m t ihm in erster Linie die A ufgabe zu, in Zusam m en arbeit m it Sprachw issenschaftlern an den H ochschulen durch die Beobach tung und Beschreibung des gegenwärtigen Sprachgebrauchs Wissen über die lexikalischen Einheiten und gram m atischen S trukturen des Deutschen, einschließlich der situativen und sozialen Bedingungen sprachlicher Ä uße rungen, verfügbar zu m achen. Da verantw ortliche W issenschaft sich im mer wieder auch m it der Frage der W irkungen ihrer Ergebnisse auseinan dersetzen sollte, n u tz te das In stitu t seine ‘Jubiläum stagung’, um in einer gesonderten Sektion “ Sprache und In stitu tio n en ” die Erfahrungen und Meinungen der V ertreter von drei E inrichtungen näher kennenzulernen, die m it dem erklärten Ziel gegründet w urden, zur K ultivierung des D eut schen beizutragen. Das Them a “ S prachkultur und In stitu tio n en ” w urde bew ußt neutral form uliert. Das und zwischen den beiden them atischen G rößen erlaubt es, die Beziehungen zwischen S prachkultur und Institutio n en verschie denartig zu deuten und etw a als Sprachkultur durch, wegen, in, von oder m it Institutionen näher zu bestim m en. D enkbar wären auch Be trachtungen über S prachkultur ohne, tro tz oder gegen Institutionen. Mit dem und w urde der allgem einste Beziehungsausdruck des D eutschen 82 gewählt, um die R eferenten n icht von vornherein auf eine bestim m te w ertende Sichtweise festzulegen, ihnen vielm ehr die M öglichkeit zu ge ben, ihre Beziehungen zur S prachkultur aus der Sicht der Institutionen, für die sie sprachen, zu spezifizieren. Daß auch nur einer der drei Kollegen diese Beziehung prinzipiell negativ bew erten würde, war ohnehin unw ahrscheinlich. Eine Institution, die ihre sprachbezogenen A ktivitäten unabhängig von den verschiedenen A spekten von S prachkultur sieht, ist nun einmal schw er vorstellbar. Je der Linguist weiß inzwischen, daß die Maxime des frühen am erikanischen Strukturalism us “ Leave your language alone!” auch in der beschreiben den Sprachw issenschaft zu A porien führt, die sich allenfalls durch den V erzicht, Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, letztlich den Ver zicht, überhaupt zu sprechen und zu schreiben, vermeiden ließen. Ver schiedene A uffassungen kann es nur von der N otw endigkeit, den Zielen und Folgen individueller und institutioneller Sprachkritik, Norm setzung und N orm anw endung geben, die auf das Sprachverhalten unm ittelbar g erichtet sind und nicht wie ‘reine’ Sprachbeschreibung lediglich m ittel bar zur Stabilisierung oder V eränderung einer Sprache beitragen. Einrichtungen, die sich nach dem jeweiligen V erständnis von Sprache und ihren F unktionen die Kultivierung des D eutschen zur A ufgabe ge m acht haben, gibt es im deutschen Sprachgebiet bekanntlich seit dem 17. Jahrhundert, als nach dem V orbild der F lorentiner Accademia della Crusca und dann der französischen Académie zunächst kleinere Sprach gesellschaften, -genossenschaften und -orden entstanden und schließlich die verschiedenen staatlich geförderten, gelegentlich auch von der Obrig keit behinderten W issenschaftlichen A kadem ien m it ihren philosophisch literarischen oder philologischen Klassen. Die Bedeutung dieser Gesell schaften und A kadem ien für die Entw icklung der überregionalen S tan dardsprache, der “ H auptsprache” (s. Justus Georg Schottel(ius), “ Aus führliche A rbeit von der Teutschen H aubt S prache” , 1663), besonders für die Lexik des D eutschen, ist in vielen Einzelheiten bekannt und be schrieben. Die A usw irkungen, welche die Bemühungen der Sprachvereine im 19. Jah rh u n d ert und zu Beginn dieses Jahrhunderts auf den deutschen W ortschatz h atten , sind heute un ter anderem an den T exten der Verwal tung und des Rechtswesens zu erkennen. Für die Gegenwart gilt aber w eiterhin, daß es im deutschen Sprachgebiet keine Einrichtung gibt, die nicht nur nach A nspruch oder A uftrag, son dern aufgrund tatsächlicher A rbeitsm öglichkeiten um fassende Aufgaben der Kultivierung der deutschen Sprache insgesamt hat, so wie sie etwa von der Académie Française m it den von ihr abhängigen Einrichtungen für das Französische w ahrgenom m en w erden. Man mag dies für einen 83 großen Mangel halten und die dafür verantw ortliche politische Situation in M itteleuropa oder auch das schwach ausgeprägte Sprachbew ußtsein der staatlichen Organe in den deutschsprachigen Ländern beklagen. Es gibt andererseits kluge Franzosen, die nicht alle Entscheidungen ihrer Academie für weise halten und die Folgen der akadem ischen N orm set zungen nicht im m er als G ewinn für die französischen Sprache b etrach ten. Ob eine “ B undesanstalt für deutsche Sprache” weisere E ntschei dungen treffen würde, ist sehr zw eifelhaft. Eine solche S prachbehörde wird zur Zeit glücklicherweise ebensowenig erwogen wie ein Sprachrei nigungsgesetz, wie es seit einigen Jahren einm al w ieder von O rganisatio nen wie der “ G esellschaft für K ultur, S itten und S prache” (Düsseldorf) gefordert wird. Die folgenden Beiträge sollen dazu dienen, ein deutlicheres Bild von drei Institutionen in der B undesrepublik zu verm itteln, die schon seit längerer Zeit zur K ultur, zur K ultivierung des D eutschen beitragen: — die D uden-R edaktion des Bibliographischen In stituts (M annheim) — die D eutsche Akadem ie für Sprache und D ichtung (D arm stadt) — die Gesellschaft für deutsche Sprache (Wiesbaden). Sollten diese K urzreferate von G ünther D rosdowski, Hans-Martin Gauger und O tto Nüssler den E indruck einer sinnvollen A rbeitsteilung verm it teln, die auch erkenntnisfördernden W ettbew erb in einzelnen Ü berschnei dungsbereichen nicht ausschließt, so wäre dies auf jeden Fall ein Gewinn. Im In stitut für deutsche Sprache haben die Beiträge der drei Kollegen zusammen m it den anderen R eferaten der Tagung die Diskussion über die A nw endungsorientierung der eigenen Forschungsarbeiten belebt. Die ohnehin naheliegende Einsicht, daß auch die V erm ittlung von Er gebnissen sprachw issenschaftlicher Forschung sprachliches H andeln ist, dessen Folgen über die unm ittelbaren A dressaten innerhalb der engeren F achöffentlichkeit hinaus zu bedenken sind, h at sich dabei verstärkt. Diese Diskussion dauert an. 84 GÜNTHER DROSDOWSKI Die Dudenredaktion “ Das ‘Bibliographische In stitu t’ in M annheim ist ein als Aktiengesellschaft organisierter Verlag, der u.a. den Großen Duden und verschiedene Publika tionsreihen herausgibt. Der A rbeitsbereich der D udenredaktion um faßt so wohl D atensam m lung und Beschreibung als auch Bewertung und sprachlenkende Handlungsanweisung. Die wesentliche M aßnahme zur Durchset zung der Sprachlenkung ist im Falle der Duden-Bände der A kt ihrer Veröf fentlichung. Die Regelungen wirken dank der faktischen M onopolstellung des Dudens und seiner Om nipräsenz im Ausbildungsbereich, in den Massen medien, im Druck- und Verlagswesen und bei allen schreibenden Berufen für die öffentliche und öffentlichkeitsnahe Sprache norm ativ, obwohl sie m eist als Em pfehlung form uliert w ird.” Dieses m it wenigen Strichen gezeichnete Bild der D udenredaktion ver danken Sie W alther D ieckm ann. Sie finden es in seinem Beitrag “ Sprachlenkung/S prachkritik” , der im “ L exikon der germ anistischen Linguistik” (2. Aufl. Tübingen 1980, S. 512) nachzulesen ist. Ich w erde diesem Bild der D udenredaktion “von außen” ein Bild der D udenredaktion “von in n en ” n icht entgegenstellen, sondern ergänzend zur Seite stellen, und auch ich werde mich dabei auf einige heraushebende Striche beschränken: Die D udenredaktion ist die germ anistisch-sprachwissenschaftliche A btei lung im Verlag Bibliographisches In stitu t in M annheim . Das Bibliographi sche In stitu t ist ein Privatverlag — ich betone das noch einm al m it N ach druck, weil im In- und A usland die A nsicht w eit verbreitet ist, daß der Verlag, in dem der D uden m it der am tlichen R echtschreibung erscheint, ein Staatsverlag oder aber ein staatlich subventionierter Verlag sei. Das ist keineswegs der Fall. Der S taat h at 1901 am tliche Regeln für die R echtschreibung erlassen — es war übrigens das erste und einzige Mal, daß offiziell in die deutsche Sprache eingegriffen w orden ist —, der S taat h at aber keine Stelle geschaffen, die die Schreibweise der W örter nach den am tlichen Regeln festlegt. Im Prinzip h at also jeder die Möglichkeit, eine R echtschreibung der deutschen Sprache zu verfassen, und der Du den ist auch keineswegs das einzige orthographische W örterbuch, es gibt eine stattliche Reihe davon. Die V erbindung zwischen dem von Joseph Meyer 1826 gegründeten “ Bibliographischen In s titu t” und D uden rührt daher, daß Konrad D uden 1880 — dam als königlicher G ym nasialdirektor in Bad Hersfeld — im Bibliographischen In stitu t in Leipzig sein “Vollständiges orthographi sches W örterbuch” herausbrachte, das Buch, das — wie Sie wissen — auf 85 der Grundlage der preußischen Schulorthographie die Einheitsschrei bung im deutschen Sprachraum herbeiführte. Für die N eubearbeitung dieses “ O rthographischen W örterbuchs” nach den Beschlüssen der staat lichen R echtschreibkonferenz von 1901 setzte das Bibliographische In stitu t zur U nterstützung K onrad Dudens im eigenen Haus R edakteure ein und schuf dam it die Keimzelle der D udenredaktion. Der eigentliche A ufbau der D udenredaktion begann u n te r der externen Leitung von O tto Basler in den 30er Jahren im Zusam m enhang m it dem Bestreben des Verlages, w eitere Nachschlagewerke über die deutsche G egenwartssprache herauszubringen. Der Verlag schlug dam it einen Weg ein, den Konrad D uden selbst m it seinen N eubearbeitungen der “ G rund züge der neuhochdeutschen G ram m atik” von Bauer und der “ E tym olo gie der neuhochdeutschen Sprache” von Bauer-Form m ann bereits vor gezeichnet hatte. O tto Basler schuf die G rundlage für die w issenschaft liche A rbeit der D udenredaktion. Er ließ system atisch Belege aus dem S chrifttum der G egenwartssprache sammeln und sorgte für den Aufbau einer sprachwissenschaftlichen Bibliothek. A ußerdem stellte er den K on ta k t zur Sprachgem einschaft her, indem er eine Sprachberatungsstelle einrichtete. Der N euaufbau der D udenredaktion nach 1945 in M annheim fand u nter der Leitung von Paul G rebe statt. Er organisierte vor allem die Zusam m enarbeit m it der germ anistischen Forschung und baute die D udenredaktion zu einer germ anistisch-sprachwissenschaftlichen A r beitsstelle aus. In der D udenredaktion arbeiten im allgemeinen fünfzehn bis zwanzig w issenschaftliche M itarbeiter. Zu diesen festangestellten M itarbeitern kom m en als freie M itarbeiter acht bis zehn E xzerptoren. Sie bauen nach den Anweisungen der D udenredaktion die S prachkartei auf, indem sie T extausschnitte auf K arteikarten übertragen. In Österreich und in der Schweiz gibt es Dudenausschüsse, die die besonderen Ausprägungen der deutschen Standardsprache, vor allem den spezifischen W ortschatz, in diesen Gebieten erfassen. Die Ergebnisse ihrer A rbeit leiten die Ausschüs se der D udenredaktion zu, die sie in die G ram m atik und in die verschie denen W örterbücher einarbeitet. Die D udenredaktion arb eitet außerdem m it einer Reihe von Ausschüssen, A rbeitsstellen und Instituten zusam m en, die sich gleichfalls m it der d eu t schen Gegenwartssprache beschäftigen, z.B. m it dem In stitu t für deutsche Sprache vor allem über die “ Kommission für R echtschreibfragen” und die “ Kommission für Sprachentw icklung” oder m it dem “ Ständigen A usschuß für Geographische N am en” (StAGN), der die Schreibung geo graphischer Namen festlegt und d i e N am enform en erm ittelt, die heute im mündlichen und schriftlichen G ebrauch in der Bundesrepublik ver 86 r w endet w erden sollen. F erner arbeitet die D udenredaktion im Ausschuß “Sprache und T echnik” des Vereins D eutscher Ingenieure (VDI) mit. In diesem Ausschuß w erden für den Ingenieur und T echniker Richtlinien für den Umgang m it der Sprache erarbeitet. So ist es z.B. wichtig, den Ingenieuren und T echnikern die W ortbildungsm öglichkeiten unserer Spra che aufzuzeigen, dam it sie Arbeitsvorgänge, G eräte und Produkte benen nen können. Auch im DIN, dem D eutschen In stitu t für Norm ung, ist die D udenredaktion vertreten und arbeitet in m ehreren Ausschüssen an der N orm ung m it. Eine Reihe wichtiger N orm blätter ist u n te r M itwirkung der D udenredaktion erstellt w orden, z.B. die Regeln für M aschinenschrei ben, die Regeln für das alphabetische O rdnen, das N orm blatt über Begrif fe und Benennungen und die G rundsätze für die A usarbeitung von Fach w örterbüchern. Die D udenredaktion h at die Aufgabe, Nachschlagewerke über die d eu t sche Sprache zu erarbeiten und die bereits erarbeiteten ständig auf dem neuesten Stand zu halten. Um diese Aufgabe zu erfüllen, führt sie U nter suchungen zu den historischen und strukturellen Gesetzm äßigkeiten der deutschen Sprache — als V orlaufsforschung zu einzelnen Projekten und generell — durch und beschäftigt sich grundsätzlich m it Fragen der K odi fikation der deutschen Sprache. Für ihre A rbeit hat sich die D udenredaktion zwei Grundlagen geschaffen: Die eine ist die Sprachkartei m it m ehr als drei Millionen Belegen aus dem S chrifttum der Gegenwart. Diese Sprachkartei ist so angelegt, daß sie eine D okum entation der deutschen Gegenwartssprache in ihrer ganzen Vielschichtigkeit erm öglicht. An Hand der Belege kann die D udenredak tion den W ortschatz system atisch erfassen und darstellen, darüber hinaus den Bewegungen im W ortschatz nachgehen und sich ein Bild von der Pro du k tiv ität der deutschen Sprache und vom Einfluß anderer Sprachen auf das D eutsche m achen. Sie kann m it Hilfe der Sprachkartei außerdem U ntersuchungen zum Sprachgebrauch und zu V eränderungen im gram matischen Bau durchführen und kodifizierte N orm en überprüfen. Die zw eite G rundlage für die A rbeit der D udenredaktion ist das M aterial der Sprachberatungsstelle. Die Sprachberatungsstelle erhält jährlich etwa achttausend bis zehntausend Anfragen, die von einfachen Fragen zur Schreibung und A ussprache über gram m atische und sem antische Fragen bis zu kom plizierten linguistischen Fragestellungen reichen: Ein Betrieb, der einen M itarbeiter ehren will, fragt z.B. an, ob es “für 25 Jahre treue M itarbeit” (appositionelles V erhältnis) oder “ für 25 Jahre treuer M itar b e it” (Genitivus partitivus) heißen muß. Ein Schüler, der in seinem A uf satz geschrieben h at “Mein Fahrrad w ar k a p u tt” , beschw ert sich über seinen Lehrer, der ihm ka p u tt als gossensprachlich angestrichen hat. 87 Rechtsanw älte m öchten für die V erteidigung ihrer M andanten wissen, ob Bulle ein abw ertender oder verächtlicher A usdruck für Polizist sei. Alle Anfragen bei der Sprachberatungsstelle der D udenredaktion wer den aber nicht nur im Rahm en der praktischen Sprachpflege beantw or tet, sondern auch gesam m elt, nach verschiedenen G esichtspunkten ver schlüsselt und für die A rbeit der D udenredaktion ausgew ertet. Aus den Anfragen gew innt die D udenredaktion auch Aufschlüsse über diejenigen Bereiche der deutschen Gegenwartssprache, die nicht fest gefügt sind und in denen die Sprache im Wandel begriffen ist, und kann d o rt dann gezielt U ntersuchungen ansetzen. Wer den W ortschatz der deutschen Sprache dokum entiert, wer die A uf gabe hat, W örterbücher zu schreiben, der kom m t nicht um hin, sich mit Fragen der N orm zu beschäftigen, der wird — selbst w enn er es nicht will — sprachlenkend tätig. Ich sehe hier einmal bew ußt von den o rth o graphischen Fixierungen, A usspracheangaben und anderen Angaben im W örterbuch ab, die norm ativ gedacht sind oder jedenfalls norm ierend wirken. Schon allein die Erfassung des W ortschatzes, speziell die B ehand lung der Neologismen, ist eine Frage der Norm , w enn auch bei uns nicht eine so hochdram atische wie beim “ D ictionnaire de l’A cadem ie” in Frankreich. Soll eine im politischen Tagesgeschehen gebildete Zusam mensetzung wie Verweigerungskoalition registriert w erden, sollen Bil dungen der W erbesprache wie kentersicher (von B ooten) oder k n itte r arm (von Textilien) aufgenom m en werden? Was ist gar m it den leicht verderblichen W örtern der Jugendsprache, sollen auch V erstärkungsbil dungen wie affengeil oder saustark und K om m entarw örter wie ätz, heul, würg in das W örterbuch Eingang finden? Die D udenredaktion u rteilt in dieser Hinsicht w eitaus differenzierter als die naiven Sprachpfleger, die m eist unter dem Banner “ K am pf dem Wör terbäckerdeutsch” gegen alles, was in der Sprache neu ist, zu Felde zie hen, Bildungen wie etw a Ellbogengesellschaft, fam ilienfeindlich, b ezu schussen, verunklaren nach individuellem G eschmack als unschön oder gedankenlos anprangern oder aber gegen die A ufnahm e von unverzicht bar in den D uden S turm laufen, obw ohl diese Bildung schon im 19. Jah r hu ndert im Gebrauch war, als A djektive m it -bar in passivisch-modaler Bedeutung auch noch zu intransitiven V erben gebildet w erden konnten. Auch aus der F lu t der Entlehnungen kann derjenige, der den W ortschatz der Gegenwartssprache kodifiziert, heute nur noch sprachkritisch aus wählen — das wird jedem einsichtig, der deutsche Zeitungen und Zeit schriften liest und d o rt täglich auf neue E ntlehnungen wie canceln, flo a ten, powern, big, free, cheek to cheek, M obster stößt. Wenn auch die 88 Klage über die Ü berfrem dung der deutschen Sprache n ich t uneingeschränkt berechtigt ist, da zahlreiche F rem dw örter zu bestim m ten F achsprachen gehören, also eigentlich Fachausdrücke sind, kann es doch keinen Zweifel daran geben, daß die Verständigung durch den gewaltigen E inbruch von F rem dw örtern angloam erikanischer H erkunft erheblich g estö rt wird. G em äß ihrem A uftrag, Nachschlagewerke über die deutsche Sprache zu schreiben, hat die D udenredaktion natürlich die A ufgabe, auch das F rem d w ortgut m öglichst vollständig zu erfassen und den B enutzern zugänglich zu m achen — zum al gerade bei F rem dw örtern das Fragebedürfnis (Schrei bung, Aussprache, Bedeutung) besonders groß ist. Indem sich die D uden redaktion für die A ufnahm e eines Wortes in den D uden entscheidet, fällt sie den R ichterspruch, daß diesem W ort ein fester Platz in d er deutschen Sprache zukom m t. O hne es zu wollen, trägt sie dazu bei, daß ein W ort, das sich vielleicht nur langsam oder überhaupt nicht durchgesetzt h ätte, in den allgem einen Sprachgebrauch übergeht. Die D udenredaktion ver sucht zwar nicht nur ihrer V erantw ortung gegenüber dem Benutzer, sondern auch gegenüber d er Sprache gerecht zu w erden, indem sie viele englische W örter, m it denen sich vor allem Journalisten, M oderatoren, Politiker zu profilieren oder herauszuputzen versuchen, nicht registriert — sie bew irkt dam it aber m. E. viel zu wenig. Die ungeheure F lu t von Anglizismen u nd A m erikanism en stellt heute ohne Frage ein Problem für unsere Sprache dar, ein Problem, das man bestim m t nicht m it dem Hinweis beiseite schieben kann, daß dann das D eutsche eben wie im M ittelalter das Englische eine Mischsprache w ird und dann auch Chancen hat, eine W eltsprache zu werden! Vor allem im Bereich der inneren E ntlehnung haben die N achahm ungen und Ü bernah men ein A usm aß erreicht, daß die K om m unikation erheblich b eein träch tigt wird (vitale Interessen sta tt lebensw ichtige Interessen -, das m acht keinen Sinn sta tt das gibt/ergibt keinen Sinn; in 1945 sta tt int Jahre 1 9 4 5 oder nur 1945). Ich bedauere sehr, daß eine Sprachgesellschaft wie die G esellschaft für deutsche Sprache nichts in dieser H insicht u n ternim m t und sich aus A ngst, der D eutschtüm elei geziehen zu werden, bedeckt hält. Was für die Lexikographie gilt, das trifft selbstverständlich auch für die G ram m atikschreibung zu. Jede G ram m atik, selbst w enn sie V arianten nicht ausschließt und auf die Klärung von N orm unsicherheiten verzich tet, hat auch norm ierende Wirkung, weil jede G ram m atikdarstellung auswählen, vereinfachen, abstrahieren m uß, weil n ich t alle implizit gel tenden Regeln, die die G ram m atik explizit zu m achen hat, in vollem Umfang gelten und überall und im m er im deutschen Sprachgebiet b efo lg t 89 werden. Dem U m stand, daß unsere Sprache kein in sich geschlossenes System ist, sondern nur ein system ähnliches Gebilde m it geschichtlichen, landschaftlichen und sozialen V arianten, versucht die D udenredaktion durch eine differenzierte, der unterschiedlichen S ystem atizität entspre chende D arstellung und eine offene N orm gerecht zu w erden. Sie be schreibt prim är, sie führt die Breite des Üblichen vor, verschweigt nicht konkurrierende W ortform en und Verwendungsweisen, sondern erläutert sie, und sie achtet darauf, daß Sprachgebrauch und kodifizierte Norm nicht auseinanderklaffen. Die D udenredaktion bleibt aber nicht bei der D eskription stehen, sondern klärt auch N orm unsicherheiten — allerdings erst nach einer genauen Analyse der strukturellen und historischen Ge setzm äßigkeiten. Sie erfüllt hier die Aufgabe einer w eiterentw ickelten “kritischen Sprachw issenschaft” , der sich die Sprachw issenschaftler seit dem Beginn unseres Jah rhunderts im m er m ehr entzogen haben — ich meine zu U nrecht und halte es für dringend notw endig, daß die th eo re tischen Grundlagen und Aufgaben einer von autoritären und apodikti schen Schlacken gereinigten “ kritischen Sprachw issenschaft” in unserer Zeit neu bedacht w erden. D am it wir uns n icht m ißverstehen: Auch ich träum e wie die meisten Linguisten von einer Sprache, in der es — in den W orten Nietzsches — keine R ichter gibt, die urteilen und verurteilen, sondern in der der schöp ferische Mensch bestim m t. Ich weiß aber auch, daß das ein W unschtraum ist, der sich n icht verw irklichen läßt, und daß der Weg zur sprachlichen Mündigkeit, zum souveränen Umgang m it Sprache und zur schöpferi schen Sprachhaltung über die Erlernung und K enntnis der N orm en geht. Werfen wir, um uns ein Bild dazu zu m achen, was die D udenredaktion für die S prachkultur leistet, noch einm al einen Blick zurück: Das “ O rth o graphische W örterbuch” K onrad Dudens, das vor fast genau 100 Jahren in Leipzig erschien, stand noch ganz im Zeichen des Ringens um eine einheitliche deutsche Rechtschreibung. Seine einfachen, kahlen W ort listen dienten ausschließlich dem Zweck, die Schreibung der W örter festzulegen und einen übereinstim m enden Schreibgebrauch herbeizufüh ren. Es sollte, so kennzeichnete Konrad D uden seine Aufgabe, “ R icht schnur für die am tlich geregelte Rechtschreibung sein” . Aus diesem rein orthographischen W örterbuch, das auf 187 Seiten die Schreibweise von 27 000 W örtern fixierte, entw ickelte sich im Laufe der Jahrzehnte das V olksw örterbuch der deutschen Sprache, und im Abglanz der norm ierten Rechtschreibung bekam en auch alle anderen Festlegungen in diesem W örterbuch und dann auch in anderen D uden bänden autoritative G eltung — der D uden w urde zur obersten Sprachinstanz. Wollte m an wissen, ob m an Fron m it oder ohne h schreibt, ob es 90 g ew in k t oder gew unken heißt, ob wegen den Genitiv oder Dativ regiert — D uden locutus est, causa finita est, der D uden sprach, und die Sache war erledigt! Die D udenredaktion sichert m it dem D uden also n icht nur die E inheit lichkeit der R echtschreibung, sie trägt m it ihrer A rbeit auch ganz en t scheidend dazu bei, die Standardsprache zu stabilisieren, die Z entrifu galkräfte in der Sprache zu brem sen und die K on tin u ität der Sprache zu sichern — dies um so m ehr, als Sprachakadem ien und Sprachgesell schaften in unserer Zeit an B edeutung verloren haben. Die D udenredak tio n greift regulierend in das Sprachgeschehen ein, setzt sprachliche N orm en und setzt sie m it W örterbüchern und G ram m atiken durch. Die Legitim ation dazu leitet sie aus dem allgemein anerkannten G rundsatz ab, daß unsere G esellschaft eine Sprache braucht, die über regionale, soziale, berufliche und andere Schranken hinweg verständlich ist, die in der Schule gelehrt und erlernt w erden kann und die Politik, K ultur und W issenschaft verläßlich verm ittelt. Der D uden w ird h eu te allgemein als oberste Instanz in sprachlichen Dingen akzeptiert. Das schließt natürlich nicht aus, daß an der A rbeit der D udenredaktion auch K ritik geübt wird. Allerdings ist das Lager der K ritiker gespalten: Die einen werfen der D udenredaktion vor, zu un nachgiebig zu sein, den lebendigen F luß der deutschen Sprache bürokra tisch einzuengen und zu viele N orm en zu setzen — ich erinnere hier nur an die bitterbösen W orte H erm ann Hesses, der den D uden einen “ Popanz und G o tt der eisernen Regeln und m öglichst vollkom m enen N orm ierung” n an n te (nach R. K öster, D ik tatu r des Dudens? In: Sprachpflege 3, 1954, S. 25). Die anderen w erfen dem D uden dagegen vor, daß er nicht streng genug an den alten Regeln festhalte und o ft sogar “ zwei M öglichkeiten zulasse” , daß er zu nachgiebig und tolerant sei und vor der Sprachent w icklung kapituliere. Ich zitiere die “ F rankfurter Allgemeine Zeitung” (9 .7 .1 966): “ Die Neigung sich anzupassen, h at in der D udenredaktion zugenom m en. Der D uden stellt sich nicht mehr. Er bietet den Unarten der Umgangssprache nicht m ehr kühl die Stirn, er ist nicht m ehr Reib fläche, sondern Sam m elplatz und Tum m elplatz für die losgelassenen W örter, die sich in schlechter Gesellschaft herum getrieben haben und nun, verform t, verunstaltet, Einlaß begehren, der ihnen genehm igt wird. Der D uden ist geduldig gew orden, lieb. Ein guter O nkel m it Pilzkopf frisur, eine reizende T ante im K leidchen von Courreges ...” . Und noch eine Stim m e m öchte ich Ihnen zu G ehör bringen, es ist die Stim m e Wolf Schneiders. Ich zitiere aus seinem Buch “ D eutsch für Profis” (Ham burg 1982, S. 12): “ N ichts kann unser Sprachgefühl so beleidigen, als daß der D uden es n icht getreulich und kom m entarlos wiedergäbe. 91 Während beim Skispringen im m er noch K am pfrichter über die korrekte Haltung wachen (und durchaus n icht im m er den zum Sieger erklären, der am w eitesten gesprungen ist), h at die D udenredaktion ohne N ot ihr R ichteram t gegen eine Registratur vertauscht.” Nun, wer die A rbeit der D udenredaktion kennt, der weiß, daß diese sich gegenseitig aufhebenden K ritiken — wenn man n icht Einzelfälle im Auge hat — nicht zutreffend sind. Die D udenredaktion hin k t nicht h in ter der Sprachentw icklung her und konserviert nicht überholte N orm en, sie eilt aber auch nicht der Sprachentw icklung voraus; sie bem üht sich, verant w ortungsbew ußt und m it dem rechten A ugenm aß der Gesellschaft und der Sprache gerecht zu w erden. Sprache ist, wie Alan G ardiner es einmal ausgedrückt h at (The T heory o f Speech and Language, O xford ^1963, S. 62), eine A rt Wissenschaft, die jeder Mensch unbew ußt ausübt. Die A ufgabe der Sprachw issenschaft b esteh t darin, das, was jeder Sprecher u n b e w u ß t ausübt, bew ußt zu machen. Die D udenredaktion erfüllt diese A ufgabe in W örterbuch und G ram m atik. Ihr w ichtigster Beitrag zur S prachkultur ist es, vernünf tige W örterbücher und G ram m atiken zu schreiben und Wissen über Spra che in allgem einverständlicher Form zu verm itteln. 92 HANS-MARTIN GAUGER Bericht über eine Akademie Diejenigen, die etwas gegen sie haben, nennen sie die “ D arm städter A kadem ie” . Sie selbst aber nen n t sich “ D eutsche A kadem ie” ; “ Deutsche Akadem ie für Sprache und D ichtung” . Daß D arm stadt ihr Sitz ist, ist in der T at historische K ontingenz. Die D eutsche Akadem ie wird in diesem Jahr 35 Jahre alt. Ihr A lter ist also — dies wird kaum überra schen — erheblich geringer als das durchschnittliche A lter ihrer Mitglie der. Gegründet w urde die “ D eutsche A kadem ie” — und hierin, natürlich, lag keine K ontingenz — am zw eihundertsten G eburtstag G oethes: die Proklam ation erfolgte am 28. A ugust 1949, und sie erfolgte in der Pauls kirche ... Zum Vergleich: das V orbild aller Sprachakadem ien, die be rühm te F lorentiner “A ccadem ia della Crusca” , w urde 1582 gegründet. Die noch berühm tere “Académ ie française” gründete 1635, m it Hilfe einiger Intellektueller, der K ardinal Richelieu, der bekanntlich sehr wesentlich Politiker w ar und m it dieser Gründung denn auch — sehr wesentlich — politische Ziele verband. Es gehe darum , heißt es in den S tatu ten dieser A kadem ie, der Sprache “feste Regeln zu geben” , “ donner des règles certaines à n o tre langue et à la rendre pure, éloquente et capable de traiter les arts et les sciences” . N och prägnanter lau tet das M otto der “ Real A cadem ia E spañola” aus dem 18. Jah rh u n d ert: “ sie reinigt, sie setzt fest, und sie gibt G lanz” , “ lim pia, fija y da esplendor” . Um es von vornherein klarzustellen: m it diesen A kadem ien will sich die “ D eutsche A kadem ie” n icht nur nicht messen, sondern nicht einmal vergleichen. Freilich findet sich auch in ihrer Satzung der Passus: “ Die Akadem ie setzt sich zum Ziel, das deutsche S chrifttum vor dem In- und Ausland zu vertreten und au f die pflegliche Behandlung der deutschen Sprache in K unst und W issenschaft, im öffentlichen und privaten Ge brauch hinzuw irken” . Der im vergangenen Jahr nach w ahrhaft erfülltem Leben verstorbene G erhard S torz hat die Gründung der “ D eutschen A kadem ie” und ihre ersten Jahre in seinem “ L ebensbericht” anschaulich geschildert (Zwischen A m t und Neigung, S tu ttg art 1976). Der eigentliche G ründer war, wie Storz ausführt, der “ebenso rührige wie schweigsame Alleingänger” Oskar Jancke. Jancke war Schriftsteller und Sprachkritiker. Wäre es nach ihm gegangen, berichtet Storz, w äre “ Sprachpflege” die wichtigste und ausschließliche A ufgabe der “ A kadem ie” gew orden. Die allerersten Sitzungen der “ A kadem ie” scheinen lebhaft, ja laut gewesen zu sein; 93 G erhard Storz: “ der verm ehrte Tonaufw and ... zog ganz von selbst, wie dies zu gehen pflegt, eine gewisse, allseitige G ereiztheit nach sich. Dem tatkräftigen Initiator Jancke fehlte es an D urchschlagskraft der Stim m e, aber er sprach n icht nu r zu leise, sondern auch m it einer gewissen eigen brötlerischen V ersto ck th eit” (S. 107). Die “A kadem ie” b rauchte einige Zeit, bis sie, unter den Präsidenten R udolf Pechei, Bruno Snell, dann vor allem unter H erm ann Kasack (ab 1953), zu sich selbst gelangte, oder bescheidener und also richtiger: zu dem , was sie heute ist. Was ist die “ D eutsche A kadem ie” ? Zunächst: sie ist keine staatliche Einrichtung. G leichw ohl wird sie, neben privaten, aus öffentlichen M itteln unterhalten. Sie zählt je tz t rund hundertfünfzig M itglieder, w enn die korrespondierenden M itglieder, also die, die im A usland residieren, m it gezählt w erden. Die M itglieder sind Schriftsteller im engeren Sinn, Kri tiker und Professoren. U nter den letzteren dom inieren überwältigend die L iteraturhistoriker. A usgebildete, exam inierte Sprachw issenschaftler sind unter den Mitgliedern (von m ir selbst abgesehen) nur drei: G ünther Drosdowski, Gustav Korlen und Harald Weinrich. So ist es n ich t ver w underlich, daß in der “ A kadem ie” insgesamt das Interesse m ehr auf die L iteratur gerichtet ist als auf die Sprache. D aß ferner die Mitglieder, vorsichtig ausgedrückt, n icht alle sehr jung sind, liegt in der N atur einer solchen Einrichtung, auch in der N atur der N atur (im m erhin hat es seine Reize, einer E inrichtung anzugehören, in der m an m it knapp fünfzig noch im m er — beinahe — der Jüngste ist). Was tu t die “A kadem ie” ? Sehen wir einmal davon ab, daß sie — nach einem übrigens ziemlich kom pli zierten V erfahren — neue M itglieder k o o p tiert, was ja bereits eine A rbeit ist, so sind es fünf Aufgaben, die sie sich stellt. Erstens. Sie veranstaltet jährlich zwei öffentliche Tagungen — eine im H erbst, eine im Frühjahr — über literarische und sprachliche Them en m it R eferenten entw eder aus ihrer M itte oder von außerhalb. Die Ta gungen im H erbst finden im m er in D arm stadt, die im Frühjahr an w echseln den O rten sta tt. Zw eitens. Sie verleiht Preise: den Georg-Büchner-Preis, den Johann-Heinrich-M erck-Preis für literarische K ritik und Essay, den Johann-Heinrich-Voss-Preis für Ü bersetzung, den Friedrich-Gundolf-Preis für G erm anistik im A usland, den Sigmund-Freud-Preis für w issenschaftliche Prosa. D rittens. Sie publiziert unentdeckte, nicht ausreichend b ekannte oder vergessene S chriften; neuerdings bringt sie zudem eine ganze Schrif tenreihe zur Förderung zeitgenössischer L iteratur heraus. Viertens. Sie stellt, seit 1964, regelmäßig Preisfragen, die sich auf Sprache oder L ite ratu r beziehen. Es begann m it der Frage “ Kann die Sprache die Ge danken verbergen?” , die Harald Weinrich m it seiner längst klassischen Linguistik der Lüge” beantw ortete; die letzte Preisfrage “ Spricht die 94 Jugend eine andere Sprache?” haben Uwe Pörksen und Heinz Weber erfolg reich b eantw ortet. Die neueste (noch n icht beantw ortete) lau tet: “ Soll m an D ichtung auswendig lernen?” Fünftens: Sie führt Projekte durch. Hier ist zu nennen das — unm ittelbar den Gegenstand unserer Tagung b etreffen de — sogenannte “ S prachnorm enprojekt” , das un ter der L eitung einer von Harald Weinrich geführten Kommission Schriftsteller, Journalisten und Sprachw issenschaftler zu m ehreren Tagungen zusam m enbrachte und schließ lich zu einer dreibändigen P ublikation bei K lett-C otta geführt hat. Der T itel der von 1980 bis 1982 erschienenen Bände lautet: “ Der öffentliche Sprachgebrauch” . Sie behandeln die Sprachnorm -Diskussion in Presse, F unk und Fernsehen, dann die Sprache des Rechts und der Verwaltung, schließlich die Rolle der Sprachnorm in der Schule. Das Projekt “ Sprach liche N orm en in D eutschland” w urde durch den Stiftungsfonds “ D eutsche Bank” finanziert; Birgitta Mogge und Ingulf R adtke bildeten eine zusätzliche A rbeitsstelle am Sitz der “ A kadem ie” . Der zuständigen Kommission gehörten die H erren Betz, D rosdowski, H eckm ann, K oriin, Sternberger, Storz und W einrich an. Ich kann an dieser Stelle zu dieser Publikation, die m ir — gerade in ihrer V ielfalt, auch in ihrer U neinheit lichkeit — verdienstvoll zu sein scheint, nichts w eiter sagen; es wäre in der hier geforderten Kürze nicht möglich. Ich will nur ganz allgemein be to n en , daß im Blick auf dieses Projekt die “ D eutsche A kadem ie” ihre M öglichkeiten, wie m ir scheint, n icht überschätzt, sondern realistisch eingeschätzt hat. Sie hat auch, um es m it Harald Weinrich zu sagen, keinen “starren und schulm eisterlichen Sprachbegriff zugrundegelegt” . “ Wenn ... überhaupt” , fäh rt Weinrich fo rt, “Vorschläge für einen besse ren Sprachgebrauch sinnvoll sind, dann wird m an sicher an ausgezeich neter Stelle des Vorschlagskatalogs eine T oleranz-Em pfehlung form ulieren m üssen...” Ich denke, diese drei Bände sind ein bem erkensw erter und gewiß noch nicht ausreichend rezipierter Beitrag der “ D eutschen A ka dem ie” zur S prachkultur unseres Landes. Im übrigen wird es noch eine interessante Nachlese geben, von welcher ein Teil bereits vorliegt: ich meine die postum erschienene A rbeit von G erhard S torz “ D eutsch als Aufgabe und Vergnügen” (S tu ttg art 1984). G ünther Drosdowski wird so etwas wie einen “ K atechism us” des.Sprachgebrauchs herausbringen, und Harald Weinrich d en k t an “ M aximen und R eflexionen” über den selben Gegenstand. Die Sprachkom m ission der “A kadem ie” b erät zur Zeit darüber, ob sie ein neues Projekt in A ngriff nehm en soll. Sie dachte hier zunächst an das Them a “Jugendsprache” . Es erschien ihr aber dann als sinnvoller, erst einmal das Ergebnis des von H elm ut H enne geleiteten analogen Projekts der “ D eutschen Forschungsgem einschaft” abzuw arten. Dann 95 w urde an das T hem a “W issenschaftssprache” gedacht, vor allem un ter dem G esichtspunkt der Bedrohung dieser Sprache durch das Englische, sei es dadurch, daß d irekt Englisch geschrieben und gesprochen w ird, sei es dadurch, daß sich das w issenschaftliche Sprechen und Schreiben innerhalb des D eutschen selbst dem Englischen angleicht. Es w urde auch überlegt, ob nicht, in breiterem Umfang, die T endenzen des gegenwär tigen D eutschen überhaupt zum Gegenstand system atischer Beobachtung und Überlegung gem acht w erden könnten, in dem Sinne, daß der V er such unternom m en w ird, rationale K riterien für ihre Beurteilung zu ge w innen. Letztlich stehen w ir hier vor der praktischen Schwierigkeit, daß diejenigen in der “A kadem ie” , die sich ausreichend interessieren für solche Fragen, nicht so viel freie A rbeitskraft einzubringen vermögen, wie dies notw endig wäre. Die “A kadem ie” hat eine Reihe von Kom m issionen; daru n ter eine Sprachkom m ission. Ihr gehören zur Zeit Jurek Becker, Günther Drosdowski, Hans-Martin Gauger, H erbert H eckm ann, H elm ut Heissenbüttel, Gustav Korlen, D olf Sternberger und Harald Weinrich an. Als derzeitiger V orsitzender dieser Kommission geht es m ir darum , daß die “A kadem ie” auf dem G ebiet der S prachkultur etw as Spezifisches m acht, etwas, das andere nicht oder doch s o n i c h t m achen können. So dann geht es mir darum , die M itglieder der “A kadem ie” insgesamt oder zum indest in größerem Umfang einzubeziehen in den bescheidenen Beitrag zur S prachkultur, zur S prachkritik, den die “ A kadem ie” zu leisten vermag. Ich denke da an eine Umfrage un ter den Mitgliedern über das Them a “Was mich am gegenwärtigen D eutschen s tö rt” . Es wäre also eine K ritik an bestim m ten A spekten des Sprachgebrauchs, insofern dieser sich verfestigt hat oder beginnt, sich zu verfestigen. Jeder Sprachem pfindliche, jeder, der über das auf die bloße K orrektheit bezogene Sprachgefühl hinaus auch über Sprachsinn verfügt, hat ja ge wisse Reizbarkeiten im Blick auf bestim m te W örter, bestim m te W endun gen oder auch bestim m te K onstruktionen. Sprachkritik kann sich auf die Sprache als Sprachbesitz oder auf Sprach äußerungen richten. Es ist also auch hier zu trennen zwischen den beiden fundam entalen Erscheinungsweisen des Sprachlichen: Sprache als der historisch gew ordene Besitz einer Sprachgem einschaft einerseits, Sprache als der G ebrauch, der von diesem Besitz in einer bestim m ten Situation gem acht wird andererseits; also: Sprachbesitz und Sprachäußerung. Sprachäußerungen können in verschiedener H insicht kritisiert werden: inhaltlich, form al, dann speziell sprachlich. Also etwa: was du sagst, stim m t nicht; mir gefällt die Ironie nicht in dem , was du sagst; du ge brauchst zu viele Frem dw örter. Bei der Sprachkritik kann es per 96 definitionem nur um den letzteren G esichtspunkt gehen. Da gibt es nun w ieder verschiedene K riterien: R ichtigkeit, R einheit, Schönheit, Eigen prägung (Stil), A ngem essenheit und Moral. Ich will nur zum letzteren K riterium , dem der M oral, etwas anm erken. Es ist im übrigen von den anderen deutlich abgesetzt, zum indest insofern, als es weniger form al, stärker zum Inhaltlichen der Ä ußerung tendiert. Das Moralische (oder Unmoralische) einer Sprachäußerung h at natürlich in erster Linie m it ihrer W ahrheit, ihrer W ahrhaftigkeit, ihrer G laub w ürdigkeit zu schaffen. Hier mag man sich zum Beispiel fragen, ob es nicht so etwas gibt wie “ unw ahre W örter” . N ota bene: ich spreche n ich t von “ lügenden W örtern” , denn zur Lüge gehört, jedenfalls im engeren Sinn, die bew ußte A bsicht des R edenden, das Falsche zu sagen. So hält es bereits die D efinition des Augustin fest, die Harald Weinrich in seiner zuvor genannten “ Linguistik der Lüge" (1964) zitiert: “ Die Lüge ist eine m it dem Willen, das Falsche zu sagen, verbundene Aussage” “ m endacium est enuntiatio cum volúntate falsum en u n tian d i” (De m endacio, cap. IV, bei W einrich, S. 13). Zur Lüge gehört also A bsicht. N un hat aber die Sprache als solche, als Sprachbesitz, keinerlei A bsicht: die Sprache als solche spricht auch nicht (hier irrt Heidegger): zur A b sicht, auch zum Sprechen, das ja im m er A bsicht hat, gehört unverm eid lich ein Subjekt, gerade ein solches ist oder hat nun aber die Sprache — als Sprache, als Sprachbesitz — nicht. Es ist ein in der G eschichte der Sprachreflexion, auch der Sprachw issenschaft, im m er wieder anzutreffen der gravierender Fehler, daß der Sprache ein Subjekt u n terstellt, daß sie zu einer A rt Person hypostasiert w ird. Auch und gerade die D estruktion solch verhängnisvoller H ypostase wäre eine A ufgabe einer durch Sprach w issenschaft beratenen Sprachkritik. Die Sprache redet nicht; sie hat keine A bsicht. Daher kann sie schlechterdings nicht lügen, und auch kein einzelnes E lem ent von ihr kann dies. A ber es gibt unw ahre W örter: W örter, die in sich selbst eine U nw ahrheit enthalten und jeden, der sie gebraucht, unwillkürlich eine U nw ahrheit sagen lassen. N ehmen wir — ich rede hier ein wenig “ for discussion’s sake” — das Wort Nachrüstung, ln seiner brillanten A bhandlung redet Weinrich nicht von einem Typus des Worts, den ich als “ durchsichtiges W ort” bezeichne (H.-M. Gauger, Durchsichtige W örter. Zur Theorie der W ortbildung, Heidelberg 1971). W örter haben die Aufgabe zu nennen; das Sagen gehört erst zum Satz oder dann — und eigentlich — zum T ext. Nun gibt es aber W örter, die in sich selbst, indem sie nennen, schon etwas sagen. Da diese W örter etwas sagen, können sie auch Falsches sagen. Dies sind die durchsichtigen W örter, die man darum auch “ sprechende 97 W örter” nennen darf. Es handelt sich hier natürlich um die A bleitungen und die W ortzusam m ensetzungen. Wenn ich form uliere, daß diese W örter “etwas sagen” , m eine ich, daß sie in einen Satz um gew andelt, durch einen Satz paraphrasiert w erden können, daß sie also im plizit einen Satz en t halten (ich m eine keineswegs, wie die generative W ortbildungslehre, daß sie von einem Satz “hergeleitet” w erden können oder m üßten). Ein solch durchsichtiges W ort ist das W ort Nachrüstung. Der hier im plizierte Satz lautet: Wir rüsten nach, w eil die anderen z u e r s t , v o r uns, gerüstet haben. Oder: wir rüsten nach, weil die anderen v o r g e r ü s t e t haben. Das W ort m eint also (oder scheint zu m einen, denn ein W ort für sich selbst kann ja n icht m einen): die anderen haben angefangen, nun an tw o r ten wir, und dabei bleibt es dann. Das W ort suggeriert also — und eben hierin liegt seine U nw ahrheit —, es bleibe dabei: die andere Seite ist einen S chritt vorausgegangen, nun ziehen wir, da die andere Seite nicht w ieder zurück will, nach. N un aber w ar für alle Wissenden von vorneherein klar — und dies hat sich nach erfolgter Nachrüstung in jeder Hinsicht bestätigt —, daß es dabei gerade n i c h t bleiben würde. Es war klar, daß die andere Seite reagieren würde m it einem w eiteren Schritt. Also ist das, was man Nachrüstung nennt, das genaue Gegenteil dessen, was dies W ort suggeriert. Faktisch handelt es sich um Vorrüstung. Oder: was das Wort Nachrüstung m eint, k ö n n te man genauso gut, ja, m üßte man eigent lich m it Vorrüstung bezeichnen. Wer also das W ort Nachrüstung verwen det, verharm lost: er sagt, ob er dies will oder nicht, die U nw ahrheit. So kann man — auch dies m uß Sprachkritik im m er wieder aufdecken — m it einem bloßen W ort vernebeln: den anderen und, zuvor schon, sich selbst. Hinzu kom m t, daß dieser A usdruck einfach so, ohne Anführungszeichen, gebraucht w urde und w ird. Er w ird n icht so gebraucht, wie er gebraucht w erden müßte, näm lich als ein A usdruck e i n e r Seite im Meinungs spektrum . Faktisch ist dieser A usdruck aber durch und durch parteiisch. N eutral wäre das W ort A ufrüstung. A ber das neutrale W ort w urde nie gebraucht von denjenigen, die N achrüstung propagierten. Nachrüstung ist som it ein verschleierndes W ort. W oher es kom m t, w elchem Motiv es sich verdankt, kann keinem Zweifel unterliegen. Hier gilt der alte G rund satz: “ Derjenige hat es getan, dem es n ü tz t” , “is fecit cui p ro d est” . Übrigens kann man auf Englisch oder Französisch Nachrüstung gar nicht sagen oder allenfalls recht um ständlich. Das gram m atische M ittel des deutschen Verb zusatzes in seiner stupenden Beweglichkeit kom m t hier jener Verschleierung eindrucksvoll entgegen... Dies nur als Beispiel für eine von der Sprachw issenschaft beratene Sprachkritik. Daß Sprachkritik dann freilich etwas a n d e r e s ist als Sprachw issenschaft, sei deutlich gesagt. Die Sprachw issenschaft 98 sagt, was i s t . Ihre Frage lautet: wie i s t x ? Die Sprachkritik stellt diese Frage zwar auch, dann aber — vor allem — die zusätzliche: wie sollte x sein? Und diese Frage im pliziert auch: wie sollte x n i c h t sein? Bei der Sprachw issenschaft also geht es um das Sein, bei der S prachkritik um W ünschbarkeit, und zwa, vernünftigerweise, um r e a l e W ünschbarkeit. Es scheint mir wichtig zu sein, daß die Dinge hier nicht verm ischt w erden. Ein historischer Hinweis zum Schluß. Im Frühjahr 1969 veranstaltete die “ D eutsche A kadem ie” eine Tagung über das Them a “ Sprachforschung, Sprachlehre, S prachkritik” und im Frühjahr 1970 fand eine Tagung sta tt über das Them a “Sprachpflege, S prachkritik” ; dam als sprachen Harald Weinrich, Hugo Steger und G erhard Storz über die Frage: “ Ist Sprach kritik noch erlau b t?” H eute, so scheint mir, ist das R echt au f Sprach kritik, die ein entscheidender Teil dessen ist, was unter “ S prachkultur” sinnvollerweise verstanden w erden m uß, gesichert. V ielleicht war hier die “ D eutsche A kadem ie” so etwas wie eine V orreiterin; sie hinkt hier jedenfalls nicht, wie dies A kadem ien gern geschieht, h in ter d er E n t w icklung her. Noch einmal: die “ D eutsche A kadem ie” vergleicht sich nicht m it der über dreihundert Jah re älteren “ Académie française” , deren Bedeutung für Frankreich im übrigen leicht überschätzt w ird. Die “ Deutsche A ka d em ie” kennt genau die ihr gezogenen ziemlich engen G renzen. I n n e r h a l b dieser G renzen jedoch sucht sie ihren Beitrag zu leisten zur Kul tu r, zur Pflege der “ res publica” , die unsere (wie jede andere) Sprache ist. 99 OTTO NÜSSLER Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) 1 Sprachpflege 1.1 Sprachpflege im Zw ielicht “Die Sauberm änner aus W iesbaden” — wie die S prachberater von der GfdS einmal ironisch genannt w urden — haben lange gebraucht, die schwere H ypothek abzuzahlen, die ihnen der D eutsche Sprachverein m it ideologiebeladenen Begriffen wie “ S prachechtheit” und “ Sprach rein h eit” hinterlassen hatte. Jahrzehntelang stand die Sprachpflege im Geruch der Intoleranz, der U nduldsam keit gegenüber allem Frem den, ja der U nfähigkeit, die Gegenwartssprache als das zu nehm en, was sie ist, nämlich als relativ in takten derzeitigen Z ustand nach langer E n t wicklung — und n icht etw a als kranken Körper, entstellt von den Ge schwüren der Frem dw örter. Aus diesem Zw ielicht ist die Sprachpflege je tz t herausgetreten — zum indest was die A rbeit der GfdS in Wiesbaden angeht. Daß die als betuliche Sprachpflege getarnte Intoleranz andern orts noch fröhlich oder traurig w eiterlebt, gehört n icht hierher, sei aber wenigstens erw ähnt. 1.2 Der A uftrag der GfdS Ich zitiere aus der Satzung in der jüngsten Fassung vom Mai 1978: “Die Gesellschaft für deutsche Sprache ist ein politisch unabhängiger Verein zur Pflege und E rforschung der deutschen Gegenwartssprache. Die Gesell schaft will a) allen helfen, die in sprachlichen Fragen R at brauchen; b) das Verständnis für Wesen, Bedeutung und Leistung der Sprache wecken und fördern; c) die deutsche Sprachgem einschaft anregen, sich m it der Sprache zu be schäftigen und das Sprachgefühl zu vertiefen. Die Gesellschaft w irkt für ihre Ziele a) durch Z usam m enarbeit m it Vereinen, A nstalten, Behörden und anderen Einrichtungen, die Einfluß auf den Gebrauch und die Entw icklung der deutschen Sprache h a b en ; b) durch die Z eitschriften “M uttersprache” und “ Der Sprachdienst” ; der “ Sprachdienst” ist zugleich das M itteilungsblatt der Gesellschaft; c) durch Einzelveröffentlichungen; d) durch Sprachhilfen und -auskünfte; e) durch Vorträge, Lehrgänge und A rbeitsgem einschaften.” 100 Über diesem Programm , das die Ziele sowie die M ittel und Wege be schreibt, steht der Zweck der GfdS: “ Die Gesellschaft für deutsche Sprache ist ein politisch unabhängiger Verein zur Pflege und E rforschung der deutschen Gegenw artssprache.” Wie jeder weiß, verfolgen Satzungen dieser A rt eine doppelte Absicht. Zum einen ist dem V ereinsrecht Genüge zu tu n , dam it niem and im Zwei fel bleibt, wer wann was tu n m uß oder tun darf. Zum anderen steckt die Satzung den R ahm en ab für die A rbeit des Vereins, insbesondere seiner Organe. Der R ahm en m uß zwar nicht um jeden Preis bis zum Rand erfüllt w erden (so veranstaltet die GfdS beispielsweise zur Zeit keine Lehrgänge), aber er darf nicht überschritten w erden; das wäre zum Beispiel schon der Fall, w enn wir ein ganzes H eft einer unserer Zeit schriften füllen w ollten m it den neuesten Ergebnissen der ShakespeareForschung; denn die “ Pflege und Erforschung der deutschen Gegenwarts sprache” ist das erklärte Ziel der GfdS — nichts anderes. A uf die Sprachpflege kom m e ich noch zu sprechen. Hier sei vorab fest gestellt, daß sie n icht erfolgreich, n icht befriedigend, ja nicht einmal glaubwürdig betrieben w erden kann ohne 1.3 die w issenschaftliche Basis Der zweifache Zweck der GfdS, näm lich “ Pflege und Erforschung der deutschen G egenw artssprache” , darf nicht zu der falschen A nnahm e verleiten, in Wiesbaden werde außer einem gut funktionierenden Sprachberatungsdienst auch Sprachforschung im w eiteren Sinne um ihrer selbst willen planm äßig betrieben. Die schwache finanzielle und personelle A usstattung verbietet uns, den Rahm en, den die Satzung gew ährt, in dieser Beziehung auszuschöpfen. Da andererseits die Sprachpflege, k o n kret: die Sprachberatung, ohne w issenschaftliche Basis n ich t möglich ist, unterlassen wir in keinem Einzelfall die Prüfung, ob die Sprachwis senschaft sich zu dem anstehenden Fall bereits geäußert hat, ob sie gar die Lösung fix und fertig bereit hält oder ob sie m it unserer Lösung wenigstens einverstanden sein könnte. Sprachpflege auf wissenschaftlicher Basis — das h ö rt sich kom plizierter an, als es ist. Wie es sich abspielt, zeigen 1.4 die praktischen V erfahren der Sprachpflege Die GfdS erteilt jährlich einige tausend schriftliche und fernm ündliche Sprachberatungen für B ehörden, Institutionen, W irtschaft, Verbände und Private. Daneben w erden noch viele tausend Seiten T exte darauf hin geprüft, ob sie in ihren Aussagen eindeutig und für die A dressaten 101 verständlich sind. Der größte Teil dieser T extprüfungen wird von unse rer Außenstelle in Bonn geleistet, und zwar für die oberen und obersten Bundesbehörden. Die punktuellen Sprachberatungen obliegen den wis senschaftlichen M itarbeitern in Wiesbaden. Ich gebe Ihnen als Beispiel den Fragenkatalog, den wir am 7. März d.J. von einem sprachbeflissenen Mitbürger erhalten haben. 1. T ext: Frage: ... ich wünsche Ihnen gute Gesundheit ... Soll man nicht besser das Wort gute weglassen, denn es wird nur G utes gewünscht und G esundheit ist im m er gut? 2. T ext: Frage: ... in den allerletzten Jahren ... Ist es nicht besser, aller wegzulassen? 3. T ext: Frage: ... durch Vorprogrammierung lange v o rh e r... Sagt man nicht besser Programmierung, denn Program mierung ist im m er etw as Vorheriges. 4. Text: Frage: Die O bjektkontenbildung ist zahlenmäßig unlim itiert. Ist es nicht besser zu schreiben: Die Zahl der O b jektkonten ist u n begrenzt —oder? 5. Text: Die Devisenreserven sind in den beiden letzten Jahren stark abge schm olzen. Schreibt man nicht besser geschmolzen? 6. T ext: Frage: Er rechnet sich Chancen aus, daß er eine M itfahrkarte erhält. Wenn hier M itfahrkarte kein fester Begriff ist, schreibt man nicht besser ... Fahrkarte m itbekom m t? 7. T ext: Frage: ... zu k ü n ftig ... Sagt man nicht im m er besser künftig? 8. T ext: Frage: A nzahl — Zahl Welcher U nterschied besteht in Bedeutung und Anwendung? 9. T ext: Frage: Intensität —Intensivität Welcher Unterschied besteht in Bedeutung und Anwendung? 10. Text: Frage: ... überjährig... a) gibt es das W ort b) oder schreibt man besser über das Jahr hinaus? 11. Text: Frage: ... verschlechtern... G ibt es das Wort? 12. T ext: Frage: Nachfolge Ist das kein Pleonasmus? Folge bedeutet doch, es kom m t etwas danach. Wenn das W ort Nachfolger noch richtig ist, sollte man statt Nachfolgetitel nicht besser sagen Folgetitel? Frage: Sie erinnern sich, daß in der Satzung der GfdS steht, sie wolle die d eu t sche Sprachgem einschaft anregen, sich m it der Sprache zu beschäftigen und das Sprachgefühl zu vertiefen. Hier hat sich also einer anregen lassen, hat sich m it der Sprache beschäftigt und sein vertieftes Sprachgefühl be 102 wiesen. Wie bean tw o rtet man diese zw ölf Fragen auf wissenschaftlicher Basis? Vielleicht sollte man diese Frage anders stellen, näm lich so: Was darf man beim B eantw orten nicht tun? Man darf nicht seine private Meinung zur alleinigen G rundlage m achen. Die Sprachpflege soll keinem mehr m ißtrauen als ihrer eigenen verm eintlichen K om petenz. Die Sprachberatung m uß in jeder A ntw ort aufs neue das K unststück fertigbringen, sich ganz in die Sprache des Partners hineinzudenken m it allen Konsequen zen bezüglich W ortwahl, Frem dw ortgebrauch oder -Vermeidung, Satz bau, Stil usw. Die Sprachberatung m uß sich w eitestgehend absichern, das heißt, sie m uß prüfen, was in W örterbüchern, G ram m atiken, Stil-Lehren, Sekun därliteratur als gesichertes Wissen bereitsteht. Es d arf nicht sein, daß ein S prachberater in den Rechtschreib-D uden guckt, nichts findet und dann erklärt: Wir haben das W ort, das Sie suchen, in keinem deutschen W örterbuch gefunden. A nders: Er m uß sogar die W örterbücher befragen, die sich gelegentlich als A bschriften anderer Werke entpuppen. Die De finition des Adjektivs fe u c h t z.B. h at sich seit Adelung in deutschen W örterbüchern länger als h u n d ert Jahre nicht geändert! Die Sprachberatung m uß fähig sein, die Forschung fortzuschreiben, also system gerechte Entscheidungen auch da noch zu fällen, wo die Sprach wissenschaft noch winzige Löcher läßt; Beispiel: Die m it als angeschlos sene A pposition als Ganzes beginnt in ihrer neutralen Form zu erstarren, wird n icht m ehr flektiert, wird zum Adverbiale. D eutschland als Ganzes, auch: die Welt als Ganzes, auch: der Staat als Ganzes. Die G enera sind aufgehoben — auch die Kasus? Die B edeutung D eutschlands als Ganzes oder als G anzen? D er m itgedachte A rtikel — als eines Ganzen — hat noch so viel G ew icht, daß die Erstarrung sich lösen und der Genitiv wie der eintreten kann. Ja, kann! Das führt geradlinig zum nächsten Bestand teil der praktischen Sprachpflege, zur M utprobe: Der S prachberater m uß den M ut haben, gleichberechtigte M öglichkeiten nebeneinanderzustellen. Er m uß dem D eutschen, der stram m e Regeln über alles liebt, sagen, es gibt zwei M öglichkeiten. Wähle selbst! Ich wür de als Sprachteilhaber die Lösung A w ählen; aber das darf ich dir nicht vorschreiben. B ist genauso in Ordnung. D am it handelt sich der Sprach berater sein Urteil ein: Der weiß ja selbst nicht, was richtig ist! Der S prachberater m uß auch den M ut haben zuzugeben, w enn er etwas nicht weiß, und das dürften nach m einer Schätzung fünf Prozent aller Fälle sein. Etw as nicht wissen ist keine Schande. Sich etw as zusamm en spinnen und als Wissen verbreiten, das ist eine Schande. 103 Wer nicht w eiterw eiß, versichert sich der Fachleute. Das gilt in der GfdS bis hin zu den F achberatern für Fam iliennam en und V ornam en, die einen wichtigen Teil unserer Sprachberatung ausm achen, bis zu d sn Juristen, M edizinern, M usikwissenschaftlern, Ingenieuren, Chem ikern und Hand w erkern; denn es läßt sich nicht so leicht ein Sprachproblem ausdenken, das bei der GfdS nicht schon morgen früh auf dem Tisch liegen könnte. Mehr noch: Wir stehen in jüngster Zeit unter dem Eindruck, daß die Ge sellschaft für deutsche Sprache über Sprachpflege und S prachkultur hinaus zu einer lexikographischen A uskunftsstelle zu w erden d ro h t m it “V olkskunde” als einem neuen Schw erpunkt. Das zeigt die Häufung von Sachfragen. “W arum legt der Osterhase E ier?” “ Ich habe einen al ten Zinnteller m it einer Um schrift, die ich nicht lesen kann. A nbei ein F oto. Bitte um A u sk u n ft.” Es wird gefragt nach einzelnen G edichtzei len (Titel, Verfasser?), nach Etym ologien und W ortgeschichten, nach Benennungen von Speisen und G etränken m it bestim m ter Beschaffen heit, nach S prichw örtern und R edensarten usw. usw. Die eigentlich orthographischen Fragen wie auch die zur In terpunktion sind die langweiligsten. Sie sind auch G o tt sei Dank seltener geworden und kom m en m eistens übers Telefon. Hier scheint sich fast unm erklich eine A rbeitsteilung zwischen D udenredaktion und GfdS einzuspielen. Jede Anfrage verlangt vom S prachberater G eduld beim A ufsuchen der Quellen und Belege, Phantasie beim K om binieren und Bew erten der möglichen A ntw orten, beim Einschätzen der Fassungskraft des Partners, Stilkunst beim Form ulieren der A ntw ort, die natürlich nicht zu lange auf sich w arten lassen darf, sonst hat der A nfrager den A nlaß vergessen und w undert sich über die Post aus Wiesbaden. 1.5 Die A rbeitsm ittel der Sprachpflege Ich habe sie schon genannt. Es sind vor allem die W örterbücher und G ram m atiken, die Stilkunden und R echtschreiblehren, die S ynonym w örterbücher, überhaupt alles, was in die H andbibliothek eines G erm a nisten gehört bis hin zu den G roßlexika der V ergangenheit und Gegen w art. A ber glauben Sie nicht, daß das genügt! Der Sprachpfleger ken n t keinen Feierabend. Die frem den Sprachproblem e begleiten ihn bis in die N acht. Und w enn er tagsüber vergebens geforscht hat, seit w ann es die A bkürzung WC im D eutschen gibt, liest er abends zufällig in einer histo rischen Baubeschreibung, daß die “erste Anlage dieser A rt in D eutsch lan d ” schon 1824 im Jagdschloß Platte bei Wiesbaden eingebaut wurde. Je tz t hat er einen unverhofften A nhalt für ein D atum , post quem. 104 Das kleine Beispiel soll zeigen, daß die V ielfalt der T hem en in der prak tischen Sprachpflege, also in der Sprachberatung, eine entsprechend u n begrenzte V ielfalt an A rbeitsm itteln erfordert. Mit den praktischen und alphabetischen H andreichungen im Lesesaal ist es nicht getan. Der Sprachberater braucht die ganze Bibliothek. In einem Brief von Ernst M oritz A rndt (1820) steh t etwas von einem “rosigen A ndreasgesicht” . Was ein Andreasgesicht ist, haben wir bis heute nicht herausgekriegt. Wissen Sie es? 2 Sprachkultur 2.1 Der Begriff “ S prachkultur” Wenn der Begriff leicht zu fassen wäre, stünde diese Jahrestagung unter einem anderen Them a. A ber er ist nicht leicht zu fassen, das beweisen die Einzelthem en: S prachkultur ... im H inblick auf das deutschsprachige Ausland, ... in der m odernen Gesellschaft, ... in der Linguistik der DDR, ... im 18. Jahrhundert, ... in der schulischen Bildung, S prachkultur und Li teratur, ... und politische K ultur; und über dem G anzen: Sprachkultur und Institutionen. Angesichts so vieler Bezüglichkeiten will ich keine w eiteren installieren und mich lieber auf das beschränken, was ich neulich in bezug auf Sprach k ultur aus anderem A nlaß zu Papier gebracht habe. Ich denke, wenn ich das W ort ‘S p rachkultu r’ höre, an ein Zweifaches: an eine Feststellung und an eine Forderung. a) S prachkultur hat man, oder man hat sie nicht. Wenn m an sie hat, so ist sie eine innere, geistige Haltung eines einzelnen oder einer (SprachG e meinschaft, das im m erw ährende Wachsein bei jeglichem sprachlichen Handeln, die selbstauferlegte Pflicht zu sprachlicher Angemessenheit, Genauigkeit, W ahrheit (E thik) und das Streben nach der “schönen Spra che” (Ä sthetik). b) wenn m an sie hat, m uß man sie schützen. Sie ist ein geistiges G u t und als solches jederzeit in G efahr, vernachlässigt zu w erden und zu verfla chen. Wer S prachkultur hat, sehe zu, daß sie nicht verkom m t; und wer sie bei anderen sieht, habe Respekt. Wer sich in die Z ucht der Sprach k ultur begibt und sie vor sich selbst schützt, der fö rd e rt sie am besten. Diese m ehr aphoristischen als definitorischen Bem erkungen sollen ahnen lassen, daß “ S p rachkultur” eine der vielen möglichen Ausprägungen von “ K u ltur” ist. Ich stelle “ S p rachkultur” neben “W ohnkultur” , “ Eßkul tu r ” usw. und sehe die Sprache, genauer: den G ebrauch der Sprache als eines der A ttrib u te an, die diesem Teilbegriff von “ K u ltu r” zugeschrie ben w erden können. 105 2.2 Das V erhältnis von S prachkultur und Sprachpflege Das Verhältnis ist in der Satzung der G esellschaft für deutsche Sprache vorgezeichnet, obw ohl d o rt das W ort “ S prachkultur” nicht vorkom m t. Mit dem hier zutreffenden Begriff von S prachkultur im H interkopf könnte man die Ziele der GfdS ganz kurz fassen: Die GfdS will bei den Sprachteilhabern S prachkultur schaffen und d o rt, wo sie schon vorhanden ist, die Sprachkultur schützen und fördern. Weil “ Sprachpflege” und “ S prachkultur” im m er noch für austauschba re Synonym e gehalten w erden, sei es noch einmal anders angedeutet: S prachkultur ist das hohe Ziel; Sprachpflege ist einer der Wege dorthin. 2.3 Sind S prachberater der GfdS “ S prachkulturträger” ? Die K ontam ination von “ S prachkultur” und “ K ulturträger” liegt ja nun in der L uft. Da n icht erwiesen ist, daß alle K ulturträger außer Geld und Beziehungen auch noch K ultur oder gar S prachkultur haben, m uß ich die Frage als unangem essenen Witz zurückweisen. Die S prachberater der GfdS sind allenfalls Sprachkulturm ittler, bei D auerkunden in Sachen Sprache m anchm al auch so eine A rt Bew ährungshelfer; aber “ K ultur träger” in diesem sprachfernen adm inistrativen, ja bürokratischen Sinn — das sind sie nicht und wollen sie nicht sein. 3 S prachkultur und Institutionen Hier darf ich mich ganz kurz fassen. 3.1 Die A ufgabenabgrenzung zwischen D udenredaktion / D eutsche A ka demie für Sprache und D ichtung / Gesellschaft für deutsche Sprache In diesem Saal ist die A bgrenzung m it einem Satz beschrieben: Für die S prachkultur sind alle drei Institutionen zuständig; die Ü berschneidun gen dürfen aber n ich t darüber hinw egtäuschen, daß es Schw erpunkte gibt, und zwar ist die R echtschreibung in M annheim zu Hause, die L ite ratu r in D arm stadt und die Sprachpflege in Wiesbaden. 3.2 Sprachkultur in der öffentlichen Meinung Wollte man versuchen, durch Umfrage zu ergründen, was die L eute u n ter “ S prachkultur” verstehen, so erhielte man sicherlich viele m erkwür dige A ntw orten. Die m eisten würden wohl gar nichts verstehen. Lassen Sie mich abschließend die Stellung der GfdS zur Sprachkultur so beschreiben: Es gibt die Hochschulm edizin, es gibt bedeutende Kli niken m it C hefärzten und K apazitäten auf allen medizinischen G ebieten, 106 viele davon m it L ehrstuhl oder L ehrauftrag, es gibt A rztpraxen für Ohren, Nerven, Magen, K ram pfadern, Leber und R heum a und alles, was Beschwerden m acht. Wählen Sie in weiser Selbsteinschätzung den Platz, der Ihnen in der N achbarw issenschaft ebenbürtig wäre. Wir von der Gesellschaft für deutsche Sprache haben als M ittler zwischen Sprach ku ltu r und Ö ffentlichkeit auch unseren Platz gefunden. Wir sind die Landärzte. 107 KARL EIBL Sprachkultur im 18. Jahrhundert Über die Erzeugung von Gesellschaft durch Literatur* Im Rahm en einer sprachw issenschaftlichen Tagung, die fast ausschließlich G egenwartsproblem e them atisiert, spielt der L iteraturhistoriker, der zu Fragen des 18. Jahrhunderts spricht, eine etwas exotische Rolle. Ich will versuchen, dieser Rolle gerecht zu w erden und durch eine abw eichende Perspektive einige bekannte Dinge in ein etwas verfrem dendes Licht zu tauchen. Einigkeit scheint darüber zu bestehen, daß um 1800 die E n t wicklung zu einer überregionalen sprachlichen N orm ihr Ziel erreicht hat, daß daran die L iteratursprache einen w esentlichen A nteil h at und daß diese Entw icklung irgendwie m it der E ntw icklung des deutschen Bürger tum s zusam m enhängt. Bei näherem Hinsehn ergeben sich einige Schw ierigkeiten, die man in Fragestellungen um m ünzen sollte. Die ältere Forschung hat die Standard oder H ochsprache dieses Z eitraum s m it nur gedäm pftem Interesse behan delt, quasi nur der V ollständigkeit halber; vor die Frage nach der S tandard sprache schob sich die nach der D ichtersprache, häufig von L iteraturhisto rikern bearbeitet. Die O rientierung der Bildungssprache des 19. Jahrhunderts und besonders der W ilhelminischen Zeit an der ‘Klassik’ ließ einen solchen Staffettenw echsel durchaus plausibel erscheinen. In den letzten Jah rzeh n ten hat sich das geändert. Zwar hat die Sprachw issenschaft im Westen, von wenigen A usnahm en abgesehen, hier eine D enkpause eingelegt. A ktiver ist die Sprachw issenschaft im O sten, in der S ow jetunion und in der DDR gewesen, wenngleich es anscheinend Mühe m acht, über die Schallm auer von 1730 auch bei der D etailforschung hinw egzukom m en. Da tau cht nun freilich ein anderes Problem auf. Der Begriff der ‘L iteratu r sprache’, wie er im O sten in G ebrauch ist, bezeichnet nicht etw a die po e tische Sprache, sondern das, was bei uns ‘Standard-’ oder ‘H ochsprache’ heißt. Leider ist das kein reines D efinitionsproblem , sondern hat auch Rückwirkungen auf das Forschungsprogram m . Wenn der L iteraturhistoriker das in der DDR erschienene m onum entale U ntersuchungsw erk “ Zur A us bildung der N orm der deutschen L iteratursprache (1470 - 1730) ” darauf * Gerade u n ter dem A spekt der ‘S prachkultur’ ist das Drucken von Vorträgen nicht unproblem atisch. Eine U m form ung in die T extsorte ‘wissenschaftliche A bhand lung’ war wegen des sehr w eit ausgreifenden Them as n icht möglich. Ich habe deshalb nur einige R etuschen vorgenomm en, die den T ext als ‘wissenschaftlichen Essay’ lesbar m achen sollen. 108 befragt, w elchen Beitrag denn die poetische L iteratur zu dieser ‘A usbil dung’ geliefert hat, wird er das nicht identifizieren können. Denn im T ex t korpus stehen unterschiedslos T raktate, Briefe, V erw altungstexte, E rbau ungstexte, auch poetische T exte usw. Wenn aber solcherm aßen die ver schiedenen Rekrutierungsbereiche der Sprachnorm , religiöser, gelehrter, umgangssprachlicher, juristischer usw., nicht m ehr unterschieden w erden, dann w ird nicht nur der L iteraturhistoriker en ttäu sch t: Es fällt eine ganze D im ension dieser E ntw icklung weg, näm lich die sozialgeschichtliche. Sie kön n te nur über eine R ekonstruktion der Beiträge aus den verschiedenen Lebensbereichen erfaßt w erden, und nur eine solche R ekonstruktion w iederum könnte rückw irkend die Sprachgeschichte in die Lage versetzen, auch Beiträge zur Sozialgeschichte zu liefern. Es lauert hier eine geschichtsphilosophisch-teleologische Falle, die von der präsum tiven Einheitlichkeit der Standardsprache des 19. Jahrhunderts und des Bürgertums des 19. Ja h r hunderts hier auch bereits die V erhältnisse des 18. Jahrh u n d erts vorstruk tu rie rt und so einen Pauschalbegriff von Bürgertum zu einem Pauschalbe griff von ‘L iteratursprache’ in eine gleichfalls pauschale Beziehung setzt. — Hierzu wird später noch m ehr zu sagen sein, da auch Sozialhistoriker (und L iteraturhistoriker sowieso) sich diesem gedanklichen Sog m.E. nicht hin reichend w idersetzen. Ich w erde im folgenden den Versuch einer situationslogischen R ekonstruk tion des V erhältnisses von Gesellschaft, L iteratur und Sprache im 18. Jh. unternehm en, d.h. versuchen, die Phänom ene als Problemlösungsversuche zu deuten. I. Die Eingangs-Frage, die zu diesem Zweck zu stellen ist. lautet: Wer braucht um 1700 überhaupt eine überregionale Sprachnorm , und zu welchem Zweck braucht er sie? Dafür kom m en ja nu r Personengruppen in Frage, die tatsächlich eine überregionale K om m unikation pflegen oder pflegen wollen. Daß der Adel, wie bekannt, in dieser Z eit französisch spricht und schreibt, hat sicher eine Ursache in der politischen und kulturellen D om inanz des französischen Hofes, eine w eitere darin, daß hier ein Standesm erkm al die Abgrenzung vom übrigen Volk erm öglicht. A ber schon in der ständigen W iederholung dieser beiden Faktoren liegt eine Einseitigkeit der D eutung. Es wäre einfach tö ric h t gewesen, an die Stelle der fertigen internationalen S tandesnorm eine erst zu entw ickeln de und bloß nationale N orm zu setzen. Ä hnliches gilt für die G elehrten. Sie pflegten das Latein n ich t nu r deshalb, weil das so T radition war, son dern auch deshalb, weil es ihnen die K om m unikation auch m it den Fach kollegen in Bologna oder Paris erm öglichte. Noch Christian Wolff, der seine w ichtigsten Bücher zunächst deutsch geschrieben h atte, publiziert 109 sie schließlich auch lateinisch, weil er sonst in seiner Wirkung zur Provinzialität verdam m t gewesen w äre. Umso bem erkensw erter und fast irri tierend ist es, daß seit Thom asius im m er w ieder Vorlesungen in deutscher Sprache gehalten w erden. V on der Seite des W issenschaftsbetriebes her gesehen gibt es dafür keine N otw endigkeit. A uch die naheliegende Er klärung, daß neue Schichten an die U niversität drängen, ist wenig ver läßlich, wenngleich es natürlich auch zu dieser Zeit, wie zu jeder anderen, Klagen über m angelnde Lateinkenntnisse der S tudenten gibt. G erade im Zeitalter der A ufklärung nim m t die Zahl der U niversitätsstudenten nicht etw a zu, sondern sie stagniert, nim m t sogar ab; erst nach 1800 geht die Kurve steil nach oben. — Jedenfalls hatten auch die G elehrten eigentlich eine überregionale N orm der deutschen Sprache nicht nötiger als früher. So kann man nun die einzelnen Bevölkerungsgruppen durchgehen. Für w eitere überregionale K om m unikationsbedürfnisse gibt es einen ganzen Fächer von Fachsprachen. Es gibt für die überregionale Verw altung deutschsprachige N orm en, es gibt für K aufleute eine A rt G eschäfts deutsch, das ausreicht, so lange der W irrwarr an regionalen Münzen und M aßen, die Vielzahl der Zollschranken und die schlechten Wege w eit schlimm ere Hürden sind als die verschiedenen M undarten. Und auch die w andernden Handwerksgesellen kom m en m it überregionalen Fachspra chen aus, die, nach dem Zeugnis Leibnizens, sehr hoch ausgebildet sind. Angeblich verw endet man sogar in türkischen Bergwerken Begriffe des deutschen Bergbaus. Selbst die D ichter, die spätbarocken, schreiben in einem Idiom , dessen Form elschatz viele Züge einer Fachsprache träg t und bei Geburts-, H ochzeits- und Begräbniscarmina Feierlichkeit verbürgte. Und der größte Teil der Bevölkerung, die seßhaften Bauern, brauchte ohnedies keine überregionale Sprachnorm , ebensow enig wie der norm ale, seßhafte Stadtbürger, für den eher die innerm undartliche Differenzierung von Bedeutung ist. Regionale Sprachen für die K om m unikation der Seß haften, überregionale Standes- und Fachsprachen für die überregionalen K om m unikationsbedürfnisse — w er b raucht da noch eine überregionale Standardsprache? Der erste massive Vereinheitlichungs-Schub war bekanntlich von jener Krise ausgegangen, die, je nach Perspektive, un ter dem K urznam en der ‘R efo rm ation’ oder der ‘frühbürgerlichen R evolution’ zusam m engefaßt wird. Die Frage nach der ‘richtigen’ Bibelübersetzung beförderte die Frage nach der ‘richtigen’ deutschen Sprache. Religiöse und politische Werbung schuf neue Publiken, neue K om m unikationsgem einschaften. Besonders w ichtig aber scheint mir, daß die Instabilität der V erhältnisse zu einem neuen Sprach b e d a r f führte: Zu einem Bedarf näm lich einer Sprache, in der man über die V oraussetzungen des Lebens und Zusam m enlebens re110 flektieren konnte. Wenn m an, wie ich es in diesem A bschnitt getan habe, einen sehr w eiten Begriff von ‘F achsprache’ verw endet (auch wer eine E isenbahn-Fahrkarte kauft, bedient sich in diesem Sinn einer Fachsprache), dann schrum pft der Bereich der Standardsprache auf diesen Kern einer Reflexions- oder M etasprache. Ich will das nun keineswegs als neue Defi nition vorschlagen, sondern nur darauf hinweisen, daß diesem Reflexions bedarf offenbar eine Führungsrolle bei der E ntstehung einer S tandard sprache zufällt. Um 1700 h atten sich die politischen und religiösen V erhältnisse weitgehend stabilisiert, die aus der ‘R efo rm atio n ’ stam m enden A nstöße erschöpft. Die religiöse Sprache h atte sich — bei aller konfessionellen Z ersplitterung — als M ittel der Verständigung über die Grundlagen des m enschlichen Da seins und Zusam m enlebens neu gefestigt. Religiöse Sprache ist um 1700 d i e überregionale, wenngleich konfessionell differenzierte, N orm , die an sie gebundene E thik d i e überregionale und tendentiell, ihrem eigenen A nspruch nach, auch überständische E thik. II. Dieses Bild ist natürlich vereinfacht. Schon um 1700 ist manches wieder in Bewegung, sozial und sprachlich. G leichwohl erscheint m ir folgender Schluß erlaubt: Wenn das Sprachensystem um 1700 so flächendeckend ist, wenn für jedes Bedürfnis eine entsprechende sprachliche N orm zur Verfügung steht, w enn w ir es also sozusagen m it einer Situation sprach licher Vollversorgung zu tu n haben, — und w enn w ir hu n d ert Jahre später eine voll ausgebildete profane überregionale und überständische Norm vorfinden, dann müssen in dieser Zeit gewaltige V eränderungen des Sprach b e d a r f s vor sich gegangen sein: Es m uß sich die N otw endig keit überständischer und überregionaler V erständigung, und dam it auch die N otw endigkeit einer diskursiven V erständigung über die Bedingungen von Verständigung ergeben haben. Die V eränderungen sind tatsächlich so einschneidend, daß Karl Bosl sagen konnte, eigentlich sei in Deutschland das M ittelalter erst um 1750 zu Ende gegangen. Und w enn wir diese V eränderungen verstehen wollen, stoßen w ir unweigerlich auf den Begriff ‘Bürgertum ’. Zum al in germ anisti schen A rbeiten m u tet dieses W ort gelegentlich an wie die Bezeichnung eines m ythischen Fabelwesens, über das m an allerlei merkwürdige Ge schichten erzählen kann, das aber in L uft zerrinnt, w enn man es anfassen will. Hier ist das eingangs erw ähnte teleologische Motiv am Werk, das die G eschichte nur aus dem A spekt des Zulaufens auf das Bildungs- und G roßbürgertum des 19. Jah rhunderts sieht. Wird dieser A spekt verab- 111 solutiert, dann en tste h t eine gradlinige D eszendenz vom Stadtbürgertum des M ittelalters über das der R eform ation bis ins 19. Jah rh u n d ert, als seien das im m er dieselben L eute gewesen oder die K inder und K indes kinder derselben L eute. Erscheinungen des 18. Jahrhu n d erts, die m it diesem Bürgertum Zusammenhängen, w erden dann leicht allesamt über den Leisten des Em anzipationskam pfes oder des antifeudalistischen Kampfes geschlagen, und was sich dem nicht fügt, w ird der ‘deutschen Misere’ angelastet und — o ft erstaunlich naiv — m it dem psychoanaly tischen Begriff der K om pensation erledigt. Der A spekt ist gewiß berech tigt. N icht gegen ihn w ende ich m ich, sondern gegen seine V erabsolutie rung, die zwar ein kom paktes G eschichtsbild erzeugt, aber bestim m te Probleme nicht hinreichend in den Blick bekom m t. Selbst zünftige Sozialhistoriker berufen sich zum eist auf Quellen aus dem letzten D rittel des Jahrhunderts, nicht aus ideologischer Befangenheit, sondern deshalb, weil um diese Zeit die Quellen reichlich sprudeln. Wenn man dann aber verallgem einert und von d e m 18. Jh . spricht, ergibt das ein völlig falsches Bild. — Ich will dem hier entgegensetzen den A spekt der inneren K onstitutionsproblem e dieses ‘Bürgertum s’ des 18. Jahrhunderts, oder, um den entscheidenden P unkt gleich m itzubennen, dieses N e u -Bürger tum s des 18. Jahrhunderts. N och am Ende des 18. Jahrhunderts definiert das Allgemeine L andrecht für die preußischen Staaten Bürger als jene Individuen, welche “w eder zum Adel, noch zum Bauernstande gerechnet w erden k ö n n en ” . Da wird also alles, was n icht in die klare agrarstaatliche Paarung von A del und Bauern hineinpaßt, m it einer N egativ-Definition belegt. Das ließe sich noch m it der B orniertheit der Gesetzesm acher erklären, obw ohl d arunter recht aufgeklärte K öpfe w aren. Doch die em pirische sozialgeschichtliche Forschung ist auch fast 200 Jahre später noch nicht w eiter gekom m en. So heißt es 1976 in einem Forschungsüberblick: “ Zum Bürgertum als der Summe der nichtadeligen, nichtbäuerlichen und n ich tu n terstän d i schen Kräfte gehören so heterogene Schichten und G ruppen, daß von einer E inheit nichts zu erkennen ist” . Die Ursache für diese D efinitions problem e liegt in der Sache selbst. Und m ehr noch: Unser D efinitions problem ist ein reales Problem für das Bürgertum dieser Zeit, — das Problem , durch das es letztlich doch als Einheit konstitu iert w ird. Das ist zu erläutern: Zwar gibt es da einzelne altbürgerliche G ruppen m it eindeutigen über lieferten V erhaltensnorm en, Patrizier etw a oder H andw erker. A ber was gibt es da nicht alles: Den Bankier und den L ateinschullehrer, den Schriftsteller und den D om änenpächter, den M anufakturbesitzer und den Offizier, den Krämer und den reichen K aufm ann und den H ofm eister, 112 der dessen Söhne Latein beibringen soll, und dazu das Heer der Pfarrer und der V erw altungsbeam ten in unterschiedlichsten Positionen. Sie alle haben keine gem einsame H erkunft, keine gem einsamen T raditionen, keine gem einsame ökonom ische Stellung. Was sie aber gem einsam haben, ist eben dieses Problem , nichts gemeinsam zu haben. Ich will das an einem Lebenslauf exem plifizieren. Da gibt es in A rtern in Thüringen in der M itte des 17. Jahrhunderts einen H ufschmied mit Namen Geede oder so ähnlich. Der hat einen Sohn, der das H andwerk eines Schneiders lernt. Nach seiner Lehrzeit geht der Schneider, wie es sich für einen Gesellen gehört, auf W anderschaft. Er geht nach Westen, nach Frankreich. 12 Jahre ist er d o rt, setzt sich in der Seidenw eberstadt Lyon fest. Doch die A ufhebung des T oleranzdikts von N antes zwingt den P rotestanten, Frankreich den Rücken zu kehren. Er w andert nach F rank fu rt, heiratet d o rt eine S chneiderstochter und wird zünftig. G öthe nennt er sich je tzt, m it A kzent auf dem e, denn er w eiß Kleider m it französi schem Schick anzufertigen, für die Frauen der Patrizier, der Handelsherrn, sogar für die Damen des D arm städter Hofes. Zeitweise beschäftigt er nicht nur die erlaubten drei, sondern sechs Gesellen. Als seine Frau stirbt, hat er ein Vermögen von 19 000 G ulden. Er heiratet wieder, 1705, eine Schneidersw itw e, die auch ein Wirtshaus m it W einhandel in die Ehe bringt. Die Zeiten sind schlecht für die Winzer im linksrheinischen D eutschland, ständig d ro h t Krieg, sie verkaufen schnell und billig; der F rankfurter W einhändler aber kann lagern und w arten. Seinen Sohn läßt der Schnei der Ju ra studieren, er finanziert ihm die Kavalierstour nach Italien, und als er 1730 stirbt, hinterläßt er ihm 17 Säcke voll Geld unterschiedlichster W ährungen, das Weinlager, G rundstücke, — insgesamt ein Vermögen von 90 000 G ulden. Der Sohn kann es sich leisten, nur noch dieses Vermögen zu verw alten, sich den T itel eines Kaiserlichen Rats zu kaufen und die T o ch ter des S tadtschultheißen zu heiraten. Ich will nicht behaupten, daß das ein typischer L ebenslauf der Zeit ist (und untypisch sind gewiß die Schicksale des Enkels des Schneiders). Unser empirisches sozialgeschichtliches Wissen zum ersten D rittel des 18. Jahrhunderts, ich w iederhole es, ist äußerst dünn, n ich t zuletzt des halb, weil die Vorgänge sich w eitgehend im Dunkeln abspielen und erst deutlicher sichtbar w erden, nachdem eine gewisse Konsoldierung einge treten ist. Erst eine Vielzahl solcher Lebensläufe von ansonsten unbekann ten L euten k ö nnte ein einigerm aßen sicheres Bild liefern und z.B. Bew egungs-'Straßen’ sichtbar m achen. Es ist eine Zeit, in der wir nicht m ehr die S tatik der überlieferten überindividuellen V erhältnisse voraus setzen können, aber auch noch nicht die Zeugnisse selbstbew ußter W ort führer und Interpreten des N euen vorfinden. Umso w ichtiger wären 113 sprachgeschichtliche D etailuntersuchungen, die hier Aufschlüsse geben könnten. Unsere Erzählung kann aber zum indest zeigen, was im ersten D rittel des Jahrhunderts m ö g l i c h ist. Es existiert ein Bewegungsraum, regional wie sozial, und — dies der Erzählung kurzer Sinn — w enn wir vom Bürger tum dieser Zeit sprechen und dam it manches sehr H eterogene zusam m en fassen, dann bezeichnen w ir dam it keinen hom ogenen ‘S tan d ’, sondern diesen B e w e g u n g s r a u m . Hier finden A ufstiege sta tt, ‘Lebensläufe nach aufsteigender L inie’, auch Abstiege, hier k o m m t es zur unvorherge sehenen Interaktion von Personen ganz unterschiedlicher H erkunft, von N orm ensystem en ganz unterschiedlicher S tru k tu r und T radition und hier b esteh t bereits auch ein recht großer Reflexions- und Diskursbedarf, weil auch Selbstverständigung notw endig ist. D am it wird vielleicht klar, was das heißt: daß das G emeinsame des Bürgertums sein Problem ist, nichts Gemeinsames zu haben. Es m uß geschaffen w erden. N otw endig ist eine gemeinsame V orstrukturierung und Standardisierung der W irklichkeit, eine R eduktion von K om plexität, die das Handeln wechselseitig berechen bar m acht, auch w enn m an die angestam m te Bezugsgruppe verläßt. Diese R eduktion von K om plexität trägt im 18. Ja h rh u n d ert den Namen ‘M oral’ und dann, nach der K onsolidierung, ‘Bildung’. Eine allgemein menschliche M oral soll es sein, keine ständische, eine, die man bei jedem Positionswechsel räum licher und sozialer A rt w ieder auffinden kann, und so w erden die W örter ‘bürgerlich’ und ‘m enschlich’ o ft zu Synonym en. Niemals zuvor ist über Moral soviel nachgedacht und geschrieben w orden, denn niemals hatte man ein neues V erhaltensfundam ent überständischer und überregionaler A rt so nötig. — Noch ehe die V erbindung zur Sprach geschichte hergestellt ist, läßt sich bereits sagen: Der zweite A kt in der G eschichte der E ntstehung der deutschen Standardsprache ist — wie der erste, von der ‘R efo rm atio n ’ bew irkte — das Ergebnis einer Krise der regional und ständisch partikularen O rdnungen. III. Z unächst küm m ern sich die G elehrten um das neue Problem , Leute vom Schlage eines Thom asius oder G ottsched, verm utlich n ich t aus purer M enschenliebe und S olidarität, sondern auch deshalb, weil hier ein neuer Bedarf, ein neues ‘Publicum ’, ein neuer M arkt sich au ftu t. Die relative A utonom ie des universitären Lehr- und D isputionswesens gibt für die G ebildeten der Zeit auch das Modell einer bürgerlichen Ö ffentlichkeit ab, das Modell einer res publica litteraria, in die grundsätzlich das gesamte N eubürgertum einbezogen ist. Es ist eine politisch vielfach gebrem ste Ö ffentlichkeit, die sich ihre Lücken suchen m uß, um sich verwirklichen 114 zu können. Eine solche Lücke sind die ‘schönen W issenschaften’ und ‘freien K ünste’. Wenn es dem König von Preußen einfällt, ein Gedicht zu m achen, dann m uß er sich gefallen lassen, daß er vom rechtlosen Juden Mendelssohn rezensiert wird. So w eit die ‘schönen W issenschaften’ und ‘freien K ünste’ scheinbar von der Politik en tfe rn t sind, so sind sie doch als M edium der V erständigung noch über ganz andere Dinge brauch bar als solche der K unst. Wer z.B. in einer Kritik oder in einer Poetik über bestim m te V erhaltensw eisen oder Eigenschaften eines Helden räsonniert, m eint dam it nicht nur eine fiktive Kunstfigur, sondern begründet das auch m it seinen allgem eineren A nsichten über das m enschliche Leben. — Das also ist der e r s t e F aktor, welcher der L iteratur eine besondere Stellung zu verschaffen vermag: Als der heim lichen S tätte einer ö ffen t lichen Rede m it tendentiell universeller T hem atik und dam it als Forum des Diskurses, in dem die neue Intersubjektivität sich bilden kann. Als z w e i t e s wäre die Eigenart poetischer Rede als gebundener Rede zu nennen. Jan M ukarovsky, der strukturalistische Poetiker, hat den Bühlerschen S prachfunktionen eine vierte hinzugefügt, die ästhetische, welche die A ufm erksam keit au f das Zeichen selbst lenke. Ich will diese Theorie hier nicht übernehm en, weil sie m it einigen diskussionsbedürfti gen V oraussetzungen operiert, sondern nur bei ihr anknüpfen. Etwas salopp kann diese ‘ästhetische F u n k tio n ’ gedeutet w erden als eine V er schnürung von T exten, die ihre T ransportierbarkeit erh ö h t. Dieser Sach verhalt w urde in den letzten Jahren, als das N achdenken über T ex t ästhetik im m er w ieder zur A bw eichungspoetik zurückkam , etwas ver nachlässigt. Wenn ein T ext gereim t ist und ein bestim m tes M etrum auf weist, dann ist er w esentlich leichter aus seiner S ituation zu lösen, ohne daß er in seinem W ortlaut verändert wird. Das gilt schon für simple Bauernregeln, die durch ein solches R ekurrenzsystem verschnürt werden. Natürlich können in ausgebildeteren poetischen Form en dann weit kom plexere M ittel der Bindung eintreten, die Reim und M etrum sogar überflüssig m achen, Pointierungen etw a, ganze G eschichten m it Anfang, M itte und Ende, von denen man n icht einfach etwas weglassen kann, bis hin zu raffinierten M ethoden der m etaphorischen V erklam m erung und sym bolischen Querverweise. Es sind T exte von besonders starker Ko härenz, — von so starker K ohärenz, daß sogar A bstriche bei der Logizitä t und beim R ealitätsbezug gem acht w erden können, ohne daß sie des halb zerfallen. Solche verschnürte und transportable Texte, räum lich wie zeitlich transportabel bis hin zur sogenannten ‘Zeitlosigkeit’ großer Dich tung — solche T exte also eignen sich in besonderem Maße dazu, als Topoi (‘Ö rter’) der V erständigung kanonisiert zu w erden und in ähnlichem Maße Intersubjektivität zu begründen wie ein ‘heiliger’ T ext; aber diese 115 Intersubjetivität kann nun als profane die religiöse ergänzen, gelegentlich auch in K onkurrenz zu ihr treten. H inzu kom m t ein d r i t t e r M om ent. Poesie im 18. Ja h rh u n d e rt ist vor nehm lich erzählende oder dram atische Poesie; daneben natürlich auch eine Fülle von gereim ter K leindichtung, die man aber nu r auf etwas m ißver ständliche Weise als lyrisch bezeichnen k ö nnte (das ‘L yrische’ im m oder nen Sinn gibt es erst seit G oethe). Solche D ichtung find et ihre Domäne in der konkreten Falldarstellung, im Exem pel. So m eint z.B. schon Thomasius, das Studium der Poesie sei u.a. für den angehenden Juristen deshalb sehr nützlich, weil er lernen könne, wie m an zu einem ‘lege’ einen geschickten ‘casum ’ finden könne. D ichtung in diesem Sinne ist MoralKasuistik an Exem peln. Die m ehr als ein Ja h rh u n d ert dauernde Fixierung am G oethischen Typus von Poesie hat uns solche Ä ußerungen im m er wieder belächeln lassen. A ber das ist unhistorisch. Wenn G ottsched m eint, am Anfang der poetischen P roduktion stehe im m er ein m oralischer L ehr satz, zu dem man dann eine passende Fabel sucht, dann ist das nicht Engstirnigkeit, sondern A usdruck eines kulturpolitischen Programms der Herstellung von Intersubjektivität durch D ichtung. Kein A utor einer m oralischen W ochenschrift läßt es sich nehm en, seine Lehren erzähle risch-szenisch einzukleiden oder in fingierten Briefen vorzutragen. Und auch die Schaubühne, die noch Schiller als m oralische A nstalt deu ten wird, kann sich Ansehen erw erben als eine A rt A bendschule der Intersubjektivi tä t. ‘M itleiden’, so sagt Lessing, sollen wir in der Tragödie lernen, und das m eint nichts anderes als Intersubjektivität. Für Christian Wolff ist die Kirche die geistliche, das T heater die w eltliche V erkündigungsanstalt der Moral. Die “ C om ödien und T ragödien” hätten “ einen Vorzug für den w ahren E xem peln” , denn bei den “w ahren E xem peln” liegt o ft allzuviel Zeit zwischen der T at und ihren Folgen. “ Hingegen in Com ödien und Tragödien folget alles, was zusamm en gehöret, in einer kurzen Reihe aufeinander, und lässet sich daraus der Erfolg der Handlungen viel besser und leichter begreiffen, als w enn man im menschlichen Leben darauf acht h a t.” Im Besonderen des poetischen Exem pels, so m einte er, solle das Allgemeine anschauend erkannt w erden. Es ist eine Dichtungslehre, die dann später m it dem Begriff des ‘T ypischen’ in ganz anderem K ontext w iederkehren wird. IV. Ihre herausragende B edeutung kom m t die D ichtung erst in den späten 4 0er und in den 50er Jahren des 18. Jahrhunderts. Die 30er und frühen 40er Jahre sind beherrscht von einer anderen D om inante, die unter dichtungsgeschichtlichem A spekt als V orstufe bezeichnet w erden muß. 116 Ich spreche in diesem Zusam m enhang von der ‘Gottsched-W olff-Zeit’ oder der Phase der norm ativen F orderung oder des Objektivism us (das letzte im A nschluß an Brüggemann). Denn in dieser Phase sollen die Maximen des richtigen H andelns noch auf deduktivem Weg aus obersten Prinzipien der V ernunft und N atur abgeleitet w erden. Da diese Instanzen aber Leer form eln sind, setzen sie den sozialen Konsens, den sie begründen sollen, bereits voraus. Es ist ein nur scheinbar deduktives, in W irklichkeit zirkuläres Verfahren, bei dem V ernunft und N atur doch im m er wieder durch A u to ritäten oder Berufungen auf den gesunden M enschenverstand, also durch Tradition gestützt w erden müssen. Man nen n t zuweilen als Sym bolfigur der A uf klärung Prom etheus, der das F euer vom Himmel geholt h at; das ist durch eine zweite Sym bolfigur zu ergänzen, näm lich M ünchhausen, der sich am eignenen Schopf aus dem Sum pf zog. Die L etztinstanzen von V ernunft und N atur mögen subjektiv tatsächlich die entscheidende Rolle gespielt haben, aber aus der D istanz gesehen h atten sie nu r eine persuasive Hilfs fu n k tion bei der H erstellung des sozialen Konsens, der aus alten, h etero genen Quellen neu zusam m engestellt und befestigt w erden m ußte. V ernunft und N atur als L etztinstanzen waren in dieser Phase der Konsens bildung nur kurzfristig einzusetzen. Schon je tz t bedient man sich gern der Ü berzeugungskraft der poetischen Exem pel. Die sächsiche T ypenkom ödie ist vielleicht das auffälligste Beispiel. In ihr sollen die ‘L aster’, d.h. A b w eichungen vom vernünftigen M ittelm aß angeprangert w erden. Es gab da gewiß manches zu lachen und zu lernen. A ber die ‘Tugend’ blieb, als bloßes V erm eiden von A bw eichungen, leer und blaß. In den späten 40er und den 50er Jahren treten neue M ittel hinzu. Das ‘d electare’ der neuen Poesie schafft einen konsensbildenden kulturellen ‘Ü berschuß’, F reundschaft und Geselligkeit w erden gefeiert, und in der A nakreontik auch das gepflegte erotische Spiel. Z ur N atur und zur V er n u n ft tr itt als w eitere Instanz das ‘H erz’. Es beginnt jene Zeit, die in den Literaturgeschichten als ‘E m pfindsam keit’ erscheint. Ein H erz hat jeder, auch der U ngebildete, der kein collegium logicum durchlaufen hat. Man könnte von der G ellert-Zeit sprechen, auch von der Zeit des jungen Lessing, des jungen Wieland und eines guten D utzend w eiterer A utoren, die heute keiner m ehr liest, die aber eine förm liche D ichtungskultur bildeten: Pyra, Lange, Hagedorn, Uz, G ötz, Gleim, J. E. Schlegel, Rabener, Weiße, Gessner, Kästner, Ewald von Kleist, Cram er, R ost, Gieseke, Zachariae und noch einige m ehr. 1751 wird Geliert Professor in Leipzig, qualifiziert durch drei K om ödien, einen Rom an, eine lateinische Program m schrift für die rührende K om odie und einen Band m it 117 Fabeln und Erzählungen. Diese Fabeln und Erzählungen w erden, nach der Bibel, zum w eitestverbreiteten Buch Deutschlands. D ichtung w irkt unm ittelbar aufs Herz und ist deshalb wie keine andere In stitu tio n fähig, die neue Intersubjektivität zu festigen. Ich kann hier auf die inhaltliche Seite dieses L iteraturtypus nicht eingehen; es genüge der Hinweis, daß die fortw ährende T hem atisierung von F reundschaft, Geselligkeit, Ge lassenheit und Genügsamkeit die K onfliktverm eidung, also den sozialen Konsens, zum obersten G ebot m acht. V. Schon seit einiger Zeit ist hier im plicite von Sprachgeschichte die Rede. Die Kodifizierung einer sprachlichen Norm setzt ja voraus, daß es aner kannte V orbilder gibt, bei denen die G ram m atiker anknüpfen können. Die Entw icklung im 18. Jh. läßt sich un ter diesem G esichtspunkt exem pla risch an den unterschiedlichen A rgum entationssituationen G ottscheds und Adelungs verdeutlichen. G ottsched war bei seinen sprachlichen N orm ierungsversuchen vor einem ähnlichen Problem gestanden wie bei seinen poetischen und m oralischen. V ernunft und N atur allein k onnten die sprachliche N orm nicht begründen. Um aufzuzeichnen, was das ‘b este’ Deutsch war, m ußte er eine V orentscheidung treffen. G ottsched setzte fest, das ‘beste’ D eutsch sei ein geläutertes M eißnisch. Damit aber folgte er nicht der V ernunft und N atur, sondern der T radition (was d urch aus vernünftig war). Wenn er dafür die Begründung gab, daß das Meiß nische in der M itte des deutschen Sprachraum s lag, war das eher ein Zeichen seiner A rgum entationsnot. Kein Wunder, daß man ihm von der Periphere her, von Schlesien und vor allem der Schweiz, heftig w ider sprach. Zwar berief sich G ottsched auch auf die ‘b esten’ Schriftsteller, aber abgesehen davon, daß das auch zirkulär war: Wer sollten diese ‘b esten ’ Schriftsteller sein, in den 40er Jahren des 18. Jh ., zumal er m it den neu aufkeim enden Bestrebungen der jungen G eneration nichts im Sinn hatte? Er nen n t A utoren wie O pitz, die H ofdichter Canitz und Besser und den A bt Mosheim, gewiß verdienstvolle M änner, aber doch von viel zu geringer Wirkung, als daß sie das A rgum entationsdefizit h ätten ausgleichen können. Da ist Adelung in einer völlig anderen S ituation. Neben den von G ottsched favorisierten A utoren kann er sich auf ‘b este’ A utoren berufen, die, wie G eliert und die anderen genannten, tatsächlich bereits hohe überregionale A nerkennung genossen. Es gibt in den 50er Jahren eine vielgelesene, überregionale poetische N ationalliteratur, und diese L iteratur folgt bereits einer weitgehend einheitlichen Sprachnorm . Na türlich h ätte Adelung sein W örterbuch nicht allein m it diesen A utoren bestreiten können; eher schon h ätten sie für seine Bemühungen um Stil 118 und G ram m atik ausgereicht. V or allem aber h atten sie eine A rt PilotF u n k tion als vorzeigbare V orbilder, hinter deren Schild dann auch andere Bereiche berücksichtigt w erden konnten. Der Beitrag dieser L iteratur bei der D urchsetzung einer überregionalen N orm ist von der älteren, dichtungssprachlich orientierten Forschung nur ungenügend berücksichtigt w orden. N och bei Blackall z.B. kom m t sie nicht vor. Denn ihre unm ittelbar dichtungsgeschichtliche Bedeutung ist, gelinde gesagt, unauffällig, verglichen etw a m it den gleichzeitigen Bemühungen K lopstocks. A ber ihre konsensstiftende Wirkung m acht sie w ahrscheinlich zum w ichtigsten Beitrag der Poesie bei der E ntstehung der überregionalen N orm überhaupt. Deshalb m eine eingangs geäußerte Befürchtung, daß ein zu pauschaler Begriff von Literatursprache hier w eiterhin ein Forschungsdesiderat ungesehen lassen könnte. Für Adelung jedenfalls (und noch für didaktische Handbücher des frühen 19. Jahrhunderts) ist dies die ‘klassische’ Periode der deutschen L iteratur, und schon als er in den 70er Jahren sein W örterbuch erschei nen läßt, kann er sich nicht m ehr auf die inzwischen nachgewachsene neue G eneration berufen. Es beginnt eine d ritte Phase sowohl in der Geschichte der D ichtung wie in der G eschichte bürgerlicher Intersub jektivität. VI. Ohnedies ist das eben entw orfene Bild etwas einseitig. Schon die poetische Sprache K lopstocks, die den 50er Jahren zugehört, ist für Norm ierungs versuche nicht brauchbar, sondern schöpft ihr Pathos aus der N orm ab weichung. Und schon in der zw eiten Hälfte der 50er Jahre en tste h t m it dem Bürgerlichen Trauerspiel eine literarische S tätte der K onfliktform u lierung, und zwar jenes innerbürgerlichen K onflikts, der aus rigoristischer N orm und Glücksbedürfnis des Einzelnen entspringt (der K onflikt m it der höfischen Welt kom m t erst rund zwanzig Jahre später auf die Bühne). Gegenläufig zum Prozeß der Festigung des bürgerlichen MoralKonsens und des bürgerlichen Sprach-Konsens vollzieht sich schon hier eine Bewegung, welche die N orm en bereits voraussetzt und die Kosten der N orm ierung them atisiert oder aus der A bweichung F unken schlägt. Um 1770 kom m t das voll zum D urchbruch. Der A ugenblick der gefestig ten N orm ist zugleich schon der A ugenblick der Revolte gegen die Norm. Es m elden sich m it lauter Stim m er die Abweichler, sei’s angestoßen durch das Sprachdenken Ham anns, sei’s auch nur deshalb, weil der expandierende literarische M arkt dem Provokateur besondere Chancen zu bieten scheint. Etwas zugespitzt könnte m an sagen: In den 70er 119 Jahren beginnt, angesichts der eben erst gefestigten Norm , das Zeitalter der A bw eichungspoetik und der A bw eichungsethik, jenes bis an die Gegenwart reichende Z eitalter also, das der N orm im m er wieder den em phatischen Begriff einer W ahrheit gegenüberstellt, die über jede Norm hinausgreift. Die R eduktion von K om plexität durch N orm ierung wird als W ahrheitsverlust em pfunden. Der Sturm und Drang, von dem hier die Rede ist, ist bereits die erste binnenbürgerliche Rebellion. Die Dichtung w endet sich in den 70er Jahren jenen Them en zu, für die w eder die Leipziger noch die Berliner A ufklärer hinreichende Lösungen oder zum indest Form ulierungen gefunden h atten, sozialen Problem en, dem Problem des Todes, das im m er wieder als cantus firmus au ftritt, und jenem Problem , das man heute m it dem W ort der ‘Selbstverwirklichung’ zu bezeichnen pflegt. Schon in den 70er Jahren, nach zwei G enerationen, hat das Neu-Bürgertum den ganzen Turnus vom k o n tu r losen K onglom erat zu jener reduzierten K om plexität durchgem acht, die allererst Intersubjektivität erm öglicht, zugleich aber auch als V er kürzung der W ahrheit und Knebelung der E ntfaltung des Einzelnen em pfunden w ird. Man hat früher gesagt und sagt es gelegentlich auch heute noch, der S turm und Drang sei die Zeit der E ntdeckung des In dividuums. Das ist sicher nicht falsch. A ber m an m uß hinzufügen: Es ist die Entdeckung des e i n g e s c h r ä n k t e n Individuum s; die Them atisierung der Individualität m acht ja überhaupt erst einen Sinn, Individualität ist überhaupt erst ein entdeckungswürdiges Problem, wenn überindividuelle norm ative S trukturen einen so hohen Geltungsgrad erreicht haben, daß der Einzelne sich an ihrem W iderstand als Einzelner erfahren kann. Geliert und sein Kreis h atten Gelassenheit, Bescheidenheit und Gesellig keit gepredigt. Zum K ultbuch der 70er G eneration aber avanciert der ‘W erther’, der eben dies zum Them a hat: ‘Einschränkung’ des A uthentizitätsstrebens in allen denkbaren V erw irklichungsbereichen: m eta physisch, erotisch, künstlerisch, sozial, bis hin zur Sprache. Der erste K onflikt W erthers m it seinem Chef ist ein sprachlicher: Der G esandte will ihm seine Inversionen nicht durchgehen lassen ... VII. Doch ich will hier nicht repetieren, was zur Sprache der Sturm - und Drang-Zeit zu sagen w äre, sondern ich will zum A bschluß auf die längerfristig, bis in die Gegenwart w irkende T endenz hinweisen, die in dieser Periode erstm als deutlich greifbar w ird. Sprachliche Norm ierung und N orm ierung der W irklichkeit zum Zwecke der Berechenbarkeit und Intersubjektivität gehen im m er Hand in H and. Und seit jener 120 ersten binnenbürgerlichen Rebellion wird es im m er w ieder Bewegungen geben, welche die zum Zwecke der N orm ierung reduzierte K om plexität w iederherstellen w ollen. W ahrscheinlich verdankt die bürgerliche Gesell schaft gerade diesen R ebellionen ihre bem erkensw erte Ü berlebensfähig keit, denn sie halten die N orm en locker und erm öglichen die Anpassungen an neue S ituationen. Jede der vielen T odesannoncen der bürgerlichen Gesellschaft läutete in W irklichkeit eine neue M etam orphose ein. Mit dem Sturm und Drang beginnt eine A rt F u n k t i o n s d u a l i s m u s der L iteratur offenkundig zu w erden (vorhanden war er in A nsätzen schon im m er), — der bis in die G egenwart reicht, eng m it dem F unktionsdualis mus einer recht verstandenen ‘S prachkultur’ zusam m enhängt und le tz t lich die Ratio der bürgerlichen Gesellschaft, ihre Beweglichkeit m itbe gründet. A uf der einen Seite gibt es eine F unktion von L iteratur, die ich als subsi diär bezeichne. Diese F unktion dom iniert sow ohl in der G ottsched-Z eit als auch in der G ellert-Zeit, und sie dom iniert überall da, wo L iteratur in den D ienst einer bestim m ten Sozialisation gestellt w ird. Sie u n te r stützt die Standardisierungen der W irklichkeit wie die der Sprache. Sie m acht bei w eitem den H auptanteil des G ebrauchs von L iteratu r bis in die G egenwart au s: A uch sogenannte ‘kritische’ L iteratur ist subsidär, w enn sie zur Stabilisierung des W irklichkeitsbildes oppositioneller Zirkel dient. — Daneben aber gibt es eine zw eite F unktio n von L iteratur, die ich als kom plem entär bezeichne und die erstm als in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts m it M acht herv o rtritt. Sie zielt au f die jeweils u n beleuchtete Seite der W ahrheit, auf das, was bei den Problem lösungen der jeweiligen R ationalität vernachlässigt, verdrängt, als irrelevant bei seite gestellt w urde. Ihr S pektrum ist so w eit wie der Raum , der bei der jeweiligen R eduktion von K om plexität ausgeblendet w urde und gerade deshalb die M enschen beunruhigt. Er reicht von der ‘sym bolisch-augen blicklichen O ffenbarung des U nerforschlichen’, wie G oethe es nennt, über die sozialen und psychischen K osten unserer Problem lösungen bis hin, zum Beispiel, zum unversorgten Problem des Todes. Falsch jedoch wäre es, diese zweite, in fortschrittlichen Milieus auf A n hieb attraktiver erscheinende F unktion d irekt erfassen zu wollen und nur ihr unsere Pflege angedeihen zu lassen. G erade die erste, die subsi diäre F unktion begründet, wie eh und je, Intersubjektivität, und dieses G eschäft sollte man n icht den P roduzenten von ‘Dallas’ allein über lassen. Die ‘A usdruckskraft’ der N orm abw eichung w irkt nur deshalb, weil sie die N orm voraussetzt und ein z u s ä t z l i c h e s Register ist; nicht U nfähigkeit, sondern nur das souveräne — zum indest passive — 121 Beherrschen der N orm m acht die A bw eichung zu einem A kt der Freiheit. Mag sein, daß institutioneile Sprachnorm ung sich auch heute noch in derselben Begründungsnot befinden wie zu Zeiten G ottscheds und A de lungs und sich, wie diese, dem V orw urf der Pedanterie aussetzt. Die arbiträren Elem ente einer Einzelsprache sind nicht strik t begründbar, und die Begründungen der m otivierten Elem ente sind zum eist nur als Esels brücken zu gebrauchen. Scheinrationale D etailbegründung verdeckt hier nur, was, wie bei G ottsched und Adelung, die eigentliche Quelle der N orm ist: T radition, die nicht begründbar, doch der kritischen Weiterführung zugänglich ist. ‘Begründet’ ist S prachkultur nur in der U nentbehrlichkeit einer R eduktion von K om plexität für jede Verständigung, und in der N o t w endigkeit zugleich, diese R eduktion nicht zur Bornierung verkom m en zu lassen, sondern ein möglichst hohes Maß an D ifferenzierung zu erm ög lichen. So kann sie auch an die K om plem entär-Funktion von D ichtung anknüpfen. Denn anders als G ottsched und Adelung können wir uns auch d o rt auf die ‘b esten’ S chriftsteller berufen, wo es n icht n u r um die D urch setzung einer N orm , sondern auch um deren Relativierung geht. Selbst die Wilhelminische Klassikerpflege m ußte G oethes norm enverw irrende Sprachmagie m it-transportieren,und selbst der Büchmannisierte Schiller en th ält noch die ‘C ntrebande’ der Freiheit. Wenn ‘S p rach k u ltu r’ beides will, Einübung von N orm en und Locker-H alten der N orm en, wird sie sich in besonderem Maße am Beispiel der Poesie orientieren können. L iteratur Berger, Günter, u.a.: In terpretation als Gesellschaftsgeschichte. Anm erkungen zu Heinz Schlaffer: Der Bürger als Held, in: K indt, W alther/Schm idt, Siegfried J. (Hrsgg.), Interpretationsanalysen, M ünchen 1976, S. 145 - 165. Beutler, Ernst: Das Goethesche Familienvermögen von 1687 — 1885, in: E m st Beutler, Essays um G oethe, Bremen 1957, S. 389 -4 0 0 . 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Was das Ja und seine Folgen angeht, wissen wir aus der biblischen G eschichte bescheid. So also h at die V ertreibung aus dem Paradies begonnen, daß Evas Apfel zum A dam sapfel w urde, daß eine K om m unikation ohne Zwischen töne, die digitale, an die Stelle des R eichtum s jener anderen trat. Mir scheint, daß sich heute diese ärm ere in der schulischen Bildung fortsetzt. Und dam it bin ich beim Them a. Die W örter, die zu dem T hem a “ Sprachkultivierung in der schulischen Bildung” zusam m engestellt w urden, sind vieldeutig und determ inieren sich auch in dieser Zusam m enstellung n icht zur Eindeutigkeit. Für die w ichtigsten von ihnen, Bildung und K ultur bzw. Kultivierung, gab vor zw eihundert Jahren Moses M endelssohn in seiner A ufklärungsschrift fol gende Erklärung: “ Die W orte Aufklärung, K ultur, Bildung sind in unserer Sprache noch neue Anköm m linge. Sie gehören vorderhand bloß zur Büchersprache. Der gemei ne Haufe versteht sie kaum . Sollte dieses ein Beweis sein, daß auch die Sa che bei uns noch neu sei? Ich glaube n ich t.” ' Der Sprachgebrauch habe, so m eint M endelssohn, die G renzen zwischen den Inhaltsseiten der W örter noch nicht endgültig gezogen. Er schlägt vor, Bildung als O berbegriff zu w ählen, K ultur und A ufklärung als Un terbegriffe auf einer Ebene. K ultur sei m ehr auf das Praktische gerichtet, Fertigkeiten, S itte, B rauchtum ; A ufklärung sei auf das Theoretische ge rich tet, w issenschaftliche E rkenntnis vor allem. Beide seien subjektiv als Fähigkeiten der G esellschaftsm itglieder zu verstehen, K ultur dann als Kultivierung auch, objektiv als Ergebnis der A nw endung eben dieser Fä higkeiten. Bildung ist also im m er nach Mendelssohns Verständnis auch auf W issenschaftsorientierung gerichtet. 125 K ultur ist im folgenden als die A useinandersetzung der G esellschaftsm it glieder um eine konsensfähige D eutung der W irklichkeit und Begründung ihres Handelns gesehen. Dabei geht es um eine Verständigung über die Be ziehungen der Beteiligten untereinander, ihre Beziehung zu sich selbst und zur äußeren N atur. Die Interpretation dieser Beziehungen geschieht in Symbolisierungen verschiedenster A rt, von denen die Sprache die w ich tigste ist. N ennt man diesen Prozeß aber einen V erständigungsprozeß, dann besteht die G efahr, ihn als herrschaftsfreien Diskurs zu deuten. Tatsächlich greifen in ihn aber diejenigen, die an M itteln der H errschaft teilhaben, über Selektionen und S ubstitutionen lenkend ein. Diese sind im Bereich der Schule bei uns vor allem der Staat, der über O rganisation und Inhalte des U nterrichts bestim m t. “ Schulische Bildung” ben en n t al so jene widersprüchliche Einheit von A ufklärung und K ultur einerseits und H andhabung selektiver und substituierender M echanismen zur Si cherung der H errschaft andererseits. Diese widersprüchliche Einheit er scheint in der G eschichte des D eutschunterrichts in welchselnder G estalt. Ich w erde im folgenden die vier G esichtspunkte dazu herausgreifen, die nach m einer Einschätzung gegenwärtig die w ichtigsten sind. Ihre Beach tung führt zu dem Ergebnis, daß in der schulischen Bildung das G edachte an die Stelle des D enkens, das F orm ulierte an die Stelle des Form ulierens zu treten droht, w enn nicht schon getreten ist. Diese vier G esichtspunkte sind: — das V erständnis des Sozialen als national; — die D om inanz der Z entralkultur gegenüber anderen kulturellen Tätig keiten; — die U nbestim m theit der Inhalte des D eutschunterrichts; und — die F lucht ins Einfache. Ich habe an anderer Stelle den kulturtheoretischen Rahm en für diese Auswahl ausführlich begründet: inw iefern näm lich schulische Bildung als V eranstaltung der zentralen K ultur die Spannung zwischen Spielraum und Festlegung nur bew ahren kann, w enn sie in ihren Bildungsbegriff A ufklärung einschließt; andernfalls verkom m t K ultur zur Anpassung ans S elektierte und S ubstituierte gem äß H errschaftsinteressen.2 Das V erständnis des Sozialen als national Es geht hier um jenes spezifisch deutsche Problem , das sich seit dem Aus gang des 18. Jahrhunderts stellt und das H elm uth Plessner als das der “verspäteten N ation” beschrieben h a t.3 Die verspätete staatliche Eini gung hat das Selbstverständnis der D eutschen als K ulturnation gefördert, 126 so daß Sprache und L iteratur als integrierende K räfte eine übertriebene Bedeutung erhielten, die B edeutung der G esellschaft für diese Integra tio n aber verdeckt w urde. In der Sprache M endelssohns k ö n n te man sagen, daß in der Bildung bei uns die K ultur die A ufklärung über lagerte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts geht es hinsichtlich der M utter sprache im G ym nasium noch um die R echtfertigung m uttersprachlichen U nterrichts gegenüber dem Latein als “ Einheitssprache der G ebildeten” . Man findet z.B. in der Schulschrift des G ym nasium s Essen von 1829 die M uttersprache als “das Palladium eines V olkes” dargestellt4 , die letzte In stitution, die die nationale Id en tität verbürgen kann. Im Rahm en des Liberalismus, der sich um das Paulskirchen-Parlam ent entw ickelte, ge w innt die N ationalerziehung einen neuen A kzent. Der Patriotism us der 48er war au f Reichseinigung gerichtet und zugleich gegen Fürstenherr schaft gew andt. Für sie w ar die nationale Einigung identisch m it einer gesellschaftlichen Liberalisierung, einer Entw icklung zur D em okratie hin. So b e to n t Diesterweg (1790-1866), der wegen seiner Liberalität in Reli gionsdingen 1850 aus preußischen D iensten entlassen wurde, daß nicht die Zugehörigkeit zu Einzelstaaten entscheidend sei, sondern die Einheit der D eutschen.5 In der w ilhelm inischen Zeit gew innt dann die Besinnung auf die nationale B edeutung der M uttersprache jene nationalistische Be tonung, die O tto Lyon m it dem bösen Schlagwort “Vom Humanismus zum G erm anism us” b enannt hat. D am it ist gleichzeitig ein antirationalisti scher, antiaufklärerischer A ffekt verbunden. Solches G edankengut bleibt auch nach Niederlage und U m gestaltung des Staates 1919 wirksam. Ab 1920 erscheint die “ Zeitschrift für D eutschkunde” , 1922 wird die “ D eut sche O berschule” eingerichtet. Die D eutschkunde w ollte in L iteratur und Sprache den deutschen N ationalcharakter auffinden und stärken — durch w issenschaftliche Forschung wie durch schulischen U nterricht. Dabei m einte der D eutschdidaktiker W alther Seidem ann, man könne innere Sprachbildung so gestalten, daß die Schüler über die “ innere S prachform ” ihrer nationalen Eigenart gewiß w ürden.6 Der endgültige Bruch m it der hum anistischen T radition aus A ufklärung und Klassik geschieht dann im N ationalsozialism us, der das N ationale ins Rassistische pervertierte, Wis senschaftsfeindlichkeit als V olksnähe ausgibt. Und nach der Zeit der Ver brechen schreibt z.B. R udolph Prestel in der zw eiten Auflage seiner Di daktik 1963: “Der Weg des 19. Jahrhunderts führt nicht über Diesterweg, auf dessen päda gogischer Saat zuviel Flugsand eines verspäteten Aufklärungsrationalism us liegt ...” 7 Was m it “ Flugsand des R ationalism us” gem eint ist, spricht W alther Seide mann in der 4. Auflage seiner D idaktik so aus: 127 “ Die Einheitsschule (wir würden heute Gesam tschule sagen, F.H.) ist nicht n ur und sogar nicht in erster Linie eine bestim m te Schulgliederung, sondern ein Bildungsgrundsatz. Sie will als Vorbedingung für die Volkseinheit die E inheit der Erziehung zur deutschen K ultur.” 8 Ursprünglich war die Einheitsschule verstanden als eine Schulform , in der klassen- bzw. schichtspezifische U nterschiede ausgeglichen werden sollten. Das ist bei Seidem ann gar n ich t m ehr das Them a, sie gelten bei ihm als überw unden, w enn bei allen unterschiedlichen Interessenlagen die Einheit im N ationalen erreicht wird. Das Problem ist nicht, daß Sei dem ann offenbar nicht für die Einheitsschule (G esam tschule) ist, darü ber wäre m it A rgum enten zu streiten und gegebenenfalls zu unterliegen. Das Ungebildete, weil A ufklärungslose an dieser Ä ußerung ist vielmehr die V erschiebung des sozialen Problem s der Bildungschancen ins N atio nale; im Gefolge davon wird dann die V olkskultur so einheitlich gesehen, wie sie gerade aufgrund der U ngleichheit der Gesellschaftsm itglieder nicht ist. Und heute? In dem neuesten, w enn auch n icht m odernsten D eutsch-Lehr plan der Bundesrepublik, der zur L ehrerfortbildung freigegebenen End fassung des revidierten Lehrplans von Baden-W ürttemberg, findet man zu dem hier behandelten A spekt unseres Problem s au f S. 32 einen wichtigen Hinweis. Es geht dabei für Klasse 10 um eine Aufgabe im “A rbeitsbereich 3: Sprachbetrachtung und G ram m atik”. Diese A ufgabe ist so form uliert: “ Die deutsche Sprache in den beiden deutschen S ta ate n : die sprachliche Ein heit als A usdruck einer gemeinsamen G eschichte und K ultur. Tendenzen der Sprachentw icklung in beiden deutschen S taaten.” ^ Das ist ein wichtiges T hem a für den D eutschunterricht. Hier aber w irk t es wie ein Irrläufer, weil es im Zusam m enhang m it dem Lernziel steht, die geschichtliche Dim ension der Sprache an D ialekten zu erkennen. D arauf wird dann später ausdrücklich Bezug genom m en, es wird hingewiesen auf “ Bevölkerungsbewegungen nach dem Krieg” . 10 Dazwischen steh t aber, als ob es sich um das gleiche handelte, der Hinweis auf den “ Vergleich von W örterbüchern West und O st” 11, w odurch zwei Dinge verm engt w er den: einerseits das Problem der historischen Entw icklung von D ialekten, auch infolge von politischen Entscheidungen; andererseits das Problem der A useinanderentw icklung des w estdeutschen und des ostdeutschen D eutsch, sofern diese überhaupt besteht, die nach m einem V erständnis auf andere Vorgänge zurückzuführen ist. Da geht es n ich t um D ialekte, sondern um Sprachveränderung aufgrund von unterschiedlichen Entw ick lungen gesellschaftlicher System e. O ffenbar überlagern hier nationaler zieherische Interessen die fachlich bestim m ten A ufgaben des D eutschun terrichts. Der E indruck der Verwischung von politischen und fachlichen 128 G esichtspunkten wird an anderer Stelle bestätigt, d o rt näm lich, wo die “deutsche Frage” erneut beschw oren wird: “ Deutsche Frage: geistesgeschichtlich-kulturelle Zusammenhänge Süddeutsch land —M itteldeutschland. (Schiller, G oethe, W ieland).” 12 Das k ip p t ins G roteske. Für die angespielten geistesgeschichtlich-kulturel len Zusam m enhänge zwischen Süddeutschland und M itteldeutschland waren soziale Gründe entscheidend, zum indest m itentscheidend, oder wissen die Lehrplanm acher Baden-W ürttembergs wirklich nicht, was G oethe z.B. nach Weimar führte und wie sein V ater das beurteilte? Da tau ch t, noch verhüllt, diese alte Denkfigur auf, in der das Soziale natio nal-kulturell interp retiert w ird. Deshalb m uß m an sagen, daß der BadenW ürttembergische D eutschlehrplan zwar der neueste, aber n ich t der m o dernste ist. Ich benutze ihn tro tzd em als Beispiel, weil er nach meiner Einschätzung zur Zeit der kulturell-politische trend-setter ist. Er u n te r drückt an der schulischen Bildung die A ufklärung und verhindert auf die se Weise sprachliche Kultivierung. Die D om inanz der Z entralkultur gegenüber anderen kulturellen Tätig keiten Die G eschichte des D eutschunterrichts ist von frühesten Zeiten an von dem Problem begleitet, wie das V erhältnis von H ochsprache zu D ialekt, von H ochkultur zu V olkskultur zu bestim m en sei. Diesterweg sah das Problem im Zusam m enhang m it den sozio-kulturellen Chancen, die Schüler(innen) über den Besitz der H ochsprache gewinnen. Er meinte, wohl m it R echt, daß auch die Schüler der U nterschicht fähig sein müß ten, jene überregionale Sprache zu verstehen und zu gebrauchen, in der relevante gesam tgesellschaftliche Inhalte diskutiert w erden. Was er nicht in Rechnung stellte, war die Gefahr, daß bei einem “ H inauferziehen” zu Hochsprache und H ochkultur im m er der Preis des V erlustes kultureller O ppositionen und A lternativen gezahlt wird, die besonderen Lebenswel ten regionaler oder sozialer A rt en tsp re ch e n .13 Das V erständnis von sprachlicher K ultivierung als “H inauferziehen” legt es auch nahe, an die Stelle der Befähigung zu kultureller T ätigkeit die Anpassung an die an erkannte K ultur zu setzen. Seit Beginn eines eigenständigen D eutschun terrichts wird dieses Problem u n te r zwei V oraussetzungen diskutiert. Für die eine kann die A uffassung A ugust H erm ann Niem eyers stehen, der K ant und Pestalozzi verpflichtet war, aber stets vor der Ü berschät zung form aler Bildung w arnte. Er lebte übrigens von 1754-1828, war ein Enkel Franckes und zuletzt D irektor der Franckeschen Stiftungen: 129 “ In Familien, wo gut gesprochen wird, ist die Übung nicht so lange nötig als in den Volksschulen. Hier ist sie zugleich ein M ittel, Kinder des Volkes zu gewöhnen, den Lehrer, der ja im D eutschunterricht und auf der Kanzel sich nicht ihres gemeinen platten H austons bedient, sondern richtig Hoch deutsch spricht, recht verstehen zu lernen.” 1^ Der Erwerb der H ochsprache steht bei ihm im D ienste des Zugangs zu den Bereichen des Wissens, die wegen ihrer überregionalen B edeutung hochdeutsch verm ittelt w erden; im Dienste der Aneignung gesellschaft lich ungleich verteilten Wissens, das die G esellschaftsm itglieder entspre chend ihren Bedürfnissen erw erben wollen oder erw erben müssen. Die ser volkserzieherischen Position ste h t eine A uffassung gegenüber, die die schichtspezifischen Sprachunterschiede bestehen läßt, indem den Schulform en des dreigliedrigen Schulsystems je eigene Aufgaben der sprachli chen Kultivierung zugewiesen werden. 1852 weist z.B. von Raum er darauf hin, daß die Sprache der K inder aus gebildeten Fam ilien eh schon der Hochsprache nahestehe, so daß man für die sprachliche Kultivierung die ser K inder weniger Zeit aufw enden müsse.15 Noch 1951 stellt F reuden thal fest, daß die volkstüm liche Sprachbildung den Sprachbedürfnissen der “ L aien” , des “gem einen M annes” genügen müsse und daß alles, was darüber hinausführe, in der Volksschule überflüssige Liebesmüh s e i.16 U nter solchen V oraussetzungen wird “volkstümliche Sprachbildung” zum Ersatz für soziale Chancen. So etw a h atten sich auch die N ationalsozia listen die Verteilung sozialer G ratifikationen vorgestellt. A ber diese Ver drängung hat in D eutschland nicht nur eine G eschichte, sondern sie ist, wie manche Zeichen verm uten lassen können, auch andauernde Gegen wart. In dem neuesten, ich w iederhole: nicht m odernsten b u ndesdeut schen Lehrplan für D eutsch an G ym nasien, dem von Baden-W ürttemberg, findet man als gymnasialspezifische A ufgabe: “ Im Gym nasium wird die Fähigkeit entw ickelt, theoretische Erkenntnisse nachzuvollziehen, auch schwierige Sachverhalte geistig zu durchdringen sowie vielschichtige Zusammenhänge zu durchschauen, zu ordnen und ver ständlich darzustellen. Der Schüler soll über die Beherrschung der M utter sprache und frem der Sprachen zur freien argum entierenden Rede und zur K enntnis unterschiedlicher Sprachstrukturen und M ethoden des selbständi gen Spracherwerbs geführt w erden.” 17 Alle diese Ziele sind gut und richtig — aber sie gelten nicht nur für das G ym nasium , sondern für alle Schularten; gerade die neueste Entw icklung im Bereich der Berufsbildung bestätigt das. Hier aber sind sie ausdrück lich, 1983, dem A bschnitt “Der besondere Erziehungs- und Bildungsauf trag des G ym nasium s” zugewiesen. Bezüglich des Verhältnisses H ochspra che — D ialekt wird unter den Bildungs- und Erziehungszielen des D eutsch unterrichts angeführt: 130 “ — Förderung der A usdrucksfähigkeit in der Hochsprache, wobei die M und art in ihrem Eigenwert anerkannt b leibt.” 1® Die -Begründung für diese Toleranz wird an späterer Stelle gegeben: “Als U nterrichtssprache ist grundsätzlich die Hochsprache zu verwenden. Der Schüler soll sie korrekt und angemessen gebrauchen lernen. M undart sprechende Schüler sollen so zum G ebrauch der Hochsprache hingeführt werden, daß ihre Bereitschaft zur spontanen m ündlichen Äußerung erhalten bleibt und gefördert wird. Durch die V erdeutlichung von Eigenarten und G em einsam keiten verschiedener M undarten kann das V erständnis für die Vielfalt und E inheit des deutschen Volkes vertieft w erden.” 1^ Wieder w erden beherzigensw erte Forderungen verkürzt geboten. Es fehlt näm lich ein Hinweis darauf, daß Dialekt auch soziale U nterscheidungs funktion haben kann. So nim m t es nicht w under, daß unter der Über schrift “ A ufw ertung der M undart” zwar zu lesen ist: “ A ufw ertung der M undart: Zusammengehörigkeitsgefühl, Gefühlswerte, Anschaulichkeit. Beispiele von M undartdichtung und M undarttheater. Eige ne Gestaltungsversuche. Sprachspiele im D ialekt.” 20 U nter den F unktionen fehlt aber der Protest, die genannte soziale U nter scheidungsfunktion und das M undartlied in seiner neuen Form . Dabei handelt es sich bei neuerem M undartgebrauch um einen kulturgeschicht lich und politisch wichtigen Vorgang. Im Gefühl der O hnm acht gegen über den M etropolen geschieht hier — wie auch anderswo — ein Rückzug in überschaubare Lebensw elten m it erlebbarer Zusam m engehörigkeit, auch sprachlich. Es treten d o rt sym pathetische Beziehungen anstelle der rationalen, die angemessen wären, um die Z entralm acht besser zu kon trollieren. Und dieses Problem soll n icht in den Zusam m enhang des “ Spre chens über D ialekt” in Klasse 10 gehören, bei im m erhin 16jährigen Schü lerinnen und Schülern? N ation und Volk sta tt G esellschaft: K ultur ohne A ufklärung verkom m t zur Halbbildung und, wie je tz t zu zeigen ist, in der sprachlichen K ultivierung zur norm gerechten O berflächlichkeit. In dem Baden-W ürttembergischen Lehrplan sind Lernziele und Inhalte verbindlich. Dabei treten besonders in Kasten eingerahm te Anweisungen hervor. Von diesen gelten zwei der Rechtschreibung, sechs sind Hinweise, daß die Hälfte der Zeit für L iteratur aus dem Lektüreverzeichnis verw andt w erden m uß, siebenm al wird die V erpflichtung ausgesprochen, daß bei der Textausw ahl G oethe und/o d er Schiller zu berücksichtigen sind, ein mal, daß verschiedene G attungen beachtet w erden müssen.21 Hier bestä tigt sich: Ziel ist die Anpassung der Schüler an die zentrale K ultur, nicht die Befähigung zu kultureller Tätigkeit. Erbe sta tt Erwerb. 131 Die Unbestimmtheit der Inhalte des Deutschunterrichts Im Unterschied zu allen anderen Fächern in der Schule h at der Sprach u n terricht innerhalb des D eutschunterrichts keinen Inhalt, der Schülerin nen und Schülern in der Weise frem d wäre, wie dies in Frem dsprachen oder Sachfächern der Fall ist, auch der M athem atik. (Im L iteratu ru n ter richt innerhalb des D eutschunterrichts stellt sich das Problem anders). Dieser Sachverhalt führt zu der Frage, ob der Inhalt des m uttersprachli chen Sprachunterrichts eher form al oder inhaltlich zu bestim m en ist. Das gilt sowohl für die produktiven wie für die analytischen T ätigkeiten, also für Sprachkultivierung in den A rbeitsbereichen Sprechen und Schrei ben ebenso wie für die Sprachkultivierung im Bereich von Sprachbetrachtung und G ram m atik. N iem eyer, den wir schon als sozialbew ußten Volks erzieher kennengelernt haben, erklärt die A ufgabe der Sprachkultivierung, ausgehend vom gebildeten Sprechen in m anchen Fam ilien, so: “Jener bildende Umgang wird ja bei w eitem n icht allen zuteil. Überdies hat die Bekanntschaft m it den Sprachgesetzen an sich selbst etwas Geistbilden des, und es ist schon als V erstandesbeschäftigung von hohem Wert; außer dem bekom m t jede Fertigkeit einen desto höheren, je m ehr man sich der Gründe deutlich bew ußt ist.” 22 Hier geht es darum , daß die sprachlichen R egularitäten der Syntax, Se m antik, Pragm atik ebenso wie die kulturell verm ittelten H andlungsm u ster des Sprechens und Schreibens n icht einfach blind vollzogen, sondern erkannt und in ihrer F unktion verstanden w erden können. Reflexivität des eigenen H andelns steh t hier im Zentrum der Sprachkultivierung. Dem steh t eine Begründungsfigur für die Beschäftigung m it der S tru k tu r der M uttersprache gegenüber, die um die Jahrhundertw en d e w eit ver b reitet war und bei der es darum geht, in der S tru k tu r der M uttersprache den nationalen Geist w iederzufinden und darin das Individuelle als na tional zu erkennen.23 Niem eyers Position, deren Reflexivität den Irr tu m nahelegt, Beschäftigung m it Sprache könne ein “T urngerät des Gei stes” sein, reflexive S prachbetrachtung und Bew ußtw erdung des eige nen sprachlichen H andelns könne abgelöst von Inhalten und S ituatio nen geschehen, w urde häufig als Form alism us und Intellektualism us diffam iert. In der heutigen Diskussion wird Sprachkultivierung w eitge hend als solche R eflexivität verstanden, und es ist die schon bei D iester weg zu erkennende funktionale S prachbetrachtung24 anerkannt. Sprach kultivierung zielt dann darauf, bei der Analyse und P roduktion von T ex ten nicht nur auf den sprachlichen K otext, sondern auch auf den situa tiven K ontext Bezug zu nehm en. Die Entw icklung der Pragm atik und der Gesprächsanalyse h at da neue M öglichkeiten für den U nterricht vor- 132 bereitet. Die konsequente Entw icklung einer didaktischen Sprachlehre im Bereich von S prachbetrachtung und G ram m atik ebenso wie von Spre chen und Schreiben scheitert aber bis heute daran, daß die Lehrpläne aller Bundesländer für die Sprachlehre gram m atische Inhalte vorschrei ben, die die traditionelle Schulgram m atik w iederholen. Schulbücher m it eigenen, neuen A nsätzen k önnten gar nicht zugelassen w erden. Dabei folgt man zudem einer bundesw eit erfolgten Term inologieregelung der KMK, durch die z.B. die V alenzgram m atik ausgeschlossen wird. Herr Wimmer hat in einem G utachten dieses In stituts deutlich darauf hinge w iesen.25 Der Lehrplan von Baden-W ürttemberg bleibt bedauerlicherw eise in dem traditionellen W iderspruch verstrickt, daß er einerseits funktionale Sprachund T extbetrachtung ausdrücklich fordert, andererseits den S to ff der Schulgram m atik ebenso verbindlich m acht wie die traditionellen Schreib m uster. Da w erden Inhalte K lassenstufen zugeordnet, als ob in S tu ttg art jem and w üßte, was sonst keiner w eiß: in w elchem A lter K inder heute z.B. sprachliche M odalitäten unterscheiden können; in Klasse 6 bestim m t n icht, in Klasse 7 vielleicht, in Klasse 8 ganz bestim m t? Das mag der Schulaufsicht helfen, der Sprachkultivierung dient so etwas nicht, weil die Bedürfnisse der Sprecher sich nicht nach Lehrplanregelungen richten. Die F lucht ins Einfache Die Frage nach der — wie man so sagte — “ verständlichen” Form ulierung spielte in den A useinandersetzungen um die Hessischen R ahm enrichtlinien eine wichtige Rolle. Häufig war m it diesem A rgum ent etwas anderes als “V erständlichkeit” gem eint, wie die o ft w iederholte Gleichsetzung von “ unverständlich” und “soziologistisch” zeigt. Es geht dabei um die Frage, w ieweit die fachliche, und das heißt im m er a u c h : die fachsprachliche Form ulierung eines Lehrplans gehen darf. Ist es richtig zu verlangen, daß E ltern und Schüler den sie betreffenden L ehrplan auf A nhieb verstehen können müssen? Zwar bedürfen wir heute nicht m ehr der Forderung nach W issenschaftlichkeit, weil es den m uttersprachlichen U nterricht gegen den L ateinunterricht zu verteidigen gälte. Wohl aber brauchen wir Wissenschaftsorientiertheit, w enn der m uttersprachliche U nterricht nicht völlig willkürlich von denen bestim m t w erden soll, die gerade über die politische M acht verfügen. Wir haben ja erlebt, was dabei herauskom m t, daß näm lich am Ende einer nationalistischen Erziehung eine rassistische stand, die M illionen von M enschen das Leben gekostet hat. Auch die R eklam ation der Erfahrung des Kindes kann in diesem Zusam menhang nicht stechen. Der Gegensatz E rfahrung des Kindes und Wissen133 4 Schaft ist Ergebnis einer antirationalistischen, antitheoretischen Einstel lung, er existiert nicht tatsächlich. Denn auch das Schulkind b au t seinen Wissensbesitz m it Hilfe von Begriffen auf, kann darüber nur verfügen, wenn er geordnet ist, und lernt nur dazu, w enn der L ernprozeß folge richtig und klar überschaubar gestaltet wird. Zwar kann die Bedeutung eines Wissensstoffes in der Wissenschaft anders akzentuiert sein als im Leben, deshalb ist ja die didaktische R eflexion nötig. Alle anderen Ge genüberstellungen verweisen aber auf einen antiw issenschaftlichen A ffekt, der dem U nterricht nicht dient. Denn nur m it Hilfe von Wissenschaft kann man etwas über die reale Lebensw elt von Kindern erfahren; ohne sie muß man sie aufgrund einer Ideologie postulieren. Das Problem der F lucht in die E infachheit spiegelt sich oft in F ord eru n gen, die die Ö ffentlichkeit an Lehrpläne stellt. Der neue Lehrplan BadenW ürttemberg scheint die F orderung nach E infachheit zu erfüllen, nicht zuletzt auch durch seine Kürze. Prüfen wir das an einem Beispiel. Das Lernziel für den d ritte n A rbeitsbereich, Sprachbetrachtung und Gram matik, für Klasse 5 lautet: “Die Sprachbetrachtung dient dem V erständnis sprachlicher Äußerungen, dem Einblick in Gesetzm äßigkeiten und A usdrucksm öglichkeiten der M ut tersprache sowie der Einsicht in Leistungen und Funktionen der Sprache. Dam it soll sie auch zur A usdrucksfähigkeit und zur Sicherheit im Sprachge brauch beitragen. Die Schüler lernen Bedeutungsfunktionen und Bauformen einfacher Sätze sowie Zusammenhänge und Gliederungsm öglichkeiten des W ortschatzes kennen. Sie lernen gram m atische Kategorien und üben ihre A nw endung bei der Erklärung sprachlicher Ä ußerungen.” In der verbindlichen Inhaltsspalte steht dann zunächst: “Wesentliche F unktionen der Sprache im Sprachgebrauch M itteilung, Verständigung und sprachliches H andeln.” V on den Inhalten der Zielangabe finde ich in der Inhaltsspalte alle die wieder, die m it G ram m atik im traditionellen Sinne zu tun haben, sie le sen sich wie ein A usschnitt aus dem Inhaltsverzeichnis des G rammatikSchülerduden. Ich zitiere: “ Syntax, A rten des einfachen Satzes: Aussage-, Frage-, Aufforderungs-, Aus rufesatz; Satzglieder: Subjekt, Prädikat, O bjekt (Genitiv-, Dativ-, Akkusativ objekt); Satzzeichen ...; W ortarten, Substantiv und Artikel, Verb: Infinitiv, Personalform en in Ver bindung m it Personalpronom en; Im perativ und andere Form en der A uffor derung; Tem pora (Präsens, Präteritum , Futur), Pronom ina und ihre Bedeu tungsbeziehungen im T ext: Personal-, Possessivpronomen, Präpositionen, Fragewörter, Bedeutungslehre, W ortfamilie, W ortfeld.” 26 134 Das ist so eine Stelle, von der ich vorhin sprach, durch die die trad itio nelle Schulgram m atik ewig w iederholt wird, über die Term inologierege lung sogar u n te r A usschluß m öglicher kleiner Verbesserungen. Die vorher zitierte Stelle: “W esentliche F unktionen der Sprache, Sprachgebrauch; M itteilung, V erständigung und sprachliches H andeln” stellt aber einige Problem e: “M itteilung” ist offenbar aus dem Modell der Faktoren und F u nktionen der K om m unikation in den Plan geraten, “ sprachliches H an deln ” könnte ein O berbegriff für Mehreres sein, und “V erständigung” bleibt offen. “ V erständigung” findet man in einschlägigen Hilfsm itteln n ich t oder nur als A bleitung oder m it Zusätzen. Sollte hier m it “ V erstän digung” etwa “ K om m unikation” gem eint sein, aber irgend ein Goggelmoggel — Sie kennen ihn aus “Alice hinter den Spiegeln” — h ätte das W ort verboten? — Jedenfalls stehen die im Plan gereihten W örter nicht auf einer begrifflichen Ebene. Ich h ätte stattdessen geschrieben: “ Faktoren und Funktionen der K om m unikation: Sprecher (Ausdruck) — Angesprochener (Appell) — Gegenstände und Sach verhalte (Darstellung). Sprache und Sprechen in alltäglichen S ituationen.” Ich halte das für eine bessere, sachlichere, klarere und eine theoriebezo gene Form ulierung, die das V erständnis der Laien nicht ausschließt. Der Fachm ann, der der Lehrer doch wohl im m er noch sein soll, weiß, in wel chem Zusam m enhang das alles steht. Die Form ulierung des Lehrplans ist nur scheinbar volkstüm licher. Sie gibt den Theoriebezug auf, ohne sachlich verständlicher zu sein. Z ieht man A ufklärung von Bildung ab, dann bleibt offenbar n i c h t K ultur übrig, sondern etwas, was eben je ner Goggelmoggel als “ K u ltu r” zu definieren sich anm aßt. A uf den A usschnitt aus dem Inhaltsverzeichnis des Schüler-Duden will ich nicht eingehen. A ber w arum steht da z.B. “ B edeutungslehre” sta tt “ S em antik” , vorher aber “ S y n tax ” sta tt “ V erknüpfungslehre” ? Wer be stim m t eigentlich diese Willkür? Einfach ist schwer. Nur überzeugende E infachheit erw eckt das V ertrauen, daß es um Sprachkultivierung, nicht um andere, m ehr oder weniger vordergründige Ziele gehe. Wenn meine V erm utung stim m t, daß es sich bei diesem Lehrplan um einen kulturpolitischen trend-setter handelt, dann wird von sprachlicher K ultivierung in der schulischen Bildung in Z ukunft kaum noch die Rede sein können. 135 Ich fasse zusam m en: V ersteht man un ter “ Bildung” m it M endelssohn die Einheit von K ultur und Aufklärung, dann ist sprachliche K ultivierung ohne A ufklärung, o h ne Wissenschafts- und Theoriebezug nicht möglich. Aus der Entw icklung des D eutschunterrichts kann m an vier Tendenzen erkennen, die die V erknüpfung von K ultur und A ufklärung gefährden, nämlich: — das Verständnis des Sozialen als national. Die deutsche Teilung legt das Selbstverständnis der D eutschen als K ulturnation erneut nahe und könnte diese unheilvolle T endenz auch w eiterhin fördern. — die Dom inanz der Z entralkultur gegenüber anderen kulturellen Tätig keiten. Freilich braucht eine Gesellschaft wie die unsere eine Standard sprache, die die V erständigung über die sprachlichen V arietäten hinweg erm öglicht. Zu sprachlicher K ultiviertheit gehört aber, daß die Sprecher dadurch nicht den (sub)kulturellen A usdrucksform en en tfrem det und dieser gar beraubt w erden, weil der Anpassungsdruck an die Z entralkul tu r zu stark wird. V or allem gehört zu sprachlicher Kultivierung heute auch die Fähigkeit, die eigene Sprache in der verfrem deten Form als Me dium der Verständigung anzunehm en, die sie im M unde von A usländern haben kann; im M unde von Ausländern geringer A usbildung vor allem und solchen, deren M uttersprache ganz anders ist als die unsere. — die U nbestim m theit der Inhalte des D eutschunterrichts. Gegenstand des D eutschunterrichts ist die M uttersprache im gesellschaftlichen V er kehr. Der Zusatz “im gesellschaftlichen V erkehr” ist gegen zwei Verkür zungen gerichtet. Z unächst dagegen, daß bei B etrachtung der m u tter sprachlichen Eigenheiten dieselben als integrierende K raft außerhalb der gesellschaftlichen Handlungsbedingungen gedeutet w erden. D ahinter steh t ein V erständnis von K ultur, das diese außerhalb des realen Lebens sieht, über diesem, sei es nationalistisch, sei es ästhetisierend. Die zweite Verkürzung, gegen die der Zusatz “ im gesellschaftlichen V erkehr” ge rich tet ist, ist das eingeschränkte V erständnis von der Erfahrungsw elt der K inder heute. Sie bedürfen schon als Zehnjährige — natürlich in al tersgem äßer Form — der V orbereitung auf die M odernität. Dabei spielt die Chaotisierung der Erfahrung durch das M edienangebot eine wichtige, im m er noch wichtiger w erdende Rolle. Hinzu kom m t die über den tech nologischen und bürokratischen D enkstil geförderte A usblendung der Frage nach dem Zweck der Zwecke. Sprachliche K ultiviertheit ist hier durch eine Desym bolisierung der Erfahrung bedroht, weil sich an die Stelle eigener Symbolisierungsleistungen von außen angesonnene, nicht rekonstruierbare Sym bolisierungen setzen. Dagegen kann es der Sprach136 kultivierung dienen, w enn kulturelle T ätigkeiten höher bew ertet werden als die A nnahm e kultureller O bjektivationen. — die F lucht ins Einfache. Die Inhalte des D eutschunterrichts können vor allem nicht durch T heorielosigkeit besser bestim m t werden. Stattdessen ist für sprachliche K ultivierung die A rbeit an einer Aufgabe ge fordert, deren Lösung noch n icht abzusehen ist, die Moses Mendelssohn in der frühesten Zeit, da sie sich stellte, aber so charakterisiert hat: Es kom m t stets auf die G rundbegriffe unseres D enkens an. “Ohne diese können wir in keiner Wissenschaft, in keiner Theorie der Kunst den m indesten Schritt tun. Je w eiter wir in unserer B etrachtung gehen, je länger wir gleichsam den Faden ausspinnen, der von diesen ersten Begriffen ausgeht; desto weniger können wir die Folgen m it ihren ersten Gründen zu gleich übersehen, desto m ißlicher wird also jede kleine Unrichtigkeit oder auch nur U nbestim m theit in den ersten G rundbegriffen. So lange wir in un seren Schlüssen noch Begriffe und Worte, Zeichen und Bezeichnetes zugleich denken können, kom m t auf die gar zu genaue Bestim m ung der Grundideen noch so viel n icht an. Hier und da mögen die Umrisse derselben noch schwim m end, die Grenzen nicht auf das genaueste bezeichnet sein, bald dieses, bald jenes Merkmal m ehr oder weniger m it einschließen. Im Grunde sind diese Wegzeichen n icht unsere einzigen Führer, auf die wir uns völlig verlassen. Wir haben vielm ehr noch im m er unsern Ausgangsort in den Augen, und kön nen uns kleine Ausweichungen erlauben; denn wir wissen wieder einzulen ken. Sobald aber die Reihe unserer Schlüsse so lang wird, daß wir uns den bloßen W orten wie algebraischen Form eln anvertrauen müssen, so führt jede kleine Abw eichung am Ende w eit vom Ziele weg; denn wir wissen nicht m ehr, wohin wir einlenken sollen.” 27 Hier finden wir an geschichtlich früher Stelle, in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts, beschrieben, was uns heute als die H errschaft des Sig nifikanten b edroht, die H errschaft des G edachten über das D enken, des F orm ulierten über das Form ulieren. Diese ist die größte Bedrohung der Sprachkultivierung, und es m uß bezw eifelt w erden, daß die Schule ihr hinreichenden W iderstand entgegensetzt. Neigt sie doch dazu, aus Bildung A ufklärung zu elim inieren und sie nach einem willkürlich gefaßten Kul turbegriff zu definieren. Anm erkungen 1 Moses Mendelssohn, Ober die Frage: was heißt aufklären? in: M.M., Gesam m elte Schriften. Nach den Originaldrucken und H andschriften herausgegeben von G.B. Mendelssohn, Leipzig 1843 (N achdruck der Ausgabe 1863: Hildes heim 1972) III, S. 399. 2 Vgl. Franz Hebel, Spielraum und Festlegung, Königstein/Ts. 1979. 3 Helm uth Plessner, Die verspätete N ation, S tuttgart 1959. 137 A. Schrieber, A ndeutungen über den U nterricht in der deutschen Sprache auf Gymnasien, in : Schulschrift Gym nasium Essen 1829, S. 12-14; vgl. da zu auch Juliane Eckhardt, Der Lehrplan des D eutschunterrichts, Weinheim 1979. 5 Friedrich A dolf Wilhelm Diesterweg, Schriften und Reden in zwei Bänden, hrsg. von Heinrich Deiters, Bd. 1, Berlin/Leipzig 1950, S. 75. 6 W alther Seidem ann, Der D eutschunterricht als innere Sprachbildung, Heidel berg 1927 (4. Auflage Heidelberg 1959), S. 84. 7 R udolph Prestel, M ethodik des D eutschunterrichts 2 1963, S. 239. 8 Seidemann (Anm . 6), S. 84. 9 10 Revidierter Lehrplan Deutsch für Baden-W ürttemberg, S. 32. ebd. 11 ebd. 12 ebd., S. 40. 13 Friedrich A dolf Wilhelm Diesterweg, Meinungen über Sprache und Sprach unterricht, besonders über den gegenwärtigen Standpunkt der M ethode des selben, hrsg. von Heinrich Deiters u.a., I. A bt. Bd. 4, Berlin 1961, S. 8-9. 14 August Herm ann Niemeyer, G rundsätze der Erziehung und des U nterrichts für Eltern, H auslehrer und Schulm änner (1787) 2. Teil, Reutlingen ®1827, S. 421. 15 R udolf v. Raum er, Das D eutsche auf dem Gym nasium, in: R. v. R., Geschich te der Pädagogik, Bd. 3 der 2. A btl., Gütersloh 1852, 1897, S. 211. 16 H erbert Freudenthal, Volkstüm liche Sprachbildung, W estermanns Pädagogi sche Beiträge 1951 (3), S. 354. 17 Lehrplan (Anm . 9), S. 3. 18 ebd., S. 7. 19 ebd., S. 11. 20 ebd., S. 32. 21 ebd., S. 5, 6, 10, 11, 15, 20, 25, 29, 39, 44. 22 Niemeyer (Anm. 14), S. 108. 23 Handbuch der Pädagogik Bd. 2, Besondere U nterrichtslehre oder M ethodik des U nterrichts (1898) l 0 1913, S. 285. 24 Friedrich A dolf Wilhelm Diesterweg, Wegweiser für deutsche Lehrer, Bd. 1, Essen 2 1838, S. 334. 25 Rainer Wimmer, IDS-Stellungnahme zu dem “Verzeichnis grundlegender gram m atischer Fachausdrücke ...” , in: IDS-Mitteilungen 9, M annheim 1983, S. 5 ff., insbesondere S. 21 ff. 26 Lehrplan (Anm. 9), S. 7/8. 27 M endelssohn (Anm. 1), V, S. 403. 13 ADOLF MUSCHG Sprachkultur und Literatur Jan Willem van de Wetering, der niederländische, englisch schreibende Verfasser vortrefflicher Krim inalrom ane, h at sich einen Teil seiner Qua lifikation — für m ich: den w ichtigsten — als Schüler eines Zen-Klosters in K yoto geholt. In seinem Erfahrungsbericht “ Der leere Spiegel” refe rierte er die G eschichte eines Mönchs, der S tunde um S tunde dam it zu bringt, den G arten von gefallenem Laub zu säubern. N ebenan haust ein alter, bereits invalider Meister, der ihm bei dieser mühseligen A rbeit zu schaut. Wie sie vollbracht ist, sagt der A lte: Je tz t fehlt n u r noch eins. — Was? will der G ärtner wissen. — Trag mich über den Zaun, dann will ich’s dir zeigen. — Der M önch gehorcht; der A lte schleppt sich zu einem Bäumchen, das noch nicht alles Laub hat fallen lassen, und schüttelt es. Im Nu ist der G arten wieder m it Blättern übersät. — Das! sagt der Alte. Kein ganz unpassender Einstieg zum K apitel L iteratur und Sprachkultur, w enn diese als Sprachpflege im alten Sinn gepflegter N orm en verstan den wird. Wir haben es offensichtlich in unserer Zen-Geschichte m it einem subtileren V erständnis von G artenpflege zu tun. Wobei es ganz falsch, das heißt: ganz unbuddhistisch wäre, sich über den sorgfältigen G ärtner lustig zu m achen. Da soll kein P edant durch Schaden klug, son dern ein from m er T äter durch Geschehenlassen weise w erden. Wenn er bei dieser Gelegenheit erleuchtet w urde, so durch die Erfahrung der Er gänzungsbedürftigkeit des Tuns durch N icht-Tun; noch m ehr: der Zu sam m engehörigkeit, ja der Gleich-Gültigkeit von Position und Negation. Noch etwas m ystischer ausgedrückt: das sorgfältig w eggeräum te und das sorg-los wieder fallende B latt stam m en vom selben Baum. Der Wind, den die Hand des alten Meisters erzeugt hat, ist kein A rgum ent gegen die O rdnung des Gartens, sondern dem onstriert sie — auch sie! — als bewegliche Ordnung. Diese G eschichte hat m ir geholfen, über m eine anfängliche, vielleicht etwas subalterne U nlust an unserem T hem a “ S p rachkultu r” w eiterzu kom m en. Wie jeder, der sich noch durch Schul-G ram m atik und G utes D eutsch, durch m ehrere Disziplinen von Sprachw issenschaft plagen m ußte, habe ich Gründe für diese U nlust, die zum R essentim ent einladen. Es ist leicht, gegen die V ersuche, ins Wasser Linien zu ziehen, die N atur des Wassers auszuspielen, diese N atur wom öglich überhaupt erst in den D ichtern verkörpert zu finden und im Fall, daß m an sich selber 139 dazu zählt, für die eigene A rbeit als F reiheit in A nspruch zu nehm en — als Freiheit vom gepflegten, ja ganz besonders vom gepflegten D eutsch. Natürlich befindet m an sich m it diesem Genie-Anspruch in ansehnlicher Gesellschaft. Zum Selbstverständnis der auf D eutsch L iteraturtreibenden gehört ja m indestens seit dem Sturm und Drang, genauer besehen seit M artin L uther und Jakob Boehme der A nspruch, die eigene Sprache neu zu schöpfen und zu schaffen, inspiriert vom heiligen Geist oder, wenn der nicht m ehr helfen will, vom Teufel — heiße der M ephisto oder Dr. Schleppfuß. K unst will auf D eutsch die Sprache Adams, oder schlank und leicht wie aus dem N ichts entsprungen sein — sie erhebt sich über das Bestehende, das sie wie N ichts behandelt. Einmal h at dieses Nichts “to te K onvention” , “M ode” , “ Regel” , bloß N achahm ung frem der, wo möglich gar “ artfrem der” V orbilder geheißen; ein anderm al aber auch Schulm eisterei, Beckm esserturm , erstarrte Norm . N icht nur auf D eutsch, aber da am ausdrücklichsten, ideologiem ächtigsten, fühlt sich SPRACHE, groß geschrieben, einem Begriff des Originalen verpflichtet, der sich ge w öhnt hat, gerade der K onvention des sogenannten “guten D eutsch” zu spotten. Schim m ert nicht dieser Topos sogar durch die Verkleidung je ner Linguistik, die die parole, das W ort aus M enschenm und, die lebendi ge V ariante, ausspielt gegen die langue; die Sprache in Bewegung gegen das to te Corpus des D ictionnaires, das sozial und em otional situierte W ort gegen das in der B edeutung fixierte? Da ist nicht nur R espekt vor den Tatsachen, da ist auch noch ein Stück R om antik am Werk, und sie kann seltsam e Bettgenossen schaffen. Ich erinnere mich an ein L iteratentreffen im Quebec, an dem n ich t erst die gram m atisch und stilistisch norm ierte, sondern schon die gedruckte, ja die geschriebene Sprache zum K ulturverrat erklärt w urde: diesen hoch gradigen A lphabeten schien nur die oralite, das vom M und zum Ohr, vom Herzen zum Bauch geredete, w enn irgend möglich überhaupt gesungene oder getanzte W ort kulturbildend und menschenwürdig. A ber auch am scheinbar ändern Ende der Zivilisation, in M cLuhans verkabeltem WeltD orf, steht die F iktion spontaner A nsprache am Bildschirm im Geruch echter M enschlichkeit: so treffen sich der ethnologische L iterat und der lächelnde Disc Jockey in der V erachtung Gutenbergs. Ein Glanz von Pfingstw under ru h t auch auf den Kürzeln der Jugend- und Aussteigerspra chen, deren echte — oder gespielte — Sprachlosigkeit verstanden w erden m öchte als P rotest gegen die Sprache der Verwalter. Daß sich der Schriftsteller m it seinem elaborierten Code dem reduzier ten, wegw erfenden der K ultur-O pfer — oder K ulturleichen, wie sie sich in Zürich 1980 genannt haben — im m er noch näher fühlt als den V ertre tern eines sogenannten guten D eutsch (oder Englisch, oder Französisch) 140 ist gewiß ein internationales Phänom en, wie der dam it zusam m enhängen de Boom der M odern M undart und später der Rock-Poesie. A ber auf D eutsch hat die K ritik an der jeweils als herrschend denunzierten Spra che im m er eine besondere Schärfe gehabt. Auch die Sprache der D ichter gibt, wie diejenige der Aussteiger, gern und o ft dem onstrativ zu verste hen, daß sie einem K ulturbegriff, den sie als hohl, ungedeckt, unm ensch lich erfährt, nichts verdanken will — und sie w ußte n ich t immer, oder w ollte n icht wissen, daß diese verständliche R eaktion wieder sehr leicht dem R eaktionären verfällt, gegen das sie sich w endet. Wer die echte K unst — oder die wahre S pontaneität — erst da beginnen läßt, wo die K ultur aufhört, m uß sich daran erinnern lassen, daß schon einmal auf D eutsch jem and verkündet hat, w enn er das W ort K ultur höre, entsiche re er seinen Revolver — es war einer, der sich als D ichter verstand. Und der Propagandam inister, d er’s ihm nachsprach, beanspruchte für das, was er anrichten half, seinerseits wieder den N am en einer neuen, einer blut- und bodennahen K ultur. Er vernichtete dam it die G rundlage einer Zivilisation, die feinere G eister vor ihm als un-deutsch gekennzeichnet h atten — nur: so b rutal h atten sie’s natürlich nicht gem eint. Wenn diese vertrackte G eschichte für unser Them a etw as bew eist, so doch wohl dies.- daß es das Ursprüngliche als Wert nur da, und nur so lange geben kann, als der Gegen-Wert des K ultivierten, des Überlieferungs würdigen und -befürftigen gegeben und geläufig b le ib t; und daß man w eder K ultur noch Zivilisation hat, wenn m an m eint, das U nverm ittelte dagegen ausspielen zu können. Dafür gibt sich das M edium, von dem wir handeln, nicht her; der U nm ittelbarkeitsw ahn zeigt sich, im harmlosen Fall, als Selbstbetrug, im Fall öffentlicher V erbreitung als Beziehungs schwindel, wie das G utenachtlächeln des Schlafm ittelverkäufers am Fern sehen. A ber ich habe von S prachkultur und Literatur zu reden. Und der Litera tu r gestehen ja auch unverfängliche Zeugen das R echt zur A bw eichung zu. Die Sprachw issenschaft definiert das literarische Zeichen geradezu als anders geladenes — ich glaube, die russischen Form alisten sprachen von “ Iso to p ” —, dessen Bedeutung nicht, oder nicht prim är, durch so etwas wie allgem einen Sprachgebrauch, sondern durch den spezifischen, einmaligen K ontext definiert wird. Will sagen: der Sinn, den die K on vention dem Zeichen vorgibt, ist im K unstw erk nur als Z itat gegenwär tig, auf dessen M odifikation es ankom m t. Die Ü bereinkunft, die das Zei chen an eine Sache gebunden hat, ist dazu da, gebrochen zu w erden, sie ist, weniger dram atisch gesprochen, Material, Spielm aterial. Wer die Be deutung des Zeichens zu kennen glaubt, m uß sie im K unstw erk, nach dessen eigener Spielregel, nochm als kennen, von frischem deuten lernen. 141 Das ist ein Prozeß, dessen subtile Form en seine R adikalität verbergen; er verlangt, provoziert einen M itspieler, der seinerseits zur A bweichung, zum Bruch m it Sprachgew ohnheiten, zu einem sym bolischen A benteuer fähig ist. Literarisch lesen ist eine K unst, die gelernt w erden will. Die E r fahrungen, die dazugehören, bilden sich selbstverständlich auch außer halb der Sprach-Kunst, aber man begabt sich dazu doch nur im Umgang m it ihr, in der B ereitschaft für ihren Eigen-Sinn. Es wird, m it ändern W orten, ein hohes — was n icht sagen will: akadem isches — Niveau ver baler G ew ohnheit verlangt, w enn man das U ngew ohnte an der litera risch, kunstm äßig eingesetzten Sprache als solches realisieren soll — als Leser wie als Schreiber. G erade um den Schein des U nverm ittelten (e t was Besseres h at das literarische Werk n icht zu bieten) zu genießen, muß man viel verm ittelt bekom m en, m itbekom m en haben von allem, was am sprachlichen Zeichen eben nicht N atur, sondern — altertüm lich ge sagt — Willkür, m oderner gesagt: Ü bereinkunft ist: n ich t gottgegeben, sondern historisch geschaffen und besetzt, sozial gebraucht, auch zum M ißbrauch geeignet. Es ist die durch solche K onventionen beschränkte Freiheit der W örter, die sich der Leser — n icht nur der von literarischen T exten — gegen die K onvention, aber ihrer bew ußt, w ieder nehm en muß, der literarische T ex t fo rd ert ihn geradezu auf, sie sich zu nehm en. Denri er selbst b eruht auf ihr: ja er ist durch den Eigen-Sinn seines Sprachge brauchs definiert. Und dam it ergibt sich das scheinbare Paradox, daß nichts so sehr der Ü bereinkunft, des Bewußtseins einer T radition, der K enntnis seiner V or geschichte bedarf wie das literarische Zeichen. N ur der Leser, der sich der M öglichkeiten von Sprachgebrauch, der Sprach-K ultur kundig ge m acht hat, ist kritisch genug, um die Überraschung zu würdigen, die das K unstw erk zu bieten h at — und frei genug, um sich, w enn’s hoch kom m t, seine K ritik durch das K unstw erk entw affnen zu lassen; die disziplinierte Lizenz, die sich die K unstsprache herausnim m t, zu Verste hen als Erinnerung an reale Freiheiten, an realisierbare P otentiale des Menschen. Wären sie nur berechtigt gewesen, die beweglichen Klagen deutscher D ichter über ein Zuviel an K onventionen! In W irklichkeit war es ja ge rade der Mangel an intelligenter K onvention, an allgem einer Sprachkul tu r, der sie zwang, sich zu Genies aufzuw erfen und nicht nur ¿¡e K unst, sondern geradezu die deutsche Sprache im m er neu zu erfinden. Kein Wunder, daß sie, bei so schw acher sozialer Stütze, w ohl oder übel von oben inspiriert sein m ußten, w enn nicht von den G öttern, so doch vom Glücksfall eines gnädigen Herrn. So m ußte aus dem Mangel, dessen ge schichtliche G ründe u n te r dem S tichw ort D eutsche M;sere ausreichend 142 beschrieben w orden sind, in G ottes oder Teufels N am en eine Tugend w erden, die Tugend des autonom en Originals. So m ußte sich der D ich te r als der im m er wieder Einzige unter lauter Barbaren als Wilder her v ortun — um dann für seine Einzigkeit ebenso verfem t wie gefeiert zu w erden. Wer die deutsche L iteratur neben die französische oder die angelsächsi sche hält, stellt n icht ganz neidlos fest: jene L iteraten bewegen sich of fensichtlich in einem K ontinuum , dessen Brüche auf den ersten Blick auffälliger erscheinen können, und das dennoch die W ahrnehm ung ver gangener Leistungen über große Zeiträum e hinweg erlaubt. Shakespeares Stücke sind au f heutigen Bühnen zwar interpretationsbedürftig (und in terpretationsfähig), aber es sind nie Kuriosa, wie etw a diejenigen des A ndreas Gryphius. Racine und Corneille sind erkennbar w eit her, ihre R hetorik, ihr W ertsystem liegen uns ferne. A ber so wenig repräsentativ sie sind, sie sind au f der heutigen Com édie Française präsentabel, ohne gewaltsam er A ktualisierung zu bedürfen, das m acht: die französische Bühnensprache hat sich, bei den größten revolutionären Erschütterungen der politischen K ultur, das Instrum entarium bew ahrt, in dem ihre histo rischen und historisch gew ordenen Inhalte vorgestellt w erden können, und zwar in einer F orm , die das Mea res agitur auch einem distanzierten Publikum w ahrzunehm en erlaubt. Die eigenen A ntiquitäten werden, durch eine T radition gehütet, zum Gegenstand eines nicht nur antiquari schen Interesses. Dergleichen haben wir auf D eutsch n ich t; literarische Gegenstände, die älter sind als zw eihundert Jahre, beschäftigen bei uns nur noch das akadem ische Interesse. Wir haben allenfalls eine aus Gip feln, das heißt: glorreichen oder anrüchigen Einzelfällen bestehende Li teratur. Und da diesen G ipfeln die Täler und Ebenen fehlen, feh lt eigent lich auch das Gefühl für ihren geschichtlichen A bstand, für die soziale R ealität der Topographie. Die Zw ischenräum e liegen sozusagen im Ne bel historischer Bew ußtlosigkeit. Auch im Vergleich m it der anderen an staatlicher Zerstückelung vergleichbaren K ulturnation Europas, Italien, schneidet die deutsche L iteratur unglücklich ab. Denn die Italiener setz ten das Gefühl für ihre nationale Identität, anders als die Deutschen, ge rade auf den M ythos einer kulturellen Ü berlieferung und auf eine gebil dete Sprache, die sie stellvertretend und darum um so intensiver pflegten. Wie stünde die deutsche L iteratur da, wenn sie einen D ante als Maßstab ihrer Id en tität gehabt hätte! Sie h atte seinesgleichen: W olfram von Eschenbach war keine geringere K raft als D ante. A ber die Sprache, die kom positioneile K ultur des “ Parzival” , die das Zeug gehabt h ätte, zum Sam m elpunkt einer K ulturgem einschaft, zum F undam ent einer Überlie ferung höchster Eigenart und Raffinesse zu w erden, ist heute die Sprache 143 eines verschw undenen ostfränkischen D ialekts, zugänglich nur m it Hilfe von W örterbüchern und philologischem Spezialwissen. Man m uß bis zu G oethe gehen, um einen m it D ante vergleichbaren K atalysator kulturel len Selbstbew ußtseins zu finden; G oethe, dem die T ränen kam en, als er einen sizilianischen Bootsm ann — einen M enschen des V ierten Standes — Verse Tassos rezitieren h ö rte; G oethe, der, obw ohl er wie keiner den Zu sam m enhang von T radition und D ichtergröße verstand und reflektierte, selbst wieder zum unfreiwilligen D arsteller des deutschen Dilemmas w ur de. Denn gerade der K lassikerkult, der ihm blühte, diente ja als Ersatz sto ff sta tt einer T radition und war w eit en tfern t, zur M axime etw a staat lichen oder gar alltäglichen H andelns zu w erden. Der mögliche T raditions stifter w urde zum Solitär par excellence und dam it zum Sym bol einer K onvention des Exklusiven und des Bildungshochm uts, gegen den sich spätere D ichter, um ihrer Selbsterhaltung willen, wieder m it ihrer eige nen R adikalität w enden m ußten. Es sagt fast alles, daß G oethes Wirkung do rt, wo ihm selbst am m eisten an ihr gelegen w ar: im sorgfältigen Um gang m it der N atur, in einem organischen, zart-em pirischen V erständnis von Wissenschaft, in der E hrfurcht vor dem Kind und der Universalität seiner Anlagen — daß diese Lebensbegründung in der Weisheit eigentlich nur bei den A nthroposophen, also im Zeichen der S onderbarkeit, Ereig nis gew orden ist. D er R est ist — nun ja: L iteratur geblieben, gefeierte zwar, aber sozial einsame. O hne T radition keine R evolution, auch n icht in der L iteratur. Die skan dalöse N euheit Baudelaires, die herm etische R adikalität Mallarmes, die kühne Prosodie E.M. H opkins’ konnte nur auf dem H intergrund einer bew ährten und bew ahrten Form ensprache als U m sturz derselben be m erkt w erden. Und je länger der Um sturz her ist, desto deutlicher k ö n nen wir in ihm auch das G leitende, Übergängliche, ja die überw undene Form dialektisch Bew ahrende und Salvierende w ahrnehm en. Und, was Wunder, diese N euheiten haben eben darum , anders als im Deutschen, Schule m achen können. Der Surrealism us oder der Futurism us stellen im Rückblick S tufen eines Weges dar, den das Bew ußtsein der gebilde ten Zeitgenossen, w enn auch verspätet, mitgegangen ist, w ährend w ir in der deutschen L iteraturgeschichte eher die T endenz feststellen, den großen D ichter hinterher, um ihn großzusprechen, aus dem K ontext der Bewegung w ieder zu lösen, in dem er seinen Zeitgenossen erschienen ist. Trakl oder Lasker-Schüler, habe ich an m einen hohen Schulen ge lernt, sollen schon qua D ichter heute keine Expressionisten gewesen sein, von Kafka, Musil, R obert Walser zu schweigen, an denen je länger desto weniger ein E p ochenetikett haften will. Sie sind hapax legomena, unm ittelbar zum Geist der D ichtung — die sich in diesem V erfahren 144 wieder als sehr deutscher, als sozial körperloser Geist zu erkennen gibt. Bis vor wenigen Jahrzehnten wäre auf D eutsch schwer vorstellbar gewe sen, was im Französischen oder Englischen selbstverständlich ist: daß ein M oderner sich au f seinen A hnen im 19. Ja h rh u n d ert b eru ft und sei ne Praxis an ihm m ißt, Robbe-G rillet an Balzac, T.S. Eliot an Jo h n Donne. Das Reich der W eltliteratur, das G oethe h atte stiften wollen, war auf Deutsch nicht von dieser W elt; eine Utopie, kein Weg, der zur Nachfolge einlud. Keine L iteratur straft wie die unsere ihre Epigonen m it Verach tung. Wer dichtete wie Rilke, brauchte für den S p o tt nicht zu sorgen, wer schrieb wie G oethe, ta t es als Parodist — oder disqualifizierte sich als Bildungsphilister. Daß man m it Stolz ein Epigone und kritisch sein kann, dem onstrierte — m it Schärfe — der einzige Karl Kraus. Die K ultur politik des D ritten Reiches h atte etwas wie deutsches Selbstgefühl schein bar endgültig verkram pft, deutsche Selbst-B ehauptung zu einem Witz von böser Provinzialität verkom m en lassen. Erst seit wenigen Jahrzehn ten, seit der G ruppe 47 und ihren Folgen, beginnt sich, wie ich glaube, ein neues V erhältnis zu den eigenen Wurzeln anzubahnen und m it der A nerkennung heilloser Brüche ein Gefühl für Zusam m enhang zu bilden. Die Existenz einer D D R -Literatur, die das A ndere im Eigenen, das Eige ne im Ä ndern ehrlich und phrasenlos zu sehen zwingt, mag etwas mit dieser Wende zu tu n haben. A uf einmal beginnt auch das eigene A ndere in der V ergangenheit, in der Literaturgeschichte, zwar nicht vertraut, aber präziser frem d, auf berührende A rt historisch, also annäherungsfä hig zu werden. Ich glaube im Ernst, daß es der deutschen L iteratur seit Jah rh underten n icht m ehr so gut gegangen ist wie heute — weil sie es sich so wenig Wohlsein läßt in ihren Grenzen, den nationalen, den räum lichen und zeitlichen; weil sie ihre Sprache als A rbeit versteht, als ästhe tische A rbeit an einer großen, ebenso schrecklichen wie fruchtbaren Un sicherheit der W erte, als T rauerarbeit an der gem einsamen und tren n en den Geschichte. Neue, universale K atastrophen täglich vor Augen, be ginnt sie den Bestand der Dinge zu prüfen, aber auch m it ändern Augen zu hüten. Um zu wissen, w ohin sie geht, will sie besser wissen, w oher sie k o m m t — historisch; und wo sie steh t — politisch, sozial. Sie ist nicht m ehr unfreiwillig erhaben über die H istorie, sondern sehenden Auges eingemischt in die V erhältnisse, von denen sie handelt — in denen sie handelt, wie symbolisch immer. Das sym bolische Spiel- und H andlungs angebot, das wir literarische Q ualität nennen, wird auch bei uns nicht m ehr nur gering geschätzt — oder nur hochgelobt ins Folgenlose. Endlich brauchte, wenn ich recht sehe, die deutsche L iteratu r nicht m ehr so w eit her zu sein; brauchte es nicht m ehr so w eit her zu sein m it ihrer Einsam keit in der W eltliteratur. A ber die K orrektu r kom m t spät 145 inzwischen ist das ganze Script überholt, wie das M edium, in dem es überliefert ist, wie die G renzen einer nationalen K ultur. Die Leitsprachen der technologischen Zivilisation orientieren sich an keinem literarischen Vorbild m ehr, sie w erden durch ganz andere K om m unikationsträger ge prägt — der K ulturkritiker würde beifügen: um ihre Prägung gebracht. Und er würde auch den Begriff der K om m unikation darin nicht m ehr anw endbar, sondern zu einer F orm alität heruntergekom m en finden, auch wenn die Branche ihn unaufhörlich und wissenschaftlich im M un de führt. Der Bildschirm im W ohnzimm er entw ickelt sich vom Freizeit spielzeug im m er m ehr zum Term inal eines um fassenden Verteilsystems von Inform ationen und D ienstleistungen. Ein technisches Problem ist es längst n icht m ehr, den neuen Zeichenträger überall au f Zweiweg-Komm unikation zu schalten: es kann bald ein G ebot der Ö konom ie und der Ökologie w erden, den größten Teil der A rbeit, die noch von Menschen zu tun bleibt, zu Hause am Bildschirm zu leisten, und natürlich wird die se A rbeit seine Sprache sprechen. Das Buch, das klasssische und wohl unverzichtbare M edium der literarischen K ultur, wird an diesem A rbeits platz im m er weniger zu suchen haben. Das menschliche Glied in der elektronischen K ette wird zur Berechen barkeit seiner Bedürfnisse und Lebensäußerungen, sozusagen zu einer statistischen Existenz angehalten. Es m uß selbst, um die Funktionstüch tigkeit und die Sicherheit des System s zu gew ährleisten, in hohem Grad funktionalisierbar, vom Sachzwang her — wenn möglich, ohne ihn als Zwang em pfinden zu können — bestim m bar sein. Diese Ansprüche er geben sich aus der N atur — oder wollen w ir’s K ultur nennen —? des elek tronischen Nervensystems, das schon in seinem Kern, dem Silikonkri stall, auf binäre E ntscheidungen program m iert ist. Was nicht Ja ist, m uß Nein sein, was n icht schwarz ist, weiß, was n icht Jacke, Hose. In der phantastischen A ddierbarkeit dieser elektronischen Bausteine verschleiert der A pparat, daß er, auf allen Ebenen, nach dem prim itiven System des ausgeschlossenen D ritten funktioniert. Er kann also auch einer E ntschei dung auf G rund falscher, ja unsinniger Prämissen die Weihe der R atio nalität verm itteln. Wer in dieses System eingew eiht ist, und der U nkun dige erst recht, wird nicht m ehr leicht darüber hinaussehen. Er d urch schaut seinen rein in Strum entellen C harakter auch dann nicht mehr, wenn er vorgibt, ihn vorauszusetzen, und läßt sich von der Logik des Programms gefangennehm en wie das Eichhörnchen von der Trom m el. A uf subtilere, gewaltlosere Weise, als Orwell vorausgesehen hat, schnei det der A pparat ihrer V erw irklichung den m enschlichen Bedürfnissen ihre O ptionen ab. Und es kann dahin kom m en, daß der W iderstand gegen die technische R atio nicht nur folgenlos bleibt, sondern undenkbar, un vorstellbar wird. 146 Was kann Sprachkultur, also Sprachpflege, un ter diesen Bedingungen heißen? In welcher Form orientiert sie sich an der L iteratur? Wenn es w ahr ist, daß L iteratur der Sprachgebrauch bleibt, in dem die Form in der F unktion nicht aufgeht; in dem der Berechenbarkeit der Zeichen zuw idergehandelt oder gar gespottet w ird; in dem die O ption des Kom m unikationspartners, des nicht ausgeschlossenen, sondern geforderten D ritten, offenbleibt; wenn es w ahr ist, daß L iteratur von Haus aus die auf M ehrdeutigkeit angelegte, eine em otionale, also kom plexe R eaktion herausfordernde, von ihrem Eigenwillen her den Eigensinn des Spiel partners inspirierende Sprachform ist; w enn es am Ende zutrifft, daß die literarische Sprache in spielender Form Ha.nd\ungsmöglichkät speichert, zuerst die M öglichkeit anders, unvorhergesehen zu handeln — w enn das w ahr ist (und ich glaube, es bleibt wahr), so h ätte die Sprach pflege, verstanden als alternative K ulturtechnik, heute stärkere Gründe als jem als, sich an der L iteratur zu orientieren. Dann kön n te Sprachpfle ge fast ein Synonym für Lebensrettung gew orden sein, und zwar auf al len Ebenen, von der intim -privaten über die öffentlich-politische bis hin zur globalen. D enn die L iteratur schärft, durch ihre A rt des Zeichenge brauchs, den M öglichkeitssinn gegenüber dem bedrohlich oder tödlich, vor allem: stu m p f und unem pfindlich gew ordenen Positiven. Wenn die Inform ationen, die ein C om puter speichern kann, nicht weiterhelfen — dann findet sich im ganz anders beschaffenen, anders erw orbenen Spei cher der L iteratur vielleicht eine andere M öglichkeit zur Fortsetzung unserer Geschichte. D am it man ihr folgen, sie auch nur w ahrnehm en kann, m uß freilich das kulturelle G edächtnis der Sender und Empfänger von Zeichen dieser A rt erhalten bleiben. Die K om petenz zu ihrem Ge brauch erw irbt man sich natürlich nicht durch L iteratur, durch Bücher allein, sondern in der gestischen, beweglichen, sinnlichen Praxis persön licher A usdrucksm öglichkeiten. Diese aber bedarf der Stütze, der Er innerung der Bücher, eines Corpus gepflegter Überlieferung. Zum Schluß ein persönliches Wort. Jan Willem van de Weterings ZenMeister sollte mir und uns M ut m achen zur Einsicht, daß auch Sprach pflege m ehr ist als ein ordentlicher G arten. Daß sie ihren Namen erst dann verdient, wenn sie bereit ist, ihren O rdnungssinn vom Einfall einer neuen R ealität überholen zu lassen. Erst dann bew ährt er sich als Weis heit, m uß nicht Sisyphusarbeit bleiben. A ber so viel O rdnung, diese be wegliche O rdnung des G ärtners m u ß sein, d a rf sein, auch wenn sie von der schönen Tücke ihrer O bjekte im m er wieder lächerlich gem acht wird. Hier m uß die N orm dann das M itlachen lernen. Die A rbeit an unserem kulturellen G edächtnis ist ein nie abgeschlossener Prozeß. Vielleicht er scheint seine N ot-w endigkeit erst recht, w enn der G arten b edroht ist; 147 dann zeigt sich, daß die T ätigkeit des Pflegers, w eil sie ebenso sym bo lisch wie praktisch ist, die M axime eines retten d en Einfalls für das G an ze en thält und überliefert. Natürlich m uß man die B lätter n ich t nur sam meln, sondern auch fallenlassen können; wehe nur, w enn sie nicht m ehr fallen. Nur eine des Ü berholtw erdens fähige S prachkultur entw ickelt ein Sensorium dafür, w ann der Baum stirbt, will sagen, w ann jene lebens wichtige Fähigkeit, aus einem System auszubrechen, es zu überholen, an der Wurzel b ed ro h t ist. Ais Schriftsteller wird m an m anchm al gefragt, w elchem A u to r man sich in der A rbeit verpflichtet oder verw andt fühlt. G em eint sind dann meist Zeitgenossen, Kollegen, M oderne. Und gefragt wird — wenn auch nicht m it diesen W orten — nach Einfluß, V orbild, Prägung. Ich habe gelernt, daß ich unterscheiden m uß: V erbunden und verpflichtet fühle ich mich jedem , der in m einer G eneration ein lebendiges und em pfindliches Deutsch schreibt. V orbild sind sie m ir alle nicht: wie könnte ein Kafka, ein R obert Walser, aber auch ein Borges, M arquez, B eckett oder Grace Paley V or bild sein. Der einzige, auf den diese Bezeichnung im m er besser paßt, ist G oethe — bei dem das U nnachahm liche tatsächlich m it einer Haltung, m it einem Gestus, einer V orsicht zusam m engeht, die sich zur N achah mung em pfiehlt. D enn sie gehört nicht nur dem Genie, sie gehört dem Begriff der K ultur selbst an. Ich m öchte sagen: sie gehört zum Gleichge wichtssinn einer K ultur. G oethes naturw issenschaftliche Schriften bei spielsweise sind m ehr als W issenschaft, sie sind praktizierte Weisheit, se hende und tätige Brüderlichkeit im Umgang m it der N atur, Zeugnisse eines Taktes, den wir nicht ungestraft verfehlen. Denn auch w ir sind Na tur, sind m it den O bjekten unseres Interesses durch ein N etzw erk ver bunden, das zu zerreißen, zu ignorieren schlim m er als kulturlos ist: es ist selbstm örderisch. Wir können nicht leben, w enn die Bäume sterben. Und nicht von den Bäumen zu reden, kann ein V erbrechen, m ehr: es kann ein tödlicher Fehler sein, w enn wir wissen, wie sehr unser A tem vom A tem der Bäume abhängt. Wir kö nnen es wissen, wir können es schon spüren. Wir bekom m en es als N otstand zu fühlen, weil wir das freiwillige, das dankbare Gefühl für den Zusam m enhang nicht aufge bracht, als Zivilisation u n terdrückt haben, das für G oethe w issenschafts notw endig war, ja N aturw issenschaft hieß: R espekt vor dem O bjekt, u n serem m itgeschaffenen Gegenbild, dem w ir nichts antun können, ohne es uns selbst zu tun. Wenn es w ahr ist, daß w ir dem Geist gleichen, den wir begreifen — dann bleibt angesichts unserer P rodukte, die uns m it dem T od bedrohen, nur der Schluß übrig, daß es dem begreifenden G riff auf unsere G egenstände am nötigen Zartgefühl u nd am hinlänglichen Ge fühl für unser eigenes Wohl gefehlt hat. Diesen anderen G riff spüre ich 148 bei G oethe als menschlichen T ak t im dichterischen R hythm us; als G rundgestus eines rücksichtsvollen, deshalb vorsorglichen, darum auch gegenw artsbegabten Erdenbew ohners. Wir finden es nicht m ehr skurril, daß es G oethes M axime war, vor allem den Sinnen zu trauen. Die Sinne sind das Organ der G egenstände an un serem eigenen Leib, sie erlauben uns, ein naturgetreues, m enschengerech tes Urteil über Richtig und Falsch, Bekömmlich und U nfruchtbar. Unser F o rtsch ritt ins Un-Sinnliche — von der K ernphysik bis zur Spitzenm edi zin, vom Fernsehbild bis zur Betriebsrationalisierung — hat, vorsichtig gesprochen, unsere K om petenz nicht bestätigt, m it G rößen umzugehen, die sich unserem Gefühl entziehen. Wir haben, beim G riff ins Innere der Materie, bis zur Zertrüm m erung ihrer Kerne, unsere G renzen m itgesprengt und m it der Spaltung des A -tom on auch unser Bew ußtsein als Zivilisa tionsteilnehm er gespalten. Natürlich m eine ich nicht, daß wir das Rad zurückdrehen, daß wir von G oethe m ateriell lernen können. A ber wir können von ihm lernen, unse ren w ahren Bedürfnissen nachzugehen und ihnen m ehr zu trauen als den L eitbildern der Planer, die sich innerhalb einer G eneration vor unsern Augen — und zu unserm Schaden — tragikom isch überholt haben, wie sich ein A phorism us Lichtenbergs oder eine M axime G oethes niemals überholen kann. Die L iteratur ist deshalb das M edium, m eine ich, in dem unsere Erkenntnisse und Einsichten über uns, unsere Zivilisation, am wenigsten altern. D enn nu r in der K unst ist ihnen ein E lem ent des Spiels, des fortsetzbaren Spiels zugesetzt, das von der M aterie, an der es vorgeführt wird, zwar n icht ganz zu trennen ist, sie aber doch zu einem sym bolischen, das heißt auch, im m er noch verfügbaren S to ff des Interes ses m acht, w enn die Tatsachen, die er präsentiert, vergangen sind. In W alter Benjamins “W ahlverw andtschaften”-Aufsatz ist vom unverm eid lichen A useinandertreten des T atsachen- und der W ahrheitsgehalts einer D ichtung die Rede: von diesem A useinandertreten sei ihre U nsterblich keit abhängig. Diese U nsterblichkeit aber ist ihrerseits gebunden an die Einsicht nicht nur unserer G eschichtlichkeit, sondern unserer Sterblich keit. Wir spüren vielleicht besser als Benjamins Zeitgenossen, was er m einte, w enn er die D ichtung gemessen wissen w ollte an ihrem Potential zur Erlösung — eine Kategorie, die angesichts der süchtigen Fixierung unserer K ultur auf ihren Ruin alles Ü berspannte verliert. Es ist d urch aus die Frage, ob wir noch zu retten sind. Und auf die Zuversicht, oder auch nur: die Sicherheit der C om puter dürfte dabei n ich t viel Verlaß sein. In der L iteratur aber ste h t die G efahr aufgeschrieben, in der größ ten L iteratur: m it einem Sinn dafür, daß m it der G efahr auch das R et tende wachse. Dieser Sinn für das Mögliche, im Schlim m sten und Besten 149 im m er noch Mögliche, ist seine eigene Prophetie; ist eine der wenigen Bürgschaften dafür, daß uns auch jenseits des K unst-Rahm ens Erlösen des gelingen kann. Sprachpflege ist je tz t eine Form der Selbsterhaltung, denn in der Sprache, zuerst der Sprache der L iteratur, wird die K om pe tenz zur R ettung — w enn es eine gibt — überliefert und geübt. Diese Sprache ist, in Erm angelung einer gnädigen Steuerung durch den In stinkt, die wir verloren haben oder von der wir verlassen sind, das Ge fäß unseres bew ahrenden Gedächtnisses an uns selbst, das Regulativ u n seres Gleichgewichtes als K ultur. Die Zen-Geschichte zu Beginn soll belegen, daß es bei der Sprach-Pflege, die hier gem eint ist, nicht pflegerisch und pfleglich zugehen kann. Mit jedem Tag, der vergeht, m it jedem , der der letzte sein kann, wird sie ein kühneres U nternehm en. Es bedarf einer V ernunft von der A rt der Meister, die auf den ersten Blick der R atio en tb eh rt: denn wir müssen Zusehen lernen, wie unsere Liebesmüh durch jedes neue Blatt, das vom Baum fällt, zuschanden wird. Wir müssen m it dieser V ernichtung unse rer A rbeit sogar im Bunde sein. Nur dann ist es uns vielleicht gegeben, sie im m er wieder, im m er neu um ihrer selbst willen zu tu n . Und nur, was um seiner selbst, in der Liebe zur Sache als einer ganzen, getan wird, tun wir wirklich um unsertw illen und um des M enschen willen. Kant h at das Menschliche durch die Fraglosigkeit seines Selbstzw ecks defi niert: für die Würde des M enschen gibt es keinen ändern G rund als sie selbst, und sie wird verletzt, wenn der Mensch den M enschen zum Mittel für etwas anderes m acht. Er ist nicht durch seine F u n k tio n definierbar, und wenn er sich darin erschöpft, hö rt er auf, menschlich zu sein. Die Maxime dieses Handelns — oder auch dieses V erzichts auf H andlung —, w urde von K ant n icht für ästhetische G egenstände reserviert. Er ver stand sie als M aßstab des Sozialen und Politischen. A ber w enn er im öffentlichen Raum verloren geht, steh t immer wieder das K unstw erk dafür und bezeugt das Maß durch seinen Sprachgebrauch, selbst den maßlosen. Ein ästhetischer Gegenstand mag durch seine G renzen zum K unstw erk bestim m t sein; über die M öglichkeit, W ahrnehm ung zu prü fen und zu üben — denn aistbein heißt w ahrnehm en — ist er nicht an diese Grenzen gebunden. In der Verallgemeinerung und in der K onkre tisierung dessen, was das K unstw erk fiktiv vollendet hat, wird aus einer G esellschaft eine K ultur: eine G em einschaft, die das Ihre erkennen und pflegen lernt; die K ultur wird nicht durch das, was sie herstellt, oder konsum iert, oder hat, sondern durch das, was sie ist. 150 LUDWIG HARIG Das Rauschen des sechsten Sinnes. Vom R ohstoff zum Kunststoff und wieder zurück Eines Tages hatte ich, als Zehnjähriger vielleicht, einen Schulaufsatz m it den folgenden W orten begonnen: “ Brr! der Wecker rappelt. Fröhlich springt mein V ater aus dem B ett. “Als mein V ater diese beiden Sätze gelesen hatte, sagte er: “Wer schreibt, der b leib t!” V on diesem Augenblick an habe ich geschrieben; ich saß in der Küche am Küchentisch, in der Schule in m einer Schulbank, im G arten auf einem G arten stuhl, und schrieb. In m einem K opf schw irrten die W örter, sie w irbelten in den Ganglien, w ühlten in den grauen Zellen, ich w arf sie au f die eine und dann wieder auf die andere Seite, ich ordnete sie erst nach der Länge und später nach ihrem Klang, tauschte sie ineinander und spielte ein aufregendes Sinn- und Verwirrspiel, und im N acken sträubten sich m ir die Haare vor lauter heiligen Schauern, die m ir den Rücken hinunterliefen bis in die Zehenspitzen, und so ergeht es m ir heute noch. Ich sprach und hörte, und ich h ö rte und sprach; ich schrieb und las, und ich las und schrieb, aber das Schreiben war mir im m er das A benteuerlichste, und es h atte Folgen. D enn schreibend verw andelte ich mir die Welt, und nur schreibend ließ sie sich von m ir verwandeln. Die Welt w ar voller W örter, sie war vollgestopft davon, hier in den K öpfen, do rt in den Büchern, lauter R oh stoffe, spitzige W örter wie R ohdiam anten, rohe Brocken, wie sie jederm ann aus dem Halse drängen, auf der Zunge liegen, von den Lippen springen, dem Fuhrm ann A ntes zum Beispiel, w enn er m it seinem Schimm el sprach, oder G roßvater aus dem O berdorf, w enn er auf die Spatzen fluchte. Da gab es aber auch die W örter in der Saarbrücker Zeitung, au f die wir abon niert w aren, und in der Berliner Illustrierten, die T ante Erna jeden Samstag aus Saarbrücken m itbrachte, da gab es W örter in geheimnisvollen M ärchen sammlungen und im evangelischen Gesangbuch, in G roßvaters dickem Lexi kon und in V aters dreibändiger Bibliothek des Wissens und der Bildung für den Schul- und S elbstunterricht von H errn Übelacker aus der königlich preußischen U nteroffiziersschule. Ich stürzte mich auf die gesprochenen und die geschriebenen W örter und verleibte sie m ir ein, um m it ihnen allen mein freies und frivoles W örterspiel zu treiben, das mir am Ende aber immer mißlang, weil ich ja n icht wissen konnte, wie ich es anstellen sollte, die 151 W örter so kunstvoll und zugleich so zauberhaft au f dem Papier zu ordnen, daß nicht nur mich und m einen V ater, sondern die ganze alphabetische Welt die heiligen Schauer schütteln würden. Ich entsinne mich eines Tages im Sommer, als ich m it dem Wilhelm-BuschA lbum hinter dem Haus im Gras lag, genau wie der D ichter Bählamm, dessen Geschichte ich eben las, da h atte ich eine Erleuchtung, aber nicht m it Blitzen und G loriolen; es rauschte in m einen O hren. Mir war aber kein O hrw urm ins O hr gekrochen wie Bählamm, nein, mir rauschte es im Ohr von den W örtern, die ich las, und dieses R auschen h at seitdem nicht m ehr nachgelassen. Ich las: “ Im D urchschnitt ist man kummervoll Und weiß nicht, was man m achen soll. N icht so der D ichter. Kaum m ißfällt Ihm diese altgebackne Welt, So knetet er aus weicher Kleie Für sich privatim eine neue Und zieht als freier Musensohn In die P oetendim ension.” “V ate r” , sagte ich, “was ist eine D im ension?” und mein V ater, in seiner knappen A rt, aufgerufen zu einer lebensentscheidenden A ntw ort, sagte: “O je !” und dann fügte er hinzu: “ Länge, Breite, H öhe, das sind die drei Dimensionen. Die S tuhlkante ist die erste, die Sitzfläche ist die zweite, der ganze Stuhl ist die d ritte Dimension. “ Nun w ußte ich also schon, daß der schreibende Mensch auf und sozusagen in der d ritte n Dimension sitzt, durch die vierte D imension, die die Dimension der G eister ist, schnur stracks hindurchfährt in die fünfte, die nur den Schreibenden Vorbehalten ist, denn es geht ja, nachdem es geheißen hatte: “ Und zieht als freier M usensohn In die P oetendim ension” weiter: “ Die fünfte, da die vierte, je tzt V on Geistern ohnehin besetzt. Hier ist es luftig, duftig schön, Hier hat er nichts m ehr auszustehen.” Sollte das Schreiben etw a Fliehen bedeuten, ein A usflug au f die ergötz liche Spielwiese, ein L ustw andeln zwischen Rosen und Lorbeer? Sollte ich mich durch das Schreiben in ein W ölkenkuckucksheim flüchten, m ich in ein fernes, sanftes L uftreich fo rtheben können? Und würde das überhaupt ein erstrebensw ertes Ziel sein? Inzwischen schrieb ich 152 w eiter, ohne zu wissen, was das Schreiben eigentlich sei; ich jonglierte m it m einen W örtern im K opf und schrieb sie aufs Papier und küm m erte mich nicht darum , ob es etwas bedeutete oder gar lebensentscheidend sei. Doch als ich, sehr viel später, von den Sprachw issenschaftlern erfuhr, daß das, was ich da ta t, “ die U m kodierung kognitiver, phonetischer und graphem ischer Vorlagen in die entsprechenden graphom otorischen Innervations m uster und die ihnen entsprechenden Bewegungsabfolgen” sei und sich diese U m kodierung in m einem besonderen Falle n icht auf andere K onsti tu en ten des K om m unikationsprozesses beziehe, sondern auf sich selbst, und einer von ihnen als beispiel den w underbaren Satz von G ertrude Stein zitierte: “ a rose is a rose is a rose” , da w ußte ich: nur in m einem spiele rischen Schreiben selbst würde ich mein T un erkennen, nur schreibend würde ich das Schreiben beschreiben können. Der Satz von G ertrude Stein la u tet näm lich gar nicht: “ a rose is a rose is a rose” , so als ginge es reihweis w eiter und im m er voran in einem endlosen Rosenspalier, sondern: “ a rose is a rose is a rose is a rose” , und erst diese schöne Gleichsetzung einer Rose m it sich selbst und obendrein auch noch eines Satzes m it sich selbst, dieser zarte A nhauch einer zauberischen T au to logie m acht das Schreiben zum Schreiben: vor m einen Augen b reitet sich ein aufgeschriebener R osengarten, ein eingew inkeltes Beet, ein ausgezir keltes R ondell, ein w ortw örtlicher und zugleich übertragener, ein w irklicher und möglicher, ein Zw eibrücker Rosengarten und ein G arten Eden, von G ertrude viel akkurater und doch wieder labyrinthischer geschrieben als etw a von Le N otre gepflanzt, der ja bekanntlich ein M eister im geom e trischen Stil gewesen und ein V orbild für alle O rnam entalisten geblieben ist. “ Die Rose im Möglichsein und die Rose im W irklichsein und die Rose im Wirklichsein und Möglichsein ist eine und dieselbe” , schreibt Nikolaus von Kues, mein philosophischer G ew ährsm ann von der Mosel. Ja, das Schreiben ist also doch wohl etwas anderes als das pure U m ko dieren in Innervationsm uster, es geht nicht in einer R ichtung m it dem Schreiben, es geht vorwärts und wieder zurück, es geht in die Quere und in die Irre, es geht in ihm wahrlich nicht nach den G esetzen der Logik vor. Beim Schreiben k o m m t zur fünften Dimension die sechste hinzu; sechs, das ist die Zahl der A nagram m e und der Analogien, das dreim al V erdoppelte, dam it es nicht m ehr nur die U m kehrung, nicht nur das Gegen teil von etwas, sondern durch dreimaliges V erdoppeln etwas ganz Neues ist, das die W örter vorführen. N icht die Drei und nicht die Sieben, die Sechs beherrscht das Schreiben, kongruente H exagone, magische H exa gram m e, springlebendige H exam eter, und ist n icht die Bibliothek von Babel, die Jorge Luis Borges beschreibt und die alle möglichen Bücher en th ält, w orin alles Geschriebene, was zu schreiben kom binatorisch 153 möglich ist, nachzulesen steht, aus lauter sechseckigen Galerien gebaut? Ich nehm e die rohen, die ungefügten W örter, wo ich sie antreffe, mein Schreiben ist ein einziges A usprobieren und Erfinden, ein Stauchen und Strecken, ein Streicheln und Prügeln der W örter in Buchstabenrätseln und doppelten Rösselsprüngen, in Abzählversen und Wechselgesängen, und schreibend spiele ich m it im Trojaspiel und im L abyrinthtanz, schreibend sage ich auf das Sechsereinm aleins der Hexe und die Zehnerreihe des A thanasius Kircher. Was sagt die Hexe im “ F au st” ? “ Du m u ß t verstehn! Aus Eins mach Zehn, Und Zwei laß gehn, U nd Drei m ach gleich, So bist du reich. Verlier die Vier! Aus Fünf und Sechs — So sagt die Hex — Mach Sieben und A cht, So ists vollbracht: Und N eun ist Eins, Und Zehn ist keins. Das ist das H exen-Einm aleins!” Die lexikalische V ielfalt, die syntaktische V ariation: G oethes H exenein maleins, G ertrude Steins Rose, Wilhelm Buschs Balduin Bählamm, das ist m eine Kleie, die erste grob, die zweite fein, die d ritte k u n te rb u n t ge m ahlen. A uf w undersam e Weise sind diese Kleien zusam m engekom m en, obgleich sie aus so verschiedenartigem R o h sto ff geschrotet scheinen. Aber nun sind sie in m einem K opf ineinandergeknetet, kein S ilbenkom pott, kein L etternkleister, kein W örterbrei; wie ein lucker Hefeteig, wie ein lum m erer Backpulverkuchen, wie eine eingebackene W ildpastete, gehen die W örter auf, und bevor ich überhaupt dazu kom m e, sie aufzuschreiben, rum oren sie in allen m einen Sinnen. Ich schm ecke sie, ich höre sie aber auch, ich taste sie, ich sehe sie aber auch, und nur, wer eine gute Nase h at, riecht auch den Braten. Es ist ein M irakel: mein Hirngespinst ist zum W ortgeflecht gew orden; ich schreibe. Unversehens geht es m it den W örtern von der Hand ins Auge, von der Zunge ins Ohr, und was für ein Erregen im Ohr! was für ein Erkennen im Auge! Die W örter blitzen, die W örter donnern: zum Seh- und Hörsinn, zum Tast- und Schm ecksinn, zum feinnervigen Riechsinn ist als sechster der Schreibsinn hinzugekom m en, und er ist es, der so gewaltig rauscht, 154 ohne daß ein O hrw urm durch den K opf hindurchkriecht. A ber was ist es, das so rauscht? Und ist es w irklich im Ohr zu hören, oder vielmehr im M unde? K om m t es vielleicht vom säuselnden Sprechen, oder ko m m t es von der F e der, die so zischend über das Papier fährt? Sind es einzelne W örter, ist es ein einzelnes Blatt, oder ist es ein ganzes geschriebenes Buch, das so rauscht? Leibniz sagt, die Bewegung eines einzigen Blattes hörten wir nicht, wohl aber das Rauschen des Waldes, und er sagt sich zu R echt, daß dieses Summa Sum m arum nicht aus lauter N ullw erten bestehen kann, wie es die M engen m athem atik suggeriert. Nein, es sind die unterschw elligen K räfte, die “ petites perceptions” , die dieses R auschen des Schreibsinns in Gang halten. Es rauscht und rieselt und zw itschert sogar; aber n icht in diesem sechsten Sinnesorgan rauscht und zw itschert es, der sechste Sinn selbst ist es, der so w ortreich rauscht. Und er rauscht nicht um sonst. Schreiben ist taufen und um taufen, ist pflanzen und um pflanzen, ist biegen und umbiegen; Schreiben ist W örter bringen, ist W örter setzen, ist W örter w enden, aber auch um w enden, um setzen, um bringen, und nicht n u r ein Umbringen von W örtern selbst im Schreiben, sondern auch ein Umbringen dessen und derer, die die W örter nennen. A ber das ist kein U m wenden m it Heugabeln, kein U m setzen m it Schaufeln, kein Um bringen m it Ä xten und Revolvern, auch w enn Wolfgang Weyrauch in den fünfziger Jahren gesagt h at, sein G edicht sei ein Messer. O nein, im Schreiben geht es ganz kultiviert zu, wie auch im Sprechen schon. Das U m bringen ist ein V erw andeln, die W örter verpuppen sich, die W örter m ausern sich, sie kehren verändert zurück und sind nicht m ehr die selben. Im sprechenden Schreiben verschw indet das Schreiben wie im schreibenden Sprechen das Sprechen verschw indet; wie im Liebesrausch tau ch t das eine in das andere ein, anm utige M etam orphosen geschehen, es ist kein ordinäres Bäumchen-wechsle-dich, kein sportliches U m satteln, kein theatralischer R ollentausch, wie sich der hörende Sprecher als sprechender H örer und der lesende Schreiber als schreibender Leser im sprechenden Leser und im lesenden Sprecher, aber auch im hörenden Schreiber und im schreibenden H örer w iederfindet: lauter “ petites m o rts” , lauter “ belles m o rts” ; und dieses Liebesspiel, das der Schreibende ein Leben lang m it den W örtern zubringt und n icht m it den Personen und den Dingen, die sie bezeichnen, ist nicht ein unverbindliches T ändeln und Schäkern m it W örtern, obgleich der R o h sto ff längst zum K unststoff gew orden ist, m it dem m an ja bekanntlich alles m achen kann. Nein, mein W örterspiel ist mein Lebensspiel, W örter sprechend und W örter schreibend, sprechend schreibend und schreibend sprechend lebe ich. 155 Ist nicht mein eigenes Schreiben ein Sprechen und mein Sprechen ein Schreiben zugleich? Was ta t ich denn in dem Augenblick, in dem ich dieses schrieb? Ich schrieb vom Sprechen über das Schreiben. Und was tu ich in diesem Augenblick, in dem ich zu Ihnen spreche? Ich spreche vom Schreiben , ja ich spreche vom Schreiben über das Sprechen, das mein Leben ist und das ich tu n m uß, sonst hielte ich es gar n ich t aus. Als spre chender Schreiber, als schreibender Sprecher führe ich mein D oppelleben; zur E inbildungskraft ist die E intönungskraft hinzugetreten, und ich m uß zusehen und zuhören, wie ich dieses vertrackte D oppelspiel kultiviere. “ Der kultivierte Mensch hat seine Energie nach innen” , sagt Spengler im “ Untergang des A bendlandes” , und Novalis sagt: “Aller innerer Sinn ist Sinn für Sinn. ” Ein kultiviert G esprochenes ist folglich so fein verw andelt, daß, w ährend der Sprecher spricht, der H örer ihm zugleich die W örter von den Lippen liest; das kultiviert Geschriebene aber m uß sich als ein so em pfindlich Hergestelltes entpuppen, daß, w ährend der Schreiber schreibt, der Leser ihm im V oraus schon die W örter von der F eder h ö rt. Sie sehen, meine Damen und H erren, wie Hören und Sprechen, wie Lesen und Schreiben nicht einfach nur vier Fertigkeiten sind und das Schreiben die vierte und letzte und höchste unter ihnen ist, sondern wie sie synästhetisch ineinandergreifen in diesem Prozeß des U mbringens wie die kom bi nierten Griffe in einem tödlichen Ringkam pf. Was ist das G eschriebene? “ Was ist ein literarischer T ex t?” fragt der Professor aus D üsseldorf; er ist nach Saarbrücken gekom m en und erzählt den Sprach- und Literaturw issenschaftlern noch einmal die G eschichte vom sakralen Ü berich, vom anarchischen Es und dem arm en geplagten Ich in der M itte, das erst dann souverän und irenisch w erden kann, wenn es den polem ischen V ater g etö tet und die naive M utter beschlafen hat. “Ein Ursadism us” , sagt der Professor, “ pervertiert in m aschineller Sub stitu tio n .” Ja: “was ist ein literarischer T ext —psychoanalytisch?” fragt der Philosoph und Psychoanalytiker, und er an tw o rtet: “ T exte sind W eibsleichen.” Die M utter w ird durch das G eschriebene zur heiligen Prostituierten, und im Selbstbezug des narzißtisch Schreibenden w ird sie wieder jungfräulich; sie ist im O pferm ahl verzehrt, kannibalistisch ver w andelt, zur eschatologischen Figur gew orden. Der Schreibende h at Hand an den V ater und Hand an die M utter gelegt, er hat den phallischen S tift ergriffen und an das jungfräuliche Papier gerührt; zum Glück für mich, ich lasse die Schreibm aschine beiseite und halte den S tift fest in der Hand, m ein Kannibalismus ist noch n icht in m aschineller S ubstitution verkom men. O weh! auf wie schm ähliche Weise bringt es die K reativität zu lauter hingeopferten M üttern! Was ist aus den Schreibenden, was ist aus m ir ge w orden? 156 Fünfzig Jahre lang schreibe ich nun schon, mein Lebensweg starrt von M utterleibern, er ist von Weibsleichen übersät, von O pferläm m ern ge pflastert. Da liegt m eine M utter, und da liegen auch die G roßm ütter alle beide, da liegen T ante Luise und T ante Else und meine beiden T anten E rna, womöglich m eine Kusinen und wer w eiß welche jokastischen Substitu tinnen noch aus der näheren und w eiteren V erw andtschaft, die mich gewaschen und gekäm m t und m ir die Fingernägel geschnitten haben, ohne zu ahnen, wie sie den lüsternen Schreibsinn des Ö dipus gew eckt und schutz los in seine phallische F eder gelaufen sind. “ Brr! der Wecker rappelt. Fröhlich springt mein V ater aus dem B e tt.” Meine erste Weibsleiche. Lieber, kluger V ater, m it dem ersten Klingel zeichen ist er fröhlich aus den Federn gesprungen und hat dem todes süchtigen Ö dipus die W alstatt überlassen. So ist der K unststoff wieder zum R o h sto ff gew orden, auf dem Weg allen Fleisches, und was bleibt übrig? W ortleichen, W ortasche, W ortstaub. Da stehe ich nun, und der Kreis ist geschlossen: das Einmaleins, das R osenrondell und auch Balduin Bählamms Lebenslinie haben sich im Hexenring zum herm eneutischen Zirkel geschlungen. “ Ich kenn es w ohl, so klingt das ganze B uch!/ Ich habe m anche Zeit dam it verloren; / Denn ein vollkom m ner W iderspruch/ Bleibt gleich geheimnis voll für Kluge wie für T o re n ” , sagt M ephisto, und er fäh rt fo rt: “ G ew öhn lich glaubt der Mensch, w enn er nur W orte hört, / Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.” Und was ist m it G ertrude Stein, die ja eine Frau gewesen ist? Der Professor zitiert Lacan und sagt: “ La femm e n ’existe pas! ” und flugs wird die psychoanalytische F littchen- zur Strich jungentheorie, denn die am erikanische E lektra h a t es m it ihrem Bruder. “ Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine R ose”, heißt es bei G er trude, und dann fügt sie hinzu: “und als ich das dann später zu einem Ring gem acht hatte, m achte ich Poesie u nd was ta t ich ich liebkoste lieb koste ganz und gar” , und schon drei Seiten w eiter ist von ihrem Bruder Leo die Rede und von einem Liebesgedicht: “ Dieser ältere Bruder hatte gerade eines geschrieben und es sagte daß er o ft gesessen und irgend einen kleinen Grasfleck angeschaut h ätte und das sei einfach ein Grasfleck ge wesen wie Gras ist, aber je tz t war er verliebt und so w ar der kleine Gras fleck voller Vögel und Bienen und Schm etterlinge.” Ein Aufflug steht bevor, vielleicht ein A bsturz. Sehen wir, w ohin es Balduin Bählamm am Ende gebracht hat, nachdem es ihm nicht gelungen war, Weibsleichen zu produzieren. Der O hrw urm wühlt ihm im Ohr, Rieke M istelfink schickt ihm die Ziege auf den Leib, Krischan d urchbohrt seinen Schirm m it der Sense, schreckliche Kapricen und Kastrationen! Am Ende flüchtet er sich in einen Liebestraum m it zwei Frauen, da heißt es: 157 “ Und selig will er sich erheben, Um m it der Dame fortzuschw eben. Doch ach! Wie schaudert er zusammen! Denn wie m it tausend Kilogrammen Hängt es sich plötzlich an die Glieder, H em m t das entfaltete G efieder Und hindert, daß er w eiterfliege...” N och also hat er das Weib nicht m it der F eder getötet, noch also sind Kilogramme und Federn nicht eins gew orden, noch schwingt er sich nicht auf aus dem F ederbett, das ich schon m it dem ersten Sonnenstrahl ver lasse, fröhlich wie m ein Vater. Ich rufe “ H eureka!” genau wie Archimedes und auch aus dem gleichen G rund. Wir haben näm lich den A uftrieb en t deckt, er das hydrostatische G rundgesetz und ich das angelische L u ft kutschen m it den W örtern, die ich sprechend aufschreibe und schreibend ausspreche. Csupan singt im “ Zigeunerbaron: “ Das Schreiben und das Lesen/ Sind nie m ein Fall gew esen” , und der m oderne Legastheniker an t w ortet ihm: “ Das Lesen und das Schreiben/ Das laß ich lieber bleiben” . Nein, in der O perette und in der neuen Schule ist die K ultur des Schrei bens verpönt. A ber: “Wer schreibt, der b leib t” , sagte mein V ater, und folglich gilt w ohl doch: “Wer spricht, bleibt n ic h t” , und so höre ich lieber auf zu sprechen und w ende mich wieder dem Schreiben zu. 158 UWE PÖRKSEN Das Demokratisierungsparadoxon Über die zweifelhaften Vorzüge der Verwissenschaftlichung und Verfachlichung unsrer Sprache Franziska. Man spricht selten von der Tugend, die man h at; aber desto öfter von der, die uns fehlt. Das Fräulein. Siehst du, Franziska? da hast du eine sehr gute Anm erkung gemacht. (Lessing, Minna von Barnhelm, Zweiter Aufzug, Erster A uftritt) Wir brauchen dringend eine Sprachkritik, eine Satire, die das, was uns alltäglich an Sprache um gibt, kübelweise m it S p o tt übergießt. Es ist aber vielleicht die Frage, ob die Sprachw issenschaft als Sprachwis senschaft in diesem Fall zuständig ist,und speziell ein Problem, ob, wenn die Linguistik, ihrer ‘T hem atiken’ ein wenig müde, nun die Sprachkritik w ieder entdeckt und ihre deskriptiven Analysen hineinträgt, dies für ein Ü berleben der S prachkritik günstig wäre. Die Teilgebiete der Sprachw issenschaft, die sich in den sechziger Jahren — vielleicht etwas voreilig — als “ M oderne Linguistik” eingeführt haben, haben der publizistischen Sprachkritik der fünfziger Jahre den Garaus gem acht. Sie haben das getan, indem sie, zu R echt, auf linguistische Mängel und Fehler im “ W örterbuch des U nm enschen” von Storz, S tern berger, Süskind oder in Karl K orns “Sprache in der verw alteten W elt” hin wiesen, aber selbst n icht einmal den Versuch unternahm en, Sprachkritik ernsthaft zu verteidigen und sie theoretisch wie praktisch zu begründen. Peter von Polenz m it seiner Berufung auf de Saussure und die bloße Be schreibung der Sprache als Funktionsgefüge war hier repräsentativ.1 Sprachkritik w urde nicht ernst genom m en, ihre linguistische Begründung war ohne Interesse. M.E. ist die publizistische Sprachkritik der Epoche seit 45 tatsächlich nicht eindeutig zu beurteilen, nicht im m er klar und genau genug fun d iert; es wäre angesichts der versandeten Diskussion besser, sich bei dem E ntw urf einer Sprachkritik vorerst auf die G eschichte, auf A utoren ex trem en Form ats wie Leibniz, G ottsched, Campe, Jochm ann zu besinnen.2 Sie verfügen in verschiedener H insicht über ein Instrum entarium : 159 Sie haben ein Sprachvorbild, F rankreich, und im Fall Jochm anns, auch England. Sie gehen von einer klaren Diagnose der Sprache ihrer Zeit aus. Und sie form ulieren das Ideal einer vollkom m enen Sprache. Ist also nun der Sprachw issenschaftler als Sprachkritiker zuständig? Jeder Sprecher fühlt sich zuständig und ist es auch, indem er auswählt, verw irft und annim m t, sichtet, berichtigt, die Stirn runzelt, sp ottend nachahm t, lacht. Sprachgeschichte ist die K onkretion fortw ährender Sprachkritik und resultiert aus dem durch sie zustande kom m enden Sprachausgleich. Der Linguist kann dies nur halb bew ußte kritische V erhalten auf anderer Reflexionsstufe w iederholen. Es w äre vernünftig, w enn er, vorausgesetzt, daß er für Sprache Sinn hat, diesen Sinn im Vergleich m it älteren Sprachzuständen und nachbarlichen Sprachen klärt und schärft; w enn er also das Sprachgefühl und das Sprachideal anderer G em einschaften zu R ate zieht; und w enn er seine w issenschaftlichen Begriffe, seine Einsicht in Funktionsw eise und V eränderungsm öglichkeit der Sprache, seine Diagno se des gegenwärtigen Sprachzustandes und seine K ritik daran zur Gel tung bringen würde. Er ist in erhöhtem Maße zuständig. Seine Beteiligung an der sprachkritischen Diskussion, wie, von der anderen Seite, die o ft indirekte des Schriftstellers, könnte deren o ft klägliches Niveau heben. Er wird sich vielleicht auch besser über die Eigenschaften seiner Stellung nahm e im klaren sein, über die V orbehalte, die zu m achen sind. Wir müssen zwei Dinge auseinanderhalten: die K ritik an der Sprache ist nahezu unlösbar m it der K ritik an der Sache verquickt, sie m eint o ft in der K ritik an einem neuen Sprachgebrauch die K ritik an den neuen A uf fassungen und R ealitäten — ist also nur ein Vorw and. Sie h at ihren A ngelpunkt m eist außerhalb der Sprachw issenschaft. Ihre Quelle ist eine bestim m te G rundeinstellung. Wer Sprache kritisiert, b e tritt den K am pfplatz der Werte, der Parteien; daher rührt die Heftigkeit, m it der hier gestritten wird. Der A nlaß ist ein o ft als absolut angesehener b edrohter Wert. Es ist freilich nicht im m er leicht zu trennen, ob wir an einer falschen Sa che oder an einer falschen Sprache A nstoß nehm en; für den S prachkriti ker ist beides eigentlich eins. V ielleicht gibt es eine prim är sprachliche R eizbarkeit und E m pfindlichkeit — so etwas wie ein absolutes Gehör. Auch das absolute sprachliche G ehör kann äußerst heftig reagieren. A ber dann befinden wir uns im m er noch kaum auf dem Boden der Sprachwis senschaft. 160 Der Sprachw issenschaftler w ird die G eltung sprachkritischer Aussagen eher einschränken. Der Gegenstand des Sprachkritikers ist ja “ n u r” der Sprachgebrauch, der sich einbürgert, nicht die Frage gram m atikalischer und lexikalischer Richtigkeit. Wir befinden uns im Bereich des ‘usage’, einem Zwischenbereich zwischen der absoluten O bligatorik des gram m atischen System s und der durch dies System erm öglichten w eitgehenden Freiheit und Beliebigkeit der Rede. In diesem Bereich haben gewisse Usancen, eben der Sprachgebrauch, ständig die Neigung, zur ‘sozialen N orm ’ (Coseriu)^ zu w erden und wird diese K onvention ständig auf ihre Sachgem äßheit hin kritisch überprüft. Das gilt für die Situationsregeln des Sprechens, also für die an typische Situationen gebundenen typischen Sprechweisen, die den Spielraum unse rer Rede abstecken, wie für den allgemeinen — ‘guten ’ oder ‘schlechten’ — öffentlichen Sprachgebrauch oberhalb dieser T extgattu n g en .4 Es kann hier eigentlich nur ein ‘besser’ oder ‘schlechter’, ‘angem essener’ oder ‘unangem essener’ geben. O bligatorische Aussagen sind in diesem Bereich vom sprachw issenschaftlichen S tan d p u n k t aus sinnlos: es ist der Bereich der E thik und darum der Freiheit. D aher w ohl auch die Heftig keit (Man kann niem anden zwingen). An welchen K riterien läßt sich der konventionalisierte Sprachgebrauch, der ‘usage’, messen? Einige ältere K ategorien, z.B. G ottscheds in seiner ‘R ed ekunst’, w aren etw a: ‘D ifferenziertheit’, ‘D eutlichkeit’, ‘Kürze und N achdruck’.5 Mit ihnen bewegen wir uns noch auf einer sprachlichen Ebene. G ehören n icht auch ‘R hythm us und W ohlklang’ dazu? Ein weiteres K riterium wäre die ‘R ichtigkeit’ des eingebürgerten Sprachge brauchs; m it diesem M aßstab verlassen wir zum indest teilweise die sprach liche Ebene. Sachliche und sprachliche Richtigkeit, die Plazierung einer Sache un ter eine geeignete Vorstellung und die Plazierung der Vorstellung unter den richtigen sprachlichen A usdruck, sind m anchm al gar nicht zu tren n en .6 Ein drittes K riterium wäre die ‘R ichtigkeit’ des ‘usage’ im Sinne der durch ihn überlieferten O rientierung an einem höchsten G ut. Wenn wir diesem K riterium folgen, überschreiten wir die G attung einer sprachwissenschaft lichen Ä ußerung am w eitesten. Unser A usgangspunkt sind gewisse G rund entscheidungen. Und wir beschäftigen uns m it Phänom enen, die wir zwar durch sprachliche A nalysen sichtbar machen können, vor denen wir uns aber fragen müssen, ob wir ihnen durch Sprachkritik beikom m en. — Sprachliche Fehlentw icklungen sind überwiegend A u s d r u c k für e t was, und man m uß auf ihre E ntstehensbedingungen einzuw irken versu chen. 161 Ich greife aus dem beweglichen Meer des Sprachgebrauchs ein Phänom en heraus, das ich das ‘D em okratisierungsparadoxon’ nenne. Ich meine da m it folgendes: Je m ehr die W issenschaft in den letzten Jahrzehnten dem okratisiert w or den ist und die U niversitäten sich geöffnet haben, um so undurchdring licher sind die W issenschaften geworden. Je w eiter W issenschaft in die praktische Lehrerausbildung und in den Schulunterricht vorgedrungen ist, um so unergiebiger und bürokratischer scheinen diese Ausbildungsgänge gew orden zu sein. Je m ehr sich ein scheinbar fachlicher Stil und W issenschaftswörter in der G em einsprache, in der Sprache des öffentlichen und privaten Um gangs ausgebreitet haben, um so weniger h at diese Sprache ihren aufklä renden Wert behalten. Besteht zwischen der D em okratisierung der W issenschaft und der zu nehm enden U ndurchdringlichkeit der Sprache ein Zusam menhang? Wir neigen dazu, die zunehm ende K om plizierung und Differenzierung unserer Welt verantw ortlich zu m achen; ich halte das für einen gedan kenlosen T opos und für einen Irrtum . Die Gründe sind sehr viel einfacher. Die D em okratisierung der W issenschaft, die sich in den letzten Jah rzeh n ten ereignet hat, ist in Zahlen eindrucksvoll zu fassen: Die Zahl der S tu denten, die eine U niversität besuchten, betrug 1950/51 112.000, 1970/71 das Dreifache, näm lich 350.000, und 1977/78 605.000. N im m t man alle H ochschulen zusam m en, die Universitäten, G esam t hochschulen (seit 1975/76), Pädagogischen Hochschulen und F achhoch schulen, so stieg die Zahl der Studierenden zwischen 1950/51 und 1977/78 von 172.000 auf 913.000, näherte sich also der M illionengrenze.7 Inzwischen h at sie diese G renze übersch ritten ; sie lag 1982 bei 1.203.000 S tudenten; d arunter waren 251.000 Studierende an Fachhochschulen.8 Dieser Versechsfachung der S tudentenzahl entsprach der Ausbau des w issenschaftlichen Personals, wovon gleich zu sprechen sein wird, und eine V erm ehrung der Hochschulen. Zwischen 1960 und 1978 w urden 14 U niversitäten, 7 G esam thochschulen und m ehr als 100 F achhoch schulen neu gegründet.9 Fast alle U nterrichtseinrichtungen h atten die Neigung, das M odell U niversität, ihre T itulatur, ihre soziale Binnenstruk tu r und ihre L ehrm ethoden zu übernehm en. — Und ihre Sprache. Die D em okratisierung der universitären Bildung, die einer Revolution gleichkam, war begleitet von einem allgemeinen V erwissenschaftlichungs schub. Diesen Verwissenschaftlichungsschub fassen wir auf allen Ebenen 162 und in jeder Nische unsrer Gesellschaft. Wir begegnen ihm in der Spra che der Universität, im U nterrichtsw esen, in der Populärw issenschaft, auf dem B uchm arkt und in den Medien, in der Umgangssprache. 1. Zur V erw issenschaftlichung der Wissenschaften Wer in den fünfziger Jahren G eisteswissenschaften studierte, h atte keine Mühe, die Sprache der F achvertreter zu verstehen. Porzig, Brinkm ann, Glinz redeten und schrieben gem einsprachlich. Die wissenschaftliche Sprache als B egriffsinstrum ent, N om enklatur und D arstellungstechnik hatte eine nur untergeordnete Funktion. Die Mühen lagen in der Unver trau th eit m it dem O bjekt oder in seiner K om pliziertheit, also in der Sa che, nicht in der Sprache. In diesem P unkt hat sich in den letzten Jahren vieles geändert. Ein junges Semester hat heute Schw ierigkeiten, die A nkündigungen am Schwarzen B rett zu verstehen. Insbesondere der Pädagoge und der Linguist stehen vor einem Sprachverhau. Die Sprache selbst bietet W iderstand. In den V eröffentlichungen wie in der Lehre dom iniert W issenschaftlichkeit als allgemeines, generalisierbares Instrum entarium , als R aster, als Sprache. Wir haben eine Verw issenschaftlichung der Hum anw issenschaften zu konstatieren. Als Beleg k ö nnte m an in der Linguistik die Term inologielexika anführen, die dem Studierenden seit den sechziger Jahren zur Verfügung stehen. Sie erläutern 1000 bis 2000 Term ini, von ‘A bbildung’ bis ‘Z yklustheo rie’. Zwischen 1966 und 1975 erschienen m indestens acht solcher Lexi k a.10 Man könnte diese V erw issenschaftlichung erklären, indem man an die Geschichte des Faches erinnert. Die germ anistische Sprachw issenschaft hat sich überwiegend erst in den sechziger Jahren, verspätet, der interna tionalen Linguistik geöffnet. Sie hat dam it A nschluß gesucht an eine Wissenschaft, deren Modell die N aturw issenschaften oder die Sozialwis senschaften waren. Dam it waren höhere E xaktheitsansprüche verbunden, ein differenzierter term inologischer A pparat und eine generalisierte Be schreibungstechnik. Und w eiter ließe sich anführen, es sei sozusagen ‘natürlich’, daß eine wissenschaftliche Sprache sich ständig erw eitert und auseinanderfächert. Unser wissenschaftliches V erfahren besteht ja darin, daß ein Denk- und Erfahrungsm odell und ein m it ihm verknüpfter Begriffsapparat ständig angew endet, ausgearbeitet und überprüft, korrigiert und erw eitert wird. Ausdrücke, die zunächst noch gem einsprachlich verw endet w urden und 163 die der Vorgänger intuitiv zu verstehen glaubte, w erden vom Nachfolger in Frage gestellt, diskutiert, neu definiert: sie erhalten einen engeren, ge norm ten Sinn. So ergibt sich fast autom atisch ein Zuwachs an M etaspra che und eine Sprachdifferenzierung. Beides ist nicht zu bezw eifeln, es sagt aber nur die Hälfte. Es erklärt nicht, w arum Linguistensätze wie die folgenden zeitrepräsentativ w ur den. Ich zitiere wahllos 11 : “ K om m unikationsakte w erden von m indestens zwei K om m unikations partnern in einer K om m unikationssituation vollzogen (kp in k sit).” “Die verw endeten kontextfreien Regeln können als S onderform k o n te x t abhängiger oder kontextsensitiver (co n tex t sensitive CS gegen context free CF) Regeln angesehen w erden, bei denen der K ontex t gleich null ist.” “ Die S uper-S truktur eines T extes ist eine F u n k tio n der T extsorte. Die bisher besterforschte S uper-S truktur ist die E rzählstruk tu r.” In der pädagogischen W issenschaft h atte man zeitweise Mühe, andere Sätze zu finden als diese: “Die kom plexe T hem atik der Lernzielbestim m ung für Curricula histo risch-politischen U nterrichts soll in den folgenden Ausführungen proble m atisiert, der A spekt politischer Im plikationen bei der Begründung von Lernzielen und die Lernzielsetzung auf einer m ittleren A bstraktionsebene näher erö rtert w erden.” “ Es b esteht eine signifikante positive K orrelation zwischen dem effekti ven Lernzuwachs (LZ) und der Bearbeitungszeit ( t).” — Mit anderen W orten: wer länger lernt, lernt mehr. “ Schulversuche (S) sind ein H ilfsm ittel der Bildungsplanung, die Schulw irklichkeit schrittw eise und k ontrolliert zu verändern. Sie w erden zu Innovationsinstrum enten für Schulreform en, w obei Schulreform und S in Wechselbeziehung zueinander steh en .” Die Gründe für diese Sprache liegen überwiegend außerhalb der Wissen schaft. Ich versuche, sie in sechs Thesen zusam m enzufassen. 1) W issenschaftssprachen erfreuen sich eines hohen Prestiges und sind nachahm bar. Je ausgearbeiteter eine W issenschaftssprache ist, je verfestig ter, um so leichter wird die N achahm ung. In einem solchen Falle w erden sekundäre M erkmale w issenschaftlicher T exte, Abkürzungssym bole, T er mini, G liederungstechniken, Tabellen usw., zum prim ären M erkmal. — Es gab in den siebziger Jahren zahlreiche V eröffentlichungen, die ihre Existenz fast ausschließlich der Prestigeanleihe bei einer verbreiteten 164 V orstellung von E xaktheit verdankten. Ihre ‘Leistung’ bestand darin, ziemlich bekannte oder leicht einsehbare sprachliche T atsachen durch die Ü bersetzung in eine gleichsam naturw issenschaftlich exakte Zeichen sprache zu verfrem den oder sie in einer neuen Term inologie vorzustellen. Die K unst, m it Hilfe prestigebesetzter Ausdrucksw eisen sprachliche A ttrappen aufzubauen, h a tte ungezählte Anhänger. 2) Mit einer arithm etischen Stellenverm ehrung w ächst nicht unbedingt die E ntdeckung der Sache, sondern ihre V erdeckung durch Sprache in geom etrischer Progression. Um bei dem letzten Beispiel zu bleiben: zwischen 1953 und 1976 hat sich die Zahl der Pädagogikprofessoren an den U niversitäten von 26 auf 518 erhöht, die der U niversitätsdidaktiker insgesamt von 101 auf 4 .1 4 8 .12 Die Folge ist, daß in dieser Zeit die laufbahnbedingte P roduktion erzie hungsw issenschaftlicher A rbeiten sich um 4.000 mal, sagen wir, 5 bis 20 Publikationen erhöht. So viele pädagogische Sachen sind aber in einem so kurzen Zeitraum nicht ausfindig zu m achen. Die 20.000 bis 80.000 Publikationen, die über den bis dahin gültigen E rkenntnisbedarf hinaus gehen, w erden nu r wenig Neues enthalten können. Die Folge ist, sie er setzen den inhaltlichen Mangel durch ‘S prache’. Die wissenschaftliche Sprachfassade tr itt an Stelle der Sachen. Die explosionsartige Stellenver m ehrung führt zur Explosion von W issenschaftsersatz, dessen Krücke der Fachjargon ist. — Man könnte dieses Zahlenexem pel noch eindrucksvoller gestalten, indem man die E ntw icklung an den Pädagogischen Hochschulen hinzunim m t. Hier erhöhte sich die Zahl der Professoren in den 10 Jahren zwischen 1966 und 1976 von 725 auf 1.948, die des gesam ten wissenschaftlichen Personals von 1.943 auf 5.802.13 Vergleichbares gilt in bescheidenerem Umfang von der G erm anistik. Zwi schen 1953 und 1976 h at sich in diesem Fach die Zahl der Professoren verneunfacht, von 51 auf 466, und die des gesam ten w issenschaftlichen Personals versechzehnfacht, von 168 auf 2.4 5 6 .14 — Über die Zahlen entw icklung in der germ anistischen Sprachw issenschaft liegen mir keine genauen Zahlen vor. Wenn wir berücksichtigen, daß bis in die späten sechziger Jahre die deutsche L iteratur des M ittelalters und, in sehr be scheidenem Ausmaß, die germ anistische Sprachw issenschaft meistens von einem und dem selben Fachvertreter verw altet w urden und daß Sprachw issenschaft m eistens nur vorkam in der Form von obligatori schen Ü bungen zur G ram m atik des G otischen, A lthochdeutschen, M ittel hochdeutschen, gedacht als P ropädeutikum zur literaturw issenschaftli chen Beschäftigung, dann ist von einem hohen proportionalen Anstieg 165 der Zahl germ anistischer Linguisten auszugehen. Zu den Folgen gehörte eine Repetitions- und M ultiplikationsliteratur. Aus einem K apitelchen zur ‘V erbvalenz’, das man jedem 13jährigen in einer Schulstunde erklä ren kann, wurden zwei Regale w issenschaftlicher L iteratur, aus einer reizvollen hypothetischen S yntaxtheorie, dargeboten in luzider Esoterik, w urde eine Bibliothek. Zu den K onsequenzen gehört auch die Binde strichlinguistik. Man flieht, vor dem stupenden A usstoß an Wissenschaft, an die Ränder. (Ich bekenne mich hier “schuldig” .) — O der man nim m t seine Z uflucht zu etwas, was Gauger un ter dem Titel ‘W issenschaft als Stil’ beschrieben hat und was ich in den Begriffen ‘S prach attrap p e’ und ‘W issenschaftsattrappen’ zu fassen versucht h a b e .15 3) Wenn es richtig ist, daß unser wissenschaftliches V erfahren fast a u to matisch zu einer Erw eiterung des genorm ten Zeicheninventars führt, dann verm ehrt sich bei einer raschen A uffächerung und V erm ehrung wissenschaftlicher P roduktionsplätze ebenso schnell die Terminologie. Die Sprachdifferenzierung ist eben kein natürlicher Vorgang, der sich aus der K om plizierung unserer E rkenntnis und der Welt erklärt. In der Term inologieentw icklung, w enn ich mich so ausdrücken darf, tic k t der Parkinson. 4) Mit der G eschw indigkeit der W issenschaftsproduktion, die bei steigen der Zahl der P roduzenten und A bnehm er sich erhöht, sinkt in der Regel deren sachliche und sprachliche Q ualität. Die K ontrollinstanzen werden unübersichtlich und unw irksam . Niem and ist m ehr in der Lage, das Ver öffentlichte kritisch zu sichten und zu ordnen. 5) Die ‘W issenschaftsentw icklung’ unterliegt gleichzeitig einer Steuerung durch Verlagsinteressen. Die Linguistik w urde rasch als M arkt interessant. 1981/82 gab es im m erhin allein 60.000 G erm anistikstudenten und über 100.000 Philologen.16 Verlagsimperien entdeckten die in der m odernen Disziplin schlum m ernden V erw ertungsm öglichkeiten und n utzten sie in einem konkurrenzbestim m ten Tem po aus, sei es auf dem Schulbuchm arkt oder dadurch, daß sie einen A utorenbandw urm als A utoritätenbandw urm in U m lauf brachten. Auch völlig U nerprobtes w urde rasch etabliert; der term ingebundene Verlegerauftrag begünstigte die gestanzte Erzeugung inhaltloser ‘W issenschaft’. Die ‘E ntw icklung’ der Linguistik durch ein cleveres M arketing war verm utlich w ichtiger als die eigenständige E n t wicklung des Fachs in seinen stillen Instituten. Die Kommerzialisierung ist jedenfalls ein eigenständiger F aktor in unserer ‘Forschungsgeschichte’ der letzten 20 Jahre. 6) Identitätsschw ache Fächer neigen zur K om pensation ihrer Schwäche durch ‘S prache’ und zur Prestigeanleihe bei den starken N achbarn. Nur so gelingt ihnen ihre soziale Abgrenzung. — 166 In den letzten 20 Jahren haben die G eistesw issenschaften einen erheb lichen Prestigeverlust erlitten — gegenüber dem konstanten Prestige der N aturw issenschaften und dem gewaltigen Prestigeanstieg der Sozialwis senschaften und der Psychoanalyse. Zur Zeit einer verspäteten K onfron tatio n der deutschen U niversität m it ihrer V ergangenheit geriet die Ger m anistik gleich zweifach in eine Krise: als b eto n t ‘d eutsch e’, ideologie anfällige W issenschaft u nd als verschwom m ene, ‘w olkige’ Disziplin. Die naturw issenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Modelle der neuen Linguistik erhielten unter solchen U m ständen eine F unktion, die w eit übers Sachdienliche hinausging; sie w urden m it der Aufgabe befrach tet, die neutrale W issenschaftlichkeit des Fachs zu sichern, und fielen entsprechend h ypertroph aus. — Die Präzisionssprache fungierte als ‘D istanzierungsstrategie’. 17 M ilitante ‘W issenschaftlichkeit’ tra t an die Stelle eines von H ypotheken belasteten Populismus. H alten wir fest: Eine verfestigte W issenschaftssprache ist besonders leicht sim ulierbar. Die w issenschaftliche Sprachdifferenzierung ist u.a. auch ein Parkinson phänom en. Mit steigender G eschw indigkeit der W issenschaftsproduktion steigt der A nteil standardisierter Sprache und sinkt der Inform ationsge halt. Eine explosionsartige Stellenverm ehrung führt schon aus einem Mangel an Sachen zur explosionsartigen V erm ehrung von ‘W issenschaft’ in A n führungsstrichen. Die K om m erzialisierung der W issenschaft hat den gleichen Effekt. Identitätsschw ache Fächer tendieren zur K om pensation ihrer Schwäche durch Jargonbildung und Prestigeanleihe. Die sechs Grundregeln w irken zusam m en zur P roduktion von etwas, des sen Sinn schwer einzusehen ist. — Der allgem einste Sinn, daß wir, indem wir etwas über unsre Sprache erfahren, auch etwas über uns selbst in Er fahrung bringen, geht u n te r im G estrüpp einer inhaltsarm en Scholastik. Bürokratisch, m it pedantischem E rnst w erden Sachverhalte, die jed er m ann intuitiv so fo rt richtig erfaßt und die sich aus der N atur der Sache ergeben, untersucht und statistisch beglaubigt und verum ständlicht. Der naturw issenschaftliche E xaktheitsanspruch ist zwar n ich t sinnvoll, aber er garantiert die U nendlichkeit des Forschungsgegenstandes. Wir ertrin ken in einer F lut, n ich t von Inform ationen, sondern von Publikationen. Es gibt nichts zum Kauen. Die D isproportion zwischen dargestellter Sa che und sprachlichem A ufw and ist d a s Leseerlebnis. Was wir erfahren, ist nicht falsch, sondern überflüssig. Wir haben diese pseudow issenschaft liche T rivialliteratur, weil es die P roduktionsplätze gibt, auf denen wir 167 sitzen, und, weil die Länge der Publikationsliste — analphabetisch ge nug! — als Q ualifikationsm aßstab gilt. Es ist nicht unsozial, auf eine unsinnige W issenschaftsproduktion hin zuweisen, es ist unsozial, S tudentengenerationen m it Unsinn vollzustop fen. Das Fach fächert sich bürokratisch auf und franst aus, wird unüber schaubar und unzugänglich, weil in unserer W issenschaftsorganisation etwas nicht stim m t. Die D em okratisierung unseres A rbeitsgebiets hat zu einer Verwissen schaftlichung geführt, die dazu zwingt, unsre Publikationsspielregeln gründlich zu überdenken. Wie gesagt: Sprachkritik allein ist ein hilfloses U nterfangen; man muß versuchen, auf die E ntstehensbedingungen dieser Sprache einzuw irken. Dabei w ollte ich ausdrücklich die Frage ausklam m ern, welcher Sprachty p in der Sprachw issenschaft angemessen wäre, der naturw issenschaft liche, der sozialwissenschaftliche oder der ältere hum anwissenschaftliche, also bildungssprachliche; sie läßt sich nur danach entscheiden, wie je m and den w issenschaftstheoretischen O rt der Linguistik bestim m t. 2. Zur V erwissenschaftlichung der praktischen Lehrerausbildung und des U nterrichts Der ‘D eutsche Bildungsrat’ forderte 1970, im Zuge der Bildungsreform, eine V erw issenschaftlichung des U n terrich ts.18 Welche Folgerungen im D eutschunterricht aus diesem Programm der ‘Szientisierung’ gezo gen w urden, w elchen Einfluß die Linguistik, Soziologie und die sozial wissenschaftliche Erziehungsw issenschaft auf einen veränderten D eutsch u n terricht genom m en haben, das wäre ein riesiges Untersuchungsgebiet, auf das ich mich hier nicht einzulassen vermag. Ich beschränke mich stattdessen auf einen sprachkritischen Seitenblick. Ein Suhrkam pbändchen m it dem Titel ‘Problem e der Schule im gesell schaftlichen Wandel. Das Beispiel O denw aldschule’ zeigt, in welchem Ausmaß ein fortschrittliches Landerziehungsheim um 1970 seine A uf gabe darin sah, sich zu verw issenschaftlichen: seine Selbstverwaltung, Lehrplan und U nterricht, und seinen pädagogischen Freiraum . “Wir können das alles nur als Prozeß planen” , heißt es. “ Die K apazitä ten der L ehreinrichtungen, die Lehrprogram m e, ja selbst die G ebäude, Lehr- und Lernvorgänge als Prozeß im um fassenden Prozeß der V erän derungen von Gesellschaft und W irtschaft w issenschaftlich zu planen, das ist die Aufgabe, die vor uns liegt.” 168 Die Schule wird an den F o rtschrittsstrom der W issenschaft angeschlos sen und die L ehrerkonferenz zum Umschlagplatz zwischen den sog. ‘In form ationssystem en’ Psychologie und Soziologie und der erzieherischen Praxis. Dabei dogm atisieren und bürokratisieren diese Inform ationssyste me sich auf eigentüm liche Weise. Einer der A utoren des Bändchens erfaßt den verbliebenen pädagogischen Freiraum , indem er das soziale Lernen in der Schule zum w issenschaft lichen Gegenstand m acht. Er form uliert insgesamt 40 A ufgaben für das soziale Lernen. Dabei geht er zum Teil so vor, daß er gewisse Leitgedan ken der Psychoanalyse zu ‘Lernzielen’ u m funktioniert, er n en n t z.B. die Z iele: — “ m it der eigenen Trieb w eit vertraut und ‘b efreu n d e t’ sein ...” — “die eigene Sexualität bejahen und genießen lernen” — “fähig w erden zu stabilen affektiven Bindungen an andere (auch an Tier und Dinge) und sie in W orten und G esten ausdrücken lernen (‘O bjekte libidinös besetzen lernen’).” Der w issenschaftliche Besen, einmal aufgerufen, arbeitet nun selbsttätig weiter. Wo ein ‘Lernziel’ ist, m uß eine w issenschaftlich fundierte D idak tik und eine ‘L ernerfolgskontrolle’ her. “ Lernzielbestim m ungen sind noch keine unm ittelbaren Handlungsanw eisungen” , schreibt er. “ Dam it sie das w erden können, ist m indestens zweierlei nötig: die K enntnis der verschiedenen Weisen des sozialen Lernens (...) und die O perationalisie rung der Lernziele. O perationalisierung der Lernziele soll bedeuten, daß zu jedem Ziel eine Reihe von konkreten V erhaltensw eisen angegeben werden m üßte, die ein Individuum (in m anchen Fällen spontan, in an deren Fällen provoziert) zeigen soll, dam it gesagt w erden kann, es habe dieses Lernziel erreich t.” “Diese O perationalisierung theoretisch lückenlos vorwegzunehm en, über fo rd ert die Phantasie eines einzelnen” , setzt unser A u to r hinzu und ver langt R eihenuntersuchungen. Die Verw issenschaftlichung führt zu einer totalen und totalitären Erfassung des pädagogischen Spielraums. Wir sprechen hier w eder von T heorie noch von einem Spezialfall. Der A rtikel ‘Schulversuche und ihre w issenschaftliche Begleitung’ im ‘H and lexikon für Erziehungsw issenschaft’ von 1976 geht von den gleichen Prämissen aus: H ypothesen sind zu bilden und durch O perationalisie rung zu überprüfen. Der um fangreiche Beitrag über ‘Modellversuche im Bildungswesen und ihre w issenschaftliche Begleitung’, der in dem zw eibändigen Bildungs bericht des M ax-Planck-Instituts für Bildungsforschung von 1983 zu 169 finden i s t 19, inform iert je tz t darüber, ein wie breites S pektrum von M odellversuchen seit 1970 existiert. Es liefen z.B. 37 “Modellversuche zur Entw icklung und Erprobung von Spiel- und L ernangeboten im Be reich des K indergartens für 3- bis 4jährige Kinder und für 5jährige im Rahm en der organisatorischen Zusam menfassung m it 3- und 4jährigen.” Alle diese M odellversuche unterw erfen sich offenbar dem sprachgesicherten W ahnsystem der pädagogischen W issenschaft und erzeugen w iederum Sprache. Z.B.: “Die Mechanismen der Um w andlung von w issenschaftlichen Fragestel lungen in unlösbare Problem e durch O perationalisierung implizieren stets eine Entfernung von der ursprünglichen P roblem atik.” Was Karl Korn in der ‘Sprache in der verw alteten W elt’ beschäftigte, nein, was er als die Signatur unsrer Epoche diagnostizierte, die W uche rung der Verw altungssprache über den Rahm en ihrer ursprünglichen V erw endung20, h at im U nterrichtsw esen freie Bahn. Die pädagogische W issenschaftssprache ist vom Typus der V erw altungssprache o ft gar nicht zu unterscheiden, eins geht ins andere über, V erw issenschaftlichung schlägt sofort um in Bürokratisierung. Die D em okratisierung der wissen schaftlichen Bildung hat zu einer lächerlichen Pädokratie geführt. — Auch hier dürfte gelten, daß der R o tstift des Sprachkritikers nur sehr wenig ausrichten kann. Man gestatte einen letzten kurzen Seitenblick auf die R eferendarausbil dung, auf das Staatliche Sem inar für Schulpädagogik in Freiburg. Als genüge es nicht, daß die U niversität schlecht genug U niversität spielt, spielt auch dieses Studiensem inar Universität. Seine Fachleiter geben eine Schriftenreihe, die Studiensem inar-K onzepte, kurz ‘STS-K onzepte’, heraus. In den H eften 1-6, deren um fänglichstes über 150 Seiten stark ist, werden die R eferendare schriftlich darüber unterrich tet, worin die ‘T ätigkeit des M entors im R ahm en der R eferendarausbildung’ b esteh t (H eft 3), wie ein U nterrichtsentw urf (H eft 4), wie die schriftliche Prü fungsarbeit (H eft 6) anzulegen ist usw. — Das eigentüm lichste Kennzeichen dieses Seminars ist seine scheinwissen schaftliche S chriftkultur. Die Referendare w erden nicht nur verpflichtet, sich die STS-Konzepte anzuschaffen und bestim m te Seiten unbedingt und so fort zu lesen, sie erhalten schon am ersten Tag, bei D ienstantritt, ein 90seitiges H eft m it dem T itel ‘Sem inar-B eratung’, das sie auf der ersten Seite darauf aufm erksam m acht, dieses H eft sei “ keineswegs der einzige Weg der K om m unikation zwischen Kollegium und Leitung auf der einen und den R eferendaren auf der anderen Seite. Es kom m t hinzu: ...” — Und nun nen n t das H eft sieben M öglichkeiten m ündlicher 170 K om m unikation, u n te r anderem “das Einzelgespräch D ozent — R eferen dar beim Vorliegen besonderer Fragen.” Schon in der ersten Sem inarsitzung wird der R eferendar auch aufm erk sam gem acht auf die ‘Beurteilung’ seines U nterrichts. Das Sem inar hat einen ‘K riterienkatalog’ erarbeitet, der in dem erw ähnten H eft abge d ruckt und erläutert ist. Die Erläuterung w eist darauf hin, daß dieser Katalog w issenschaftlichen Ursprungs u nd daß er vollständig ist. Pädokratien haben offenbar grundsätzlich diese Neigung zur lückenlosen Er fassung. Der ‘K riterienkatalog’, der die N otengebung objektivieren soll, liest sich wie ein zeitgenössischer Beichtspiegel. Er zerfällt in acht Ele m ente, I. U nterrichtsziele, II. U nterrichtsgegenstände usw., VIII. Lehrv erhalten; diese acht H auptpunkte zerfallen in Subkategorien, und da unterscheidet der Katalog zwischen 54 ‘G esichtspunkten’ auf der linken und 39 ‘K riterien’ au f der rechten Seite. ‘U nterrichtsziele’ z.B. zerfallen in die G esichtspunkte ‘Grob- und Feinziele’, und ihnen stehen als ‘Kri terien ’ ‘Wahl, Form ulierung, V erw irklichung’ gegenüber. Natürlich lernt der R eferendar eine fachlich genorm te Umgangssprache: ‘Frontal-U n te rric h t’ und ‘P artnerarbeit’, ‘schülerzentriert’ und ‘leh rerzen triert’, ‘G robziele’ und ‘Feinziele’, ‘P artnerarbeit’. A uch hier dürfen wir m it lückenlosen W ortfeldern rechnen. Wer noch nicht durch die Schule entm ündigt und in Universitätssemina ren vergreist ist, wird spätestens je tz t für den S taatsdienst zurechtgeschla gen und ausgetrocknet, zu einem Z eitpunkt, wo der S taat kaum noch Stellen zu vergeben hat. Sein C harakter wird gebrochen. 3. Zur V erw issenschaftlichung und Verfachlichung der Umgangssprache Der V erw issenschaftlichungsschub, den wir in den Hum anw issenschaften beobachten und der fast das gesamte U nterrichtsw esen durchdringt, ist auch im Bereich der öffentlichen und privaten Umgangssprache überall erkennbar. Man m uß sich erinnern! Eine Zeile wie ‘Aggression: Warum schon kleine K inder beißen und schlagen’ auf der Titelseite einer Zeit schrift wäre vor 25 Jahren nicht möglich gewesen. ‘Aggression’ existier te nicht als W ort der öffentlichen G ebrauchssprache. Das Beispiel steht für ungezählte. Noch eigentüm licher ist, in welchem Grad W issenschaftswörter in die Umgangssprache eingedrungen sind. “Wenn Ihr K ind” , sagt die K inder gärtnerin, “ alle A nnäherungen, K ontaktaufnahm eversuche und M itspiel wünsche kategorisch ablehnt und aggressiv beantw ortet, dann sind das Signale eines sozialen Fehlverhaltens.” Leidet das Kind u n te r ‘Trennungs angst’? — Diese Term ini gehören der Sphäre des O bjektiven, Unpersön171 liehen an, sie sind nicht für eine private, intim e R edesituation geschaffen. Sie subsum ieren E rlebnisinhalte, die im konkreten Fall als persönlich und einmalig em pfunden w erden, u n te r eine allgemeine Kategorie und schließen sie an an ein allgemeines D enkgebäude. Sie w irken distanzie rend, eine A rt Selbstentfrem dung durch Sprache ist die Folge.21 Ein drittes Beispiel. — Der Fahrschullehrer u n te rric h tet seine K unden: an der Straßenkreuzung gebe es einen ‘Warn- und Sicherblick’, einen ‘R öhrenblick’ (die Straße entlang) und einen ‘F ächerblick’. Was liegt hier vor? Eine Kopie offenbar. Fachlichkeit ist ein so durchgängiges, n o t wendiges Prinzip, daß auch der Fahrschullehrer seinen U nterricht fach wissenschaftlich gestaltet. N ur so ist er abgesichert, seriös, und h at einen V erkaufsw ert. Scheinfachlichkeit liegt hier vor. Die vielbesprochene Verw issenschaftlichung der Alltagswelt ist faßbar in einem breitgefächerten E ntlehnungsschub von W issenschaftswörtern u nd in einer scheinhaften oder tatsächlichen V erfachlichung der Um gangssprache. Ich kann das Gebiet, das zu unserem Them a gehört, hier nur noch streifen, un d beschränke mich auf abkürzende, andeutende, tastende Bemerkungen: Wir erleben zur Zeit einen ungeheuren Überlieferungsschw und, einen öf fentlichen G edächtnisschw und. Die V erw issenschaftlichung des Alltags ü berantw ortet ungezählte neue Sektoren, die bis vor kurzem noch in den Bereich eines lokal und mündlich überlieferten Wissens gehörten, einer universellen S chriftkultur. Die V erschriftlichung unseres Wissens reicht nischenlos von der Säuglingspflege bis zur Sterbebegleitung. Sie belehrt nicht nur, sie entm ündigt auch, sie delegiert die konkrete Existenz an schriftlich orientierende oder orientierte R atgeber. Ein autoritätsbesetz tes, handlich gem achtes Orientierungswissen greift in alle lokalen und privaten Sphären. Wird es überhaupt zum Wissen? Die W issenschaftswörter erfahren beim Übergang in die Alltagsw elt häufig eine Bedeutungserw eiterung, eine Er w eiterung des Umfangs und Verarm ung des Inhalts. O der sie behalten ihren A nw endungsbereich und w erden k o n tex tad äq u at eingesetzt, der Inhalt erscheint aber als nebulöser bzw. weißer Fleck und kann im Zwei felsfall nicht definiert w erden. Die Ausdrücke w erden zum ‘Pseudobe griff’ im Sinne Wygotskis. Ihre ‘dynam is’ liegt im A ssoziationshof: sie signalisieren W issenschaftlichkeit, transportieren deren Prestige in die Alltagssphäre hinein oder nehm en in ihr ein neuartiges K o n n o tat von Ge fühlen und W ertungen an. In jedem Fall w andelt sich bei dem Sphären wechsel ihre F unktion. Sie schließen die Alltagssphäre an an den A u to ritätsbereich W issenschaft, vertrauenspendend und absichernd, bedarf w eckend, zum Fragen und zur H orizonterw eiterung einladend. 172 Bei Max Weber fin d et sich die Bemerkung, daß wir in der Regel nicht wissen, wie eine S traßenbahn funktioniert, daß wir aber in dem G lau ben leben, es jederzeit erfahren zu können. “ Die zunehm ende Intellek tualisierung und R ationalisierung bed eu tet also nicht eine zunehm ende allgemeine K enntnis der Lebensbedingungen, u n te r denen man steht. Sondern sie b ed eu tet etwas anderes: das Wissen davon oder den G lauben daran: daß m an, w enn man nur w ollte, es jederzeit erfahren könnte, daß es also prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbaren M ächte gebe, die da hineinspielen, daß man vielm ehr alle Dinge — im Prinzip — durch Berechnen beherrschen könne. Das aber bed eu tet: die Entzauberung der W elt” . 22 Genau dies ist die Wirkung der W issenschaftswörter. Nur, daß wir vielleicht den A usdruck ‘E ntzauberung’ nicht übernehm en wür den. Die W issenschaft erreicht uns in der A lltagswelt ja meistens nicht m ehr als sie selbst, sondern, au f dem Umweg über R atgeber und Bera tung, angew andt, kom m erziell verm ittelt. Je kom m erzieller sie auftritt, in Poesie und R hetorik eingehüllt, um so m ehr w erden wir auf einen ge schlossenen H orizont zu bewegt. Sie entzaubert nicht nur, sie verzau b ert auch. Die sogenannte Sachliteratur h at einen Zug zur Entsachlichung. Für die Werbung gilt das ohnehin. Die W issenschaftswörter hierarchisieren die Sprache und erzeugen das Gefühl, dort, wo die Quellen dieser W örter liegen, in ihrer H erkunfts sphäre sei man w eiter, befinde man sich in einem um fassenderen, u nbe k annten System , das die Fähigkeit berge, alle Problem e zu beherrschen. Sie steigern den Bedarf an expertenhafter Hilfe. Sie fungieren als Be darfsw eckungsinstrum ent, so wie sie in sozialistischen Staaten als Herr schaftsinstrum ent fungieren. Sie schließen uns an an ein N etz, das aus Industrie und W issenschaft gew ebt ist, und w irken als Ansaugstellen. ‘Ö kologie’ ist ein Z auberw ort. Es befestigt H eilserw artungen an die Wis senschaft. Die Entlehnung der W issenschaftswörter erw eitert unseren H orizont virtuell. Der Inform ationsradius w ächst, aber wir erfahren über immer m ehr im m er weniger. Das Bewußtsein einer sich im m er w eiter ausdif ferenzierenden, verkom plizierenden Welt nim m t zu. Die Umgangsspra che ist belastet, vielleicht überlastet durch unverstandene oder nur pas siv verfügbare V okabeln. A ber unser Weltbild wird kaum kom plexer, eher vereinfacht es sich. Die G ebrauchssprache schrum pft. Die Tatsache, daß wir eigentlich so wenig Wirkliches erfahren, wird ver tu sch t durch etwas, was m an, einen anthropologischen Begriff Weisgerbers sozialpsychologisch und historisch um interpretierend, die sprachliche ‘Z w ischenw elt’ nennen sollte. Eine durch W iederholung ritualisierte Sprache täuscht über unser Unwissen hinweg. Sie tu t das in einem Sprach173 medium , das sich als A ttrappe vor die R ealität stellt. Die stru k tu rieren den M ittel sind z.B. die Scheinfachlichkeit, die W ortreihe und der Uni versalbegriff. Die ‘S cheinfachlichkeit’, ob sie nun aus der standardisierenden Wirkung einer eiligen S prachproduktion hervorgeht oder ob sie den Typus Wis senschaftssprache kopiert, gibt unserer öffentlichen Sprache ein au to ri täres, verkrustetes A nsehen. Man vergleiche einmal die N achrichtenspre cher des BBC m it den unseren. Unsere Politiker reden eine scheinfach liche, verform elte Sprache. D er Begriff ‘W ortreihe’ m eint die Beobachtung, daß w ir gew ohnt sind, bestim m te W eltausschnitte in einer festen W ortreihe, einer begrenzten K ette von W örtern, referiert zu erhalten, so daß wir glauben, diesen Rea litätsausschnitt in einer solchen W ortreihe zu h a b e n . Die Wörter tendieren dazu zu dom inieren — an Stelle des Satzbaus. Die Universalbegriffe sind W örter, die auf dem Weg pointierender A b straktion eine Teilw ahrheit verabsolutieren und in denen wir riesige Be reiche zu überblicken glauben. ‘E ntw icklungsland’, ‘Info rm atio n ’, ‘Sexua litä t’, ‘Ö kologie’, ‘Energie’. Es sind Schlüsselbegriffe, halbwissenschaftli che Universalwörter, von denen eine starke Wirkung ausgeht. N icht zu letzt m it ihrer Hilfe bilden w ir uns ein, die Welt im G riff zu haben.23 Sie bilden, zusam m en m it der W ortreihe und der Scheinfachlichkeit, die Schwimmkugeln und das N etz des öffentlichen D enksystem s, in dem wir leben. Ich breche hier ab. — H at Sprachkritik überhaupt einen Sinn, wenn sie sich auf Erscheinungsform en der V erw issenschaftlichung unserer Ge m einsprache richtet? H at es Sinn, an die S prachkritik der ‘D ialektik der A ufklärung’ zu erinnern, nachdem ihre einstigen Jünger einiges dazu ge tan haben, die in ihr enthaltenen Prophezeiungen zu erfüllen? “A ppellantentum scheint eine A rt von K rankheit zu sein, deren typischer V erlauf inzwischen gut b ek an n t ist: Sie tritt in regelmäßig sich wieder holenden Anfällen auf, die für den davon Befallenen recht schm erzhaft sein k ö nnen,” m eint Niklas Luhm ann in seinem V ortrag ‘U nverständli che W issenschaft’. Als Soziologe sei man gew ohnt, davon auszugehen, “daß eine Vorgefundene gesellschaftliche R ealität Gründe dafür hat, daß sie so besteht, wie sie besteht: Gründe oder H intergründe” . 24 Gründe für eine unsachgem äße Verw issenschaftlichung der Hum anw is senschaften lassen sich, wie ich glaube, erkennen; sie liegen z.B. in der gründerzeithaften Produktionslage. Ähnliches mag für den pädagogischen Bereich gelten, der hier berührt w urde. Und der kom m erzielle H inter grund der V erw issenschaftlichung unserer Lebensw elt ist überall erkenn bar. Die V erw issenschaftlichung h at aber noch einen anderen, vielleicht kaum weniger wirksam en H intergrund: das V ertrauen in die Wissenschaft, “ das Wissen oder den G lauben d ara n ,” wie es bei Max Weber heißt, “daß man (...) alle Dinge — im Prinzip — durch Berechnen beherrschen k ö n n e.” Zum H intergrund gehören, gerade im außerw issenschaftlichen Bereich, Lösungserw artungen, vielleicht auch Heilserw artungen, die sich auf die Wissenschaft richten. Diese ihre hierarchische Position bedingt die Expansion ihrer Sprache, z.B. aus N aturw issenschaften und Sozialwissenschaften in die benach barten Fächer, aus der W issenschaft insgesamt in die Gemeinsprache. Wir können die V erw issenschaftlichung unsrer Sprache als eine Spielart der M etaphorik auffassen. Es gibt ja die M etapher n icht n u r im Bereich des Einzelw orts und des Bildfeldes, sondern auch ganzer Sprachsphären, T ex tty pen. Bei der Ü bertragung geht von der Ausgangssphäre eine pro jektive Wirkung auf die Zielsphäre aus. Diese kann erhellt und eigentlich erst erschlossen, sie kann aber auch eingeengt, entstellt und verfrem det w erden, oder sie wird überw uchert. Natürlich ist dies Bild der Ü berw ucherung einseitig; es läßt sich sehr leicht die Gegenrechnung aufm achen. Die Entlehnung von W issenschaftsbegriffen in die G em einsprache etw a b ed eu tet eine ständige H orizonterw eiterung; vielleicht hat der E ntleh nungsschub in den letzten Jahrzehnten eine Europäisierung, eine Latinisierung des D eutschen erreicht. Es scheint, daß die ‘W örter aus der F rem de’, von denen noch A dorno sp rac h 25, keine Sonderstellung m ehr haben, ganz ähnlich wie etw a im Englischen, daß sie glücklich eingebür gert sind. Es wäre nun absurd und genant, auch für die linguistische oder pädago gische L iteratur dieses Zeitraum s eine A rt Gegenrechnung aufm achen zu wollen. Die war nicht das Them a. Das Them a w ar Sprachkritik. Um aber jedem M ißverständnis vorzubeugen: ich w ollte mich nicht ge gen eine esoterische W issenschaftssprache w enden. Ob wir uns in der Linguistik einer form alisierenden Schreibweise bedienen, ob wir A nlei hen bei den N aturw issenschaften oder der Logik oder den Sozialwissen schaften m achen, das läß t sich nu r unter dem G esichtspunkt beurteilen, ob es der Sache, der Erhellung des Gegenstandes dient. V erm utlich kann m an in den Bildfeldern gar nicht vielseitig genug sein. 175 Ich sehe, was unsere Sprache angeht, zwei schwierige Fragen: 1) Welchen S tan d o rt schreiben wir der Linguistik neben den anderen Wis senschaften zu? Ist die U nsicherheit in dieser Frage ein G rund für die derzeitige Sprachverwirrung? Ist dies Fach ein K onglom erat, den ver schiedenen Disziplinen zugänglich? — R om an Jakobson h at in dem A uf satz ‘Die Linguistik und ihr V erhältnis zu anderen W issenschaften’ um fangreiches M aterial für eine solche E rörterung bereitgestellt.26 2) Als hum anw issenschaftliche Disziplin erfüllt sie m.E. im m er eine dop pelte F unktion: sie d ien t i n der Sacherkundung zugleich der Selbstver ständigung des M enschen. V erfehlt die Linguistik nicht ihren Sinn, wenn ihre Ausdrucksweise diese erkennende A nw endung auf uns selbst, die wir umgangssprachlich vornehm en, nicht m ehr erlaubt? M.E. spricht einiges dafür, sich au f die Leistungsfähigkeit der Gem ein sprache zu besinnen, einer Bildungssprache, die um Term inologie und begriffliche Form eln erw eitert ist. Sie ist verm utlich der K om plexität des Gegenstandes besser gewachsen, ist eher in der Lage, ihn vielseitig differenzierend zur D arstellung zu bringen, als z.B. die steifen, angesichts des O bjekts Sprache vereinfachenden Schreibweisen der N aturw issen schaft. Die szientistische Schreibweise bed eu tet eine U nterin terp retatio n des Bereichs Sprache, wir unterschätzen, vielleicht, weil wir die Möglich keiten des Satzbaus, des Periodenbaus und der Großgliederung zu wenig im Auge haben, völlig die Fähigkeit der G em einsprache, die kom plizier testen Sachverhalte zu repräsentieren. Ihre A nw endung wäre zugleich ein nützlicher Prüfstein, der das Triviale als trivial ans Licht bringt. Warum erproben wir, überhaupt, nicht die R eichw eite der Bildungsspra che, in den H um anw issenschaften, im U nterrichtsw esen, in der ö ffen t lichen und privaten G ebrauchssprache, sta tt uns auf die standardisierte Fachlichkeit und Scheinfachlichkeit der verschiedenen situ atio n sty p i schen Teilsprachen einzulassen? Die Würde einer zeitgenössisch erwei terten Bildungssprache liegt m.E. nicht darin, eine unvollkom m ene Wis senschaftssprache zu sein, die der wissenschaftlichen E rkenntnis h in ter herhinkt und eine A rt Geröllfeld überholter Theorien bildet. Sie h at ih ren eigenen M ittelpunkt und Leistungsradius. Der Verw issenschaftlichungs schub in den letzten Jahrzehnten legt es eher nahe, erzw ingt es vielleicht sogar, aus R espekt vor der zu erhaltenden Sachlichkeit der Wissenschaf ten, ihren Universalitätsanspruch auf W elterklärung in Zweifel zu ziehen und ihre Befrachtung m it H eilserwartungen zurückzuweisen. Nicht eine Verw issenschaftlichung unserer Sprache ist wünschenswert, sondern eine Vielsprachigkeit, ein sprachlicher ‘P olytheism us’, und da neben die Erarbeitung eines Sprachgebrauchs, m it dem es möglich ist, 176 sich in den verschiedenen S ituationen und Sachbeziehungen in e i n e r Sprache auszudrücken, die vorgeform ten Inhalte in e i n e r bewegli chen Sprache auszuarbeiten und allgemeiner durchsichtig zu machen. “ Die Umgangssprache ist nicht notw endigerw eise vage, schillernd oder ungenau; das ist lediglich die ohne K önnerschaft gehandhabte Umgangs sprache” , schreibt der Biologe Bernhard Hassenstein. “ Der M öglichkeit nach ist die Umgangssprache in der D arstellung der W irklichkeit von be liebiger Präzision.” *7 Es gibt eine A rt W issenschaftssprache, die, unsinnlich und eindim ensio nal, schon in der H um anw issenschaft ihren Gegenstand nicht erreicht, und deren Expansion in U nterrichtsw esen und Gem einsprache austrock nend wirken kann: Sie addiert F akten, ohne daß ein sinnvoller Zusam m enhang erkennbar wird; sie ist monologisch; sie verzichtet darauf, die Position eines Sprechenden zu m arkieren und von ihr aus einen Raum zu entw erfen; sie verräum licht auch n icht ihren Gegenstand und verzichtet überhaupt auf M ittel der Veranschaulichung; der Satzbau ist undurchsichtig, oder die Satzbaupläne sind einfach und stereotyp und ihr R hythm us infolgedessen m onoton; der sprachliche Zugriff, die M etaphorik z.B., ist einseitig und starr; man bevorzugt Substantive und die sog. ‘blassen’ V erben, die nur noch eine gram m atische, satzkonstituierende F unktion haben (aufw eisen, teilnehm en) und daher geeignet sind, eher statische R elationen abzubil den; man rasselt m it vorgefertigten prestigebesetzten Form eln und W ortauto ritäten, so daß einem Hören und Sehen vergeht. Dagegen eine gegenständliche Sprache, von der etwas, ein M oment, auch in die der Sacherhellung dienende w issenschaftliche D arstellung eingehen könnte: diese wäre dann nicht nur klar, ökonom isch und genau, wie es sich ge hö rt, sondern würde auch noch über eine spezifische Energie sinnlicher Vergegenwärtigung verfügen; wir hören eine Stim m e; ein G edanke verbindet Teile; daß es Wichtiges und Unwichtiges gibt, wird durch den zugewiesenen Raum und den Satzbau ausgedrückt; 177 der Stil ist eher verbal, V erben der A ktion, die anschaulich sind, w erden verw endet und eignen sich, dynam ische und dialektische Prozesse abzu bilden; die Sache wird im Dialog entw ickelt und, durch Synonym envariation und vielseitige M etaphorik, offengehalten; der A utor verräum licht und veranschaulicht, was er darstellen will, er h at ein Gegenüber; er knüpft an, auch an A lltagserfahrung und m ündliche Rede; er bem üht sich, m im etische Q ualitäten der Sprache zu nutzen, die Sinn lichkeit des Gegenstandes durch sinnliche und räum liche A nhaltspunkte w iederzugeben; ein Gedankengang kann z.B. in dem Periodenbau eines Satzes sim uliert w erden; man w echselt zwischen kurzen und langen Sätzen, der R hythm us ist abwechslungsreich und vielseitig — an Stelle eines ökonom ischen Sche matism us en th ält er Ü berraschungsm om ente, Sprünge; die Sprache ist w ohlklingend; sie hat einen R hythm us; und sie lebt von dem ironischen Bewußtsein, daß man in den W örtern nicht die Sachen hat. Der preußische G raf Gustav von Schlabrendorf, der als Em igrant in Paris gelebt hat und dessen S prachtheorie durch Carl Gustav Jochm ann über liefert w orden is t28, m einte, daß die öffentliche Prosa und die gelehrte Sachprosa nach dem V orbild des Englischen auf M ündlichkeit aufruhen solle, und vielleicht darf man noch einmal an die Eigenschaften erinnern, die G ottsched einer vollkom m enen Sprache zuschrieb: ‘D ifferenziertheit’, ‘D eutlichkeit’, ‘Kürze und N achdruck’. Anm erkungen 1 Die D ifferenziertheit seiner linguistischen A rgum entation galt der Kritik, kaum der Begründung von Sprachkritik. Vgl. z.B. Peter von Polenz: Funk tionsverben im heutigen Deutsch. Sprache in der rationalisierten Welt. Bei hefte zum W irkenden W ort 5, Düsseldorf 1963; ders.: Sprachpurism us und Nationalsozialism us. Die Frem dw ort-Frage gestern und heute. In: Germ ani stik —eine deutsche Wissenschaft. F rankfurt 1967 (edition Suhrkam p. Bd. 214), S. 111-165. Eine um fangreiche, wenn auch unvollständige Bibliographie zur Diskussion 178 um die Sprachkritik enthält neuerdings die Sammlung: Hans Jürgen Heringer (Hg.): Holzfeuer im hölzernen Ofen. Aufsätze zur politischen Sprachkritik. Tübingen 1982, S. 317-332. 2 G ottfried Wilhelm Leibniz: Deutsche Schriften. Bd. 1: M uttersprache und völkische Gesinnung. Hg. von W alther Schmied-Kowarzik. Leipzig 1916 (Philosophische Bibliothek. Bd. 161.) [S. 3-24: Erm ahnung an die Deutschen, ihren Verstand und ihre Sprache besser zu üben, sam t beigefügtem Vorschlag einer deutschgesinnten Gesellschaft; S. 25-54: Von deutscher Sprachpflege. Unvorgreifliche G edanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache.] G ottfried Wilhelm Leibniz: Unvorgreifliche G edanken betreffend die Aus übung und Verbesserung der deutschen Sprache. Zwei A ufsätze. Hg. von Uwe Pörksen. K om m entiert von Uwe Pörksen und Jürgen Schiewe. S tu tt gart 1983. (Reclam s Universal-Bibliothek. Nr. 7987 [2]). Johann Christoph G ottsched: Schriften zur L iteratur. Hrsg. von Horst Steinm etz. S tu ttg art 1972. (Reclams Universal-Bibliothek. Nr. 9361 [5 ]). Joachim Heinrich Campe: Ober die Reinigung und Bereicherung der deut schen Sprache. D ritter Versuch /w elcher den von dem königl. Preuß. Ge lehrtenverein zu Berlin ausgesetzten Preis erhalten h a t/ von Joachim Heinrich C am pe’n/Herzogl. Braunschweig. Schulrath. Verbesserte und vermehrte Ausgabe. Braunschweig 1794. — Zugänglich auch unter dem Titel ‘G rund sätze, Regeln und Grenzen der V erdeutschung' als Einleitung zu Campes ‘W örterbuch zur Erklärung und V erdeutschung der unserer Sprache aufge drungenen frem den A usdrücke.’ Braunschweig 2 1813. — R eprint hg. von H elm ut Henne. Hildesheim /N ew Y ork 1970. Carl Gustav Jochm ann: Über die Sprache. Faksim iledruck nach der Origi nalausgabe von 1828, m it Schlabrendorfs ‘Bemerkungen über Sprache’ und der Jochm ann-Biographie von Julius E ckardt. Hg. von Christian Wagen knecht. G öttingen 1968. (Deutsche N eudrucke). Carl Gustav Jochm ann: Politische Sprachkritik. A phorism en und Glossen. Hg. von Uwe Pörksen, ausgew. und kom m , von Uwe Pörksen und Siegfried Hennrich, Herbert Klausmann, Eva Lange, Jürgen Schiewe. Stuttgart 1983. (Reclams Universal-Bibliothek. Nr. 7933 [3 ]). 3 Zu diesem Begriff der ‘N orm ’ vgl. Eugenio Coseriu: System , Norm , Rede, in: Eugenio Coseriu: Sprache. Strukturen und Funktionen. XII Aufsätze. Hg. Uwe Petersen. Tübingen 1970, S. 193-212, bes. S. 207 ff. 4 Ich habe gelegentlich Hugo Stegers anregendes und m.E. besonders leistungs fähiges Konzept, die soziale Binnengliederung unserer Sprache zu erfassen, in Sprachkritik um zum ünzen versucht. — Siehe z.B.: Hugo Steger/Helge D eutrich/G erd Schank/Eva Schütz: R edekonstellation, R edekonstellationstyp, T extexem plar, T extsorte im Rahm en eines Sprachverhaltensm odells. In: Gesprochene Sprache. Jahrbuch 1972 (= Sprache der Gegenwart Bd. 26), Düsseldorf 1974, S. 39-97. Vgl. dazu Uwe Pörksen.- T extsorten, T extsortenverschränkungen und Sprachattrappen. In: W irkendes Wort 1974, S. 219-239. 179 5 Johann Christoph G ottsched: Deutsche Sprachkunst. II. A bschnitt ‘Von der V ollkom m enheit einer Sprache überhaupt.’ §§ 2-4. In: Johann Christoph G ottsched: Ausgewählte Werke. 8.Bd., 1. Teil. B earbeitet von H erbert Penzl, S. 50 f. 6 Vgl. Kuno Lorenz/Jürgen M ittelstrass: R ational Philosophy o f Language: The Program me in P lato’s Cratylos reconsidered. In: Mind 76 (1967), S. 1-20. Uwe Pörksen: Platons Dialog über die Richtigkeit der W örter und das Pro blem der Sprachkritik. In: Germ anistische Linguistik H. 1/2 (1979), S. 37-50. 7 Hansgert Peisert/G erhild Fram heim : Das H ochschulsystem in der Bundes republik — Funktionsw eise und Leistungsfähigkeit. S tuttgart 1979, S. 22 f. 8 Statistisches Bundesam t Wiesbaden (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch 1983 für die Bundesrepublik D eutschland. Stuttgart und Mainz 1983, S. 344. 9 Hans Werner Prahl: Sozialgeschichte des Hochschulwesens. München 1978, S. 366. — Die neu gegründeten Universitäten: Bochum , Konstanz, Regens burg, Bielefeld, D ortm und, Bremen, Düsseldorf (seit 1819 Medizinische Akadem ie), Kaiserslautern, Trier, Oldenburg, Osnabrück, B ayreuth, Ulm (M edizinisch-Naturwissenschaftliche Hochschule), Passau. — Die neuen Gesam thochschulen (U niversitäten): Bamberg, Duisburg, Essen, Kassel, Paderborn, Siegen, W uppertal. — Zur Zahl der Fachhochschulen vgl. Peisert/Fram heim (Anm. 7). 10 Ihre A utoren waren Mario Pei (1966), Mario Pei und Frank Gagmar (1968), Gerhard Helbig (1969), W infried Ulrich (1972), Carl Heupel (1973), Werner Welte (1974), Werner Abraham (1974), Harro Stam m erjohann (1975). 11 Die Z itate, die auf beunruhigende Weise austauschbar sind, weise ich hier und im folgenden n icht nach. Eine persönliche Polemik ist nicht beabsich tigt. 12 Achim Leschinsky/Peter R oeder: D idaktik und U nterricht in der Sekundar stufe I seit 1950. A. Entw icklung der Rahm enbedingungen. In: Max-PlankInstitut für Bildungsforschung. Projektgruppe Bildungsbericht (Hrsg.): Bildung in der Bundesrepublik D eutschland. S tu ttg art 1980. Bd. 1 E nt wicklungen seit 1950, S. 309. — Die Quellen der A utoren sind das S tatisti sche Bundesam t: Statistik der Bundesrepublik D eutschland. Fachserie 11, Bildung und K ultur. Reihe 4,4: Personal an Hochschulen 1976. S tuttgart und Mainz 1977-, sowie entsprechende V eröffentlichungen für frühere Jahre. — Die A utoren m erken für die Fächergruppe Pädagogik an: “ 1953 einschließ lich Leibesübungen, Sport und Sporterziehung, 1972 und 1976 Erziehungs wissenschaften und L ehram t an Grund-, Haupt- und Sonderschulen.” 13 L eschinsky/Roeder, S. 307. — Quellen wie in Anm. 12. 14 Leschinsky, R oeder, S. 309. — Quellen wie in Anm . 12. — Die Zahlen gel ten “ 1976 einschließlich germanistische Sprachen sowie Sprach- und Li teraturw issenschaft” . 15 Hans-Martin Gauger: Wissenschaft als Stil. In: D eutsche Akadem ie für Sprache und Dichtung. Jahrbuch 1979. Heidelberg 1979, S. 22-33. Vgl. den u nter Anm . 4 genannten A ufsatz über ‘T extsorten, T extsorten verschränkung und Sprachattrappen’ und m eine Polem ik ‘Vom pseudo wissenschaftlichen Jargon’. In: Neue R undschau 71 (1974), S. 214-222. 180 16 Statistisches Bundesam t Wiesbaden (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch 1983 (siehe Anm . 8), S. 356. 17 Der Term inus wurde gesprächsweise von Wolf Lepenies geprägt. 18 Jürgen Kreft: Entw icklung der L iteraturdidaktik im Rahm en der Deutsch didaktik. In : Bildungsbericht des M ax-Plank-Instituts für Bildungsforschung (siehe Anm . 12), S. 553 f. zur ‘Szientisierung’ des L iteraturunterrichts. 19 H orst W eishaupt: Modellversuche im Bildungswesen und ihre wissenschaft liche Begleitung. In: Bildungsbericht des M ax-Plank-Instituts für Bildungs forschung (Anm . 12), 2. Band, S. 1287-1342. 20 Karl Korn: Sprache in der verwalteten Welt, dtv 1962, S. 17: “ Ein groteskes, aber keineswegs als ausgefallen anzusehendes Beispiel ist der Satz des Pfar rers, der seinen Schützling ‘das Liebesbedürfnis in den ganzen Zusammen hang der Liebe einplanen’ heißt. Es handelt sich um ein authentisches, be glaubigtes Z itat. Am G roteskfall wird deutlich, was allgemeine Sprachsignatu r in der verw alteten Welt ist, die Ü bersetzung in den A ktenvorgang.” 21 A dorno und H orkheim er haben das Phänom en am Beispiel psychoanalytisch überform ter Gespräche beschrieben: “ Die Wahl der Worte im Gespräch, ja das ganze nach den Ordnungsbegriffen der heruntergekom m enen T iefen psychologie aufgeteilte Innenleben bezeugt den Versuch, sich selbst zum erfolgsadäquaten A pparat zu m achen, der bis in die Triebregungen hinein dem von der K ulturindustrie präsentierten Modell entspricht.” T heodor W. A dorno/M ax Horkheim er: Dialektik der A ufklärung, Frankfurt/M . 1969, S. 176. 22 Max Weber: Wissenschaft als Beruf. G edanken anläßlich einer Studenten versammlung 1919, die über Berufsfragen orientiert werden sollte. In: SV — Schriftenreihe zur Förderung der Wissenschaft 1958/3, S. 16. 23 Diese W örter sind ein G egenstand wiederkehrender, höchst anregender Ge spräche m it Ivan Illich. 24 Niklas Luhm ann: Unverständliche Wissenschaft. Problem e einer theorieeige nen Sprache. In: Deutsche Akadem ie für Sprache und Dichtung. Jahrbuch 1979. Heidelberg 1979, S. 34. 25 T heodor W. A dorno: W örter aus der Frem de. In: Th. W. A dorno: N oten zur Literatur. Gesammelte Schriften. Bd. 11. F rankfurt 1974, S. 216-232. 26 Rom an Jakobson: Die Linguistik und ihr Verhältnis zu anderen Wissenschaf ten. In: Rom an Jakobson: A ufsätze zur Linguistik und Poetik. Herausgege ben und eingeleitet von Wolfgang Raible. München 1972, S. 150-224. 27 Bernhard Hassenstein: Wie viele Körner ergeben einen Haufen? Bemerkun gen zu einem uralten und zugleich aktuellen Verständigungsproblem. In: Schriften der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, hrsg. von A nton Peisl und Arm in Mohler. Band I ‘Der Mensch und seine Sprache’.Frankfurt/M ., Berlin, Wien 1979, S. 238. 28 Vgl. das I. Kapitel ‘Über den R hythm us’ in Jochm anns Buch ‘Über die Spra che’ von 1828 (Anm. 2). 181 Sprachkultur und politische Kultur WALTHER DIECKMANN V o rw o r t: S p r a c h k u ltu r u n d p o litis c h e K u ltu r Das Them a “S prachkultur und politische K u ltu r” ist ein großes Them a und ein sehr anspruchsvolles dazu, zum indest für den, dem es nicht ge lingen will, den Begriff der K ultur seiner w erthaften K om ponenten gänz lich zu entkleiden und ihn strikt als beschreibenden Begriff für den jeweils vorfindlichen, gleichviel ob guten oder schlechten Zustand der kulturellen Angelegenheiten zu verw enden. Im Tagungsprogramm tau ch t dieser schwer gewichtige Begriff nun auch noch verdoppelt auf, kom poniert zu einer Them aform ulierung, die eines großen Vortrags würdig ist, wie er anläßlich eines Festaktes in der Paulskirche oder bei einer ähnlich prom inenten Gele genheit gehalten w erden könnte. — Die Tagungsbeiträge w erden solche Ansprüche nicht erfüllen können. Das Them a ist n icht nur anspruchsvoll, sondern auch schwierig zu be handeln. Das liegt zum einen daran, daß die Zusam m enhänge zwischen Sprachkultur und politischer K ultur so vielfältig sind, daß die Beiträge, wenn sie nicht in irgendeiner Weise sich gemeinsam an einer Rahm en frage orientieren, sich leicht im w eiten Raum der möglichen Bezüge ver lieren können. Dieser G efahr haben die Beteiligten versucht vorzubeugen, indem sie eine solche, zum indest vage bestim m te Rahm enfrage vereinbart haben. Etwa so: Es ist im politischen Bereich nicht ohne G rund viel von Glaubwürdig keitsverlust, Parteienverdrossenheit, System m üdigkeit oder Legi tim ationsverfall die Rede. Diese Klagen oder Vorwürfe sind nicht unbedingt neu, auch ist das w ahrgenom m ene Problem sicherlich nicht nur, nicht einm al in erster Linie unter dem Titel “ Sprach kultur und politische K u ltu r” zu behandeln oder gar zu lösen. Doch hat es auch eine sprachliche und kom m unikative Seite. Es ist des halb eine berechtigte Frage, ob nicht auch die A rt und Weise, wie Politiker öffentlich m iteinander oder zum Bürger reden, zu dem beklagten G laubwürdigkeitsverlust beiträgt, und welche Eigen schaften politischer Rede und K om m unikation es sind, die diese Wirkung beim Bürger hervorrufen können. Eine Kultivierung der politischen Sprache h ätte dann an den Eigenschaften anzusetzen, die die Analyse unter der genannten Frage als bedeutsam identifi ziert hat. 182 A uf diese Weise wird das allgemein form ulierte Them a im ersten S chritt auf die öffentlich-politische K om m unikation eingegrenzt, und es bekom m t m it dem Bezug auf Begriffe wie Legitim ationsverfall und Glaubwürdigkeits verlust im zw eiten S chritt zusätzlich eine besondere Zielrichtung. Das T hem a ist zum anderen auch deshalb schwierig zu behandeln, weil die Frage, ob der W issenschaftler über die Beschreibung hinaus auch be w erten kann, darf oder gar soll, im Blick auf die Analyse der politischen S prachkultur eine besondere Brisanz erhält. Zw ar m eine ich, daß die G renze zwischen Beschreibung und Bewertung, vor allem als verdeckte Bewertung, auch bei anderen U ntersuchungsgegenständen in der faktischen w issenschaftlichen T ätigkeit längst nicht so klar gezogen wird wie im theoretisch-allgem einen Reden über das Problem ; das Besondere bei den Analysen politischer Sprache ist jedoch, daß die Grenzüberschreitungen unverm eidlich einen Kläger finden, weil der R aum des Politischen w esent lich ein R aum des Strittigen ist. D ennoch halte ich w ertende Aussagen in w issenschaftlichen V eröffentlichungen n icht grundsätzlich für ein Problem. Schlim m er ist es jedenfalls, w enn die Bewertungen unter dem Druck des A nspruchs rein beschreibender Rede aus dem Prädikatsteil der Ä uße rungen, wo sie offen zutage liegen, verschwinden und stattdessen im R eferenzakt oder in den n icht ausgedrückten Prämissen verdeckt ihr Un wesen treiben. V om W issenschaftler zu fordern ist, daß er sich über den S tatus seiner Aussagen jeweils selbst im Klaren ist und daß er dem Leser, auch w enn es um ständlich ist, deutlich zu erkennen gibt, w elchen A n spruch er jeweils erhebt. Insbesondere sollte klar sein, wofür der Wissen schaftler seine spezifische Fachkom petenz ins Feld führt und wo dies n ich t oder nur eingeschränkt der Fall ist. Die linguistischen Beiträge von Gerhard Strauß, Gisela Z ifonun und von Werner Holly geben G elegenheit zu überprüfen, w ie Linguisten, die sich in den letzten Jahren sprachkritischen Fragen zugew endet haben, m it dem Problem der Bew ertung umgehen. Es sind Zeugnisse linguistischer Sprachkritik oder, wie sich zunehm end durchsetzt, “linguistisch begrün d eter S prachkritik” , die in den vergangenen Jahren in der Bundesrepu blik — auf einer relativ einheitlichen sprach- und kom m unikationstheo retischen G rundlage — deutlich einen neuen A nlauf genom m en hat. Z u sätzlich kom m t m it Wolfgang Bergsdorf ein Politikw issenschaftler und P olitiker zu W ort, der sich in besonderer Weise als Diskussionspartner eignet, weil er sich in zahlreichen V eröffentlichungen zu Problem en der politischen Sprache geäußert hat und m it der sprachkritischen und sprachwissenschaftlichen L iteratur gründlich vertraut ist, sie allerdings n ich t im m er m it reinem Vergnügen und Z ustim m ung gelesen hat. 183 WOLFGANG BERGSDORF Über die Schwierigkeiten des politischen Sprechens in der D em okratie I. Die Sprache der Politik ist in den letzten Jahren ins G erede geraten. Publizisten, W issenschaftler der einschlägigen Branchen, Leserbriefschrei ber und natürlich auch Politiker beschäftigen sich nicht nur im deutschen Sprachraum kritisch m it der politischen Sprache. Zwei H auptangriffs punkte kristallisieren sich im vielfältigen Beschuß der Kritik heraus: Erstens der V orw urf, Sprache w erde im politischen K ontext fast reflex artig verw endet, nahezu autom atisch würde auf Form eln und Leerform eln zurückgegriffen, w o K onkretion und Präzision gefordert sei, und zweitens der V orw urf, Sprache w erde zu m anipulativen Zwecken eingesetzt, sie werde also von ihrer kom m unikativen A ufgabe zugunsten einer der Politik nützlichen M anipulationsstrategie entfrem det. Beide Vorwürfe treffen sich in dem G eneralverdacht, die Sprache der Politik diene nicht der K om m unikation zwischen Regierenden und R egierten, sondern sie schließe die w ahren A bsichten der Regierenden herm etisch ab von der Urteilsfähigkeit der Regierten. Dieser A ngriff auf die politische Sprache ist ebenso wenig eine neue E n t w icklung wie die Klagen über die angebliche V erseuchung der H och sprache durch F rem dw örter oder die ostinate K ritik an den sich in Elfen beintürm en abschließenden Fachsprachen der W issenschaft. Gemeinsa mes Motiv für diesen D reifrontenkrieg der Sprachkritik ist die F o rd e rung nach Erhöhung der “V erständlichkeit” , nach Verbesserung der kom m unikativen T eilnahm echancen aller Bürger. Der sprachliche E xotism us der W issenschaft wird zwar beklagt, aber doch im w esentlichen als unverm eidbar hingenom m en. U nd auch die kontrapunktisch geführte Klage über den epidem ischen Befall der d eu t schen Sprache durch F rem dw örter findet regelmäßig nur Widerhall bei beruflich oder sachlich besonders enthusiasm ierten Benutzern der d eu t schen Sprache. A nders ist dies bei der politisch begründeten Kritik an der Sprache der Politik. Indem sie der Sprache der Politik m angelhafte V erständlichkeit — als In ten tio n oder Ergebnis von Unvermögen — u n te r stellt, wird sie selbst zum Politicum , das den S treit der M einungen herausfordert. 184 D enn die K om m unikation über Politik in der D em okratie setzt eine “Sprache für alle” voraus, wie sie vor dreihundert Jah ren von G ottfried Wilhelm Leibniz gefordert w urde. Seine vordem okratische Begründung für die N otw endigkeit einer “Sprache für alle” , um “lust und liebe zu Weisheit und tugend bey den Teutschen heftiger (zu) m achen” , läßt sich m it geringem A ufw and an Phantasie als Begründung der sprachlichen V oraussetzungen der D em okratie transportieren: “ bey der ganzen nation aber ist geschehen, daß diejenigen, so kein latein gelernet, von der wißenschaft gleichsam ausgeschloßen w orden, also bey uns ein gewißer geist und scharffsinnige gedancken, ein reiffes urtheil, eine zarthe em pfindlichkeit deßen so wohl oder übel gefaßet, noch n icht u n te r den Leuten so gemein gew orden, als w ohl bey den auslandern zu spüren, deren w ohl ausgeübte M uttersprach wie ein rein polirtes glas gleichsam die scharffsichtigkeit des gem üths b efördert und dem V erstand eine durchleuchtende clarheit g ieb t” .1 Wollte Leibniz die “ Sprache für alle” als mächtiges Instrum ent der A ufklärung in Stellung gebracht sehen, so läßt sich dies heute leicht als ein Plädoyer für m ehr dem okratische P artizipationschancen verstehen. Hier drängt sich die Frage auf, ob ein Plädoyer für eine politische “ Sprache für alle” nicht h inter der Entw icklung herläuft; ob nicht die Massen m edien, insbesondere das Fernsehen, daran m itgew irkt haben, das F unda m en t für einen politischen Sprachgebrauch zu legen, dessen Verstehbarkeit die Grenzen des politischen Interesses w eit gesprengt und zusätzliches politisches Interesse en tfach t hat; ob die K ritik an der “V erständlichkeit” der politischen Sprache n icht eher als Beweis dafür zu gelten hat, daß eine politische Sprache für alle ganz andere Schw ierigkeiten aufw irft als die der V erständlichkeit. II. Bevor diese Fragen u n tersucht w erden können, müssen einige Feststel lungen über die Leistungen der Sprache in der politischen A useinander setzung getroffen w erden. D enn auf die Sprache der politischen Propa ganda konzentriert sich der K am pf der politischen G ruppierungen um Z ustim m ungsbereitschaft, die sprachlich erzeugt w erden soll. Hier er läutert die handelnde Politik ihre Ziele und Begründungen und stellt sich H erausforderungen konkurrierender M achtansprüche, w enn und solange G ew altanw endung als M ittel des politischen Kam pfes ausgeschlossen bleibt. Weil die sprachliche A useinandersetzung über Politik hauptsächlich in diesem Feld sta ttfin d e t, ist es verständlich, daß es o ft m it der “ Sprache der P olitik” gleichgesetzt wird. 185 Typologie oder Term inologie dieses Sprachfeldes sind ausgerichtet auf die Selbstdarstellung und -rechtfertigung der Politik. Zwischen Wahlrede und Parteiprogram m , zwischen Pressegespräch und Fernsehinterview , zwischen parlam entarischer Rede und Regierungserklärung bestehen zwar graduelle U nterschiede im A dressatenkreis und deshalb auch im konkreten G ehalt der Aussagen. Gemeinsam ist diesen H au pttypen poli tischen Sprechens jedoch, daß sie Form en für die Darlegung und Begrün dung politischer Ziele in der Ö ffentlichkeit anbieten. Dabei unterschei den sich Parteiprogram m und Regierungserklärung ähnlich wie Wahlrede und parlam entarische Rede dadurch, daß Z ukunftsentw ürfe und politische A ktion in einem unterschiedlichen M ischungsverhältnis them atisiert w er den. So dürfte z.B. die A useinandersetzung m it dem politischen Gegner außerhalb des Parlam ents regelmäßig schärfer ausfallen. Die politische A useinandersetzung bedient sich einer Term inologie, die sich aus zwei großen Bereichen zusam m ensetzt: Der Fachsprache der Politik, deren Begriffe aus den von der Politik zu behandelnden Fach gebieten (Ö konom ie, Technik, R echt, O rganisation etc.) en tleh n t w urden, und der M einungssprache, die die G rundorientierungen und Z u k u n fts entwürfe der Politik widerspiegeln soll. Beiden “ S prachen” gemeinsam ist die hohe A bstraktionsebene. Sie ist die Folge der ausgew eiteten Distanz zwischen der unm ittelbaren E rfahrbarkeit von Zusam m enhängen und der N otw endigkeit, sie dennoch zu beurteilen2 . W ährend jedoch die Fach sprache der Politik den Eindruck hoher R ationalität erzeugt, indem die entlehnten Fachterm ini die Lösbarkeit der politisch-organisatorischen Fachfragen signalisieren, w irkt die M einungssprache irrational. Die m an gelnde Präzision, die unterschiedlichen und widersprüchlichen In ter pretationsm öglichkeiten und die dadurch erm öglichte em otive A usstrah lung ihrer Term ini, vor allem aber die polarisierende O rganisation ihrer Begriffsfelder bew irken den K ontrast von m angelnder R ationalität der Meinungssprache und rational durchw irkter Fachsprache. Die Sprache der politischen Propaganda bedient sich beider “ Sprachen” . Die aus Werten abgeleiteten und deshalb rational nur im m anent begründ baren Zielvorstellungen der Politik, die in der M einungssprache ausgedrückt w erden, w erden durch eine V erm ischung m it der Fachsprache der Politik rationalistisch eingefärbt, um so dem Bedürfnis nach rationaler Begrün dung von Politik R echnung zu tragen. Ähnlich kann sich auch die Irratio nalität der M einungssprache auf die Fachsprache übertragen, wie die sprachliche Seite der Diskussion um Kernenergie exem plarisch deutlich m acht. Die gegenseitige rationale und irrationale Einfärbung von Fachund Meinungssprache gibt der Sprache der politischen A useinander setzung zusätzliche W irkungsm öglichkeiten. Sie bleiben unerkennbar, 186 wenn dieser Sprachgebrauch allein als “ Sprache der Ideologie” verstanden und dann auch o ft — aus der F orderung nach R ationalität heraus — negativ bew ertet wird. Sie bleiben auch dann unerkennbar, wenn politisches Sprechen nicht als das verstanden wird, was es bezw eckt: näm lich Zu k u n ft zu antizipieren, G egenwart zu rechtfertigen oder zu verwerfen und V ergangenheit zu bew erten. Oder: Um es m it der je tzt zu Bühnen ehren gekom m enen Fragetrias zu form ulieren: W oher kom m en wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? Die Sprache der Politik will H andlungsentw ürfe anbieten; der Austausch von Inform ationen ist subsidär, er dient der Begründung der vorgeschla genen H andlungsentw ürfe. Die Prädom inanz der Handlungsdim ension im politischen Sprachgebrauch überlagert die Inform ationsfunktion nicht nur, sondern sie bindet Inform ationen an politische Zwecke. In der polarisierten S tru k tu r der politischen A useinandersetzung en th ält jede für die Politik relevante Inform ation eine potentielle D ynam ik, die die politischen G ruppierungen zu ihren G unsten sprachlich zu entfalten oder auszublenden versucht. Dies ist der G rund dafür, daß in der Politik — anders als in der Wissen schaft — Inform ationen n icht allein in dem V ertrauen gegeben werden, daß Interessierte sie aufnehm en und verarbeiten; vielm ehr w erden sie bew ertet, in Zusam m enhänge hineingestellt und —je nach verm uteter Bedeutung — m öglichst o ft im K ontext der Bew ertung repetiert, um so eine größtm ögliche Zahl von Mitbürgern zu erreichen. In der Politik endet der H andlungskreis nicht wie in der W issenschaft m it der Inform a tion, sondern er beginnt m it ihr. Am Ende steh t das Ziel: die angestrebte V eränderung oder Stabilisierung der M achtsituation — es ist so unver m eidlich, daß sich die Praxis der Inform ation ebenso wie ihre sprach liche Einkleidung an diesem Zweck ausrichtet.3 A uch w enn dieser Zweck nicht erkannt oder verborgen w ird, durchw irkt er die öffentliche Prä sentation der Inform ation. Die A nstrengungen vor allem to talitärer System e, die Inform ationsinstanzen to ta l zu kontrollieren und eine gleichgeschaltete sprachliche Bewertung sicherzustellen, unterstreichen die Bedeutung, die der politischen Inform ationsgebung beigemessen wird. Die Inform ationsinstanzen m achen sich das Bedürfnis der Bürger nach Inform ation zunutze, um deren M einungsbildung und V erhalten zu steuern. Ob der Zweck und dam it auch die politische Einfärbung der Inform ationsgebung erkannt wird oder nicht, die den Bürger er reichenden Inform ationen entlasten ihn von dem D ilemma zwischen Meinungszwang und M einungsunfähigkeit, indem sie ihn über das u n te r richten, w orüber er keine persönliche E rfahrung gewinnen kann. 187 Für die Analyse des politischen Sprachgebrauchs ergibt sich hieraus, daß eine Beschränkung allein au f das Sprachm aterial die w esentliche Dimen sion politischen Sprechens verfehlt. Wenn der politische Zweck des Sprechens nicht berücksichtigt w ird, bleibt die H andlungsdim ension der politischen Sprache ausgespart. Es ist deshalb unzureichend, politische Ä ußerungen als T exte nur im K ontext von T exten zu verstehen, denn sie gewinnen ihre B edeutung als T exte nur im K ontext von Handlungen4 . Denn politischer Sprachgebrauch bezieht sich im m er auf gegebene poli tische S ituationen. Selbst darstellende Sätze w erden durch den politischen K ontext m it W ertungen so aufgeladen, daß sie A ktionscharakter erhalten, indem sie dem A dressaten Handlungen oder U nterlassungen nahelegen. Die politische Sprache fungiert als H andlungsleitsystem 5 so lange, wie Politik nicht ersetzt w ird durch Anpassung an sogenannte Sachzwänge oder aber zu M itteln der Gewalt greift. Wer Politik als A ufgabe der G estaltung und dam it auch der Entscheidung versteht, m uß dam it hinnehm en, daß ein großer Teil der Politik sich m it dem E ntw urf von H andlungszielen und den V oraussetzungen ihrer V er wirklichung beschäftigt. Handlungsziele sind nicht evident und für jederm ann einsehbar, sondern gründen auf unterschiedlichen Werten. U nter den Funktionsbedingungen m oderner politischer System e müssen sie jedoch so form uliert sein, daß sie eine möglichst breite U nterstützung erhalten. Die Sprache der politischen Propaganda, in der die Ziele poli tischen Handelns ausgedrückt w erden, m uß deshalb so flexibel sein, daß ihre Überredungs- und Ü berzeugungskraft nicht am W iderstand von W irklichkeits-Perzeptionen scheitert, die Protagonisten konkurrierender Handlungsziele aufgebaut haben. Eine Gesellschaft bleibt politisch strukturlos und handlungsunfähig, so lange politische Ziele nicht gebündelt und so wirksam w erden. Politische Integration w ird so von gem einsamen Wert- und Zielvorstellungen ge leistet. Die Integration setzt n icht die to tale Id en tität politischer Werte und Ziele voraus, w ohl aber die relative Id en tität der W ertsysteme der unterschiedlichen politischen G ruppen, die in der politischen A useinan dersetzung einen relativen politischen Gesamtwillen überhaupt erst konstituieren. Die Sprache leistet dieser für jedes politische System un abdingbaren Integration dadurch ihren D ienst, daß sie die M ittel an b ietet, Werte und Ziele zu form ulieren. Dies geschieht durch die in der Sprache nur unzulänglich abbildbaren Entw ürfe für die G estaltung der Z ukunft, durch Ideologien. Dies sind sprachliche Gebilde, deren Wirk sam keit nicht aus ihren notw endigerw eise unterschiedlichen W ertpro filen und deshalb keineswegs für jeden nachvollziehbaren Begründungs zusamm enhängen verständlich w ird, sondern durch ihre m onologische 188 S truktur. Sie bezieht ihre Faszinationskraft durch die Steigerung einer o der weniger W erte zu einem nicht w eiter begründbaren W ertsystem; alle anderen W ertsystem e w erden so relativiert. Diese Radikalisierung verfolgt eindeutige Zwecke, befreit von Zweifel und U nsicherheiten und erlaubt G ew ißheit und Selbstsicherheit. Die Integrationsleistung von Ideologien hängt deshalb ab von ihrer Flexibilität als der Voraussetzung ihrer Ü berzeugungskraft. Diese Flexibilität prägt auch die Sprache der Politik, insbesondere die der politischen Propaganda. Die geringe Präzision ihrer Begriffe kann nicht als Mangel, sondern m uß als Bedingung ihrer W irksamkeit begriffen w er den. Der Mangel an inhaltlicher Präzision ist so als Vorbedingung für breite V erständlichkeit wie für A npassungsfähigkeit an Unvorhergesehe nes zu verstehen. III. Alltagssprache und die Sprache der politischen Propaganda unterscheiden sich vor allem im S tellenw ert und in der G ebrauchshäufigkeit von Be griffen. Die Sprache der Politik ist eine Sprache der Begriffe. Selbst wenn sie W örter aus der Alltagssprache entleiht, verleiht sie ihnen o ft den Rang von Begriffen, den diese dann wieder verlieren, sobald sie aus dem politi schen K ontext entlassen w erden. Begriffe sind nicht nur Sym bole wie W örter, die als Namen oder Zeichen für einen Gegenstand oder eine Substanz stehen. Die Bedeutung von W örtern wird durch den allgemei nen Sprachgebrauch geregelt, w ährend Begriffe Sprachgebrauch m it nor m ierter oder norm ierender B edeutung sind. Begriffe sind verdichtete Sym bole, die für Zusam m enhänge stehen und durch sie bestim m t werden. Erst in diesen Zusam m enhängen, die unterschiedlich sein können, erhalten sie ihre Bedeutung. O hne diese Zusam m enhänge sind sie unvollständig, ergänzungsbedürftig oder “ ungesättigt” 6 . Diese Feststellung trifft in besonderer Weise au f die Begriffe zu, m it deren Hilfe soziale Ereignisse und Entw icklungen beschrieben werden. Für histo rische und politische Entw icklungen ist es kennzeichnend, daß sie nicht m onokausal erklärt w erden können, sondern nur durch die Bündelung einer Vielzahl von Ursachen, deren jeweilige A ntriebskraft für den in Gang gesetzten Prozeß selten genau zu berechnen ist. Die Einschätzung rich tet sich an unterschiedlichen W erten und Zielvorstellungen aus, an der sich auch die Begriffsbildung für die Beschreibung sozialer Phänom ene orientiert. Meist geschieht die Begriffsbildung durch die Herauslösung eines in einer gegebenen politischen S ituation festgestellten Merkmals, das abstrahiert 189 und generalisiert wird. So war z.B. der Begriff “A bsolutism us” als Postfestum -Signatur einer bestim m ten Periode der europäischen G eschichte erfolgreich, weil er die absolute Verfügungsgewalt von H errschern über ihre U ntertanen auf einen Begriff gebracht hat, der das unterschiedliche Selbstverständnis beispielsweise der preußischen und der französischen Könige, unterschiedliche Rechts- und Regierungsssystem e, unterschied lich politische und soziale Bedeutungen von Adel, Kirche, M ilitär und Bürgertum ebenso ausklam m ert wie Entw icklungen, die der A bsolutis m us zu seiner eigenen Ü berw indung in Gang setzte. Die Steigerung eines oder m ehrerer Merkmale zur D om inanten, die einem Begriff seiner B edeutung gibt, erm öglicht es ihm, als “m ehr oder weniger stabilisiertes, elem entares oder entw ickeltes geistiges K onzept der O rien tieru n g ” 7 zu fungieren. Die W ahrnehmung von historischen und politi schen Prozessen geschieht durch ein R aster von Begriffen, deren analy tische und utopische E lem ente aus selektiven Perzeptionen gewonnen werden. Im K ontrast dazu steht, daß zum indest im sozialen Bereich die A nw esenheit oder A bw esenheit eines Merkmals oder einer M erkm alkom bination meistens eine graduelle Frage ist. Sie ist noch schwerer zu b e antw orten, falls es darum geht, eine Reihe von M erkmalen, die in ver schiedenen V ariationen auftreten, auf den Begriff zu bringen. Weil Begriffe “O rientierungen über O rientierungen”8 sind, weil durch ihre R aster N uancen und fließende Übergänge fallen, weil sie m it Werten aufgeladen sind, eignen sie sich für die Politik als M ittel des Kampfes um M acht. W örter, die m an sich ohne K ontext denkt, können nicht lügen. Sie können aber täuschen, w enn sie in einen politischen K o n tex t gebracht w erden, etw a durch eine “ u n d ”-Fügung, wie sie die Nationalsozialisten zur V erbindung von “ Blut und B oden” ben u tzt haben. A ber: “ Begriffe können lügen, denn unausgesprochen steh t der K o n tex t h in ter ih n en ” , wie beispielsweise der Begriff “ Endlösung” klarm acht9 . Begriffe, welche im politischen K ontext häufig V erw endung finden, ver fügen über eine ausgeprägtere Handlungsdim ension, als sie für den Sprach gebrauch in anderen Bereichen des Lebens charakteristisch ist. Sie ge w innen diese H andlungsdim ension aus ihrer U nbestim m theit und K on textabhängigkeit, aus ihrer Fundierung durch o ft gegensätzliche Wer tungen und G eneralisierungen. Die Sprache der politischen Propaganda m acht sich die präskriptive D im ension ihrer Begriffe zunutze, indem sie die ihnen zugrunde liegenden W ertsetzungen nicht explizit erläutert, sondern darauf vertraut, daß diese m it den Begriffen in das Bewußtsein der A dressaten einfließen. 190 Bei den in der Politik verw endeten Begriffen können drei H auptarten von T ypenbegriffen10 unterschieden w erden, in denen die Handlungsdim en sion in unterschiedlicher Weise ausgeprägt ist: K lassifikatorische T y p e n ; wie die klassischen Staatsform bezeichnungen “M onarchie” , “ A ristokratie” , “ R epublik” 11 versuchen, feststellbare M erkmale m it bestim m ten Eigen schaften von H errschaftssystem en zu kontrollieren. A nders als klassifi katorische T ypenbildungen, z.B. in den Sozialw issenschaften, sind ihre Nachfolger wie “D em okratie” , “ Faschism us” und “ Sozialism us” heute auch stark w ertgeladen und so weniger geeignet, einem größeren Adressa tenkreis ein Phänom en zu beschreiben, ohne es zu bew erten. Dies gelingt bestenfalls durch die Hinzufügung von A ttrib u ten wie in den K om bina tionen “konstitutionelle M onarchie” und “ parlam entarische D em okratie” , die auf diese Weise M erkmale m it Verfassungssystem en kom binieren, um Unterscheidungen m it zurückgenom m enen Bew ertungen zu treffen. Sehr viel deutlicher wird die W ertsetzung bei den E x trem typen der Poli tik, wo ein K ontinuum durch eine künstliche G renze in zwei Teile getrennt wird. N icht nur das Rechts-Links-Schem a verdankt dieser sehr veränder baren und unterschiedlich gezogenen Trennlinie seine unerschöpfliche L ebenskraft, sondern das m it ihm verbundene Gegensatzpaar “ K onser vativismus — F o rts c h ritt” . 12 Politische Positionen geraten regelmäßig zwischen diese Gegensätze, ohne die K raft aufzubringen, deren Schem a tism us aufzubrechen. In der W issenschaft gelingt dies oft. E xtrem typen dienen hier der A nstrengung, V arianten deutlich zu m achen, ein “sow ohl als auch” und ein “ m ehr oder weniger” herauszuarbeiten, w obei davon ausgegangen wird, daß reine E xtrem typen absolute A usnahm en bleiben. Die dritte H auptart von T ypenbegriffen sind Idealtypen 13 ; ihre Eigen schaften prägen den C harakter der politischen Sprache in besonderer Weise. Sie sind gedankliche K onstrukte, gew onnen aus der einseitigen Steigerung eines oder m ehrerer G esichtspunkte und durch Zusam m en schluß einer Fülle von diffus und diskret, hier m ehr, d o rt weniger, stellen weise gar nicht vorhandener Einzelerscheinungen, die sich zu einem Ge dankenbild fügen. In seiner begrifflichen R einheit ist der Idealtyp em pi risch nicht vorfindbar, er “ist eine U topie, ein Grenzbegriff, m it dem konkrete Phänom ene nur verglichen w erden können, um einige ihrer be deutsam en Bestandteile herauszuarbeiten” 14. Es ist vor allem ihre idealtypische Verw endung, die Schlüsselwörter in G eschichte und Politik erfolgreich m acht. Mit ihrer Hilfe kann die u nzu längliche G egenwart vor der Instanz der Z ukunft angeklagt w erden. Be griffe wie “ F re ih eit” , “ G erechtigkeit” und “ S olidarität” , aber auch “ D em o k ratie” 15 und “Sozialism us”16 sind Schlüsselwörter, die Parteinahm e 191 verlangen, welche der A dressat kaum verweigern kann. Schlüsselwörter sind an einem Begriff festgem achte Z ukunftsentw ürfe m it Vergangen heitsdeutungen, die politische Philosophien suggerieren, ohne sie deutlich zu explizieren. Sie tendieren zu U topien und geben sich aus als Realitäten, zum indest als realisierbare P rojektionen. Sie harm onisieren A bstufungen, Unterschiede und W idersprüche und verzichten so auf K onturen. Sie er heben den A nspruch von G esam tlösungen und erschweren Teillösungen. Sie setzen auf G esetzesm äßigkeiten und S trukturen und sprechen sich so gegen E inzelfaktoren, Individuelles und Zufall als Beweggründe für Entw icklungen aus 17. Sie erw ecken so den A nschein von V oraussehbar keit und Planbarkeit und dam it auch von R ationalität und wollen dafür ihre irrationale Faszinationskraft einsetzen. D ennoch sind sie ebenso un verzichtbar für das V erständnis von G eschichte und Politik wie für die politische Praxis. D urch die für Schlüsselbegriffe typische, nicht auflös bare Spannung zwischen unbestim m ter B edeutung und ausgeschnittener Meinung, durch ihre von der G eschichte herrührende em otive Ausstrahlung gewinnen sie eine D ynam ik, die sie sow ohl zu Indikatoren wie als F ak toren politischer E ntw icklungen w erden l ä ß t 18. Diese politische In te grationsleistung m acht die Begriffe unverzichtbar für die politische A us einandersetzung. IV. Die Integrationsleistung der politischen Sprache erfordert einen hohen Preis: den Preis einer mangelnden Präzision ihrer Begriffe. G erade weil die Sprache der Politik eine Sprache der Begriffe ist, wird ihre mangel hafte Präzision augenfällig und ohrfällig. Man kann diesen G edanken allerdings auch in um gekehrte R ichtung bringen. Je höher die Präzision der politischen Begrifflichkeit, je genauer sie eine politische Vision oder eine gegebene Lage au f einen Begriff bringt, desto geringer wird ihre Integrationsleistung, desto sektoraler oder ephem erer ihre Fähigkeit, für dieses Erklärungskonzept U nterstützung zu gewinnen. Die K ritik an der mangelnden Präzision der politischen Sprache wird so zu einem K om pli m ent für ihre Integrationsleistung, welche nur von einer ‘Sprache für alle’ aufgebracht w erden kann. Die K ritik an der mangelnden Präzision der politischen Sprache beschäftigt sich nur vordergründig ausschließlich m it der sprachlichen Seite der Politik. Diese Feststellung ist deshalb von Bedeutung, weil sich die Sprache der Politik als eine Sprache der Begriffe nur im K ontext von politischen Handlungen verdeutlicht. Das ist der G rund, weshalb K ritik an der politischen Sprache von politischer Kritik nicht zu trennen ist. U nausgesprochen m itkritisiert w erden stets politische Inhalte, welche sich in politischen Handlungen und ihrer sprachlichen 192 A rtikulation dokum entieren. Und dies ist nicht nur legitim, sondern das Ü berlebenselixier der D em okratie. Bei der Sprache der Politik gewinnt also die Sprachkritik eine politische Dimension, zu der sie sich bekennen sollte. Diese politische Dimension der Sprachkritik w endet sich vor allem den Politikern zu. Sicherlich sind die Politiker in der parlam entarischen D em okratie auch verantw ortlich für die Sprache, in der sich dem okra tische Politik repräsentiert. Sie sind aber n icht alleine verantw ortlich. Ein hohes Maß an V erantw ortung für unsere politische S prachkultur tragen die Massenmedien und un ter ihnen besonders das Fernsehen. Un tersuchungen über Fernsehnachrichtensendungen19 haben gezeigt, daß deren sprachliche V erständlichkeit extrem niedrig ist, sie jedoch durch die Bebilderung so kom pensiert wird, daß der Zuschauer der Suggestion erliegt, Politik nachvollziehen und aufgrund der präsentierten Inform a tionen beurteilen zu können. Die D em okratie ist ein politisches System , das vom Gesetz der großen Zahl regiert wird. Es kann nicht den A nspruch erheben, W ahrheit offen zulegen, es produziert “ n u r” M ehrheiten für politische Programme, die dam it dennoch nicht aus der A useinandersetzung m it konkurrierenden Programm en entlassen w erden. Das hat auch K onsequenzen für die Sprache der Politik. H andelnde Politiker sind darauf angewiesen, von m öglichst vielen verstanden zu werden, weil sie M ehrheiten gewinnen oder erhalten wollen. Eine dem okratische S prachkultur hat deshalb immer einen antielitären S oupcon. Dem sprechenden Politiker hilft der Beifall einiger nur wenig; er m uß am Beifall die Vielen interessiert sein. Sein Wunsch nach dem Beifall aller bleibt ein unerfüllbarer Traum , glücklicher weise. Sprechen, sich sprachlich verständlich m achen und auch sich ver ständigen können — diese Fähigkeit wird dem Politiker in der D em okra tie ebenso abverlangt, wie seine Bereitschaft, K ritik auch an seiner Sprache hinzunehm en. Hugo Steger hat von der Würde der alltäglichen Sprache gesprochen. Ich glaube, daß sich m it gleichem R echt auch über die Würde der politischen Sprache sprechen läßt, sofern sie das leistet, was sie leisten soll: ein hohes Maß von V erständlichkeit zur Verfügung zu stellen, das die Politik als die Sache von allen nicht nur für wenige reserviert. Anm erkungen 1 G ottfried Wilhelm Leibniz: Erm ahnung an die Teutschen, ihnen verstand und spräche beßer zu üben, sam t beygefügten Vorschlag einer Teutsch gesinten Gesellschaft. 1682/83. E rstveröffentlichung: Hannover 1846. W iederabdruck in: Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allge meinen D eutschen Sprachvereins, Heft 29 (1907), S. 292 - 312; Zitate: S. 300, 302 f.Zit. nach Hugo Steger: Über die Würde der alltäglichen 193 Sprache und die N otw endigkeit von K ultursprachen, Bibliographisches In stitu t M annheim/W ieh/Zürich 1982, S. 25. 2 Vgl. hierzu: Eckart Pankoke: Sprache in “ sekundären System en”. Die soziologische Interpretation sprachkritischer Befunde, in: Soziale Welt, Jg. XVII, 1966, S. 253 ff. 3 Hermann Lübbe: Der Streit um Worte. Sprache und Politik, in: ders., Bewußtsein in Geschichten. Studien zur Phänologie der Subjektivität, Freiburg i. Br. 1972, S. 140. 4 Ebd. 5 Siegfried J. Schm idt: Sprache und Politik. Zum Postulat rationalen politischen Handelns, in: A nnam aria Rucktäschel (Hrsg.), Sprache und Gesellschaft, München 1972, S. 91; Aldous Huxley schreibt: “ ‘Bloße W orte’ sagen wir verächtlich und vergessen dabei, daß W örter die Macht haben, das Denken der Menschen zu form en, ihre Gefühle in bestim m te Richtungen zu lenken, ihr Wollen und Handeln zu bestim m en. Unser V erhalten und unser C harakter w ird weitgehend von der N atur der W örter bestim m t, die wir ständig gebrauchen, um über uns selbst und die uns um gebende Welt zu sprechen” (Words and their Meanings, Los Angeles 1940). 6 G ottlob Frege: F unktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Studien, hrsg. von G ünther Patzig, G öttingen 1974, S. 22. 7 Ernst Wolfgang O rth: T heoretische Bedingungen und m ethodische Reich weite der Begriffsgeschichte, in: Reinhard Koselleck (Hrsg.), Historische Sem antik und Begriffsgeschichte, S tuttgart 1978, S. 141. 8 Ebd., vergl. hierzu auch Stanislaw Andreskj: Die Hexenm eister der Sozial wissenschaft. M ißbrauch, Mode und M anipulation einer Wissenschaft, München 1977, S. 163. 9 Vgl. hierzu: Harald W einrich: Linguistik der Lüge. Heidelberg 1967, S. 37. 10 Vgl. für das folgende: Carl G. Hempel: Typologische M ethoden in der Sozialwissenschaft, in: Ernst T opitsch (Hrsg.), Logik der Sozialwissen schaften, Köln-Berlin 1965, S. 85 - 103. 11 Karl Dietrich Bracher: Schlüsselwörter der Geschichte, Düsseldorf 1978, S. 26. 12 Vgl. hierzu z.B. Niklas Luhm ann: Der politische Code. “ Konservativ” und “ progressiv” aus system theoretischer Sicht, in: Zeitschrift für Politik, Jg. 21, H eft 3, 1974, S. 253 - 271. L uhm ann geht vom K ontrastreichtum der politischen Sprache aus und weist der Unterscheidung zwischen konservativ und progressiv die Funktion eines “ prim ären politischen M echanismus” zu (ebd., S. 253). 13 Max Weber: Gesam melte Aufsätze zur W issenschaftslehre, Tübingen 1952, S. 191 ff. An anderer Stelle kennzeichnet Max Weber Idealtypen “ als Gebilde jener A rt ... welche je in sich die konsequente E inheit möglichst vollständiger Sinnadäquanz zeigen, eben deshalb aber in dieser absoluten reinen Form vielleicht ebensowenig je in der R ealität auftreten wie eine physikalische Reaktion, die unter der Voraussetzung eines absolut leeren Raumes errechnet ist” (ebd., S. 10). 194 14 Hempel [Anm. 10] . 15 George Orwell schreibt bereits 1946: Begriffe wie Dem okratie und Sozialismus haben verschiedene Bedeutungen, “ die nicht m iteinander zu versöhnen sind. Für einen Begriff wie Dem okratie gibt es nicht nur keine anerkannte D efinition, sondern auch jeder Versuch, eine zu erreichen, wird überall auf W iderstand stoßen. Denn es wird überall gespürt, daß wir ein Land loben, indem wir es dem okratisch nennen: deshalb beanspruchen die V erfechter von jeder A rt politischer Herrschaft, daß sie eine Dem okratie sei, und befürchten, den Begriff nicht m ehr verwenden zu können, falls er m it einer bestim m ten Bedeutung verknüpft wird. Begriffe dieser A rt wer den oft in einer bew ußt unehrenhaften Weise verwendet, z.B. dann, wenn jem and sie in seiner privaten Definition verw endet und seinen Zuhörer in dem Glauben beläßt, der Sprecher meine etwas vollständig anderes” (George Orwell: Politics and the English Language, in: Collected Essays, L ondon 1961, S. 353 - 367, für das O riginalzitat vgl. S. 359). Für die Be deutung der Sprache als M ittel der politischen Kontrolle im Totalitaris mus vgl. die “ Kleine G ram m atik” in seinem utopischen Rom an N eunzehn hundertvierundachtzig, Zürich 1950. 16 Die historische Karriere des Schlüsselwortes “ Sozialism us” untersucht Claus D. Kernig: Sozialismus. Ein Handbuch. Bd. 1. Von den Anfängen bis zum Kom m unistischen Manifest, Berlin-Köln-Mainz 1979. Kernig arbeitet heraus, daß der “ Zeitalterbegriff” Sozialismus allen A nforderun gen entsprach, dem sich Entwürfe zur Ausgestaltung von Lebensordnungen stellen müssen. Sie sollten sein 1) “ simpel verheißungsvoll” , 2) “ massen wirksam ” , 3) “ moralisch konstruktiv in einer um orientierungsbedürftigen Z eit” , 4) “kom plizierungs- und differenzierungsfähig” , 5) “ individuell und gesellschaftlich verpflichtend” , 6) “ handlungsweisend” und 7) “ herr schaftslegitim ierend” und “ institutionsbegründend” (ebd., S. 23 ff.), vgl. hierzu auch die Diskussion bei Hans Müller: Ursprung und Geschichte des Wortes “ Sozialism us", Hannover 1967, sowie die Studie von L(udwig) H(einrich) Adolph Geck: Ober das Eindringen des Wortes “ sozial” in den deutschen Sprachgebrauch, G öttingen 1963, der nachweist, daß “sozial” in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts in der deutschen Sprache heimisch wurde, w ährend “ Sozialism us” erst 20 Jahre später seine deutsche Karriere begann (ebd., S. 27 ff.). 17 Bracher [Anm. 11] . 18 R einhard Koselleck: Begriffsgeschichte und Sozialgeschichte, in: ders. (Hrsg.), Historische Sem antik und Begriffsgeschichte, S tuttgart 1978, S. 29. 19 Erich Straßner: Fernsehnachrichten. Zusam m enfassender Bericht über die DFG-Projekte “ N achrichtensprache und der Zusamm enhang von T ext und Bild” und “ Die sem antische V erarbeitung und N utzung audiovisueller Inform ationen der Fernsehnachrichten” , in: Media Perspektiven 6/1981, S. 446. 195 WERNER HOLLY Politische K ultur und Sprachkultur Wie sich der Bürger politische Ä ußerungen verständlich m achen kann 1. Zum Begriff der ‘politischen K u ltu r’ ‘Politische K ultur’ ist längst zu einem m odischen K am pfbegriff in ö ffen t lichen A useinandersetzungen gew orden. Wann im m er politische A ffären und Skandale ans Licht kom m en oder strittige politische V orhaben dis k u tiert w erden, wird heute von der G efährdung der politischen K ultur gesprochen — natürlich im m er nu r durch die anderen. Z unächst war aber m it diesem Begriff in Sozial- und Politikw issenschaft etwas anderes ge m eint, nämlich “ein analytisches M ittel zur Erfassung der G esam theit aller Einstellungen, W erthaltungen und Umgangsformen, die sich in einer Gesellschaft auf das politische H andeln und die politischen Institutionen beziehen” (Rausch 1980, 10). Man beschäftigte sich vor allem m it der Bevölkerung (civic culture), versuchte, ihre Beziehung zum politischen System, Grade von P artizipation und A kzeptanz in Umfragen und Sta tistiken zu messen, häufig auf der Basis eines unterschw ellig norm ativen, am erikanisch geprägten D em okratieverständnisses.1 Wenn hier aus sprachw issenschaftlicher Sicht von politischer K ultur im Zusam menhang m it S prachkultur die Rede sein soll, dann doch m ehr in Bezug auf das H andeln der politischen A kteure, und zwar auf ihr sprach liches Handeln, auf bestim m te Phänom ene politischer K om m unikation, die neben anderen F aktoren einen politischen S til2 oder politische Stile prägen — aber ohne jede polem ische oder überhaupt norm ative A bsicht; politische Stile w erden eher im Sinne von F unktionalstilen verstanden und im Hinblick darauf, was die Bürger in unserer politischen K ultur sprachverstehend leisten müssen. Unsere politische K ultur oder einzelne politische Stile können hier natür lich nicht beschrieben oder auch nur Umrissen w erden; es sollen aber an hand zweier Beispiele zwei (bekannte) M erkmale politischer K om m uni kation aufgegriffen w erden, und es soll gefragt w erden, was man m it sprachwissenschaftlichen M itteln zur Beschreibung von und zum Um gang m it politischer K om m unikation beitragen kann. 196 2. Zwei Thesen zur politischen K om m unikation 1. These: Die Inszeniertheit politischer K om m unikation h at zur Folge, daß positiv bew ertete Sprachhandlungsm uster wie INFORM IEREN oder DISKUTIEREN b en u tzt w erden, um die eigentlich angestrebten Muster, WERBEN und LEGITIM IEREN, zu verpacken. Als erstes Merkmal politischer K om m unikation m öchte ich ihren Insze nierungscharakter hervorheben. Wie alle politischen Phänom ene stehen politische Ä ußerungen in einer Spannung zwischen dem , was tatsächlich geschieht, und den offiziellen D eutungen davon; in politischer K om m u nikation wird im m er wieder versucht, über alle möglichen Sachverhalte und Ereignisse M ythen und propagandistische D eutungen zu erzeugen, einschließlich solcher über ihre eigene N atu r.3 Parlam entarische Selbstdarstellungen rivalisierender Parteien anläßlich der V erabschiedung von G esetzen w erden in der Ö ffentlichkeit als “ De b a tte n ” ausgegeben.4 Selbstdarstellungen von Politikern w erden als “ In terview s” inszeniert, politische W erbesendungen w erden als “ Fernseh diskussionen” gestaltet. Eine groß angelegte Propagandaveranstaltung im D eutschen Bundestag wird z.B. als “Dialog m it der Jug en d ” aufge führt. Auch die politischen K om m unikationsform en selbst zeugen also von der “ Zw ieschlächtigkeit politischer R ealität” (Offe). Dies gilt nicht nur für die sogenannte “ Sprache der Ü berredung” , die ja im B rennpunkt des öffentlichen Interesses steht, sondern auch für an dere Bereiche politischer K om m unikation, also auch für die Sprache der Bürokratien, für die Justiz, noch m ehr für V erhandlungen. Auch d o rt k o m m t es im m er darauf an, n icht nur bestim m te Sachaufgaben zu erfül len, sondern auch akzeptiert zu w erden, als legitim gerechtfertigt zu gel ten. Dazu sind kleine Inszenierungen nach positiv bew erteten und wenig angreifbaren K om m unikationsm ustern angebracht, gleichgültig, was eigentlich getan wird. In Term ini der G offm anschen “ R ahm en-A nalyse” (G offm an 1974) könn te man davon sprechen, daß ein “ prim ärer R ahm en” für eine sprachliche Handlung, z.B. ein persuasives A rgum ent, in einen anderen Rahm en ein geb ettet oder “ m oduliert” wird, z.B. in eine Inform ation —wie übrigens auch sonst häufig in alltäglichen K om m unikationen. Dabei geschieht mehr als nur eine V erschiebung von einer R ealitätsebene in eine andere wie etw a bei einem alltäglichen Bericht über eine Handlung oder bei einer T heaterhandlung, die nur gespielt w ird. A ber es geschieht auch we niger als bei einer betrügerischen Handlung, wo bew ußt eine falsche V or stellung über den C harakter der H andlung erzeugt wird. Obwohl Politiker natürlich ein Interesse daran haben, daß die Rahm en-D oppelung nicht zu 197 deutlich wird, ist doch im allgemeinen davon auszugehen, daß sie nicht täuschen. Die “ R ahm entransform ation” durch politische Verpackung ist meist leicht aufzudecken, w enn man nur sorgfältig zwischen den Zei len liest. Ü berhaupt geht es hier nicht darum , politische K om m unikation zu “ däm onisieren” , es geht auch nicht um platte Politikerschelte. Vielmehr sind w eitverbreitete alltägliche M öglichkeiten der K om m unikation zu beachten, deren spezielle F unktion für politisches Sprachhandeln be schrieben w erden soll. Ziel solcher Beschreibungen kann auch nicht sein, m oralisierende A ppelle an Politiker zu richten, sie mögen doch bitteschön ihre K om m unikationspraktiken ändern, die übrigens nur teilweise bew ußter Planung, ansonsten langjähriger Sozialisation entstam m en. Die F unktion politischen Sprachgebrauchs ist eben n icht nur V erständi gung5, sondern in erster Linie, “ V erhaltensweisen von Menschen zu be einflussen, praktiziertes V erhalten zu bestärken oder es durch neue Ver haltensm aßstäbe zu verändern und abzulösen.” (Bergsdorf 1978, 49). Daß dabei m itunter das Ziel der Verständigung geopfert wird und die Beeinflussung nur Erfolg hat, weil eben n icht alle alles verstehen, schafft einen K om m unikationsbereich, wo V erschleierung und M anipulation möglich werden. Politiker müssen aber wohl so reden, es gehört — wie Eroms (1974) be m erkt — zur N atur des R hetorischen, gerade nicht transparent, explizit zu sein. Deshalb müssen au f der anderen Seite die A dressaten als mündi ge Bürger, so Eroms, diese M erkmale politischer K om m unikation m itbe rücksichtigen, dam it sie n icht m anipuliert w erden. Dabei soll kein prin zipieller Gegensatz zwischen Politikern und Bürgern k o nstru iert w erden; auch Bürger müssen zur A rtikulation ihrer Interessen bisweilen m it M it teln politischer K om m unikation handeln. Es gibt aber kom plem entäre A ufgaben für kom plem entäre Rollen in politischer K om m unikation. Was b ed eutet die Inszeniertheit politischer K om m unikation für die sprachwissenschaftliche Beschreibung? Wenn man sich nicht darauf be schränken will, politische Begriffe und ihren G ebrauch in der G eschichte zu untersuchen, was in der Sprachw issenschaft traditionell gem acht w ur de, sondern wenn man Ä ußerungen in S ituationen beschreiben will, muß man zunächst nach den kom m unikativen F unktionen, den Illokutionen (Sprachhandlungsm ustern) fragen, die in einer Ä ußerung realisiert w er den. Nach dem bisher Gesagten darf man behaupten, daß nahezu jede Ä uße rung eines Politikers, bestim m t aber jede öffentliche Ä ußerung, a u c h nach den M ustern WERBEN u nd/oder LEGITIM IEREN gem acht wird. 198 Natürlich wird ein Politiker auch INFORM IEREN, FRAGEN, A U FFO R D ERN , APPELLIEREN, VERORDNEN usw., aber in der Ö ffentlichkeit niemals onne Berücksichtigung einer zw eiten Ebene, die häufig die eigent lich angestrebte ist und die m it dem Versuch zu tu n hat, durch Persuasion Zustim m ung zu politischen Einstellungen und Handlungen des eigenen Lagers zu erreichen. Wie man seit Watzlawick u.a. (1967) davon ausgeht, daß jede Äußerung einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt aufw eist, so kann man für politische Ä ußerungen grundsätzlich postulieren, daß es neben der vor gegebenen offiziellen Illokutionsstruktur noch w eitere, nur im Hinblick auf WERBEN und LEGITIM IEREN verständliche M uster g ib t.6 Natür lich ist es auch in anderen K om m unikationsbereichen so, daß man neben den tex tsortenkonstitutiven M ustern zugleich andere verfolgt; so wird man in einer Diskussion nicht nur HYPOTHESEN A UFSTELLEN, BE GRÜNDEN, BESTREITEN, M O D IFIZIEREN usw., man wird auch per suasive M uster wie BEWERTUNGEN, EINSTELLUNGSKUNDGABEN, ZUSPITZUNGEN usw. verw enden, die über das Rational-A rgum entative hinausgehen. Die entscheidende Frage ist aber, ob persuasive M uster zur U nterstützung des Diskussionsziels der M einungsbildung, Klärung, Präzi sierung, Überzeugung usw. eingesetzt w erden, oder um gekehrt: ob die Diskussions-M uster auf die Bewertungen hin funktionalisiert sind, ob es also nur ums R echthaben, Bloßstellen o.ä. geht. So m uß in politischer K om m unikation gefragt w erden, ob die Äußerung letztlich nicht überwiegend der verdeckten WERBUNG und LEGITIMA TION dient und andere, explizitere M uster nicht daraufhin funktionali siert sind. Bleibt diese D oppelheit unberücksichtigt, ist das V erständnis der Ä ußerung bestenfalls naiv oder oberflächlich und en th ält Risiken. Wenn man die m itgem einten oder eigentlich gem einten M uster, die nur zwischen den Zeilen stehen, n icht b e w u ß t bem erkt, heißt das näm lich noch nicht, daß die intendierten perlokutiven E ffekte, die Werbungs und Legitim ationsziele n icht doch unterschw ellig erreicht w erden. Die unauffällige, unm erkliche W erbung ist sicherlich nicht die erfolgloseste. U m gekehrt ist bew ußtes Offenlegen m itgem einter M uster nicht der ein zige Weg, relevante Teile einer politischen Ä ußerung zu verstehen. Es gibt auch — gerade bei Jugendlichen — ein intuitives D urchschauen, das sicherlich m it zum vielbeklagten Glaubw ürdigkeitsverlust und Legitimi tätsverfall beigetragen hat. Eine der A ufgaben sprachw issenschaftlicher Analyse ist jedenfalls die Explizierung m itgem einter, nur im plikativ oder kom pak t ausgedrückter Inhaltskom ponenten, zu denen an erster Stelle nicht-explizite illokutive M uster gehören.7 Folgendes Beispiel zur Illustration: 199 Beispiel 1: Ein Bundestagsabgeordneter sagt einem Besucher auf eine Inform a tionsfrage zur Organisation der Fraktionsarbeit nach einigen Sätzen über die A ufgaben der Fraktionsarbeitsgruppen und -arbeitskreise: ... und in der Fraktion, des hat der X Y [Fraktionskollege] eben ganz richtig gesagt, da gibts dann die G rundsatzdebatten, so wie beispiels weise des letzte M al m it einer S tim m e M ehrheit wir äh die Kriegs dienstverweigerungsnovelle von der Tagesordnung abgesetzt haben ... Dabei handelt es sich ganz sicher nicht um eine bew ußt und sorgfältig geplante Äußerung, bei der W erbestrategen und politische Form ulierungs talente am Werk w aren — w om it m an m itunter rechnen m uß, seit in den Parteien das Bew ußtsein von der B edeutung sprachlicher K om m unikation w ieder gewachsen ist. In dieser eher banalen Ä ußerung eines H interbänk lers zeigt sich dagegen, wie durch jahrelange Sozialisation, durch Einüben bestim m ter Muster, durch Lernen am V orbild, den Politikern schon in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß man keine G elegenheit zum WER BEN und LEGITIM IEREN auslassen sollte. B etrachtet man die Ä ußerung genauer, findet man den Kern der ganzen Sprachhandlung, die IN FO R MATION (in der Fraktion, da gibts dann die G rundsatzdebatten), noch angereichert durch zwei Zusätze, die als BELEGE dieser Inform ation fungieren: einmal, als Parenthese/Schaltsatz eingeschoben, die BERU FUNG auf die Ä ußerung eines Fraktionskollegen (des hat der X Y eben ganz richtig gesagt) -, zum zw eiten eine EXEM PLIFIZIERUNG, die m ehr veranschaulicht als nu r die erw artete Inform ation, w ann und auf welche Weise welche Fraktionsgrem ien arbeiten (so wie beispielsweise des le tzte M a l...): Dam it wird BELEGT, daß die Fraktionssitzungen nicht als bloße Zustim m ungsapparate zu ansonsten von der F raktionsspitze getroffenen E ntscheidungen funktionieren, sondern daß — was positiv zu bew erten sei — “ G ru ndsatzdebatten” stattfinden. Schon der K ernsatz en th ält diese Wertung, die durch die H erausstellung nach links (statt: in der Fraktion gibts dann ...) und die extrem e Sperrung durch die Parenthese noch sti listisch verstärkt wird. D am it wird die eigene A rbeit LEGITIM IERT. Zusätzliches G ew icht erhält die INFORMATION-WERBUNG durch die V erwendung des Insider-Jargon-Kürzels F raktion für ‘F raktionssitzung’ oder ‘G esam tfraktion’. Ü berhaupt m uß man sich fragen, w arum eine ein fache Inform ation über S tru k tu r und Zeitplan der F raktionsarbeit über haupt der BELEGE bedarf, wenn nicht zugleich eine möglicherweise strittige BEHAUPTUNG enthalten ist: eben daß in den F raktionssitzun gen gut gearbeitet wird, das h eiß t ‘grundsätzlich d e b a ttie rt’ wird. Ge stützt und um rahm t wird diese ‘K ernlegitim ation’ noch durch w eitere Muster wie SICH SOLID ARISIEREN, indem die Kollegenäußerung po sitiv bew ertet wird, oder durch RENOMMIEREN m ittels fachsprachli cher Ausdrücke wie Kriegsdienstverweigerungsnovelle, m it einer S tim m e M ehrheit, von der Tagesordnung absetzen. 200 Folgende Übersicht soll noch einmal die illokutive Struktur veranschaulichen. Natürlich ließen sich andere, um fas sendere und genauere Darstellungen denken; dieses Strukturbild soll für den jetzigen Zweck genügen8 : Ic 3 N R ) Schematischer Ausschnitt aus einer Sprachhandlungsm uster-A nalyse f ! •# Ä -S ^ ° ? Ei s | ! 3 * -Ci S -IS S S. 201 WERBUNG und LEGITIM IERUNG w erden also n icht d irek t und u n verm ittelt vorgebracht, sondern eingebettet in ein vorher initiiertes Schema INFORM ATION, als BELEGE einer INFORM ATION gewisser m aßen getarnt. Die W erbungsabsicht wird im zw eiten Teil deutlicher. Diese S tru k tu r k en n t man aus Fernsehdiskussionsbeiträgen und S tate m ents, wo m an nach einer kurzen sachlich-rationalen, m ehr argum enta tiven Passage (in die freilich durch w ertende Referenzausdrücke und an dere M ittel schon WERBUNG unauffällig eingelagert ist) zu einem Teil übergeht, der deutlicher WERBUNG und POLEMIK enth ält. An der Übergangsstelle finden sich m eist Cluster von Gliederungssignalen (übri gens, und dann, nur, denn, so wie beispielsweise) u n d /o d er expliziten aufm erksam keitssteuernden R ederechtssicherungen (lassen Sie mich nur noch das eine sagen, w enn ich das noch sagen d a rf u.ä.). Das U m funktionieren von K om m unikationsschem ata ist keineswegs ein Spezifikum politischer K om m unikation. Auch die alltägliche Frage nach dem Verbleib der M anschettenknöpfe kann zu einem A nlaß für eine ärgerliche Tirade über U nordnung gem acht w erden, — auch im Alltag ein Erschwernis der Verständigung. In politischen K om m unikationen wirken INFORM ATION oder ARGUM ENTATION nachträglich häufig als bloße A ufhänger für WERBUNG und LEGITIM ATION, die in Wirk lichkeit m ehr R aum einnehm en und nur notdürftig eingepackt werden: dennoch wird auf den ablenkenden Rahm en der INFORM ATION oder DISKUSSION nicht verzichtet. Für den A dressaten bleibt um gekehrt die A ufgabe, die zwischen den Zeilen stehenden Aussagen und die dam it verknüpften H andlungsm uster konsequent zu verstehen und nicht bei der oberflächlichen, expliziter angebotenen In terp retatio n stehenzubleiben. K onsequente Analyse ist nämlich m eist auch die einzige M öglichkeit für A dressaten im Umgang m it politischen Ä ußerungen. 2. T h ese: Der Ein-W eg-Charakter öffentlicher politischer K om m unika tio n erfordert alltagssprachliche T echniken, die kom plexen und z.T. verdeckten Inhalte verstehend zu verarbeiten, z.B. Paraphrasen. ö ffen tlich e politische K om m unikation ist zum allergrößten Teil Massen kom m unikation; den technischen Bedingungen der Massenmedien en t sprechend ist sie dam it zum eist “ Ein-W eg-Kommunikation” (Glinz), die A dressaten sind fast ganz auf R ezeption beschränkt. Die geringen aktiven Beteiligungsm öglichkeiten in Leserbriefen, R undfunktelefonaten, Bür gerdiskussionen u.ä. können an der grundlegenden “A sym m etrie” poli tischer K om m unikation9 kaum etwas ändern. 202 Die A sym m etrie politischer K om m unikation h at aber nicht nur m edien technische Gründe. A uch da, wo m ehr als sporadisches Feed-back mög lich wäre, in W ahlveranstaltungen, Diskussionen, in K ontakten m it Poli tikern haben die Bürger gegen die R outine und die sprachliche Überlegen heit politischer A kteure, hin ter der o ft professionelle Spracharbeit ste c k t1 0 , selten eine Chance, sich angemessen zu artikulieren. Erschwerend kom m t hinzu, daß die häufigsten politischen Sprachhandlungsm uster WERBEN und LEGITIM IEREN gar n icht auf einen Dialog zielen. Ihre beabsichtigten perlokutiven E ffekte sind gerade nicht hörer seitige sprachliche H andlungen, was einen Wechsel der Sprecherrolle för dern würde. Sie zielen beim A dressaten vor allem auf Einstellungen wie FÜR RICHTIG HALTEN oder nicht-sprachliche H andlungen wie WÄH LEN. Es sind jedenfalls keine dialoginitiierenden M uster wie FRAGEN oder VORW ÜRFE. In diesem Zusam m enhang erscheint die im m er wie der geäußerte A bsicht, “ in Dialoge m it Bürgern ein zu treten ” 11, nur als ein w eiterer Inszenierungs-Coup, nicht als ernstgem einter Versuch, die grundsätzliche A sym m etrie aufzuheben. D am it entfällt (nicht nur in der M assenkom m unikation) ein wichtiges mögliches K orrektiv gegen die Einseitigkeit persuasiver K om m unikation. Ist es in — ebenfalls rhetorisch aufbereiteten — K om m unikationstypen wie (echten) DISKUSSIONEN, GERICHTSVERHANDLUNGEN, (kri tischen) INTERVIEWS noch möglich, durch W iderspruch, Rückfragen, G egenargum entationen und dergleichen m anipulative Züge offenzulegen, — der A dressat von (m assenm edialer) Propaganda kann nur abschalten oder genau hinhören. Das hat V orteile, denn er m uß sich n ich t in endlose, fruchtlose D ebatten einlassen, die sich o ft im G estrüpp em otionalisierter, letztlich interessengesteuerter Schlagabtäusche verheddern, aber es bür det ihm die ganze Last der Analyse auf. Der Kern sprachkritischer Bemühungen um politische Ä ußerungen sollte dann auch Analyse sein: “ H aben wir die A nalyse, so ist auch alles g etan .” (Heringer 1982, 27). Beschäftigung m it politischer S prachkultur sollte nicht auf die norm ierende Bekäm pfung irgendw elcher sprachlicher Mittel zielen, sondern darauf, die A nalysefähigkeiten w eiterer Kreise der Bevöl kerung zu verbessern: “ Sprachkritik von u n te n ” (W im m er).12 Wie die V erbreitung schriftlicher K om m unikation durch den B uchdruck eine qualitative V eränderung der Sprachkom petenz aller durch die A lphabe tisierung notw endig m achte, so erfordert die V erbreitung politischer K om m unikation durch M assenmedien eine w eitere Verbesserung der Sprachkom petenz hin zu verständigerem Umgang m it den w ichtigsten M itteln politischen Sprachhandelns. 203 Zwei Einw ände gegen diese F orderung müssen allerdings ausgeräum t werden. Der erste Einw and rich tet sich gegen eine Ü berschätzung mas senm edialer K om m unikation; die Bürger ließen sich von der Propaganda politischer Parteien und Institutionen und ihrer A kteure gar nicht w irk lich beeinflussen. Viel w ichtiger sei vielmehr der Einfluß von Bezugs und Prim ärgruppen; überhaupt w erde — nach der T heorie der kogniti ven Dissonanz — ohnehin nur Bestätigung der eigenen Meinung gesucht und w ahrgenom m en. Die Ergebnisse der W irkungsforschung sind da aber durchaus widersprüchlich; es ist wohl unbestreitbar, daß — durch welche V erm ittlungen und Brüche auch im m er — politische Sozialisation m it sym bolischen M itteln, zum großen Teil nach sprachlichen M ustern s ta tt findet; die Regeln ihres G ebrauchs zu kennen, führt in jedem Fall zu einem besseren V erständnis politischer K om m unikation. Für die Mög lichkeiten w irklicher Diskussion in Bezugs- und Prim ärgruppen ist die Fähigkeit, politische Ä ußerungen interpretieren und besser verstehen zu können, eine w ichtige Voraussetzung. Der zweite Einwand geht dahin, sprachwissenschaftliche Analyse lasse sich nicht zugleich differenziert und einfach, verständlich und konsens fähig praktizieren. Dem m uß entgegengehalten w erden, daß jeder, an knüpfend an alltagssprachliches Sprechen über S prache13, gewisse Ver fahren erlernen kann, sein V erständnis von sprachlichen Ä ußerungen zu verbessern; dazu sollte man m it eigenen W orten ausform ulieren, was man verstanden hat. Denn die wohl einfachste, aber auch wirkungsvollste M ethode, etwas vom Zusam m enhang und von der D iskrepanz von sprach lichem Inhalt und A usdruck sichtbar zu m achen, ist die alltagssprachliche Paraphrase. Auch in einem anderen wichtigen Bereich, w o es in einer praktischen Situation um möglichst um fassendes V erstehen geht, in der Gesprächs psychotherapie, wird die T echnik der Paraphrase nach bestim m ten R e geln 14 verw endet. D ort kom m t es vor allem auf Verbalisierung em otio naler E rlebnisinhalte an, die auf diese Weise ins Bew ußtsein gebracht w erden sollen, w ährend sie sonst nur nicht-sprachlich, parasprachlich oder ‘zwischen den Zeilen’ zum A usdruck kom m en. Für politische Kom m unikation kann die Paraphrase-Technik zu einer V ertiefung des Ver ständnisses führen, insbesondere im H inblick au f weniger offene K om m unikationsziele u nd -interessen, auch im H inblick darauf, wie solche B edeutungskom ponenten zum A usdruck gebracht werden. Die N otw endigkeit, die B edeutung einer politischen Ä ußerung möglichst vollständig zu explizieren, habe ich vorhin anhand verdeckter ‘N ebenbei’Sprachhandlungsm uster illustriert. W eitere typische D iskrepanzen zwi schen A usdrucksform en und inhaltlichen S trukturen finden sich da, wo 204 in N ominalisierungen und anderen W ortbildungen, wo durch unklare Quantifizierungen, vage und prädizierende Referenzausdrücke, durch Verschiebungen der Prädikatsklassen, durch Ellipsen, Subjektschübe, M etaphorisierungen, durch konnotative Bedeutungen, durch Präsuppositionen, Im plikationen, unauffällige Partikel, durch Gliederungssignale, W ortstellung, In tonation und durch viele andere sprachliche M ittel m ehr die kom plexen Inhalte nur kom pakt oder im plikativ oder indirekt aus gedrückt sind und deshalb nur schwer faßbar und kontrollierbar sind. Die ganze Breite sprachw issenschaftlicher Forschung in den Gebieten Pragmatik, Satzsem antik und W ortsem antik, Textlinguistik und Argu m entationstheorie hat hier im Rahm en einer handlungsorientierten Be schreibung wichtige M osaiksteine zu einer differenzierten T extanalyse beizutragen. D am it diese T extanalyse nicht nur für die E xperten, sondern für alle fruchtbar w erden kann, müssen ihre Grundlagen in Form ulierungs alternativen nach einfachen Paraphrasengrundsätzen um gesetzt werden. Wie solche Form ulierungsalternativen aussehen können, will ich in einer möglichst expliziten Paraphrasierung eines kurzen A usschnitts aus einer Regierungserklärung H elm ut Kohls veranschaulichen. Danach m öchte ich kurz auf die verw endeten Paraphrasierungsprinzipien eingehen. Beispiel 2: Bundeskanzler Kohl in seiner Regierungserklärung vom 21.11.83 zur Stationierung neuer R aketen: ... Niem als dürfen wir zulassen, daß Friede und F reiheit gegeneinan der ausgespielt werden. N ur ein Volk, das in Frieden und Freiheit lebt, kann auch wirklich einen Beitrag fü r den Frieden in der Welt leisten. Wir D eutschen, wir alle wollen diesen Frieden in F re ih e it... Versuch einer m ehrschichtigen, alltagssprachlichen, nicht-w ertenden Paraphrase: Wenn ich Ihre A rgum entation richtig verstehe, appellieren Sie m it “ dürfen w ir” an alle Bürger und/oder an Ihre Parteigänger, dafür ein zutreten, daß Friede und Freiheit n icht als A lternativen vertreten werden, eine Position, die Sie sehr negativ beurteilen, wobei Sie hier offen lassen, wer diese Position vertritt. Sie begründen Ihren Appell m it der Meinung, daß nur ein Volk, das beides hat, etwas, das Sie hier nicht näher bestim m en, für den Frieden tun kann; und daß, wer nur eines hat, nur Frieden oder nur Freiheit, dem nach nicht wirklich etw as für den Frieden tun kann. Sie bekunden Ihren Wunsch — und meinen, in dieser Frage für alle Deutschen oder sogar für alle Men schen sprechen zu können —, nur diese A rt von Frieden, der eng m it Freiheit verbunden ist, zu erhalten. Wenn ich nach Ihren Absichten und dem Zusamm enhang frage, in dem Ihre Äußerungen stehen, so wollen Sie den Bürgern dam it wohl klar m achen, daß die Stationierung neuer R aketen gerechtfertigt ist, weil nur diese — Ihrer M einung nach — die A ufrechterhaltung der Freiheit und dam it auch des Friedens garantieren. 205 Wenn ich danach frage, wie Sie Ihre Äußerungen form ulieren, so be tonen Sie im m er w ieder den Zusamm enhang von Frieden und Frei heit, in jedem Satz. Die gesonderte Behandlung dieser Werte beurtei len Sie dagegen sehr negativ. Sie heben auch den E rnst dieser Frage hervor, indem Sie an Gefühle appellieren, die m it “ Frieden” , “ Frei h e it” , “ V olk” , “ D eutsche” und “W elt” verknüpft werden und spre chen das Gefühl für die Gem einsam keit aller Bürger an, indem Sie “ w ir" und “ wir alle” verwenden. A ußerdem m achen Sie die zuge spitzte Situation bei dieser E ntscheidung deutlich, indem Sie “ nie m als” , “n u r” und “ w irklich” zur Bekräftigung Ihrer Position einsetzen. Sie verstärken Ihren Appell auch durch eine Darstellung, die uns vor Augen halten kann, daß es nicht anders sein “ darf” , nicht anders sein “ kann” und wir es —wie Sie selbst — auch eigentlich nicht anders “ w ollen” . Sie zeigen, daß Sie kom plexe A rgum entationen in vereinfachten For meln verständlich m achen können und wollen durch konsensfähige Begriffe Z ustim m ung erlangen, die Bürger für Ihre Position werben. Es handelt sich natürlich nur um eine von verschiedenen M öglichkeiten, diese kurze Passage zu paraphrasieren. Sie gibt mein persönliches Ver ständnis wieder, was ich durch die dialogische Form ulierung ausdrücken wollte. D ennoch b eruht sie n icht nur auf subjektiver Interp retatio n , sondern greift zurück auf intersubjektiv eingespielte Regeln der K om m u nikation und eine gewisse K enntnis der S ituation. Zunächst wird S chritt für S chritt jeder auffindbare Satzinhalt um schrie ben, wobei Illokutionen (APPELLIEREN, BEGRÜNDEN, WUNSCH BEKUNDEN) und die zugehörigen H andlungsbeteiligten ausgedrückt, vage Referenzen und Q uantifizierungen offengelegt, weggelassene Re ferenzstellen (Ellipsen) auch in nichtverbal ausgedrückten Prädikationen rekonstruiert, im plizit w ertende Prädikate zunächst durch neutralere ersetzt, die W ertungen dann aber ausdrücklich genannt w erden. Dabei werden A rgum entationen verdeutlicht, m itgem einte V oraussetzungen und Folgerungen hinzugefügt. ln einem zw eiten Durchgang wird nach den übergeordneten Bewirkungs versuchen (perlokutiven V ersuchen) und den w eiteren sachlichen und situativen Zusam m enhängen gefragt, bei denen auch dahinterstehende K om m unikationsinteressen einbezogen werden. In einer d ritten Schicht w erden noch einmal Form ulierungshandlungen15 betrachtet, um den stilistischen Wert bestim m ter A usdrucksm ittel und illokutiver V erknüpfungen auch über die Satzgrenzen hinaus zu berück sichtigen. Dabei spielen besonders Gefühle und Einstellungen auf Spre cher- und A dressatenseite eine Rolle. 206 Wie schon gesagt, ist dieses V orgehen nicht das einzig denkbare; es sind aber die w esentlichen A spekte einer sprachwissenschaftlich fundierten T extanalyse einbezogen. Es wird versucht, das eigene T extverständnis auszuform ulieren, und dam it wird die einzige Beteiligungsmöglichkeit, die der Bürger in politischer K om m unikation im allgemeinen hat, näm lich sehr genau zuzuhören, m axim al ausgeschöpft. Dabei soll zunächst wirklich nur akzeptierend, d.h. ohne eigene Wertung paraphrasiert wer den. Dies erscheint m ir wichtig, weil die Beschreibung m it negativ urtei lenden K ategorien bereits als R eaktion, als scheinbare A n tw o rt (wo doch noch gar keine möglich ist) em pfunden w erden könnte, bevor überhaupt die ganze B edeutung der Ä ußerung erfaßt ist. Die strik te Beschränkung auf eine ‘deskriptive’ M ethode der Paraphrasierung — so problem atisch sie im Detail auch sein mag — kann aber auf Bedeutungs- und Form ulie rungskom ponenten führen, die sonst übersehen w erden. Das heißt aber nicht, daß einer unkritischen R ezeption das W ort geredet w erden soll, im Gegenteil. Angemessene und argum entationskräftige K ritik wird so erst möglich und kann dann d o rt besser artikuliert w erden, wo wechsel seitige K om m unikation wirklich stattfinden kann, in Prim ärgruppen also. So wird auch gew ährleistet, daß n icht durch w ertende Paraphrasen ein ‘S treit um W orte’ angezettelt w ird, sondern daß deutlich w ird, wo poli tische K onflikte begründet sind: in unterschiedlichen Interessen, Einstel lungen, Bewußtseinslagen. Im folgenden form uliere ich noch einmal einige Regeln für die Paraphra sierung politischer Ä ußerungen: 1. Nenne ausdrücklich, wer zu wem welche sprachliche Handlung m acht, auch wenn das erst erschlossen werden muß. 2. Nenne ausdrücklich, was dabei über welche G egenstände/Personen/Sachver halte ausgesagt wird, auch w enn dies erst erschlossen werden muß. 3. Löse verkürzte Aussagen in Sätze m it Verben auf, auch solche, die in Sub stantiven und Adjektiven und Adverbien stecken. Verwandle Passivaussagen in aktive; wo werden Handlungen als Vorgänge, Vorgänge als Handlungen geschildert? 4. Ersetze zunächst w ertende Ausdrücke durch andere, neutralere und nenne dann die W ertung ausdrücklich. 5. Zeige auf, welche Aussagen wie begründet werden, welche Folgerungen zu ziehen sind. 6. Nenne stillschweigende Voraussetzungen und A nnahm en ausdrücklich. 7. Sprich aus, was m it der Ä ußerung im größeren Zusam m enhang m it welchen Interessen erreicht werden soll. 8. Frage Satz für Satz nach anderen (einfacheren, genaueren) Form ulierungen und sprich aus, was die Verwendung der gew ählten A usdrücke bedeuten könnte. 207 a) A chte auf auffällige Häufungen, Bilder, Gefühlswörter. Wie werden Personen, G ruppen, brisante Sachverhalte benannt? b) A chte auf ‘kleine W örter’, auf Verallgem einerungen, auf fehlende Men genangaben. 9. Fasse die G esam tabsicht und auch die w ichtigsten M ittel der Stiltaktik in einem Satz zusamm en. Obw ohl solche Paraphrasen von jederm ann gem acht w erden könnten, bedarf es zuvor der Sensibilisierung und Einübung. Hier liegt eine w ich tige Aufgabe des m uttersprachlichen S chulu n terrich ts.16 Die Paraphra sen haben vor allem exem plarischen Charakter. D enn es kann natürlich nicht darum gehen, die ganze F lut politischer Ä ußerungen, die täglich durch die Medien auf uns niedergeht, auf diese penible Weise zu verar beiten. Daß man aber, wo es relevant ist, sich selber im D etail verständ lich m achen kann, was gesagt w orden ist, als Basis für eigene politische Äußerungen, scheint m ir eine unabdingbare V oraussetzung für politische S prachkultur in einer D em okratie zu sein. Anm erkungen 1 S. grundlegend A lm ond/V erba 1963 und 1980. Weitere L iteratur bei Rausch 1980, Reichel 1982, Wewer 1982. 2 S .v . Beyme 1971. 3 Darauf h at vor allem der amerikanische Politologe M urray Edelm an in ver schiedenen A rbeiten <1964, 1971, 1977) hingewiesen. Dazu Dieckm ann 1981. 4 S. dazu Holly 1982, 19 f. 5 S. auch die Habermassche U nterscheidung von Verständigungs- vs. Erfolgs orientierung (Haberm as 1981), die S trauß/Z ifonun (in diesem Band) auf greifen. 6 Es wird m anchm al auch explizit geworben und legitim iert, wie man auch den Beziehungsaspekt zum Inhaltsaspekt m achen kann. 7 S. dazu v. Polenz 1980. 8 Durchgezogene Striche für ‘indem ’-Relationen (vertikal) und ‘u n d ’-Relationen (horizontal); gestrichelte Linien für ‘w obei’-Relationen (zusätzliche M uster). 9 Dazu Erom s 1974a. 10 Man denke etw a an die AG “Sem antik” der CDU inden 70er Jahren. 11 Beispiele bei Erom s 1974 und Kuhn 1983. 12 Zu dieser spraehkritischen Position s. Heringer 1982, Wimmer 1982. 13 Dazu v. Polenz 1980a. 208 14 Ohne daß der Begriff der Paraphrase hier w eiter problem atisiert werden kann, m uß darauf hingewiesen werden, daß anders als häufig in linguisti schen A rbeiten (z.B. R ath 1975) kom m unikative Paraphrasen do rt auch als dialogische M ittel der Verständnissicherung verstanden werden, als Mittel der R ekonstruktion und In terpretation von Partneräußerungen ¡dieser Paraphrasenbegriff ist auch schon in linguistische A rbeiten eingegangen (s. Wenzel 1981, W ahm hoff 1981). Paraphrasen sind d o rt also nicht textbil dende A ltem ativform ulierungen des Sprechers, sondern dialogkonstituieren de, kom m unikationsreflexive Um form ulierungen durch einen verstehenden, m öglichst n icht w ertenden Hörer. 15 S. Sandig 1978, 11. 16 So fordert v. Polenz 1983, 57: “ Anstelle traditioneller ästhetischer oder pedantischer A usdrucksnorm en sollte der U nterricht in der M uttersprache vor allem darin bestehen, den Schülern gegen die konventionellen ö ffen t lichen Sprachrituale ein sprachkritisches Bewußtsein und Fähigkeiten re flektierten Sprachhandelns zu verm itteln, m it denen sie in der Lage sind, hinter den verkürzenden, indirekten, im pliziten, inhaltlich verschleiernden A usdrucksform en der üblichen T extsorten die direkteren, offeneren und genaueren A usdrucksform en zu entdecken und als Form ulierungsalternati ven oder als Rückfragetechniken zu üben.” L iteratur Alm ond, Gabriel A ./V erba, Sidney (1953): The Civic C ulture. Political A ttitudes and Dem ocracy in Five N ations. Princeton, N.J. Alm ond, Gabriel A ./V erba, Sidney (Hg.) (1980): The Civic C ulture Revisited. Boston. Bergsdorf, Wolfgang (1978): Politik und Sprache. München. v. Beyme, Klaus (1971): “ Politische K ultur” und “ Politischer S til” . In: ders. 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Heringer (Hg.), Holzfeuer im hölzernen Ofen, Tübingen, 290-313. 210 GERHARD STRAUSS / GISELA ZIFONUN Sprachkultivierung als politische Aufklärung Es gibt Anlässe und M om ente, bei denen die ‘inszenierte’ politische Rede unserer Staatsschauspieler von ihrem Publikum nicht beklatscht w ird, wo selbst in der V erm ittlung über die öffentlich-rechtlichen Kanäle die Inszenierung zur Selbstentlarvung m ißrät — einfach deshalb, weil das Publikum , z.B. die anw esenden Journalisten, aus seiner Rolle fällt, ein Tabu bricht und an der richtigen Stelle la ch t.1 Lachen über eine unfreiwillig mißglückte Selbstdarstellung, über die kom m unikative V erzerrung politischer Sachverhalte bis zur U nkennt lichkeit hat eine befreiende und aufklärende Wirkung. Der Lächerlich k eit preisgegeben zu sein, hat — so h o fft man — positive ‘kultivierende’ Rückw irkung auch au f das kom m unikative G ebaren von Politikern. Diese Idee oder gar H offnung der Kultivierung politischer K om m uni kation und politischer Sprache, veranlaßt und eingefordert durch den kritischen und sprach-rezeptionskritischen Bürger, stellen wir bei unseren Thesen zum Them a in den V ordergrund. Z unächst vier V oraussetzungsthesen: 1. Wir gehen nicht von einem statischen Begriff politischer Kommunikations- und S prachkultur aus, sondern von dem dynam ischen Begriff der Kultivierung politischer K om m unikation. U nter politischer K om m u nikationskultivierung wollen w ir verstehen: — die Reflexions- und Reform ierungsarbeit an etablierten und norm ativ verfestigten kom m unikativen und sprachlichen V erfahren zur In ter pretation und K onstitution politischer R ealität und an den zugrunde liegenden Spielregeln und kom m unikativen Strategien, — die Entw icklung der Fähigkeit, m it kom m unikativen K onflikten über politische Problem verhalte kultiviert um zugehen, d.h. der Fähigkeit — kom m unikative K onflikte aufzudecken, sta tt sie systemmüde und resignierend hinzunehm en, — die w erthafte Einschätzung der konfliktauslösenden Sprachgebräuche und kom m unikativen V erfahren zu überdenken, zu b e gründen und unter möglicher Revision kom m unikativer Norm en und Strategien Lösungen auszuhandeln, um Verständigung zu erm öglichen, 211 — bzw., d o rt w o dies nicht möglich ist, den K onflikt m it den besseren A rgum enten, sta tt m it besseren sprachlichen und nicht-sprachlichen Strategien auszutragen. 2. Politische K om m unikationskultivierung bezieht sich vor allem auf den pfleglichen Umgang aller Beteiligten, Politiker wie Ö ffentlichkeit, m it kom m unikativen K onflikten. 3. K om m unikative K onflikte in der Interaktion zwischen Politiker und Bürger sind M itursachen von G laubwürdigkeitsverlust und System müdig keit. 4. Solche K onflikte erwachsen aus einer unterschiedlichen Erw artungs haltung jeweils von Bürger und Politiker, d.h. unterschiedlichen kom m u nikativen Interessen beider In teraktions'parteien’. Das Interesse des Bürgers ist (idealiter) darauf gerichtet, (in P olitikerinter views, -reden, -debatten usw.) über politische Zusam m enhänge inform iert zu w erden, teilzuhaben an der A ushandlung politischer Entscheidungen auf der Basis unterschiedlicher S tandpunkte und unterschiedlicher W ert setzungen; das Interesse des Politikers dagegen ist darauf gerichtet, seine oder die Politik seiner Partei zu vertreten, zu ‘verkaufen’, Handlungen und Entscheidungen oder Kom prom isse zu rechtfertigen, seine Position zu festigen, M acht und persönlichen Einfluß zu erhalten bzw . dazu zu gewinnen, Wähler von sich zu überzeugen und für sich einzunehm en, d.h. also bestim m t von Erfolgskalkülen des Legitimierens und Werbens (vgl. den Beitrag von Holly in diesem Band). Mit H aberm as können w ir diesen Interessengegensatz, wie er kom m unikativ in der Interaktionskonstella tion Politiker — Bürger zum A usdruck kom m t, auf den Gegensatz zwischen V erständigungsorientiertheit und Erfolgsorientiertheit zurückführen2 , d.h. — der Bürger m uß — w enn er überhaupt seine politischen und kom m u nikativen R echte in einer D em okratie w ahren will — davon ausgehen, daß der Diskurs m it dem Politiker bzw. die an ihn adressierte Rede des Politikers verständigungsorientiert ist, — der Politiker dagegen ist prim är an erfolgsorientierter R ede und am strategischen Diskurs ausgerichtet bzw. glaubt es sein zu müssen. V erständigungsorientiertheit heißt hier: — die Rede zielt ab auf rational m otiviertes Einverständnis, d.h. — Zustim m ung zum Inhalt einer politischen Aussage, weil der Bürger, aufgrund zugelieferter F akten von der R ichtigkeit der Aussage über zeugt ist — Ü bernahm e einer politischen Zielsetzung durch den Bürger, weil die enthaltenen W ertesetzungen den eigenen, für rational gehaltenen W erte setzungen des Bürgers kritisch standhalten. 212 Erfolgsorientiertheit heißt hier: — Einverständnisgewinnung und Zustim m ung w erden ausschließlich in den D ienst eigener Handlungsziele, z.B. der Eigenwerbung oder der Selbstdarstellung gestellt, sie sind nu r M ittel zum Z w eck.’ Die notw endige Erw artungshaltung des Bürgers auf verständigungsorien tierte Rede wird in der Regel durch den politischen Diskurs nicht oder nur der Form nach eingelöst, ohne daß allerdings der K onflikt zwischen den beiden O rientierungshaltungen jemals offengelegt würde, da der Poli tik er seinerseits an der F iktion des verständigungsorientierten Diskurses festhalten m uß, denn ohne die A ufrechterhaltung dieser offenbar für eine dem okratische Gesellschaft grundlegende Fiktion wäre auch seinen Er folgskalkülen die Basis entzogen. Wir kom m en nun zu zwei K ernthesen: 5. An der ‘O ffenlegung’ und ‘Bewältigung’ dieses K onfliktes ist vor allem der Bürger interessiert, w ährend nicht zu erw arten ist, daß die Politiker von sich aus, d.h. ohne E inforderung durch den kritischen Bürger, ihre Rede an einer kom m unikativen E thik des verständigungsorientierten Dis kurses ausrichten. O ffenlegung, das heißt fragen — Inwiew eit, m it w elchen kom m unikativen V erfahren, m it welchen W ort gebräuchen usw. verstoßen Teilnehm er an konkreten politischen D iskursen gegen m eine Erw artungshaltung der Verständigungsorientiertheit? — Warum tu n sie das? Bewältigen, das heißt fragen — Wie ordne ich V erstöße gegen die kom m unikative E thik ein? Wie interpretiere ich sie bezogen auf einen möglichen Erfolgskalkül? — Wie kann ich mich selbst und andere gegen die E ffekte dieses Kalküls schützen? — Wie kann ich darauf hinw irken, daß die O rientierung an diesen Kal külen S chritt für S chritt abgebaut wird? 6. Nützlich bei der Offenlegung und Bewältigung dieses K om m unikations konfliktes durch den Bürger können spezielle hörerbezogene Maximen sein, d.h. Maximen, die au f die R ezeptionssituation erfolgsorientierter poli tischer Rede zugeschnitten sind. Wir schlagen zwei sprach kritische M aximen für den H örer/R ezipienten vor, die jeweils noch durch zwei bzw. drei U nterm axim en konkretisiert sind. 213 I Maxime der ‘Reflexion auf das Interesse’ 1. Bedenke, daß der Sprecher Interessen h at und Ziele verfolgt. Sei kritisch gegenüber dem G eltungsanspruch seiner Ziele. Wir verweisen hier w ieder nur auf die strategischen Ziele ‘Legitim ieren’, ‘W erben’. 2. Bedenke, daß der Sprecher sprachliche M ittel benutzt, um seine Ziele zu verfolgen. Sei kritisch gegenüber (scheinbaren) Argum enten und A rgum entationsstrukturen! Sei kritisch gegenüber dem perlokutionären C harakter seiner Sprechhandlungen! Perlokutionären C harakter haben Sprechhandlungen dann, w enn ihr illok utionärer G ehalt in den D ienst einer beabsichtigten Wirkung gestellt w ird, die von dem V erstehen der vollzogenen lllokution verschieden ist, z.B. w enn eine politische ‘S ach’- Aussage gem acht w ird, um zu w erben oder einzuschüchtern, zu im ponieren oder sich zu legitim ieren. Sprachliche M ittel, die eingesetzt w erden, um perlokutionäre Wirkungen zu erzielen, können au f verschiedenen textsem antischen und wortsem antisch-pragm atischen Ebenen festgem acht w erden: A uf der T extebene z.B. an der N icht-B eachtung von Gesprächsregeln wie Beim-Thema-Bleiben, Andere-zu-W ort-kommen-Lassen oder auf der M ikro ebene an V erfahren wie ‘indirekte falsche A nalogiebildung’ (z.B. durch U m funktionierung von Eigennam en zu P rädikatoren), ‘unzutreffende Generalisierungen referenzsem antischer A rt’ oder ‘euphem istischer W ort gebrauch’.4 Wir m öchten nu r auf e i n sprachliches V erfahren im Zu sammenhang des aktuellen Them as ‘Bestechlichkeit von politischen A m ts träg ern ’ kurz eingehen, ein V erfahren, das man ‘referentielle A ufspaltung’ nennen k önnte und das m it der Bezugnahme auf ein und dieselbe Person in entw eder dieser oder jener E igenschaft/Funktion gegeben ist: Da der T atbestand der ‘V orteilsnahm e’ nur bei A m tsträgern einen strafwürdigen T atbestand, V erstoß gegen § 331, STGb, darstellt, ist es strategisch geraten, denjenigen, der im V erdacht der V orteilsnahm e steht, aus der Extension des Prädikats ‘A m tsträger’ herauszuhalten. Wenn jem and nun aber als Bundesm inister offensichtlich A m tsträger ist, so bleibt nur das V erfahren der referentiellen A ufspaltung, erkennbar an a/s-Form eln wie etw a der Aussage von Lam bsdorff, er habe als Minister von der Fa. Flick keine einzige Mark genom m en, oder der Aussage von Brauchitsch, er habe m it Genscher nu r in dessen Eigenschaft als Partei vorsitzender, nicht als A ußenm inister gesprochen. Der strategische Diskurs m acht hier von einer sprachlichen M öglichkeit G ebrauch/M ißbrauch, die der Linguist in die Sphäre der sogenannten intensionalen K ontexte ver weist: Man kann zwar glauben, der A ußenm inister sei ein n etter Mensch, 214 ohne zu glauben, daß H err Genscher ein n etter Mensch sei, weil man nicht weiß, daß H err Genscher eben z.Zt. unser A ußenm inister ist, aber man kann nicht zugleich wissen, daß G enscher Parteivorsitzender und A ußen m inister ist, und nur m it jeweils dem einschlägigen A nteil seiner — doch hoffentlich n icht schizophrenen — Persönlichkeit sprechen. II Maxime der ‘Reflexion auf die Meinungs- und Interpretations abhängigkeit’ 1. Bedenke, daß der Sprecher seine eigene In terpretation von Realität hat. Sei kritisch gegenüber dem W ahrheitsanspruch seiner Aussagen, selbst w enn du unterstellen kannst, daß er w ahrhaftig ist! Zwischen beiden Geltungsansprüchen m uß m an sicher unterscheiden. E infach zu beurteilen und unproblem atisch für die kritische R ezeption ist der Fall der U nw ahrheit bezüglich quasi objektiver politischer F akten, etw a die zahlreichen Irrtüm er R. Reagans über politische D aten — Fälle, in denen man dem Präsidenten subjektive W ahrhaftigkeit nicht abspre chen wird. Dagegen wird das V erhältnis zwischen W ahrheit und W ahrhaftigkeit auch für den kritischen R ezipienten problem atisch im Bereich der eigentlichen politischen Interpretationsvokabeln, m it denen politische R ealität erst geschaffen w ird. Gegen diese A rt politischer Aussagen wie etw a “ Der (w irtschaftliche) Aufschw ung ist d a ” , “ eine gewisse Stabilisierung ist erreichbar” kann keine objektive R ealität ins Feld geführt w erden. Da durch w ird für den Bürger die G renzziehung zwischen w ahrhaftiger, aber eben eigenwilliger und standortbedingter W eitsicht, und unw ahrhaftiger, bew ußt verzerrender D arstellung politischer Problem verhalte schwierig, aber im Einzelfall umso wichtiger. D irekt auf solche Interpretationsvokabeln zielt U nterm axim e 2 von II ab. 2. Bedenke, daß der Sprecher s e i n e In terpretation von politischer R ealität sprachlich verm ittelt. Geh n icht davon aus, daß er denselben Sprachgebrauch/W ortgebrauch h at wie du! Hier ist fast das gesamte politische V okabular einschlägig. Der politische W ortschatz ist in hohem Maße sem antisch instabil in dem Sinne, daß ver schiedene Sprechergruppen politische W örter nach unterschiedlichen Regeln zur Klassifikation und Bewertung der sozialen R ealität gebrauchen. Man denke nur an den spezifisch ideologischen W ortschatz, der zur G rundaus stattu ng politischer Ideologien, R ichtungen und Parteien gehört, also Wör ter, die m it jeweils unterschiedlichen (sem antischen) N uancen zur Eigen gruppenidentifikation und -Stabilisierung (als Fahnenw örter) oder zur A b grenzung/D iskrim inierung des politischen Gegners (als Stigm aw örter) b en u tzt w erden: Freiheit, Sozialism us, D em okratie, Frieden, H um anität, F ortschritt 215 einerseits, Aggression, Faschismus, Totalitarismus andererseits. A ber auch politische A lltagsw örter, die m it dem ideologischen Bereich nur indirekt verm ittelt sind, wie etwa A ufschw ung, w irtschaftliche Be lebung, Sicherheit, R eform , Solidarität w erden von verschiedenen politi schen Seiten unterschiedlich gebraucht bzw. unterschiedlich zur Erzeu gung politischer R ealität eingesetzt. Welche A ktivität bei der Erzeugung von R ealität der G ebrauch bestim m ter W örter en tfalten kann, ist in jüng ster Zeit z.B. durch das W ort Sicherheitsrisiko unter Beweis gestellt w or den. Erst die sem antische Neuerung, die Verlagerung des Extensionalisierungsbereichs von R isiko von Sachverhalten auf Personen (Jem and ist ein Sicherheitsrisiko) und die brisante V erbindung zweier militärischer H ochw ertw örter wie Sicherheit und Risiko hat diese A ktivität erm öglicht. Wir kom m en nun zu Maxime II, 3, der zusam m en m it I, 2 vielleicht wichtig sten: 3. Bedenke, daß der Sprecher s e i n e In terpretation von politischer Realität sprachlich durchzusetzen versucht. Sei kritisch gegenüber dem Geltungsanspruch seines Sprachgebrauchs/W ortgebrauchs! Solche sprachlichen D urchsetzungsstrategien seien hier m it den Stichw ör tern ‘persuasive D efinition’, ‘m anipulativer Sprach-/W ortgebrauch’, ‘sem antischer K am pf um die B esetzung/U surpation von H ochw ertw örtern, politischen L eitvokabeln’ nu r angedeutet. Wenn der Bürger die sprachlichen D urchsetzungsstrategien durchschaut und im Einzelfall konkret nachweisen oder festm achen kann, nim m t er ihnen und dam it dem strategischen Diskurs die Spitze: Dieser geht ins Leere, weil er kritisch vorweggenom men und ihm argum entativ begegnet wird. Wir form ulieren nun einige Thesen zur Aufgabe der Linguistik, einer ge sellschaftlich engagierten Linguistik bei der K ultivierung politischer K om m unikation: 7. Die erläuterten M aximen müssen ihre W irksamkeit au f der Ebene der aktuellen Rede- und T extkritik entfalten. Dazu m uß die gesellschaftlich engagierte Linguistik ihren Beitrag leisten. 8. Sie tu t dies einerseits konkret parole- oder sprachverkehrsbezogen, indem sie bei Einzelanalysen von Parlam entsdebatten, Politikerreden, -interviews usw. die A nw endung der Maximen exem plarisch vorführt. 9. Darüberhinaus jedoch m uß die A rbeit des Linguisten, da es um K om petenzerw eiterung und A ufklärung im Umgang m it kom m unikativen Verfahren im strategischen Diskurs allgemein geht, auch auf der Ebene notw endiger Verallgemeinerungen, d.h. auf langue- oder Sprachsystem216 ebene ansetzen, d.h. die M öglichkeit, politisch-kom m unikativ aufgeklärt zu handeln, m uß als abstraktes H andlungsm uster bzw. als R epertoire an solchen H andlungsm ustern zur Verfügung stehen und von W issenschaft lern zur Verfügung gestellt w erden, in der Weise, daß es in konkreten K om m unikationssituationen vom Bürger als R ezipient politischer Rede jederzeit aktiviert w erden kann. 10. Beiträge zu einer solchen langue-bezogenen Sprachkultivierung sind von der Linguistik z.B. in Form eines H andbuches der expliziten staats bürgerlichen R hetorik in öffentlichen Institutionen, wie v. Polenz es im Jahre 1978 gefordert hat, zu erw arten. 11. Bezogen auf die A rbeit des IdS, die in ihrer Zielsetzung selbst primär langue-bezogen oder sprachhandlungstypologisch ist, konkretisiert sich diese A usrichtung in der A ufgabe der Erstellung eines H andbuches der schweren W örter, in dem auch der sozialpolitische W ortschatz und dam it auch die K ultivierung politischer K om m unikation bzw. lexikalisch be dingter K om m unikationskonflikte eine w ichtige Rolle spielen w erden. Wir form ulieren daher an dieser Stelle einige Thesen zu M öglichkeiten und F orm en politischer Sprachkultivierung im W örterbuch: 12. Sprachkultivierung im W örterbuch ist eine Fortsetzung sprachhandlungsbezogener Textanalyse m it anderen M itteln. D aher kann sie nur durch eine ‘andere’, aus ihrem sprachlich-kom m unikativen Glashaus be freite Lexikographie geleistet w erden. 13. Das b edeutet konkret: Die Lexikographie politischer W örter begreift politisch brisante W örter, politische Interpretationsvokabeln als ‘gefro ren e’ H andlungsm uster des interpretierenden Klassifizierens und Bewertens. Sie bezieht konfliktäres Sprachhandeln in die lexikographische Be schreibung ein, indem sie anhand der k ontextuell gesicherten G ebrauchs beschreibung dieser W örter ihren konfliktären S to ff herausarbeitet. 14. Im Dienst dieser politisch aufklärenden Lexikographie können aus den parole-nahen M aximen, wie wir sie form uliert haben, spezifische langue- und w ortschatzbezogene M aximen abgeleitet w erden. 15. D am it diese sprachkritischen Maximen in der speziellen T extsorte W örterbuch5 wirksam w erden, d.h. operationalisiert w erden können, schlagen w ir folgende D oppelstrategie vor: a) In einem allgemeinen pragm atischen (Zusatz-) Teil des W örterbuch vorw ortes w erden die w ortschatzbezogenen sprachkritischen Maximen selbst ausgeführt. 217 b) Den jeweils für bestim m te Typen von W örtern einschlägigen Maximen sind bestim m te lexikographische K ennzeichnungen zur Verwendungstypik, zur G ruppenspezifik politischer W örter zugeordnet, die als pragm atische M arkierungen in der M ikrostruktur des W örterbuches auf die typologisch jeweils entsprechenden Lemma-Ausdrücke bzw. Klassen von Lem ma-Ausdrücken angew endet werden. ln diesem Modell einer lexikographischen D oppelstrategie der politischen A ufklärung greifen M aximen und M arkierungen wie folgt ineinander: — die M axime stellen die M uster aufgeklärten Umgangs m it politischem V okabular zur Verfügung — die M arkierungen aktivieren die jeweils einschlägigen M uster (am jeweils entsprechenden Lem m a-A usdruck bzw. an seiner Beschreibung). Die M arkierungen sind dann vom W örterbuchbenutzer bzw. Sprachteilhaber als A larm zeichen zu verstehen, die ihn für bestim m te Gebräuche bzw. M ißbräuche politischer W örter im m anipulativen, taktisch-persuasiven Sprachgebrauch/ in erfolgsorientierter Rede sensibilisieren. 16. Folgende F aktoren, die für die sem antische Instabilität politischer W örter als dem gem einsam en N enner ihrer kom m unikativ problem atischen Eigenschaften verantw ortlich sind, sind u.a. zu berücksichtigen: — ihre Interpretationsabhängigkeit und — ihr Bezug auf unterschiedliche N onnen, Ideologien, politische Lehren, W issenschaften und — ihr Bezug au f verschiedene (Meinungs) G ruppen, Parteien und — ihr essentieller Bezug auf G eschichte/G eschichtlichkeit. 17. E ntsprechend diesen F aktoren kann vom Lexikographen ein R epertoire von pragm atischen M arkierungen entw ickelt w erden, etwa: — ‘Interpretationsvokabeln’ (oder z.B. ‘ideologische S treitw ö rter’) als Bezeichnung für politische W örter, m it denen unterschiedliche (Variante) In terpretationen und D eutungen sozialweltlicher Erscheinungen voll zogen w erden, — ‘G ruppen-, Partei-, Norm en-, R ahm envokabeln’ (oder z.B. ‘Schlagw örter’, ‘L eitw örter’, ‘Fahnen- und Stigm aw örter’) als Bezeichnung für politische W örter m it eingeschränkter/relativer Gültigkeit und V erbindlichkeit jeweils relativ zu den betreffenden G ruppen, Parteien bzw. Ideologien, N orm en (Abgrenzungsvokabular), — ‘G eschichtliche (Grund)Begriffe, ‘G eschichtsvokabeln’ als Bezeichnung für W örter m it historischer Sensibilität und diachron/synchroner Be deutungsfülle; etc. 218 18. Bezogen auf die hier genannten F aktoren sem antischer Instabilität insgesamt k ö nnte z.B. eine sprachaufklärerische M axime als eine A rt P ropädeutik für den kritischen Umgang m it politischer Sprache form u liert w erden, an der sich der Sprachteilhaber g e n e r e l l , d.h. für a l l e m it politischen A usdrücken verbundenen konfliktären K om m uni kationsgelegenheiten, orientieren kann: Maxime III (vgl. II, 3) Bedenke, daß die (m it M arkierungen wie ‘politisch’, ‘ideologisch’, ‘in m anipulativem Sprachgebrauch’ ausgezeichneten) W örter zum politischideologischen W ortschatz gehören und daher aufgrund ihrer sem antischen U nbestim m theit und interpretativen O ffenheit zur Verwendung in erfolgs orientierter K om m unikation und dam it im taktisch-persuasiven oder m ani pulativen Sprachgebrauch prädestiniert sind ... Bedenke, daß Sprecher diese W örter in politisch-öffentlicher Kom m unika tion gebrauchen, um jeweils i h r e , m it der deinen n i c h t notw endig übereinstim m ende In terpretation (Meinung, Auffassung) von politischer R ealität s p r a c h l i c h zu verm itteln und auch s p r a c h l i c h durch zusetzen versuchen. O der spezieller bezogen au f den F ak to r der ‘Interpretationsabhängig k e it’ die konkretere M axime IV Maxime IV (vgl. II, 2) Bedenke, daß die (m it der M arkierung ‘Interpretationsvokabel’ ausgezeichne ten) W örter von Sprechem /Sprechergruppen auf ganz unterschiedliche Weise zur Interpretation und D eutung sozialweltlicher E rscheinungen/politischer R ealität verw endet werden. Sei kritisch gegenüber ihrem Aussagewert, denn sie werden interpretierend (d.h. beschreibend und w ertend) auf ganz unter schiedliche ‘G egenstände’ der Realität angewendet. Es sind inhaltlich un scharfe W örter, deren Unschärfe von Sprechern o ft bew ußt taktisch oder m anipulativ zur Behauptung von sog. ‘T atsachen’ ausgebeutet wird, z.B. bei strittigen Fragen wie Was ist Terrorism us? oder Wer ist (wann) Terrorist? Wer ist (wann) ein Sicherheitsrisiko/erpreßbar/förderungsw ürdig? Bedenke also, daß diese W örter m eist n ich t so unverfänglich und harmlos gebraucht werden wie z.B. die W örter Haus oder Straße, sondern als ideolo gische (Streit) W örter in ihrer Bedeutung meinungs- und interessenabhängig sind. Sei daher vorsichtig/nicht leichtfertig gegenüber d er Verwendung dieser W örter in deinem eigenen Sprachgebrauch und sei kritisch gegenüber dem Sprachgebrauch anderer, auch dann oder gerade wenn sie behaupten, ihr Sprach- bzw. W ortgebrauch sei der ‘richtige’, ‘w ahre’. Bedenke ferner, daß n ich t jedes W ort ein real existierendes ‘Ding’ einfach bezeichnet und die Sprache n icht der W irklichkeit angepaßt oder auf den Leib geschneidert ist. Die politische W irklichkeit so wie sie dir z.B. in den Massenmedien verm ittelt wird, ist häufig s p r a c h l i c h (d.h. auch durch einzelne W örter) hervorgebracht, verm ittelt und gedeutet. 219 In ähnlicher Weise wie zum F ak to r ‘Interpretationsabhängigkeit’ w ären auch zu den anderen F aktoren sprachaufklärerische M aximen zu fo rm u lieren, auf die der W örterbuchbenutzer wieder durch spezifische Markie rungsprädikate (bzw. ein R epertoire solcher Prädikate) in den W örterbuch artikeln verwiesen w erden kann. 19. A uf diese M aximen nehm en dann alle W örterbucheinträge oder Teile von W örterbucheinträgen explizit Bezug, die z.B. m it den einschlägigen M arkierungen ‘Interpretationsvokabel’, ‘P arteiw ort’ oder ‘F ah n en w o rt’ ausgezeichnet sind. 20. M arkierungen, wie die genannten, w irken aufklärend in m ehrfacher Hinsicht: — Sie sind R e l a t i v i t ä t s - oder R e s t r i k t i o n s i n d i k a t o r e n insofern, als sie den W örterbuchbenutzer m it der A ufklärung über die Interpretationsabhängigkeit politischer W örter davor w arnen, meinungs- und gruppenspezifische W ortgebräuche als für die g e s a m t e K om m unikationsgem einschaft verbindliche W ortgebräuche mißzuverstehen. R elativitätsindikatoren schaffen K larheit darüber, daß in ein und derselben Sprache auch die unterschiedlichsten politischen S tand punkte/M einungen form ulierbar sind. — Sie sind zugleich auch D i s t a n z i n d i k a t o r e n insofern, als der Lexikograph m it ihrer Hilfe sich aus dem S treit um Wörter heraushalten und sprachwissenschaftlich neutral bleiben kann, indem er alle (etablierten) gruppenspezifischen W ortgebräuche w issenschaft lich dokum entiert und sich dam it gleicherm aßen von allen G ebräuchen distanziert. — Sie sind zugleich auch D i f f e r e n z - oder V a r i a n z i n d i k a t o r e n insofern, als der Lexikograph m it ihrer Hilfe die zwischen den einzelnen G ebräuchen bestehenden sem antischen D ifferenzen als jeweils meinungs-, gruppen- oder ideologiedeterm inierte Differenzen ausweisen und die Varianten G ebräuche der jeweils entsprechenden Partei-, G ruppen- oder Ideologiesprache zuordnen kann. V arianzindi katoren schaffen K larheit oder klären au f darüber, daß politische Wör te r nicht für alle Sprecher(gruppen) das gleiche bedeuten und daß auf grund der G ruppen- und Ideologiegebundenheit politischer W örter nicht allein die Sprache und die W örter Gegenstand von Sprachkritik und -aufklärung sind, sondern die sprachlichen Handlungen und die Sprecher(gruppen), die sie im Bereich öffentlich-politischer K om m uni kation vollziehen. 220 21. Die hier vorgeschlagene D oppelstrategie von ‘M axim e’ und ‘Markie rung’ scheint uns ein gangbarer Weg zu der geforderten ‘n euen’ Lexiko graphie politischer W örter zu sein. Sie ist zudem geeignet, die politische ‘W ahrheit’ der W örterbücher eher zu befördern als zu beschneiden. Wir kom m en zum Schluß, auch er thesenhaft: 22. Niem and hat ein M onopol auf den rechten Sprachgebrauch, niemand auch eines auf die rechte Sprachkultivierung. Sprachkritische Maximen der R ezeption politischer R ede, wie wir sie vorgeschlagen haben, haben gegenüber ihren sprecherbezogenen Gegenstücken — etw a ‘Sei vorsichtig im Gebrauch von Interpretationsvokabeln’ — den Vorzug, nicht zu N or men korrum pierbar zu sein. A nm erkungen 1 Wir erinnern hier an den ‘Fall’ Wörner-Kießling und an die Presseerklärung von Bundeskanzler Kohl, m it der er die Affäre ‘lö ste ’ und die — so der Be richt-Titel der Rhein-N eckar-Zeitung vom 2.2.1984 — fast “ zu einer Lachstunde m it K ohl” geriet. 2 Vgl. Habermas 1983, 144: a) Verständigungs- vs. Erfolgsorientierung. Soziale Interaktionen sind m ehr oder weniger kooperativ und stabil, m ehr oder weniger konfliktuös oder unstabil. Der gesellschaftstheoretischen Frage, wie soziale Ordnung möglich ist, entspricht die handlungstheoretische Frage, wie (mindestens zwei) Interaktionsteilnehm er ihre Handlungspläne so koordinieren können, daß A lter seine H andlungen an Egos Handlungen konfliktfrei, jedenfalls unter Verm eidung des Risikos eines A bbruchs der Interaktion “ anschließen” kann. Sofern die A ktoren ausschließlich am Erfolg, d.h. an den K onse quenzen ihres Handelns orientiert sind, versuchen sie, ihre Handlungs ziele dadurch zu erreichen, daß sie extern, m it Waffen oder Gütern, D rohun gen oder Lockungen auf die Situationsdefinition bzw. auf die E ntscheidun gen oder Motive ihres Gegenspielers Einfluß nehm en. Die Koordinierung der Handlungen von Subjekten, die in dieser Weise strategisch m iteinander um gehen, hängt davon ab, wie die egozentrischen Nutzenkalküle ineinan dergreifen. Der Grad von K ooperation und S tabilität ergibt sich dann aus den Interessenlagen der Beteiligten. Demgegenüber spreche ich von kom m unikativem Handeln, wenn sich die A ktoren darauf einlassen, ihre Handlungspläne intern aufeinander abzustim m en und ihre jeweiligen Ziele nur u n ter der Bedingung eines sei es bestehenden oder auszuhan delnden Einverständnisses über Situation und erw artete Konsequenzen zu verfolgen. 3 Ebenso wie in Haberm as’ Bestim m ung von erfolgsorientierter Rede ist in unserer Ü bertragung auf die öffentlich-politische K om m unikation das Mo m ent negativer Bew ertung enthalten. D.h. V erständigungsorientiertheit und E rfolgsorientiertheit sind n icht — ausschließlich — deskriptive Begriffe, son dern ein Paar, bestehend aus einem positiven und einem negativen Wertbegriff. 221 4 Vgl. Z ifonun 1984. 5 Vgl. Strauß 1984. L iteratur Habermas, J. (1981): T heorie des kom m unikativen Handelns. F rankfurt a. M. (1983): M oralbewußtsein und kom m unikatives Handeln. Frankfurt a.M. Heringer, H.-J. (1982): Sprachkritik — die Fortsetzung der Politik m it besseren M itteln, ln : Heringer (Hrsg.) 1982a, 3 - 34. (Hrsg.) (1982a): Holzfeuer im hölzernen Ofen. Aufsätze zur politischen Sprachkritik. Tübingen. Heringer, H.-J ./K urz, G ./Stötzel, G. (Hrsg.) (1983): Sprache und L iteratur in Wissenschaft und U nterricht. H eft 51. Hermanns, F. (1982): Brisante W örter. Zur lexikographischen Behandlung partei sprachlicher W örter und W endungen in W örterbüchern der deutschen Gegen wartssprache. In: Wiegand, H. E. (Hrsg.), Studien zur neuhochdeutschen Lexikographie II, Hildesheim, New Y ork 1982, 87 - 108. von Polenz, P. (1979): Resümee der Tagung. In: Fachsprachen und Gem ein sprache. Jahrbuch 1978 des Instituts für deutsche Sprache, Düsseldorf, 317 - 324. Stötzel, G. (1982): K onkurrierender Sprachgebrauch in der deutschen Presse. In: Heringer (Hrsg.) 1982a, 277 - 289. Strauß, G. (1984): Politische Sprachkultivierung im W örterbuch. In: M itteilungen 10 des In stitu ts für deutsche Sprache: A spekte der S prachkultur, 91 - 121. Wiegand, H. E. (1981): Pragmatische Inform ationen in neuhochdeutschen W örter büchern. In: Studien zur neuhochdeutschen Lexikographie I. Hrsg. v. H. E. Wiegand, Hildesheim , New York. Wimmer, R. (1982): Überlegungen zu den A ufgaben und M ethoden einer linguistisch begründeten Sprachkritik. In: Heringer (Hrsg.) 1982a, 290 - 313. (1983): Sprachkritik u n d reflektierter Sprachgebrauch. In: Sprache und L iteratur in W issenschaft u n d U nterricht, 3 - 14. Zifonun, G. (1984): Politische S prachkultur und Sprachkritik. In: M itteilungen 10 des In stitu ts für deutsche Sprache: A spekte der Sprachkultur, 61 - 90. 222 WALTHER DIECKMANN N achw ort: Das R eden der Politiker und das Problem der Glaubwürdig keit Die vor der Tagung und in den einführenden Bem erkungen (s. “ V o rw o rt”) form ulierte Rahm enfrage h at in den V orträgen und den schriftlichen Do kum entationen dieses Bandes keine deutliche A ntw ort gefunden, ja man kann w eitergehend sagen, daß sie die A usführungen der R eferenten gar nicht zentral bestim m t hat, zum indest n icht als ausdrücklich form ulier tes O rganisationsprinzip für die vorgestellten Überlegungen. Man könnte jedoch nachträglich und unabhängig von den selbstgesetzten Schwer p unkten der R eferenten fragen, ob sich aus den V orträgen eine A ntw ort, eventuell auch unterschiedliche A ntw orten auf die Rahm enfrage ablei ten lassen. Ich m öchte dies in diesem N achw ort versuchen, und zwar u n terteilt in zwei Teilfragen: (a) Sind in den V orträgen M erkmale politisch-öffentlicher Sprache und K om m unikation beschrieben w orden, die den w irklichen oder verm eintlichen Glaubw ürdigkeitsverlust politischer R edner und seine K onsequenzen (Parteienverdrossenheit, System m üdigkeit, Legitim itätsverfall) zu erklären im stande sind oder die zum indest plausibel auf das Problem der Glaubw ürdigkeit bezogen werden können? — Diese Frage zielt auf den Z ustand der Sprachkultur u n te r einem bestim m ten A spekt, dem der G laubwürdigkeit. (b) E nthalten die V orträge Vorschläge zur Lösung des Problems, und welche sind dies? — Diese Frage them atisiert die Möglichkei ten der V eränderung des Zustands, der Sprachkultivierung, wie derum beschränkt au f das Problem der G laubwürdigkeit. Die erste Frage ist sicherlich positiv zu beantw orten. Wenn die These Hollys zutrifft, daß die Politiker “ positiv bew ertete Sprachhandlungsm uster wie INFO RM IEREN und D ISK U TIEREN ” benutzen, “um die eigentlich angestrebten M uster, WERBEN und LEGITIM IEREN, zu ver packen” (S. 197)1, w enn also in der von Holly an Beispielen beschriebe nen Weise eine Diskrepanz zwischen den explizit realisierten M ustern und den verdeckt verfolgten perlokutiven E ffekten besteht, dann m uß diese Z w ei-Ebenen-Struktur politischen Sprechens die Glaubwürdigkeit beim R ezipienten in M itleidenschaft ziehen, weil die kom m unikativen Inhalte in den Sog der w erbenden/legitim ierenden Ziele geraten und die V erläßlichkeit der Aussagen zum indest relativiert wird: “ Das sagt er ja nur/vor allem, weil gerade W ahlkampf ist, allgem einer: weil er mich im 223 Sinne seiner partikularen Interessen beeinflussen w ill.” Diese Relativie rung der G laubw ürdigkeit tr itt allerdings, ich kom m e darauf zurück, nur dann ein, w enn der R ezipient die D oppelstruktur der Ä ußerungen im Prinzip durchschaut. N im m t er die Rede dagegen unkritisch auf der Ebe ne des explizit Präsentierten als inform atorisches/diskutierendes Spre chen, so kann und w ird er dem Politiker auch glauben. Das von Holly identifizierte Problem steh t auch im Z entrum des V o rtra ges von Strauß und Zifonun, ausform uliert in P unkt 4 der “ V orausset zungsthesen” auf einer etwas abstrakteren Ebene als Gegensatz zwischen den unterschiedlichen Interessen und Erw artungshaltungen der Politiker auf der einen, der Bürger auf der anderen Seite. Dieser Gegensatz wird in Haberm asscher Begrifflichkeit als Gegensatz zwischen der faktisch erfolgsorientierten Rede des Politikers und dem Interesse und der Er w artung des Bürgers beschrieben, daß der “Diskurs m it dem Politiker bzw. die an ihn adressierte Rede des Politikers verständigungsorientiert” (S. 212) sein solle. Die von Holly im A nschluß an Edelm an beschriebene D oppelstruktur politischer Rede findet im Lichte der Habermasschen U nterscheidung die Erklärung, daß sich die Politiker oberflächlich an den Erw artungen des Bürgers orientieren, indem sie sich die Form en verständigungsorientierter Rede zunutze m achen (INFORM IEREN, DISKUTIEREN), diese aber verdeckt m ehr oder weniger für ihre erfolgs orientierten Ziele (WERBEN, LEGITIM IEREN, SELBSTDARSTELLEN) funktionalisieren. Die D oppelstruktur ist, aus der Perspektive der Politi ker gesehen, notw endig, weil die Form en der verständigungsorientierten Rede beim Bürger positiv, die der erfolgsorientierten Rede hingegen ne gativ bew ertet sind. Die erfolgsorientierte Rede würde also ihr Ziel ver fehlen, wenn sie sich offen als solche artikuliert. Dieser Erklärungsansatz ist m. E. durchaus geeignet, das V erhalten der Politiker zu erklären, die m e i n e n , sich so verhalten zu müssen, wie sie sich verhalten, bzw. sich als Ergebnis ihrer politischen Sozialisation unreflektiert so verhalten. Der Überprüfung bedürftig ist allerdings die Prämisse, daß die Bürger norm ativ am A nspruch verständigungsorien tierter Rede festhalten, der die D oppelstruktur der Rede beim Politiker ja erst produziert. Es gibt viele A nzeichen dafür, daß die Rezipienten zum indest die Politiker der jeweils eigenen Coleur o ft nicht am A nspruch verständigungsorientierter Rede, sondern eher an ihrem taktischen Ge schick bem essen, in der erfolgsorientierten A useinandersetzung Vorteile gegenüber dem Gegner zu erlangen. Wie dem auch sei, der beschriebene Mechanismus hat in den Teilen der beiden V orträge, die sich überhaupt m it den Eigenschaften der Politikerrede beschäftigen, einen zentralen Stellenw ert. Die Strategien, die zusätzlich und im einzelnen beschrieben 224 oder benannt w erden, bewegen sich im Rahm en dieser P roblem form u lierung; die R eferenten zeigen exem plarisch auf, wie Politiker erfolgs orientiert m it der Sprache umgehen. Der V ortrag von Bergsdorf ist schwieriger au f das Problem der G laub würdigkeit zu beziehen, weil er im w esentlichen eine F unktionsbestim mung vornim m t und die Frage, auf welche A rt und Weise die Politiker, sprachlich handelnd, diese F unktion praktisch erfüllen, gar nicht ins Blickfeld kom m t. So wird auch das G laubw ürdigkeitsproblem nicht zum Thema. Der V ortrag schließt seine M öglichkeit aber nicht aus, und es ist auch der P unkt angebbar, wo es w eiterführend behandelt w erden könnte. Bergsdorf benennt als oberstes Ziel der politischen Sprache die sprach liche Erzeugung von Zustim m ungsbereitschaft beim Bürger und die In te gration der Bürger u n te r die konkurrierenden M achtansprüche der Par teien (vgl. S. 185). A uch w enn man diese Bestim m ung nicht nur als Be schreibung der faktischen Ziele der Politiker, sondern auch als F u nktions bestim m ung m it rechtfertigender T endenz akzeptiert, so bleibt doch im mer noch die berechtigte Frage, wie denn die Politiker besagte Z ustim mung der Bürger einholen. An dieser Stelle spricht Bergsdorf von Form en der politisch-öffentlichen Sprache, m it denen Politiker ihre Ziele erläu tern, darlegen und begründen (S. 185 f.). Mit diesen sprechhandlungsbe zeichnenden V erben sind nun aber wieder Ansprüche gesetzt, die im Re den der Politiker em pirisch nicht generell erfüllt w erden, und an diesem P unkt stellt sich u.a. das Problem der G laubw ürdigkeit in ganz ähnlicher Weise wie in den beiden linguistischen Beiträgen. W endet man sich der zw eiten Frage, der möglichen Lösung des Problems zu, so wäre es zunächst naheliegend, die Lösung in der V eränderung des V erhaltens beim Politiker zu suchen, indem man die A ufhebung der D op pelstruktur m it ihrer Diskrepanz zwischen Form und F un k tio n kritisch einklagt. Das Ergebnis wäre dann die F orderung an den Politiker, eine wirklich verständigungsorientierte Einstellung oder eine offen erfolgs o rientierte einzunehm en. Die linguistischen Tagungsbeiträge gehen we der den einen noch den anderen Weg, weil sie — und das verbindet sie grundlegend m it dem im “ V orw o rt” angesprochenen neuen A nlauf “ lin guistisch begründeter S prachkritik” in der B undesrepublik — die Lösung grundsätzlich nicht beim Politiker, sondern beim R ezipienten, dem Bür ger suchen.2 Der Politiker spielt nur insofern eine Rolle, als die H offnung artikuliert w ird, ein verändertes Rezeptionsverhalten werde rückwirkend auch auf das Sprach- und K om m unikationsverhalten der Politiker Ein fluß haben. Worin ist diese A bw endung vom Politiker begründet? Die neuere sprachkritische L iteratur und auch die Tagungsbeiträge erlauben m ehrere A nt225 Worten auf diese Frage, w obei allerdings unsicher bleibt, ob und in wel cher Weise die Gründe zu hierarchisieren sind. Es gibt (a) das resignative A rgum ent praktischer Erfolglosigkeit. So ist es, wie Strauß/Z ifonun schreiben, “ nicht zu erw arten, daß die Politiker von sich aus ... ihre Re de an einer kom m unikativen E thik des verständigungsorientierten Dis kurses ausrichten” (S. 213 ), oder sich gar von Sprachw issenschaftlern oder Sprachkritikern dazu bewegen lassen. Es gibt (b) das A rgum ent der F unktionalität des Politikerverhaltens. Das politische H andeln wird dann so definiert, daß die beobachtbaren F orm en strategisch-persuasiver Rede, zum indest aber der strategische Diskurs selbst als funktional angemessen gelten m uß. Das, was ein anderer M anipulation zu nennen geneigt sein mag, wird so zur notw endigen V oraussetzung für die Er füllung der Aufgaben, die Sprache und K om m unikation in der Politik haben. Einen solchen A bleitungszusam m enhang herzustellen und zu be gründen, ist das H auptziel des Vortrags von Bergsdorf. Der Gedanke ist aber auch den linguistischen Beiträgen n icht frem d, z.B. wenn Holly das sprachliche Handeln der Politiker als “ F u nktionalstil” begreift, die Eigen schaft, nicht transparent und explizit zu sein, der “ N atur des R h eto ri schen” zuschreibt oder sich zitierend auf Bergsdorf b eru ft (S. 198 ). S trauß/Z ifonun scheinen eine andere A uffassung zu haben, da sie in Anm. 3 ausdrücklich au f dem Begriff der “erfolgsorientierten R ed e” als einem negativen W ertbegriff bestehen. Diese B esonderheit w irkt sich aber in den A nalysen des V ortrags und in den Lösungsvorschlägen kaum aus. — Der H auptgrund ist aber w ohl (c) das in der neueren Sprachkritik im m er wieder em phatisch vorgebrachte A rgum ent, es gäbe keine annehm bare Begründung dafür, daß irgendjem and irgendjem andem vorschreibt, wie er zu reden und zu schreiben bzw. n icht zu reden und zu schreiben h ab e.3 In der linguistischen Beschäftigung m it Sprachkritik verbietet sich also die bew ertende K ritik von Sprachverhalten generell, und so auch die denkbare K ritik am Sprachverhalten der Politiker; akzeptabel ist sie nur als “ S prachnorm enkritik” , d.h. als K ritik an denen, die mei nen, anderen die Sprache vorschreiben zu können, und als “linguistisch begründete S prachkritik” , in deren R ahm en der Linguist den Sprachge brauch beschreibt, um die Sprachteilnehm er in den Stand zu setzen, pro duktiv und rezeptiv Sprache kritisch, d.h. reflektiert zu gebrauchen. Im Blick auf die politische Sprache hat der Linguist u.a. die Aufgabe, die oben beschriebene D oppelstruktur politischen Sprechens aufzudecken und einsichtig zu m achen. Er zeigt dann “ Wie sich der Bürger politische Ä ußerungen verständlich m achen k an n ” (so der U ntertitel bei H olly); er b etreibt “ A ufklärung” m it dem Ziel des “sprach-rezeptionskritischen Bürgers” (so S trauß/Z ifonun, S. 211). 226 Die Inhalte der anvisierten A ufklärung sind in dem Beitrag von S trauß/ Zifonun differenziert als hörerbezogene M aximen der R ezeption politi scher Sprache aufgefächert. B etrachtet man diese M aximen genauer, um herauszufinden, welcher A ufklärung die Bürger nach Meinung der A uto ren vor allem bedürftig sind, so erklärt sich nachträglich, w arum die im “ V orw ort” form ulierte Rahm enfrage keine untersuchungsleitende Wir kung entfalten konnte. D en beiden V orträgen liegt näm lich eine ganz andere Problem form ulierung zugrunde. Die Bürger, die das Aufklärungs program m voraussetzt, sind nicht solche, denen die mangelnde G laub würdigkeit der Politiker ein Problem ist, sondern um gekehrt gerade sol che, die den Ä ußerungen der Politiker unkritisch zuviel V ertrauen en t gegenbringen und durch A ufdeckung der Sprachstrategien der Politiker gew arnt w erden müssen. Es sind Bürger, die die verständigungsorientier te Rede n icht nu r norm ativ erw arten, sondern m ehr oder weniger, aber zu U nrecht beim Politiker sogar faktisch unterstellen und deshalb den erfolgsorientierten Strategien möglicherweise hilflos ausgesetzt sind. Die Aufklärung beseitigt den Glaubw ürdigkeitsverlust nicht, sie produziert ihn — allerdings heilsam, wie die A ufklärer m einen.4 Das Bild des Bürgers, das in diesem A ufklärungskonzept sichtbar wird, w iderspricht dem , das in der Rahm enfrage angelegt ist. Die These vom G laubw ürdigkeitsverlust setzt nämlich Bürger voraus, die schon gem erkt und mißvergnügt zur K enntnis genom m en haben, daß man die Ä ußerun gen der Politiker n icht zu ihrem N ennw ert akzeptieren darf. Die offene Frage ist also, wie die r e a l e n Bürger das sprachliche und kom m uni kative V erhalten der Politiker erfahren, ob sie die A ufklärung, die die Linguisten anbieten, w irklich brauchen oder ob sie die Strategien und Mechanismen öffentlich-politischer K om m unikation schon selbst durch schaut haben und z.T. gerade deshalb m it Resignation oder Ärger reagie ren. Dies in der Rahm enfrage vorauszusetzen und gleich zu fragen, welche sprachlichen und kom m unikativen Eigenschaften politischer Rede es denn sind, die für diese W irkungen verantw ortlich sind, war offenbar voreilig. Diesem Schluß würde verm utlich auch Bergsdorf zustim m en. Sein V ortrag war zwar ebenfalls engagiert aufklärerisch, doch waren die A dressaten wohl weniger die Bürger, die in der K onzeption des Vortrags ohnehin keine prom inente Stelle h atten, sondern die anw esenden Lin guisten. Daß er auf Linguisten traf, deren sprachkritisches K onzept die verm utete Politikerschelte gar nicht vorsah, steh t auf einem anderen Blatt. 227 Anm erkungen 1 Die Seitenangaben für Z itate aus den Tagungsvorträgen beziehen sich auf diesen Band. 2 Das, was ich hier und an anderen Stellen neuere Sprachkritik o.ä. nenne, ist als program m atisches K onzept vor allem von Hans Jürgen Heringer und Rainer Wimmer entw ickelt w orden. Ihre eigenen A rbeiten und das, was in ihrem Umkreis entstanden ist, ist in einigen Sam m elveröffentlichungen gut zugänglich. Siehe vor allem Heringer, Hans Jürgen (Hrsg.) (1982): Holzfeuer im hölzernen Ofen. A ufsätze zur politischen Sprachkritik. Tübingen 1982 (s. die beiden A ufsätze von Heringer und die Beiträge von Keller, Stötzel und Wimmer in der letzten A bteilung); ferner das T hem enheft “Sprache und P olitik” der Zeitschrift “ Sprache und L iteratur in Wissenschaft und U nterricht” (H. 51, 1983) und die “M itteilungen 10: A spekte der Sprach k u ltu r” des Instituts für deutsche Sprache (Mannheim 1984). — Belege für die behauptete O rientierung der Sprachkritiker am R ezipienten und nicht am Politiker erspare ich m ir; sie wird in den beiden Tagungsbeiträgen, so denke ich, hinreichend deutlich. 3 Vgl. etw a Heringers Beitrag “ Norm en? Ja — aber m eine!” in Heringer 1982, S. 94-108. Die Sorge, eventuell für “ N orm ierer” gehalten zu werden, bringt sowohl Holly (vgl. S. 1 9 6 ) wie auch Strauß/Z ifonun (vgl. S. 2 11) dazu, sich ausdrücklich von jenen zu distanzieren. Bei Strauß/Z ifonun wird auch klar der Zusam m enhang zwischen der K ritik an den Sprachnorm ierern und der Tendenz der neueren Sprachkritiker, sich am A dressaten zu orientieren, hergestellt: “ Niem and hat ein Monopol auf den rechten Sprachgebrauch, niem and auch eines auf die rechte Sprachkultivierung. Sprachkritische Ma ximen der R ezeption politischer Rede, wie wir sie vorgeschlagen haben, haben gegenüber ihren sprecherbezogenen Gegenstücken —etw a ‘Sei vor sichtig im Gebrauch von Interpretationsvokabeln’ —den Vorzug, nicht zu Norm en korrum pierbar zu sein” (S. 221). Daß sprachkritisch tätige Linguisten so o ft ausdrücklich sagen, daß sie etwas beschreiben und das beschriebene V erhalten nicht kritisieren, hat seinen guten Grund. Jeder, der einige Erfahrung m it nicht-linguistischen Adressa ten als Hörern linguistischer Vorträge hat, weiß, daß sie die T endenz haben, die Beschreibung auch als Kritik zu nehm en, und, darauf hingewiesen, daß das nicht so gem eint sei, m it ungläubigem Staunen zu reagieren: Wie kann jem and etwas offensichtlich Kritikwürdiges beschreiben und dann sagen, Kritik läge ihm fern? Ich m uß gestehen, daß m ir das an der “linguistisch begründeten Sprachkritik” bisher auch unverständlich geblieben ist. Es ist ihr wesentliches Verdienst, gezeigt zu haben, daß die “ N orm ierer” zu Un recht in Anspruch nehm en, andere und bessere Kriterien zur Kritik sprach lichen V erhaltens zu haben als die anderen Sprachteilnehm er, und daß auch Linguisten nur für die Beschreibung, nicht aber für die Bewertung des Sprachgebrauchs ihre fachspezifische K om petenz ins Feld führen können. Schwerveiständlich ist aber, w arum die Linguisten als einzige darauf ver zichten sollen, das zu tu n , was alle tu n , nämlich die Maximen der kom m u nikativen E thik (die dieselben Linguisten als allgemein geltende und der K om m unikation im m anente norm ative Grundlage beschrieben haben) m it den oder auch für die Mitglieder der Kom m unikationsgem einschaft dort, wo sie verletzt werden, auch kritisch einzuklagen. Der Verzicht darauf ist 228 den Adressaten der sprachkritischen Bemühungen, so fürchte ich, kaum be greiflich zu m achen. Es schützt, so mein unliebsam er Verdacht, nur vor dem wissenschaftlichen Kollegen, der W erturteile in wissenschaftlichen Ver öffentlichungen auch dann nicht akzeptiert, w enn sie ausdrücklich als sol che form uliert sind und ihre Grundlage explizit angegeben ist. 4 Kaum vorstellen kann ich mir, daß die also A ufgeklärten fortan weniger resignativ, verdrossen und müde den Politikern lauschen werden. Sie dürften eher geneigt sein, die politische Fernsehsendung endgültig abzuschalten, da der Gewinn an rezeptionskritischer K om petenz in der m assenmedialen Kom m unikation ja kaum eine Chance hat, produktiv zu werden. Denkbar ist, daß sie in ihren eigenen Lebens- und A rbeitszusam m enhängen, und das kann natürlich auch einmal eine W ahlveranstaltung sein, überall da, wo die Partizipation nicht nur auf Rezeption beschränkt ist, die erkannten Strate gien auch zu ihrem eigenen N utzen effektiver einsetzen werden. 229 HUGO STE G ER /R A IN ER WIMMER Kurzbericht über die Podiumsdiskussion “ Sprachglossen in Zeitungen und Zeitschriften” A m N achm ittag des 15.3.1984 fand eine Podium sdiskussion m it Ver fassern von Sprachglossen in Zeitungen und Z eitschriften statt. T eilneh mer waren K urt H onolka (S tuttgart), R udolf W alter L eonhardt (Hamburg) und Wolf Schneider (Hamburg). Die Diskussion w urde koordiniert von Hugo Steger (Freiburg). Der K oordinator schlug für die Diskussion u.a. die folgenden T hem en kom plexe vor: — Welche Vorstellungen von S prachkultur haben Glossenschreiber? A uf welche Teilbereiche von Sprache und auf welche sprachlichen Phänom ene richten sie ihr A ugenmerk? Welche Motive bewegen sie zur Sprachkritik und zu Verbesserungsvorschlägen für den Sprachge brauch? — In w elcher Rolle sieht sich der Publizist, w enn er Sprachglossen ver faßt? Welche Ziele und A ufgaben verfolgt er, wenn er sich kritisch analysierend und w ertend der Sprache zuw endet? — R ichtet sich die A ufm erksam keit der G lossenschreiber n ich t m ehr auf das Sprachverhalten bestim m ter Sprecher und Sprechergruppen als auf d i e Sprache? — Welches sind die G rundlagen der U rteile des Sprachglossators? Wie begründet er seine U rteile und Vorschläge? An welchen N orm en orientiert er sich? — Was erbringt die Sprachw issenschaft für die Glossenschreiber? O rien tieren sie sich an sprachwissenschaftlichen Forschungsergebnissen und Erkenntnissen? Sehen sie sich u n te rstü tzt durch die A rbeit der Sprachw issenschaftler? Die V orgaben zielten darauf ab, einerseits die Sprachglossatoren zu S tatem ents und zu einem Gespräch untereinander anzuregen, anderer seits das fachkundige Publikum auf einige Fragestellungen für die allge meine Diskussion hinzuweisen. Wie aufgrund der einschlägigen P ublikationen der beteiligten Sprach glossatoren zu erw arten (z.B. R.W. L eonhardt: “ A uf gut deutsch gesagt. Ein Sprachbrevier für F ortgeschrittene” , Berlin 1983; W. Schneider: “ D eutsch für Profis. H andbuch der Journalistensprache — wie sie ist 230 und wie sie sein k ö n n te ” , 3. Aufl. Ham burg 1982), boten die Statem ents der Podium sdiskutanten zu den oben angesprochenen T hem en und F ra gen kein einheitliches Bild. Bezüglich der allgemeinen A ufgaben und Ziele von Sprachkritik sowie bezüglich der gegenüber sprachlichen N or m en — von wem im m er sie aufgestellt und vertreten w erden — einzuneh m enden Haltung gingen die M einungen deutlich auseinander. Während K urt H onolka die A uffassung vertrat, der G lossenschreiber solle vor allem zum N achdenken und A rgum entieren anregen, sahen seine M it diskutanten ihre Rolle eher als Bewahrer u nd Verteidiger von Norm en. Eine besonders rigide und kom prom ißlose Einstellung zu N orm ierungs fragen dem onstrierte Wolf Schneider, für den Sprache, Sprecher und Sprachgebrauch “ G egenstände” sind, die m an vor allem einmal au f V or derm ann bringen m uß. Der Vergleich m it m ilitärischen Ordnungsvorstel lungen drängte sich geradezu auf. Eine ganze Palette von sprachlichen Phänom enen, die die Glossenschrei ber kritisch unter die Lupe zu nehm en pflegen, w urde angesprochen, d aru n ter bestim m te Erscheinungen der Behördensprache und des Sprach gebrauchs in der Politik, m anipulativer Sprachgebrauch in der Politik und in der Werbung, Beschönigungen und Ü bertreibungen in der sog. Alltagssprache und last b u t n o t least —gerade vor diesem Publikum — Jargonism en, Im poniergehabe und Ü berterm inologisierungen in verschie denen W issenschaftssprachen. Einige K riterien bzw. M aßstäbe für die Beurteilung des jeweiligen Sprachgebrauchs konnten als un u m stritten gelten, so: K larheit, V erständlichkeit, G enauigkeit und Einfachheit. Wenn es allerdings darum ging, zu sagen, was u n te r diesen Ausdrücken jeweils im einzelnen und präzis zu verstehen sei, gingen die Meinungen w eit auseinander. Besonders schwierige Bestim m ungen w urden m it ins Spiel gebracht, etw a: S chönheit, A däquatheit, Sinn, logische Ordnung, Konsequenz, Eleganz. Die U nsicherheiten in der Begründung und plau siblen D arstellung von B ew ertungskriterien traten bei der Diskussion einzelner Beispiele deutlich zutage. Beispielsweise klassifizierte Wolf Schneider den A usdruck w eite Kreise der Bevölkerung als eine sprach liche Blähung und forderte seine Ersetzung durch viele Leute. Es liegt auf der H and, daß ein bew ertender A usdruck wie sprachliche Blähung nicht ohne w eiteres u n te r einer wissenschaftlichen O rientierung, aber w ohl auch nicht u n te r praktischen G esichtspunkten gerechtfertigt wer den kann. Die Diskussion zwischen den Sprachw issenschaftlern im Publikum und den Sprachglossatoren auf dem Podium konzentrierte sich au f Fragen der Beurteilungsgrundlagen für sprachliche Phänom ene und auf Fragen des Zusam m enhangs zwischen Theorie und Praxis. Zum letzteren P unkt 231 h atten die Glossenschreiber den Fachw issenschaftlern Theorielastigkeit und Praxisferne vorzuw erfen: Tatsache ist nun einmal, daß die massen medial verbreiteten Sprachglossen nicht von Sprachw issenschaftlern ver faßt w erden; und dieses F aktum hängt sicher auch dam it zusam m en, daß es Sprachw issenschaftler in der V ergangenheit vernachlässigt haben, ihre Erkenntnisse in angemessener Weise in relevante Praxisbereiche zu ver m itteln. A uf der anderen Seite h atten die Sprachw issenschaftler zur Frage der Beurteilungsgrundlagen sicher m it R echt ihren P unkt zu m a chen, daß nämlich ein vertretbar reflektierter Sprachgebrauch nicht zu stande kom m en kann, ohne daß man sich der Erkenntnisse der neueren Sprachw issenschaft versichert. Zwischen den beiden zum Teil k o n tro vers und sehr em otional diskutierten Positionen konnte w ährend der V eranstaltung nicht letztlich im Hinblick auf gemeinsame Feststellun gen verm ittelt w erden. Es blieb auf beiden Seiten der Appell, daß man noch viel voneinander lernen müsse. 232 Das Institut für deutsche Sprache im Jahre 1984 0. Inhaltsübersicht 1. Allgemeines 2. A rbeiten der Abteilungen 2.1. G ram m atik und Lexik 2.2. Sprache und Gesellschaft 2.3. W issenschaftliche Dienste 3. Tagungen, K olloquien und Vorträge externer W issenschaftler 4. K ontakte zu anderen Institutionen; Lehraufträge, Vorträge außerhalb des Instituts 5. Studienaufenthalte und Besuche in- und ausländischer W issenschaftler am IdS 6. Gastwissenschaftler am In stitu t für deutsche Sprache 7. Gremien und M itarbeiter des Instituts für deutsche Sprache 8. Besondere N achrichten 9. Personalstärke, A nschriften, finanzielle Angaben 10. V eröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache 1. Allgemeines Der Jahresbericht inform iert in knapper F orm über die A rbeit des Insti tu ts im Berichtsjahr. Die A bteilung “ G ram m atik und L exik” bildet die größte Forschungsabteilung des Instituts. Sie konzentriert ihre A rbeiten auf zwei Projekte: eine G ram m atik des heutigen D eutsch und ein H and buch (W örterbuch) der schweren W örter, d.h. der schwer verständlichen W örter. — Die zw eite Forschungsabteilung “ Sprache und G esellschaft” ko nzentriert ihre A rbeiten auf ein größeres Projekt “ K om m unikation in der S ta d t” und ein kleineres zu dem K om m unikationstyp “ Schlich tu n g ” . In beiden Projekten geht es um den engen Zusam m enhang zwi schen Sprache und gesellschaftlichem Leben. — Die A bteilung “Wissen schaftliche D ienste” u n te rstü tzt m it der Bereitstellung und Pflege von T ex tkorpora und m it D okum entationen die Forschungen des Instituts. Sie leistet Service auch nach außen, b etre u t Gäste und organisiert Ta gungen. Zu ihr gehört die B ibliothek des Instituts. Der Bericht inform iert ferner über Tagungen und V orträge am Institut, über die Lehr- und V ortragstätigkeit von IdS-M itarbeitern, über die A u ß enkontakte des Instituts, über die Zusam m ensetzung von Gremien, über den H aushalt und last b u t n o t least über die V eröffentlichungen. Im Berichtsjahr haben die Zuw endungsgeber des Institu ts (Bund und Land) im R ahm en des Konsolidierungsplans für das IdS eine Personal verstärkung im w issenschaftlichen Bereich erm öglicht. Die V erstärkung 233 kam der A bteilung “ G ram m atik und L exik” (hier: den Projekten ‘G ram m atik ’ und ‘H andbuch der schweren W örter’), der A bteilung “ Sprache und G esellschaft” (hier.- dem Projekt ‘Schlichtung’) und der A bteilung “W issenschaftliche D ienste” (hier: dem Projekt ‘Lexikographische Da te n b an k ’) zugute. 2. A rbeiten der A bteilungen 2.1. A bteilung G ram m atik und Lexik Leitung: Wolfgang M entrup (ab 31.8.1984 beurlaubt) Alan Kirkness (ab 31.8.1984 kommissarisch) 2.1.1. G ram m atik des heutigen D eutsch M itarbeiter: Joachim Ballweg, Ulrich Engel, H elm ut Frosch, Brigitte H ilgendorf, Ursula Hoberg (ab 1.10.84 beurlaubt), Bruno Strecker (seit 15.11.1984), Klaus Vorderw ülbecke, Gisela Zifonun K oordination: Gisela Zifonun Die A rbeit der A rbeitsgruppe G ram m atik w urde im Berichtsjahr durch die Vorlage von Skizzen und A rbeitspapieren zu verschiedenen Bereichen der G ram m atik fortgesetzt. Allerdings waren drei M itarbeiter w eiterhin m it dem A bschluß kontrastiver A rbeiten bzw. der Erstellung einer Biblio graphie zur G ram m atikforschung beschäftigt. Zu folgenden Bereichen w urden Skizzen bzw . A rbeitspapiere vorgelegt: zur D efinition des A rbeitsbegriffs ‘kom m unikativer M inim alausdruck’ (‘KOMA’), zur kom m unikativ-pragm atischen K om ponente der G ram m a tik, zum V erhältnis von KOMA-Typik und S prechakttypik, zum Tem pussystem des D eutschen sowie zu M odalangaben beim Verb. Zentraler Gegenstand der G ruppenarbeit war der E ntw urf eines R ohkonzepts für die G esam tgram m atik in Form einer kom m entierten Gliederung. Nach A bschluß ausstehender Skizzen zu den Bereichen ‘V erhältnis von linearer und abstrakter/vorlinearer gram m atischer S tru k tu r’, ‘A pposi tio n ’ und ‘Interaktion von T em pora und V erbklassen’ bis Ende 1984 und der A usw ertung der vorgelegten vorbereitenden A rbeiten für die Präzisierung des G esam tkonzepts wird zu Beginn des Jahres 1985 ein detaillierter A rbeitsplan für die G ram m atik erstellt. 234 2.1.2. W ortbildung (A ußenstelle Innsbruck) M itarbeiter: Elsbeth Gassner-Koch, Eigin Müller-Bollhagen, Lorelies O rtner Leitung: Lorelies O rtner Die M itglieder der G ruppe setzten die U ntersuchung der SubstantivK om posita und der Partizipialbildungen fort. Von Eigin Müller-Bollhagen und Lorelies O rtner liegen M anuskripte zu S ubtypen folgender Klassen vor: “ partitiv/soziativ” (z.B. Kinderhand; A rztg a ttin ), “ possessorisch/ benefaktiv” (z.B. F am ilienschm uck; Kinderkleid; Lehrergehalt), “ornativ/qualitativ” (z.B. H en kelko rb ; W ertschm uck), “existen tial” (z.B. Vulkangebiet; Beerenzeit) und “ faktiv/aktional” (z.B. B ohrm aschine; Tanzlokal; Tanzabend; — Kohlenschaufel; G olfplatz, Ballnacht). Hanspeter O rtner hat als freier M itarbeiter m it der U ntersuchung der K om po sita aus A djektiv+Substantiv begonnen. Elsbeth Gassner-Koch schloß die Beschreibung der Bildungen m it Partizip I als B-K onstituente (z.B. gefahrdrohend, gew innbringend, helleuchtend) ab. Im Bereich der Partizip-II-Bildungen beschrieb sie den T yp “ m odifikativ” (z.B. gutbezahlt). Weitere T ypen w urden beschreibungsfertig sortiert (“ kausal/auktorial” , z.B. windbeschädigt; “ instrum ental” , z.B. handbetrieben). — In engem K o n takt zur Forschungsgruppe bearbeitete Professor Dr. Hans Wellmann (Augsburg) D etailproblem e der M orphologie von K om posita. 2.1.3. D eutsch-serbokroatische kontrastive G ram m atik Leitung: Ulrich Engel zusam m en m it jugoslaw ischen G erm anisten Die letzten, zum Teil um fangreichen K orrekturvorschläge der jugosla wischen M itarbeiter w urden eingearbeitet, der G esam ttext w urde weiter hom ogenisiert. Im S eptem ber 1984 war die DSKKG abgeschlossen. Sie w urde Anfang Novem ber auf dem jugoslaw isch-deutschen G erm anisten treffen in D ubrovnik vorgestellt. Das gesamte Werk um faß t nun etwas über 1.800 Schreibm aschinenseiten und b esteht aus 18 Teilen, die sich in die drei G roßabschnitte W örter und Phrasen — Sätze - T ex tstru k tu ren zusam m enfassen lassen. Es soll 1985 veröffentlicht w erden. 2.1.4. D eutsch-rum änische kontrastive G ram m atik Leitung: Ulrich Engel und Professor Mihai Isbä^escu, Bukarest A uf G rund der V orarbeiten von Frau Dr. Stänescu und anderen M itar beitern w urde im Frühjahr 1984 die Endfassung dieser G ram m atik in Angriff genom m en. Der Teil “ S atz” ist im w esentlichen geschrieben. 235 Für die m eisten übrigen Teile w urden von rum änischen G erm anisten, u.a. von Dr. G erhard K onnerth, eingehende Ü berarbeitungen vorgenom men. Der Teil ‘P ronom en’ w urde völlig neu erstellt. Alle fertigen Teile und A bschnitte w urden von Professor Dr. Mihai Isbljescu, der sich seit H erbst 1984 in der Bundesrepublik aufhält, kri tisch durchgesehen und gingen dann zur w eiteren Ü berarbeitung an Frau Dr. Speranta Stanescu. H err IsbXjescu wird sich auch an der E nd k o rrek tu r beteiligen. Der A bschluß der M anuskripterstellung ist für Som m er 1985 vorgesehen. 2.1.5. Deutsch-spanische kontrastive G ram m atik Die V orarbeiten zu dieser G ram m atik w urden von einer A rbeitsgruppe im In stitu t geleistet. Seit der finanziell bedingten A uflösung der Projekt gruppe sind die beiden externen P rojektleiter Prof. Dr. Nelson Cartagena (Heidelberg) und Prof. Dr. Hans-Martin Gauger (Freiburg i.Br.) m it der Be arbeitung des um fangreichen G esam tw erks befaßt. Im Berichtsjahr w ur den die noch ausstehenden A rbeiten an dem semasiologischen (ausdrucks bezogenen) H auptteil w eitgehend abgeschlossen. Mit der A bstim m ung dieses Teils m it dem als M anuskript vorliegenden onom asiologischen (bedeutungsbezogenen) H auptteil w urde begonnen. Die redaktionellen A rbeiten bis zur Vorlage des druckfertigen G esam tm anuskripts w erden sich bis in das Folgejahr erstrecken. 2.1.6. D eutsch-japanische kontrastive G ram m atik A uch zu diesem V orhaben besteht wegen des A uslaufens der Projekt m ittel seit 1980 im In stitu t keine A rbeitsgruppe mehr. Die bei Projekt ende vorliegenden, z.T. sehr um fangreichen M anuskripte w erden seit dem für die V eröffentlichung in der vierbändigen Ergebnisreihe “ D eutsch und Japanisch im K o n trast” (Julius G roos Verlag, Heidelberg) bearbeitet. V on dieser Reihe liegen inzwischen zwei Bände vor: Bd. 1: Schrift — L autstru k tu ren — W ortbildung. Bd. 2: J. Rickm eyer, M orphosyntax der japanischen Gegenwartssprache. W ährend des Berichtsjahrs waren G erhard Stickel und Klaus Vorderwülbecke (beide IdS) und Prof. T ohru K aneko (Chiba, Japan) m it der R e daktion und der zum Teil sehr aufw endigen U m arbeitung der für Bd. 3 und Bd. 4 vorgesehenen Beiträge befaßt. Bd. 3 enthält einen A briß der M orphosyntax des D eutschen und einen Vergleich der m orphosyntaktischen H auptm erkm ale des D eutschen und Japanischen. Bd. 4 en th ält 236 eine Reihe von kontrastiven E inzeluntersuchungen zu ausgewählten T eilbereichen beider Sprachen. Die Bearbeitung dieser beiden Bände kon n te bis zum Jahresende nicht abgeschlossen w erden. Vorgesehen ist, die druckfertigen M anuskripte im Frühjahr 1985 in Druck zu geben. 2.1.7. H andbuch der schweren W örter M itarbeiter: Ulrike Haß (seit 1.10.1984), M anfred W. Hellmann, Gabriele H oppe, Michael Kinne, Alan Kirkness, M onika Kolven bach, E lisabeth Link, Isolde N ortm eyer, G ünter D. Schm idt, H elm ut Schum acher, G erhard Strauß Leitung: Wolfgang M entrup (1) Spezialuntersuchungen Die von Brigitte H ilgendorf zusam m engestellte Bibliographie deutscher Lexika, Enzyklopädien und Fachw örterbücher um faßt über 16.000 Ti tel, die in den C om puter eingespeichert und w eitgehend korrigiert sind. Noch ausstehende A rbeitsschritte sind: A ktualisierung der Bibliographie, Registererstellung und Auswahl der T itel für die Buchveröffentlichung. Für die A ufbereitung der Klein-Corpora w urde in Zusam m enarbeit m it der WD die für die im IdS vorhandenen C orpora bestehende “M annhei m er K onvention” den spezifischen Bedürfnissen angepaßt. Um bei der Ü bernahm e externer S etzbänder unterschiedlichster A rt zur Auffüllung dieser Corpora das M annheim er K onzept der “ satzzerlegten T ex te” auf rechterhalten zu können, w urden von M onika K olvenbach die K riterien für die Behandlung der Satzzeichen und für die E rkennung von Satzen den und -aniängen in eine program m ierfähige Form gebracht. A n einer auf D atenträger aufgenom m enen Testm enge von W örterbuch artikeln des “ G roßen W örterbuchs der deutschen S prache” (Duden) w urden von M onika Kolvenbach verschiedene Ausw ertungsm öglichkei ten, die besonders die A ngaben zur Etym ologie, Stilebene und Fachspra chenspezifizierung sowie das Beschreibungsvokabular betreffen, geprüft und in eine program m ierfähige Form gebracht. Die Program m ierung w urde von der A rbeitsstelle LDV durchgeführt. Michael Kinne führte die A usw ertung von Sprachglossen w eiter. Diese erstreckt sich auf ausgewählte journalistische sprachreflektorische Bei träge aus vier Jahrgängen (1979-1982) allgem einer Zeitungen. Die aus gew erteten Beiträge befassen sich ausschließlich m it Fragen der Lexik. Im Z entrum der U ntersuchung stehen die Fragen, welche W ortschatzele m ente in diesen Glossen aufgerufen (alphabetische A uflistung), in welchen 237 Problem zusam m enhängen (wie z.B. W ortbedeutung, W ortbildung, Frem dw ortgebrauch, Neologismus) sie behandelt w erden und welchem Sprach(sub)system (wie Allgemeinsprache, Fach- oder Sondersprache) oder welchem Sachbereich (wie z.B. Politik, Verw altung, W irtschaft, K ultur, Bildungssprache) sie zugeordnet w erden können. Die entspre chenden D aten w urden auf K arteikarten (je Einzelw ort) erfaßt, die die Grundlage zur Erstellung von verschiedenen (jeweils inhaltlich orientier ten, in der Regel alphabetisch sortierten) W ortlisten bilden. E rfaßt w ur den daneben auch die in den Beiträgen behandelten Phraseologismen und Okkasionalismen. (2) Die beiden Teilvorhaben: Politisch-ideologischer W ortschatz/ Fachexterne K om m unikation — Lehn-W ortbildung G erhard Strauß erstellte im Berichtszeitraum u.a. eine m ehrfach klassi fizierte Liste von W örtern des politisch-sozialen W ortschatzes als Teil des L em m abestandes des H andbuchs. U nterschieden w erden zunächst Basis- und Sublem m ata (A bleitungen und Zusam m ensetzungen), die darüber hinaus nach folgenden Eigenschaften bzw. F unktionen m arkiert sind: 1. als geschichtliche G rundbegriffe, 2. als zur N S-typischen Lexik und 3. als zum DDR-spezifischen W ortschatz gehörende W örter, 4. als Miranda- und Form ula-Ausdrücke (bzw. als Leit-, Fahnen-, Stigm awör ter), 5. (teilweise) als jeweils spezifische R epräsentanten bestim m ter T y pen schwerer (d.h. z.B. system transzendenter oder subsystem im m anen ter) W örter, 6. als Elem ente bestim m ter politisch-ideologischer Paradig men oder Teilfelder, 7. als E lem ente sachlich-them atisch vorgegebener Handlungs- und Funktionszusam m enhänge usw. A uf dieser Basis werden derzeit A rtikeltypen relativ zu den entsprechend unterschiedlichen Lem m atypen entw ickelt, die als Beschreibungsm uster der Abfassung von H andbuchartikeln zugrunde gelegt w erden können. Dabei w erden diese M uster auch auf ihre Eignung für die lexikographische Beschreibung von W örtern anderer W ortschatzbereiche hin getestet. Wolfgang M entrup führte seine A rbeit zu einer “ Pragm atik der Lexiko graphie — Am Beispiel fachexterner A nw eisungstexte” (insbesondere am Beispiel Packungsbeilagen von M edikam enten) w eiter. A ufbauend auf K apitel 1 “ Von Prinzipien der Sprachforschung zu Prinzipien der L exikographie” (als Rahm en) und Kapitel 2 “ F achexterne Anweisungs handlungen: ‘Bedienungsanleitung/Packungsbeilage’” (Handlungsaus schnitt) ging es in Kapitel 3 darum , vorliegende Vorschläge zur “ hori zontalen” und “vertikalen” Gliederung des Bereichs der Medizin, das Verhältnis der V orstellung von Sprachsystem -bezogenem W ortschatz und Sprachverkehrs-bezogenen V okabularen von T exten in K om m uni 238 kation zu erörtern sowie u n te r Berücksichtigung struktureller und funk tionaler A spekte das W örter-Inventar für die lexikographische Beschrei bung in m ehrfacher H insicht zu klassifizieren. Insbesondere w urde da bei versucht, die Frage nach den sachgesteuerten A nsätzen der Bezeich nung und Beschreibung m edizinischer Phänom ene sow ohl in der m edi zinischen L iteratur als auch in G esprächen zwischen A rzt und Patient zu beantw orten (Sprachausschnitt). In Kapitel 4 w erden im Sinne einer einholenden N utzanw endung das Kleincorpus ‘Packungsbeilagen’ u n ter Einbezug ‘M edizinischer A ufklärungsartikel’ zusam m engestellt und Vor schläge zur lexikographischen Beschreibung ihres V okabulars (W örter buchausschnitt) entw ickelt. Im Zusam m enhang dam it w urden in verschiedenen A ufsätzen die Be schreibung fachspezifischer A usdrücke wie Ödem, D iuretikum und Na trium in vorhandenen W örterbüchern untersucht, ausgehend von H. Pauls “ D eutschem W örterbuch” ein T eilw ortschatz und bezogen auf den Einsatz von T exten im D eutschunterricht das V okabular eines m e dizinischen T extes klassifiziert, die insbesondere von H.E. Wiegand in die Diskussion eingebrachte Vorstellung von W örterbuchbenutzungssi tu atio nen kritisch geprüft sowie in einem A rbeitspapier das Them a “ G ram m atik in W örterbüchern” ausführlich behandelt. M onika Kolvenbach setzte die A rbeit an den Form ularen fort. Als Ein stieg w urde der Bereich ‘S teu er’ gew ählt; zahlreiche A ufsätze aus p o p u lärw issenschaftlichen und Fachzeitschriften w urden bibliographisch er faß t und teilweise maschinell ausgew ertet. Eine erste system atische Be handlung des M orphem s pausch in seinen relevanten Z usam m ensetzun gen w urde abgeschlossen. A n diesem Beispiel w urden verschiedene Ver fahren erprobt, so etw a die maschinelle A usw ertung der T exte, die A n wendung der W -Ketten und w eiterer Beschreibungsmodelle, und zwar sow ohl auf der M orphem- als auch auf der W ortebene. V on den M itarbeitern des Teilvorhabens “ Lehn-W ortbildung” , d.h. von Gabriele H oppe, Alan Kirkness (L eiter der G ruppe), Elisabeth Link, Isolde N ortm eyer und G ünter D. Schm idt, w urde die A ufbereitung der einschlägigen S ekundärliteratur vorläufig abgeschlossen, verschiede ne begriffliche und m ethodische A nsätze zusam m engestellt, neue th e o retische G esichtspunkte entw ickelt und au f ihre V erw endbarkeit für ein dem Phänom en ‘Lehn-W ortbildung’ adäquates Beschreibungsmodell überprüft. Vorschläge zur problem orientierten Beschreibung von Lehnk o n stituenten wie anti-, bio-, -itis, meta-, therm , path w erden erarbeitet. Das Basismaterial w urde system atisch ergänzt, die Feinsortierung der Baslerschen Belegsammlung m it dem Buchstaben P fortgesetzt. 239 Die A useinandersetzung insbesondere m it Fragen der Frem dw örter, speziell der L ehnw ortbildungsprodukte, u n te r dem G esichtspunkt der ‘S chw ere’ der W örter w urde w eitergeführt, ln diesem Zusam menhang arbeitete Prof. Dr. Wolfgang R ettig (Düsseldorf) als Gastwissenschaftler am Projekt m it und beschäftigte sich m it der Frage: “ K önnen ‘schwere W örter’ durch M otivierung leichter w erden?” . (3) R ahm enpapier A uf der G rundlage der z.T. in kom prim ierten A rbeitspapieren zusam m engefaßten Ergebnisse der u n te r (1) und (2) beschriebenen U ntersu chungen w urde m it der gruppeninternen Diskussion in R ichtung auf ein R ahm enpapier für das H andbuch hin und dam it m it dessen E rstel lung begonnen. 2.1.8. D eutsches F rem dw örterbuch Erschienen ist als erste Lieferung des siebten und letzten Bandes das Ge sam tquellenverzeichnis. Das Erscheinen der system atischen W ortregister verzögerte sich wegen einer notw endig gew ordenen E ndredaktion und nochm aligen K orrektur. Die Bearbeitung des N achw orts w urde abge schlossen. Das F rem dw örterbuch wird m it dem Erscheinen der letzten Lieferung spätestens Anfang 1985 abgeschlossen sein. 2.1.9. Ost-West-Wortschatz Die überarbeiteten T exte des Bonner Z eitungskorpus (DIE WELT und NEUES DEUTSCHLAND) w urden maschinell zu K lartexten, Indices, Registern und K onkordanzen verarbeitet und in der Reihe ‘Regensbur ger M icrofiche M aterialien’ veröffentlicht. Die vorhandenen, lexikographisch schon bearbeiteten D atenbestände des Bonner ‘M aschinellen K orpusw örterbuchs’ w urden in neue, für die interaktive Bearbeitung besser geeignete S trukturen überführt und teil weise m anuell überarbeitet. Die A rbeiten w erden fortgesetzt. Über Ver fahren und Zielvorstellungen gibt der 1984 erschienene Band 48 der Forschungsberichte des IdS A uskunft. 2.1.10. Verbvalenz Die von H elm ut Schum acher vorgenom m ene Ü berarbeitung und Ergän zung der M anuskriptteile des sem antisch orientierten Verb Wörterbuchs 240 w urde weitgehend abgeschlossen. Das W örterbuch um faß t über 400 Wör terbuchartikel zu V erben aus folgenden Bereichen: 1. V erben der allge m einen Existenz, 2. V erben der speziellen Existenz, 3. V erben der Dif ferenz, 4. Verben der R elation und des geistigen Handelns, 5. Verben, die den Handlungsspielraum von Personen betreffen, 6. V erben des sprachlichen A usdrucks, 7. V erben der vitalen Bedürfnisse. Etwa 400 w eitere Verben aus den genannten M akrofeldern sind m it K urzbeschrei bungen in den V orspanntexten berücksichtigt. Das W örterbuch geht 1985 in den Satz. 2.2. A bteilung Sprache und Gesellschaft Leitung: W erner Kallmeyer 2.2.1. Beratungsgespräche — Analyse asym m etrischer Dialoge M itarbeiter: Franz-Josef Berens, W erner N o th d u rft, Ulrich Reitem eier, Peter Schröder Leitung: W erner Kallmeyer Im Berichtsjahr w urden noch A bschlußarbeiten an einigen M anuskrip ten und Publikationsvorbereitungen durchgeführt. Sukzessive w erden publiziert: — D arstellungen zu verschiedenen konstitutiven A spekten von Bera tungsgesprächen; erschienen ist 1984: W erner N o th d u rft, “ ... äh — folgendes problem — ä h ” . Die interaktive A usarbeitung “ des Pro blem s” in Beratungsgesprächen (Forschungsberichte 57 des Id S ); — eine D arstellung zur B eratungstypologie; — ein T extband m it einer Auswahl von T ranskriptionen von Beratungs gesprächen (im D ruck). 2.2.2. Schlichtung — Gesprächs- und Interaktionsanalyse eines V erfah rens zur Lösung sozialer K onflikte M itarbeiter: Wolfgang Klein (seit 15.12.1984), Werner N othdurft, Ulrich Reitem eier, Peter Schröder K oordination: W erner N othdurft Das Projekt läuft seit M itte 1983; vorgesehen ist eine Laufzeit bis Ende 1986. Die Finanzierung w urde 1983-84 von der DFG m itgetragen (SP “Verbale In terak tio n ” ). Ziele des Projekts sind: — Schlichtung als ein kom plexes Handlungs- und T extm u ster darzustel len (ko-situative M erkmale); 241 — charakteristische A usprägungen und V arianten dieses M usters in ih rem Zusam m enhang m it institutioneilen Bedingungen zu bestim m en (V ariation); — Schlichtung m it anderen K om m unikationstypen, wie z.B. Beraten, hinsichtlich H andlungsm uster, interaktiven A nforderungen und der Stellung in der O rganisation unseres sozialen Lebens zu vergleichen (Typologie). Datengrundlage der P rojektarbeit ist ein K orpus von Schlichtungsgesprä chen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen; z.B. Vergleichsverhandlungen im vorgerichtlichen Bereich, Schiedsm annsgespräche, Schlich tungs-Prozesse in fam ilientherapeutischen G esprächen, Streit-Schlich tungen in fam ilialer Interaktion. Die bisherige A rbeit konzentrierte sich auf die Erstellung des Korpus, die Entw icklung konzeptueller und m ethodischer A nalyseinstrum ente und fallbezogene Verlaufsanalysen. A uf der Grundlage dieser A rbeit sind für 1985 system atische U ntersuchungen zu einzelnen H andlungs kom ponenten von Schlichtung (z.B. K onfliktaushandlung, Vorschlags entw icklung) und zu allgemeinen M erkmalen (z.B. die Rolle von N eutra lität des Schlichters) vorgesehen. A ußerdem sollen ethnographische Beobachtungen in verschiedenen Schlichtungs-Institutionen durchgeführt werden, um die gesprächsanalytischen Ergebnisse m it anderen D aten zu vergleichen und abzusichern. 2.2.3. K om m unikation in der Stadt M itarbeiter: Karl-Heinz Bausch, Inken Keim, Pantelis N ikitopoulos, Johannes Schw italla Leitung: W erner Kallmeyer Ziel des Projekts ist die Beschreibung des Zusam m enhangs von Sprache und lokaler K ultur im städtischen Lebensraum am Beispiel Mannheims. U ntersucht w erden die Beziehungen zwischen — der V erw endung von verschiedenen Sprachen, sprachlichen V arianten (Standarddeutsch, S tad tm u n d art, A usländersprachen, Fach- und Son dersprachen usw.), spezifischen Ausdrucksw eisen und K om m unika tionsform en (Gruß- und K ontaktverhalten, Form en der Selbstdarstel lung usw.), — charakteristischen K om m unikationsstrukturen im Lebens- und Er fahrungsbereich der S tadtbew ohner (Typen von S ituationen und Kom m unikationsereignissen, K om m unikationsnetze usw.), 242 — O rganisationsform en des sozialen Lebens (Fam ilienstrukturen, Nach barschaften, V ereinsleben, A rbeitsw elt usw.) und — der sozialen Id en tität der S tadtbew ohner und der Rolle der O rtsbin dung für sie. Im Ja h r 1984 w urden die ethnographischen Panoram en der Stadtteile Vogelstang, N eckarau und Sandhofen w eitgehend fertiggestellt. Die A rbeiten an den S tadtteilethnographien sollen im Frühjahr 1985 abge schlossen w erden. D am it ist die erste Phase des Projekts abgeschlossen. In Ü berschneidung dam it begannen die ersten V ersuche ethnographischer Gesprächsanalyse an aufgezeichneten G esprächen von G ruppen aus den einzelnen S tadtteilen. Diese U ntersuchungen gehören zur zw eiten Projektphase, der Analyse ausgewählter sozialer Welten, die in “ P o rträts” dargestellt w erden sollen. Die Diskussionen zur Entw icklung eines Program m s einer ethnographi schen G esprächsanalyse betrafen Fragen wie: Beschreibungskategorien für H andlungsm uster und T extsorten, für stilistische V ariation und sprachliche Schichtung, für die R elationen zwischen dem Vollzug sprach licher A kte und den übergreifenden, sozialen und lebensgeschichtlichen Zusam m enhängen, die erst aufgrund des ethnographischen Wissens in terp retiert w erden können. 2.2.4. Bibliographische Recherchen Im Berichtsjahr w urde eine kom m entierte Bibliographie zur juristischen K om m unikation abgeschlossen (erscheint 1985 in den Forschungsberich ten des IdS). A ußerdem w urde eine R echerche zur praktischen R hetorik durchgeführt. Eine Ausw ahlbibliographie erscheint 1985 in Grosse/Bausch (Hg.): Prak tische R hetorik (Eigenverlag des IdS). 2.3. A bteilung W issenschaftliche Dienste Leitung: Wolfgang T eubert 2.3.1. Inform ations- und D okum entationsstelle (IuD-Stelle) M itarbeiter: Aloys Hagspihl, G erhard Jakob, Konrad Plastwich Die IuD-Stelle erbringt Inform ationsdienstleistungen aufgrund regel mäßiger eigener E rhebungen und unter A usw ertung von am In stitu t er arbeiteten M aterialien (z.B. Bibliographien) und sonstigen einschlägigen Inform ationsquellen. Inform ationsdienste w erden für folgende Bereiche erstellt bzw. befinden sich in V orbereitung: 243 — germ anistische Linguistik (teilweise u n te r A usschluß früherer Sprachstufen, aber einschließlich der Diachronie) (In- und A usland); — allgemeine Sprachw issenschaft (deutschsprachige L änder); — G ruppenm ehrsprachigkeitsforschung, bezogen auf G ebiete m it D eutsch als beteiligter Sprache. Zur Zeit werden von der IuD-Stelle folgende D okum entationen erarbei te t: — W issenschaftlerdokum entation; erscheint 1985; — D okum entation Sprachw issenschaftliche Lehrveranstaltungen an deutschsprachigen H ochschulen (Bundesrepublik, Ö sterreich, Schweiz); Erscheinungsweise halbjährlich; — D okum entation Sprachw issenschaftliche Forschungsvorhaben (deutschsprachige Länder: germ anistische und allgemeine Linguistik; international nur germ anistische Linguistik); Erscheinungsweise zwei jährlich; — H andbuch der G ruppenm ehrsprachigkeitsforschung zu G ebieten m it D eutsch als beteiligter Sprache. K om m entierte Bibliographie, Perio dikaverzeichnis, Projekt- und Institutio n en d o k u m en tatio n ; erscheint 1985. Eine weitere A ufgabe der IuD-Stelle ist die wissenschaftliche U nterstüt zung und redaktionelle Bearbeitung von D okum entationen zur G rup penm ehrsprachigkeit. Im Berichtsjahr erschien Band 9 der Reihe “D eut sche Sprache in E uropa und Ü bersee” (N orbert Kleinz: D eutsche Spra che im K ontakt in Südwestafrika). A ufgrund unvorhergesehener V erzö gerungen k o nnte auch die Herstellung des T yposkripts des zw eiten Ban des “ D eutsch als M uttersprache in den V ereinigten S taaten ” erst im Be richtsjahr abgeschlossen w erden. Die IuD-Stelle ist ferner zuständig für die organisatorische Betreuung der am In stitu t arbeitenden G astwissenschaftler sowie der Besucher und Besuchergruppen. Sie hilft bei der organisatorischen V orbereitung und Durchführung der Tagungen des IdS. Ferner nim m t sie ständige A ufga ben der Ö ffentlichkeitsarbeit wahr, bean tw o rtet Anfragen bzw. leitet sie an die zuständigen Stellen w eiter, und sie redigiert die “M itteilungen des In stituts für deutsche S prache”. Sie archiviert die in den deutschen Zeitungen und P ublikum szeitschriften erscheinenden A rtikel zum T he ma “ S prache” . F erner vertreibt sie die im Eigenverlag des In stitu ts er schienenen Bücher und Broschüren. A ufgrund einer V ereinbarung m it dem M inisterium für Wissenschaft 244 und K unst, Baden-W ürttemberg, w urde 1984 m it der praktischen Aus bildung von Inspektoranw ärtern des gehobenen Dienstes in D okum en tationseinrichtungen begonnen. 2.3.2. A rbeitsstelle Linguistische D atenverarbeitung (LDV) M itarbeiter: Tobias Brückner, Sylvia Dickgießer, G ert K. F rackenpohl (beurlaubt seit 1.10.1984), Klaus W othke (seit 1.11.1984), R udolf S chm idt (seit 1.12.1984) Leitung: G ert K. F rackenpohl Wolfgang T eubert (seit 1.10.1984) Zu den A ufgaben der LDV gehören — der Betrieb der Rechenanlage (Siemens 7.536), — die Bereitstellung und A usw ertung m aschinenlesbarer Wort- und Textkorpora, — die E ntw icklung von Program m en zur T extanalyse und -Verarbeitung, — die Bereitstellung von D atenbanksystem en und die Entw icklung von Ein- und A usgabeprogram m en für verschiedene Inform ations- und D okum entationsprojekte. Im folgenden w erden die im Berichtsjahr durchgeführten bzw. begonne nen A rbeiten im einzelnen dargestellt. Um einem stark gestiegenen Bedarf vor allem in den Forschungsabtei lungen nachzukom m en, w urden 4 neue D atensichtgeräte und 4 A rbeits platzdrucker angeschlossen. Dazu w aren um fangreiche E rw eiterungsar beiten an verschiedenen B etriebssystem kom ponenten erforderlich. Zu dem verursachte der stetig w achsende D atenbestand Speicherplatzproble m e, die m ittelfristig nu r durch die Bereitstellung zusätzlicher M agnet plattenstationen gelöst w erden können. Z ur vorläufigen Ü berbrückung der Engpässe w urden D atenm igrationsverfahren entw ickelt und getestet. N eben aktuellen Versionen bereits vorhandener D atenbank- und Pro gram m system e w urden 3 neue System e (DIACOS, TEX, TOM-EDT-DOK) zu Testzw ecken im plem entiert. Diese System e erlauben die H erstellung von Druckvorlagen für Publikationen. D am it wird einer steigenden N ach frage innerhalb des IdS Rechnung getragen. Die Entw icklungsarbeiten an der Lexikographischen D atenbank (LEDA) w urden zügig fortgeführt. LEDA wird im Endausbau drei K om ponenten enthalten: a) die T extdatei, d.h. eine Sam m lung einheitlich kodierter K orpora, auf die m it dem interaktiven Program m system R E F E R zuge griffen w ird; b) die W ortdatei, die die Bestände m aschinenlesbarer Wör 245 terbücher in teilintegrierter Form enthalten w ird; c) die A rbeits- und Ergebnisdatei, in die die jeweils bearbeiteten W ortartikel abgespeichert werden. Die E ntw icklungsarbeiten an R E F E R sind bereits w eitgehend abgeschlos sen. Eine voll funktionsfähige Version, die inzwischen auch die au to m a tische Generierung von flektierten V erbform en aus dem Infinitiv zur Er leichterung von Suchprozeduren um faßt, steh t in- und externen Wissen schaftlern zur Belegsuche zur Verfügung. Im Rahm en der vereinbarten Zusam m enarbeit zwischen dem IdS und dem In stitu t für K om m unikationsforschung und Phonetik (IKP, Univer sität Bonn) w urde die am IKP erstellte “K um ulierte W ortdatenbank des D eutschen” in Form einer SESAM -Datenbank am IdS im plem entiert. Die W ortdatenbank besteh t aus ca. 300000 W ortartikeln und kann als P ro to ty p der W ortdatei, wie sie für LEDA geplant ist, angesehen werden. M ittelfristig ist der Zugriff auf die IdS-K orpora (die T ex td atei von LEDA) auch über lem m atisierte Register geplant. Diese Register w erden ab 1985 w eitgehend autom atisch m ithilfe des m orphologischen V ollform enlexi kons (MOLEX) erstellt. Die A rbeiten an MOLEX stehen m it der E n t wicklung von A nalyseprozeduren für die autom atische Z uordnung der Deklinationsklassen zu N om inalkom posita kurz vor dem A bschluß; A n fang 1985 wird MOLEX m it über 2 Millionen W ortform en und den zu gehörigen flexionsm orphologischen A ngaben zur Verfügung stehen. Sehr aufw endig sind die A rbeiten zur Erw eiterung der T extdatei. Der Bezug auf die G egenwartssprache erfordert eine ständige A ktualisierung des d okum entierten Sprachm aterials, w obei für die Auswahl der T exte die Bedürfnisse der lexikographischen A rbeitsvorhaben am IdS ausschlag gebend sind. Die A rbeiten zur K orrektur und U m kodierung des OstW est-Zeitungskorpus w urden abgeschlossen. Das K orpus w urde (ebenso wie das D ialogstrukturenkorpus) an R E F E R angeschlossen. D am it ste hen für den interaktiven Zugriff nunm ehr über 7 Mio. laufende W örter T ex t zur Verfügung. W eiter erhielt das IdS im Berichtsjahr eine neue, korrigierte und erw eiterte V ersion des Thomas-M ann-Korpus von Profes sor Higuchi, Japan, und vom In stitu t für G runddeutsch, S tanford, Cali fornia, das K orpus G runddeutsch: T exte zur gesprochenen deutschen Gegenwartssprache. Zur V eröffentlichung dieses K orpus sowie des Kor pus Beratungsgespräche leistete die LDV durch D ruckaufbereitung und Erstellung verschiedener Register w esentliche Beiträge. F erner w urde m it der Erstellung von Spezialkorpora für das V orhaben “H andbuch der schweren W örter” begonnen. V erfahren für die V erfügbarmachung von T exten, die für den D ruck im Lichtsatzverfahren auf M agnetbändern 246 gespeichert sind (z.B. M annheim er Morgen, Bonner Generalanzeiger, Spiegel) w urden entw ickelt; der Einsatz von Lesemaschinen (KDEM) w urde erprobt. Schließlich w urden T ranskripte von T ex ten gesproche ner Sprache der A bteilung SuG erfaßt. Die am IdS verfügbaren maschi nenlesbaren W ortlisten w urden durch drei zweisprachige maschinenles bare W örterbücher des Bundessprachenam tes erw eitert; diese W örter bücher w urden für den interaktiven Zugriff im Zusam m enhang m it dem Projekt “ L ehnw ortbildung” aufbereitet. Die “ Rückläufige W ortliste zum heutigen D eutsch” m it über 150000 Einträgen, die auf einer K um ulierung und Ü berarbeitung verschiedener m aschinenlesbarer W örterbücher beruht, erschien im H erbst 1984. Ein Program m paket w urde entw ickelt, um das Beschreibungsvokabular sowie A ngaben zur E tym ologie und Stilebene einer Testm enge von Wör terbucheinträgen aus dem “G roßen W örterbuch der deutschen S prache” auszuw erten. D am it m öchte die A rbeitsgruppe Lexik Hinweise auf m ög liche N orm ierungen gew innen. Ferner w urden verschiedene Register zum D eutschen F rem dw örterbuch erstellt und für den D ruck über LaserD rucker aufbereitet. Zu den A ufgaben der LDV gehört auch die U nterstützung von D oku m entationsaktivitäten. Die verschiedenen D ateien der Bibliographischen D atenbank (BIDA) enthalten m ittlerw eile bereits über 30000 D okum en te ; einige dieser D ateien, die “ Bibliographie Enzyklopädien und L exika” , die “ Bibliographie zur juristischen K om m unikation” und die “ Biblio graphie zur praktischen R h e to rik ” w erden zur Zeit zum D ruck aufberei te t und Anfang 1985 veröffentlicht. Auch die Wissenschaftler-, Lehrveranstaltungs- und P rojektdokum entation w urden wieder unterstützt. Die Zahl externer Serviceaufträge war 1984 leicht rückläufig. Im Ver gleich zum V orjahr waren die einzelnen A ufträge wie Belegstellensuche, A nfertigen von Statistiken und Registern, Weitergabe m aschinenlesbarer T exte usw. jedoch aufgrund kom plexerer Fragestellungen und eines größeren D atenbestandes o ft w esentlich um fangreicher und m it inten siverer Inform ationsbeschaffung und -Vermittlung verbunden. N eben einer Vielzahl von E inzelberatungen und Einführungen in die A rbeit m it vorhandener Softw are für IdS-M itarbeiter, Gäste und Besu cher, veranstaltete die LDV 1984 eine Inform ationsw oche und ein IdSK olloquium , um die V oraussetzungen für eine K onzeption verstärkten C om putereinsatzes im R ahm en von G roßprojekten wie z.B. dem “ H and buch der schweren W örter” zu verbessern. A uf der Jahrestagung 1984 w urden zahlreiche LDV-Entw icklungen der F achöffentlichkeit vorge führt. Gegen Jahresende erschien das LDV-Info 4, die Inform ations247 Schrift der A rbeitsstelle Linguistische D atenverarbeitung, die eine Reihe von B erichten zu den w ichtigeren A rbeiten der LDV enthält. 2.3.3. D eutsches Spracharchiv M itarbeiter: E deltraud K netschke, M argret Sperlbaum Leitung: E deltraud K netschke Die A ufgaben des D eutschen Spracharchivs sind die Archivierung, Be reitstellung, V erschriftung, Analyse, D okum entation und V orbereitung von A ufnahm en gesprochener Sprache (M undart, Umgangssprache, Standardsprache). Die Arbeitsstelle verfügt über das größte Schallarchiv gesprochener deutscher Sprache, w obei in der Regel T onbänder als Schallträger die nen. Insgesamt sind über 10.000 A ufnahm en m it einer A bspieldauer von ca. 2.500 S tunden vorhanden. Die K orpora haben einen Umfang von rund 15 M illionen W örtern laufender Texte. Die M ehrzahl der A uf nahm en sind ihrer T extsorte nach “ initiierte Erzählm onologe” . Durch die Inkorporierung des sogenannten “ Freiburger K orpus der gesproche nen Sprache” , einer Sam m lung von 806 A ufnahm en m it einer ungefäh ren Spieldauer von 4 50 S tunden und 3 K orpora der A bteilung Sprache und Gesellschaft (D ialogstrukturen, Beratungsgespräche, Stadtsprache M annheim ), verfügt das Spracharchiv auch über Dialoge in Standard sprache. Die w ichtigsten K orpora (I/-, III/-, IV/- m it rund 6.500 A uf nahm en) sind als K opien im Archiv dupliziert. Zu den ständigen Aufgaben der A rbeitsstelle gehört auch die herausgeberische und redaktionelle Betreuung der Reihe PHONAI, die im Be richtsjahr ihren U ntertitel zu “ L autbibliothek der deutschen Sprache” verändert hat. In dieser Reihe erschien 1984 als neue Sachgruppe der vollständige A bdruck eines T extkorpus nach C om puterausdrucken in 3 Bänden: J. Alan Pfeffer und W alter F.W. Lohnes: G runddeutsch — T exte zur gesprochenen deutschen G egenwartssprache — Überregionale Umgangssprache aus der Bundesrepublik D eutschland, der D eutschen D em okratischen Republik, Österreich und der Schweiz; T ex tk o rp o ra 1, PHONAI Bd. 28, 29 und 30. Die noch in der w eiteren H erstellung befindlichen M onographie-Bände zum Fersental, zu D iendorf und Zinzenzell und zu den Umgangsspra chen in Worms, K aiserslautern und Heidelberg w erden 1985 in der Rei he erscheinen. Ebenso ist für 1985 die V eröffentlichung des Bands “ Zur O rthoepie der Plosiva in der deutschen H ochsprache” vorgesehen. Das M anuskript ist im Berichtsjahr im wesentlichen fertiggestellt w or den, ebenso der M aterialienband, der noch einige zusätzliche Wiederga 248 ben von System atisierungen usw. erhalten hat. Ein M onographie-Band zu ‘Maria A lm ’ ist bereits in der T yposkript-Erstellung und wird Anfang 1986 als P ublikation vorliegen. Die A usw ertung der Jiddisch-D okum entation b efindet sich noch im m er in der ersten Phase der Bearbeitung von T onbandaufnahm en, die als Fernziel eine P ublikation haben. Zu den Serviceleistungen zählten wie bisher die Betreuung und Beratung von W issenschaftlern aus dem In- und A usland, die sich beim D eutschen Spracharchiv über die N utzungsm öglichkeiten der verschiedenen K or pora u n terrichteten. Für zahlreiche W issenschaftler und Forschungsin stitu te w urden wieder T onbandkopien von T exten u nd Protokollbögen angefertigt. Einzelne S tudenten n u tz ten außerdem das Spracharchiv für ihre Exam ensarbeiten. Die V orarbeiten zu einem G esam tkatalog des D eutschen Spracharchivs (Verzeichnis aller hier archivierten deutschsprachigen T onbandaufnah m en — v ertex tet wie u n v ertex tet —), w urden w eitergeführt. 2.3.4. R edaktion GERM ANISTIK (A ußenstelle Tübingen) Leitung: Tilm an K röm er Die R edaktion des Bibliographie- und R eferatenorgans GERM ANISTIK erfaßt und verzeichnet vierteljährlich die in- und ausländischen V eröf fentlichungen auf dem G ebiet der G erm anistik sowie in Auswahl der allgemeinen Sprach- und Literaturw issenschaft. V erhandlungen m it dem Verlag Max N iem eyer über die Z ukunft dieser A ußenstelle wurden im Berichtsjahr eingeleitet; sie sind bisher noch nicht zum A bschluß ge kom m en. 2.3.5. Bibliothek Leitung: Eva T eubert Die Bestände der B ibliothek w urden im Berichtsjahr w iederum system a tisch erw eitert; die Bestände ehemaliger B ereichsbibliotheken sind in zwischen w eitgehend integriert. N eben Erw erbung und Ausleihe steh t vor allem die Betreuung von G astwissenschaftlern und die Erstellung von L iteraturrecherchen für interne und externe B enutzer im V order grund der A rbeit. In zunehm endem Maß w ird die Bibliothek auch von den S tudenten der U niversität M annheim genutzt. Zu den A ufgaben der Bibliothek gehört ferner die S chriftleitung der Z eitschrift “ D eutsche Sprache” . 249 3. Tagungen, Kolloquien und Vorträge externer Wissenschaftler 3.1. Jahrestagung 1984 “ S prachkultur” Das In stitu t veranstaltete in der Zeit vom 13. bis zum 16. März 1984 seine internationale Jahrestagung zum R ahm enthem a “ S prach k u ltu r” im Musensaal des R osengartens (M annheim). Etw a 400 Sprachwissen schaftler, Literaturw issenschaftler, A utoren, Journalisten und an Spra che und Sprachw issenschaft Interessierte aus m ehr als 20 Ländern nah men an der Tagung teil und diskutierten gem einsam über S prachkultur und Sprachpflege im In- und A usland, über gesellschaftliche A nstren gungen zur Sprachkultivierung, über die geschichtlichen Wurzeln der Sprachkultivierungsbem ühungen (S prachkultur im 18. Jh .), über die Sprachbildungsarbeit in der Schule, über den Zusam m enhang zwischen Sprachkultur und L iteratur, über den Sprachgebrauch in der W issenschaft und in bestim m ten gesellschaftlichen G ruppen, nicht zuletzt auch im Bereich der Politik. Vorgetragen w urden A nalysen und B erichte, bei diesem R ahm enthem a aber auch vor allem W ertungen und persönliche Meinungen. Das Programm war nicht nur inhaltlich w eit gefächert, auch die Organi sationsform en w aren vielfältig. N eben “großen” V orträgen standen ko o rdinierte Podium sgespräche und -diskussionen m it V ertretern der In stitutionen, die sich in der Bundesrepublik D eutschland vornehm lich m it Fragen der Sprachpflege und Sprachnorm ierung befassen, m it Ex perten im Bereich von Sprache und Politik und m it Verfassern von Sprachglossen für große Zeitungen. Die Tagungsbeiträge w erden im IdS-Jahrbuch 1984 “ S p rach k u ltu r” er scheinen. Es gab ein relativ breites Presseecho auf die Tagung. Berichte erschienen u.a. in folgenden Zeitschriften: “ D eutsche Sprache” , H. 4 / 1984 (von Inger Rosengren); “ Z eitschrift für germ anistische Linguistik”, H. 3/1984 (von P eter Kühn u nd Ulrich Püschel); “ Linguistische Berich te ” , H. 9 2 /1 9 8 4 (von W alter Schm ich); “ tex ten + schreiben” , Juni 1984 (von Wolfgang Müller). 3.2. Sitzungen der K om m ission für Fragen der Sprachentw icklung Im Berichtsjahr fand am 23.6. eine interne Sitzung sta tt. Wiedergewählt w urden die M itglieder K.-H. Bausch, G. Drosdowski, S. Grosse, H.H. Reich und G. R ickheit. Zum V orsitzenden und zu dessen Stellvertreter w urden S. Grosse und K.-H. Bausch w iederum gewählt. 250 3.3. K olloquium “Term inologie im Sprachbuch” Zum 22. und 23. Juni 1984 lud die Kommission für Fragen der Sprach entw icklung E xperten aus den deutschsprachigen Ländern zu diesem K olloquium in das In stitu t für deutsche Sprache nach M annheim ein. A nlaß war der Vorschlag eines Term inologiekatalogs für die Fächer D eutsch und F rem dsprachen, der von der ständigen K onferenz der Kul tusm inister der Bundesländer (KMK) herausgegeben w orden war. Er stieß u n te r Sprachw issenschaftlern und V ertretern des Faches A ngew andte Linguistik auf heftigen W iderstand. A uf dem K olloquium diskutierten Sprachw issenschaftler der Schulsprachen, des Faches D eutsch als Frem dsprache, Pädagogen, L ehrbuchauto ren und V ertreter der K ultusm inisterien über die vorliegende Liste, über die Frage, ob ein M inim alkatalog erforderlich sei und darüber, welche K onsequenzen eine term inologische Festlegung für die Schulpraxis ha ben könnte. R eferenten und Them en w aren: 1. Zur allgemeinen Problem atik einer Term inologie R. Wimmer, M annheim : G renzen einer N orm ierung gram m atischer T erm ini; H. Glinz: G ram m atische T erm ini — ihre R elativität und U nentbehr lichkeit; D. Czeczatka: V ereinheitlichung der gram m atischen Term inologie als schulpraktisches Bedürfnis; R. Em ons: Linguistik und Schulgram m atik. 2. Die Term inologie aus der Sicht der Schulsprachen W. H eilm ann: G ram m atische Term inologie in lateinischen Sprachbüchern; H. W. Klein : D urch S prachstruktur bedingte B esonderheiten der gram m atischen Term inologie im Französischen (besonders im Tem pusbereich); W. Hüllen: Zwei Problem e einer didaktisch orientierten G rammatikTerm inologie für den E nglischunterricht: Syntagm a vs: Paradig ma, S tru k tu r vs. F unktion; K.-J. Heller: Zum Problem w ort- und satzgram m atischer D eskripto ren aus der Sicht der Schulgram m atik; J. Oomen-W elke: Term inologie im Sprachbuch aus der Sicht der Schulbuchverlagsarbeit. 251 3. Die Term inologie-D iskussion in der Schweiz und Ö sterreich E. Glinz: Die T erm inologiesituation in der Schweiz (Erfahrungen m it Schülern und Lehrern); R. Killinger: Diskussion über die Term inologie des Bereichs “ Sprachreflexion” in den neuen Lehrplänen für die Pflichtschulen und das G ym nasium in Österreich. 4. Die Term inologie-Frage im Bereich D eutsch als Frem dsprache L. G ö tze: D ependenzsyntax — G ram m atikbeschreibung in Lehrw er ken D eutsch als F rem dsprache; U. Engel: T erm ini für D eutsch als F rem dsprache (eine Analyse d eu t scher und polnischer Lehrbücher). Ergebnis der D iskussionen war: — Eine katalogähnliche Liste kann nur m it V orbehalt ak zep tiert wer den. A kzeptabel w aren “ E tik e tte n ”, die für gram m atische Bereiche stehen, aber n icht den S tatus von Term ini erhalten. Sie k ö n n ten die fachliche und interfachliche Verständigung erleichtern. — Solche Bezeichnungen m üßten m öglichst gram m atiktheorie-neutral sein. — Bezeichnungen, die n icht “ sprechend” oder sem antisch beschrieben sind, scheinen hierfür möglicherweise geeignet. — D urch die Bezeichnungen eingeführte N orm ierungen müssen in ihrer Problem atik reflektiert w erden. — Die Bedürfnisse des A nw enders und der B etroffenen müssen berück sichtigt w erden. Sehr stark war die F u rc h t der T eilnehm er vor der norm ierenden K raft des N orm ierten im Schulunterricht. Die Schulpraxis zeige auch, daß man sehr wohl ohne eine verabschiedete Term inologieliste S prachunter rich t m achen kann. D er B edarf an Term inologie für den U nterricht könne nicht quantitativ entschieden w erden, sondern m uß vom lernen den Kind (den Lernprozessen) ausgehen und daran ausgerichtet sein. Die R eferate w erden als Sam m elband in den V eröffentlichungen des Instituts herausgegeben. 252 3.4. Sitzungen der K ommission für Rechtschreibfragen des IdS Im Berichtsjahr fanden drei Sitzungen der K ommission sta tt, und zwar am 24./25. F ebruar, 6./7. Juli und 14./15. D ezem ber. Nach einigen Ü berarbeitungen und redaktionellen A bstim m ungen w urden die neu gefaßten “ Regeln für die Z eichensetzung im D eutschen” verabschiedet. Intensiv w urden auf der Grundlage eines von Burkhard Schaeder vorge legten und im V erlauf des Jahres überarbeiteten Papiers zur Zusammenund G etrenntschreibung dieser Bereich w eiterdiskutiert und Regeln er arbeitet, die au f der ersten Sitzung des Jahres 1985 noch einm al zu über arbeiten sind. Ein von H erm ann Zabel vorgelegtes A rbeitspapier zur Schreibung speziell der F rem dw örter w urde in erster R unde andisku tiert. Im Rahm en der V orbereitung einer im Jahre 1985 erscheinenden Publikation, eines ‘W erkstattberichtes’ über die A rbeit der Kommission und m it deren Ergebnissen, w urden von G erhard Augst, Wolfgang M entrup und H erm ann Zabel Einzelbeiträge vorgelegt und diskutiert. Im Novem ber fand in R ostock eine A rbeitsberatung sta tt, au f der M it glieder von K om m issionen aus den vier deutschsprachigen Ländern einen Vorschlag zur N euregelung der “ W orttrennung am Zeilenende” (Silben trennung) erarbeiteten, der in den K om m issionen noch gebilligt werden muß. Darüber hinaus verständigten sich die T eilnehm er über die G rund sätze zu einer N euregelung der Zeichensetzung, für die auf der für Früh jah r 1986 in M annheim vorgesehenen A rbeitsberatung neue Regeln aus gearbeitet werden. 3.5. V orträge externer Wissenschaftler Dr. Laurie Bauer, W ellington/Edinburgh, G roßbritannien: Neo-Classical Com pounds and Com bining-Form s (16.01.1984) Prof. Dr. Utz Maas, Osnabrück: M odernisierung der sprachlichen V erhält nisse in der S tadt der frühen N euzeit (25.01.1984) Dr. Beat T hom m en, Bern, Schweiz: H andlungsregulation und soziale O r ganisation (01.03.1984) Prof. Dr. sc. Wolfgang M otsch, Berlin, DDR: B edeutung und illokutive F u nktion sprachlicher Ä ußerungen (23.05.1984) Frau Prof. Dr. Senta Tröm el-Plötz, K onstanz: G ew alt durch Sprache (01.06.1984) Doz. Hans Rossipal, S tockholm , Schweden: Schlußfolgerungsstrukturen in G esprächen und T exten (13.06.1984) 253 Frau Aino Kärnä, M.A., Helsinki, Finnland: Diskussion der Behandlung der sog. Partikeln im zweisprachigen W örterbuch (29.06.1984) Prof. Dr. Wolfgang Wölck, Buffalo, USA: Stadtsprachenforschung in Buffalo (16.07.1984) Frau Doz. C athrine Fabricius-Hansen, Oslo, Norw egen: Zur Kategorisierung von N ebensätzen (18.07.1984) Prof. Dr. Eike von Savigny, Bielefeld, Frau Prof. Dr. Gisela Harras, M annheim : G ruppentheoretische Bedeutungsanalyse und einige Fragen der Pragm atik (07.12.1984) 4. K ontakte zu anderen In stitutionen; Lehraufträge, V orträge außerhalb des Instituts 4.1. K ontakte zu anderen Institutionen — Universität M annheim und Universität Heidelberg sowie zahlreiche weitere germ anistische und sprachw issenschaftliche Institute an Universitäten und Hochschulen im In- und Ausland — Fakultät für germanische Sprachen der Universität Bukarest — Staatliches In stitu t für japanische Sprache, T okio — A rbeitskreis “ Deutsch-serbokroatische kontrastive G ram m atik” (Germ anisten der Universitäten Belgrad, Novi Sad, Sarajevo und Zagreb) — Arbeitskreis “ Dänisch-deutsche kontrastive G ram m atik” , Kopenhagen — Deutscher A kadem ischer A ustauschdienst, Bonn — A rbeitskreis Deutsch als Frem dsprache beim DAAD, Bonn — Institut für A uslandsbeziehungen, Stuttgart — Inter Nationes, Bonn — Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft — Gesam tdeutsches Institut, Bundesanstalt für G esam tdeutsche Fragen, Bonn — G oethe-Institut, München — Deutsche Akadem ie für Sprache und Dichtung, D arm stadt — Deutscher Sprachatlas, Marburg — A lexander von H um boldt-Stiftung — A rbeitskreis der Sprachzentren, Sprachlehrinstitute und Frem dspracheninsti tute — Fachverband M oderne Frem dsprachen — Gesellschaft für A ngewandte Linguistik e.V., Trier — D udenredaktion des Bibliographischen Instituts, M annheim — Arbeitsstelle Deutsches W örterbuch, G öttingen — Centre de Recherches Semiologiques, Universität II Lyon — Forschungsstelle für M ehrsprachigkeit (UFSAL), Brüssel — Sonderforschungsbereich 99, Konstanz — Inform ationszentrum Sozialwissenschaften, Bonn — Institut für K om m unikationsforschung und Phonetik, Bonn — Gesellschaft für Inform ation und D okum entation mbH (GID), F rankfurt — GLDV Verein zur Förderung der wissenschaftlichen D atenverarbeitung e.V., Frankfurt 254 — — — — DIN-Norm enausschuß Term inologie, Berlin Gesellschaft für M athem atik und D atenverarbeitung m bH, Bonn S tiftung Volkswagenwerk, H annover Deutsche Forschungsgem einschaft, Bonn 4.2. Lehraufträge von IdS-M itarbeitem Dr. Karl-Heinz Bausch: WS 1984/85, Dialekt im Kurpfälzer Raum , Prosem inar, Universität M annheim Franz-Josef Berens: SS 1984, Einführung in die Gesprächsanalyse, Prosem inar, Universität M annheim Prof. Dr. Ulrich Engel: SS 1984, Syntax der deutschen Gegenwartssprache, V or lesung und Prosem inar, U niversität Bonn WS 1984/85, W ortstellung, Prosem inar, U niversität Bonn G ert K. Frackenpohl: SS 1984, Linguistische D atenverarbeitung, Prosem inar, Uni versität Heidelberg Dr. M anfred W. Hellm ann (gemeinsam m it Dr. Michael Kinne): SS 1984, Einfüh rung in die Lexikographie, Prosem inar, Universität M annheim Dr. Werner Kallm eyer: SS 1984, Analyse verbaler Interaktion I : Problemgespräche, Hauptsem inar, Universität M annheim WS 1984/85, Analyse verbaler Interaktion II: Spielform en der K om m uni kation, H auptsem inar, Universität Mannheim Dr. Michael Kinne (gemeinsam m it Dr. M anfred W. H ellm ann): SS 1984, Einfüh rung in die Lexikographie, Prosem inar, Universität Mannheim Dr. Alan Kirkness: WS 1984/85, Die Geschichte des W örterbuchs der Brüder Grimm, Prosem inar, Universität Heidelberg Pantelis N ikitopoulos: SS 1984, Problem e der A usländerpädagogik und des Deutsch unterrichts für ausländische Kinder, Eine Einführung, Hauptsem inar, Päda gogische H ochschule Heidelberg WS 1984/85, Problem e des Zw eitsprachenerw erbs und ihre pädagogisch didaktischen Im plikationen für den U nterricht und die E ntw icklung von Lern- und L ehrm aterialien, Hauptsem inar, Pädagogische Hochschule Heidelberg Dr. Johannes Schwitalla: SS 1984, Literarische Dialoge vom späten M ittelalter bis zur Gegenwart, Hauptsem inar, Universität Freiburg WS 1984/85, T exte von Frauen und über Frauen im 16. Jahrhundert, H aupt seminar, U niversität Saarbrücken Dr. Gerhard Stickel: SS 1984, Deutsch im K ontrast, Hauptsem inar, Universität Mannheim WS 1984/85, M orphosyntax des D eutschen, H auptsem inar, Universität M annheim Dr. Wolfgang T eubert: SS 1984, K ritik der politischen Sprache, Hauptsem inar, Universität Mannheim WS 1984/85, Synchronische und diachronische A spekte des Gefühlswort schatzes, H auptsem inar, Universität Mannheim 255 Prof. Dr. Rainer Wimmer: SS 1984, K olloquium zur Rechtssprache, Hauptsem inar, Universität Heidelberg WS 1984/85, Syntax der deutschen Gegenwartssprache, Vorlesung, Universi tä t Heidelberg 4.3. Kurse und Kurzseminare von IdS-M itarbeitern Dr. Karl-Heinz Bausch: Deutsch für Ausländer (Fortgeschrittene 1 und 2), A bend akademie Mannheim Sylvia Dickgießer: Vorkurs, Deutsch für A usländer, Abendakadem ie Mannheim Dr. Eigin Müller-Bollhagen: Kurs, Deutsch für A usländer, V olkshochschule Inns bruck Helmut Schum acher: 3.-29.9.1984, Kurzseminar, Verbanalyse, Internationaler Ferienkurs für deutsche Sprache und K ultur, Universität Mannheim 4.4. Vorträge von IdS-M itarbeitern Tobias Brückner: 1.3.1984, A ufbau des m orphologischen Lexikons (MOLEX), Jahrestagung der Gesellschaft für linguistische D atenverarbeitung (GLDV), Heidelberg 29.9.1984, R E FE R —ein interaktives System zum Zugriff auf große T ext m engen, Jahrestagung der Gesellschaft für angew andte Linguistik, Berlin 12.10.1984, PLIDIS, ein System für den natürlich sprachlichen Zugang zu einer D atenbank, Tagung der Gesellschaft für medizinische D okum entation und Statistik, Frankfurt G ert K. Frackenpohl: 29.5.1984, D atenverarbeitungseinsatz bei der A rbeit m it T extkorpora und Lexika im In stitu t für deutsche Sprache, EDV-Ausschuß der geisteswissenschaftlichen Sektion der Max-Planck-Gesellschaft, UPI für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt Ulrike Haß: 27.9.1984, Gefühlssprache der Jugend, Frauenarbeitskreis II, A bend akademie Mannheim 2.10.1984, Sprachwandel seit 1945, Frauenarbeitskreis II, Abendakadem ie Mannheim 16.10.1984, Über Briefkultur, Frauenarbeitskreis II, Abendakadem ie Mannheim Dr. Manfred W. Hellm ann: Februar, März, Novem ber 1984, Zur Entw icklung der deutschen Sprache in den beiden deutschen Staaten. Im A uftrag des G esam t deutschen Instituts Berlin im Rahm en von L ehrerfortbildungssem inaren Juni 1984, Some Observations on Frequency, Style and Journalistic A ttitudes in Newspaper T exts o f East and West Germ any, 10. Internationales DDRSym posium , C onw ay/N ew Ham pshire, USA Novem ber 1984, Zum sprachlichen Ost-W est-Problem: Forschungen und Forschungsproblem e, G astvortrag im Obersem inar Prof. Schlosser, Universi tä t Frankfurt Gabriele Hoppe: 3.9.1984, Feature “ Frauensprache” (Kritische Anm erkungen zu den A rbeiten von Senta Tröm el-Plötz), R undfunkinterview 256 Dr. Werner Kallmeyer: 16.3.1984, Wir und die anderen. Zum V erhältnis von so zialen W elten und Sprachkultur, Jahrestagung des IdS, Mannheim 28.5.1984, Wie lernt man reden? Ein Orientierungsversuch im Feld der praktischen R hetorik. Technische Hochschule, D arm stadt 26.6.1984, Neuere ethnographische Ansätze der Soziolinguistik, Universi tät Heidelberg 5.10.1984, A nm erkungen zum Them a “ R echt und S prache” aus sprach wissenschaftlicher Sicht, Evangelische A kadem ie, Bad Boll Dr. Inken Keim-Zingelmann: Mai 1984, “ SprachVariation” . Them a: Funktion des code-switching in der Erzählung einer M annheim erin, Kolloquium , Basel Dr. Michael Kinne: 29.6. und 9.11.1984, W ortschatzentw icklung in Deutschland nach 1945 - unter besonderer Berücksichtigung der DDR., Berlin (G esam t deutsches In stitu t in V erbindung m it der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung) Dr. Alan Kirkness: 10.-13.10.1984, Deutsche W örterbücher — ihre Geschichte und Z ukunft, D eutscher Germ anistentag, Passau Dr. Elisabeth Link: 19.7.1984, Was ist M etalexikographie? (Lehn-) W ortbildung im W örterbuch, Lexikographisches Kolloquium , Universität Heidelberg 10.10.1984, W ortbildung im Fachw örterbuch, D eutscher D okum entartag 1984, V eranstaltung des Kom itees für Term inologie und Sprachfragen der DGD (DGD-KTS), Problem e fachsprachlicher W örterbucharbeit im Bereich Inform ation und D okum entation. 30.10.1984, (gemeinsam m it Dr. Gerhard Stickel) Wie frem d sind uns die Frem dw örter, Gesellschaft für deutsche Sprache (GFdS), Wiesbaden Pantelis N ikitopoulos: 28.9.1984, Lokale K ultur und Sprachverwendung. Aspekte eines ethnographischen Ansatzes in einer Soziolinguistik der S tadt, GALTagung, Berlin Dr. Werner N o th d u rft (gemeinsam m it Thom as Spranz-Fogasy): 26.-28.1.1984, M ethodische Problem e bei der Analyse von Schlichtungen, Colloquium des DFG-Schwerpunkt Verbale Interaktion, MPI für Verhaltenspsychologie, Seewiesen 2.2.1984, äh folgendes Problem äh. Die interaktive A usarbeitung des Pro blems in Beratungsgesprächen, Psychologisches In stitu t der Universität Bern 27.-29.9.1984, Der M arktw ert von Schlichten. Zur K om m unikationspoli tik eines Handlungsm usters, Jahrestagung der Gesellschaft für angewandte Linguistik (GAL) in Berlin 13.11.1984, G esprächsanalytische Perspektiven auf genetische Beratung, SFB 121 Psychotherapeutische Prozesse, Universität Ulm H elm ut Schum acher: 28.-30,6.1984, G ram m atik im sem antisch orientierten V a lenzw örterbuch, K olloquium Lexikographie und G ram m atik, Universität Essen 27.-29.9.1984, Beschreibungssprache im onom asiologischen V erbw örter buch für Deutsch als Frem dsprache, 15. Jahrestagung der Gesellschaft für angewandte Linguistik, Freie Universität Berlin 257 Dr. Johannes Schwitalla: 14.12.1983, Sprachliche M ittel der G egenkultur. Oder: Wie läßt man sich n icht vereinnahm en? Kolloquium M acht, L iteratur und Sprache, Universität M annheim 22.6.1984, Aufgaben und Problem e der Textsortengeschichtsschreibung. Germanisches Sem inar Universität Ham burg 13.10.1984, Projekt K om m unikation in der S tadt. T heorie, M ethoden, erste Ergebnisse. D eutscher G erm anistentag, Passau Dr. Gerhard Stickel: 19.4.1984, Einstellung zu Anglizismen im Deutschen, Uni versität Warschau 22.5.1984, Zu den ‘Frem dw örtern’ im D eutschen, Universität Marburg 30.10.1984, Das ‘Frem dw ort’ h at ausgedient. Gesellschaft für deutsche Sprache, Wiesbaden Dr. Gerhard Strauß (gemeinsam m it Dr. Gisela Zifonun): 13.-16.3.1984, Sprachkultivierung als politische A ufklärung, IdS-Jahrestagung 1984 Sprachkultur, Mannheim Dr. Wolfgang T eubert: 2.-6.7.1984, A pplications o f a Lexicographical D ata Base for Germ an, 10th International Conference on C om putational Linguistics COLING 84, Stanford, California, USA Prof. Dr. Rainer W immer: 22.6.1984, Grenzen einer N orm ierung gram m atischer Term ini, IdS-K olloquium , M annheim 13.10.1984, Chancen der Sprachkritik, G erm anistentag, Passau Dr. Gisela Z ifonun (gemeinsam m it Dr. Gerhard Strauß): Sprachkultivierung als politische A ufklärung, IdS-Jahrestagung 1984 Sprachkultur, M annheim 5. Studienaufenthalte und Besuche in- und ausländischer W issenschaftler am IdS A uch im Berichtsjahr wurde das IdS wieder von zahlreichen W issenschaftlern aus dem In- und A usland besucht, die zum großen Teil über längere Zeiträum e blieben, um ihre Forschungen im ständigen K ontakt m it den M itarbeitern des IdS fo rtzu führen: Milanko Bekvalac, Novi Sad, Jugoslawien — Dr. Maria Teresa Bianco, Neapel, Italien — L ektor M arseta Bohinjec-Sencar, Ljubljana, Jugoslawien — Prof. Dr. Michael Clyne M A ., Clayton, V ictoria, Australien — Prof. Dr. habil. Jan Czochralski, Warschau, Polen — L ecturer W inifred Davies M .A., M anchester, G roßbritannien — Dr. phil. M artin Durrell M.A., M anchester, G roßbritannien — Prof. Dr. A hm ed Kamal El-Alfy, Kairo, Ä gypten — D ozent Dr. Folke Freund, Uppsala, Schweden — Sayed A hm ed Ali Ham m an, Kairo, Ä gypten — Prof. Dr. A rnold S. H eidenheim er, St. Louis, USA — Prof. Dr. Bai H uh, Seoul, K orea — D ozent Redzer Jahovii, Sarajevo, Jugoslawien — L ecturer Dr. Louise M. Jansen, Canberra, Australien —Mag.phil. A ino K äm ä, Hel sinki, Finnland — G udm und U. Karlsson B.A., M.A., Reykjavik, Island — Prof. Dr. M uham mad A bu-H attab Khaled, Kairo, Ä gypten — Stephen Kidd B.A., Halifax, Canada —Mag. H anka K onieczna, Poznan, Polen — Dekan Dr. G erhard K onnerth, Sibiu, Rum änien — Prof. Dr. Jarm o K orhonen, Oulu, Finnland —Mag.phil. Teresa Korsak, Warschau, Polen —Prof. Dr. Oddleif L eirbukt, T rom s^, Norwegen — Gun Leppiniem i Fil.kand., A bo, Finnland —Magister Jasna Makovec, Ljubljana, Jugos lawien —Patrick Marsh M.A. Ph.D ., D ublin, Irland — Sim one Mascarenhas L.T.C.L. M A ., Ph.D, Bom bay, Indien — Dr. Iw ona May, Poznan, Polen —Cliona McMahon 258 M.A., Dublin, Irland — Dr. Pawel Mecner, B^dzin, Polen —Ass. Amal M ohy Eddin, Kairo, Ägypten - Saburo O kam ura M.A., Chiba, Japan — L ecturer Dr. Peter Paul, C layton, Victoria, Australien - Gerd Maria Paulsen, Oslo, Norwegen - A ntoaneta Primatarova-Miltscheva, Sofia, Bulgarien —Dr. Karel Petrus Prinsloo, Pretoria, Südafrika —Prof. M anfred R ichter M.A. Ph.D., O ntario, Canada —Helena Rohen M.A., Helsinki, Finnland — D ozent Dr. Charles V.J. Russ, York, G roßbritannien — Dr. D anuta Rytel-Kuc, Warszawa, Polen —Prof. Dr. L aurits Saltveit, Oslo, Norwe gen — Wiss. Oberass. Stojan Sarlov, Veliko Tim ovo, Bulgarien — Dr. Gerd Simon, Tübingen — D ozent Dr. Birger Sundquist, Uppsala, Schweden — Doc. Dr. habil. Eugeniusz T om iczek, Wroofaw, Polen —Michael T ow nson B.A., M.A., M .Litt., Birmingham, G roßbritannien —Prof. Dr. Vural Olkü, Balcale-Adana, Türkei — Mag. Jie Yuan, Shanghai, China —Wiss.Ass. Laila Zam zam , Kairo, Ä gypten —Prof. Dr. Arne Z ettersten, Kopenhagen, D änem ark — Fil. Kand. Eleonore Z ettersten, Lund, Schweden —Mag. Erm inka Zilie?, Sarajevo, Jugoslawien — Snjezana Suljevic M.A., Sarajevo, Jugoslawien. 6. Gastwissenschaftler am In stitu t für deutsche Sprache Gastwissenschaftler aus dem In- und Ausland haben auch 1984 w ährend ihrer bis zu zweim onatigen A ufenthalte am IdS verschiedene Projektarbeiten unterstützt. Frau Doz. Dr. C atherine Fabricius-Hansen (Oslo) arbeitete in der G ram m atikgrup pe m it (Beschreibung des Tem pussystem s; Nebensätze im D eutschen). Prof. Dr. Pierre Bange (L yon) behandelte “ Fiktionale Form en im G espräch” im Rahmen des Stadtsprachenprojekts. Priv.Doz. Dr. Franz Breuer (Münster) unternahm Hand lungsstrukturanalysen von Schlichtungsgesprächen. Dipl. Inf. Jan Brustkem (Bonn) im plem entierte eine W ortdatenbank für die Arbeitsstelle Linguistische Datenverar beitung. Prof. Dr. Wolfgang R ettig (Düsseldorf) arbeitete an einem Programm zur sprachlichen M otivation bei ‘schw eren’ W örtern im Deutschen. 7. Grem ien und M itarbeiter des In stitu ts für deutsche Sprache (Stand Dezem ber 1984) 7.1. K uratorium Vorsitzender: Präsident des IdS Prof. Dr. Heinz Rupp, Basel Stellvertreter: Prof. Dr. Siegfried Grosse, Bochum Dr. Joachim Ballweg, IdS —Prof. Dr. Johannes Erben, Bonn —Prof. Dr. Helmut Henne, Braunschweig — Gabriele Hoppe, IdS — Dr. Werner N othdurft, IdS —Prof. Dr. Peter von Polenz, T rier — Prof. Dr. Ingo Reiffenstein, Salzburg — Dr. Johannes Schwitalla, IdS — Prof. Dr. H orst Sitta, Zürich —Prof. Dr. Hugo Steger, Freiburg — Prof. Dr. H erbert E. Wiegand, Heidelberg —ein V ertreter der S tadt M annheim — zwei V ertreter des M inisteriums für Wissenschaft und Kunst, Baden-W ürttemberg — ein V ertreter des Bundesm inisterium s für Forschung und Technologie —ein Ver treter des Auswärtigen A m tes —ein V ertreter des Vereins der Freunde des Instituts für deutsche Sprache. Ehrenpräsident des IdS: Prof. Dr.Dr.h.c. Dr.h.c. Hugo Moser, Bonn 259 7.2. Vorstand D irektoren: Dr. G erhard Stickel — Prof. Dr. Rainer Wimmer 7.3. Institutsleitung D irektoren: Dr. G erhard Stickel — Prof. Dr. Rainer Wimmer; Abteilungsleiter: Dr. Werner Kallmeyer (Sprache und Gesellschaft) — Dr. Alan Kirkness (Gram m a tik und Lexik) — Dr. Wolfgang T eubert (W issenschaftliche D ienste); M itarbeiter vertreter: Franz Josef Berens —T obias Brückner — Dr. Inken Keim — Dr. Elisabeth Link. 7.4. M itarbeiter des Instituts Abteilung G ram m atik und Lexik Abteilungsleiter: Dr. Alan Kirkness (kommissarisch), Wissenschaftliche M itarbeiter: Dr. Joachim Ballweg — Prof. Dr. Ulrich Engel — H elm ut Frosch — Ulrike Haß — Dr. Manfred Hellmann - Brigitte Hilgendorf - Ursula Hoberg (beurlaubt) — Gabriele Hoppe - Dr. Michael Kinne - Jacqueline Kubczak (beurlaubt) - Dr. Elisabeth Link — Dr. Wolfgang M entrup — Dr. Eigin Müller-Bollhagen — Isolde N ortm eyer — Dr. Lorelies O rtner — Dr. G ünter Schm idt — Helm ut Schum acher — Dr. Gerhard Strauß — Dr. Bruno Strecker — Klaus Vorderwülbecke — Dr. Gisela Z ifonun; Sekretärinnen: Marlies Dachsei — Erna Kaehler — Karin L aton — R uth Maurer. Abteilung Sprache und Gesellschaft Abteilungsleiter: Dr. Werner Kallmeyer; Wissenschaftliche M itarbeiter: Dr. KarlHeinz Bausch — Franz Josef Berens — Dr. Inken Keim — Dr. Wolfgang Klein — Dipl.rer.pol. Pantelis N ikitopoulos — Dipl.-Psych. Dr. Werner N othdurft M.A. — Dipl.-Soz. Ulrich R eitem eier —Peter Schröder — Dr. Johannes Schwitalla; Sekre tärinnen: Hanni Kohlhase — Gisela Pfeiffer. A bteilung W issenschaftliche Dienste Abteilungsleiter: Dr. Wolfgang T eubert; Wissenschaftliche M itarbeiter: Tobias Brückner — Sylvia Dickgießer —G ert K. Frackenpohl (beurlaubt) — Aloys Hagspihl — Gerhard Jakob — Dr. E deltraud Knetschke —M onika Kolvenbach M.A. —Tilman Krömer — Dr. Margret Sperlbaum — Dipl.Math. R udolf Schm idt - Klaus W othke; D okum entär: Konrad Plastw ich; M itarbeiter in der D atenverarbeitung: Alfred Herrmann —Claus H offm ann — Rainer Krauß —Peter Mückenmüller — Uwe Som m er —Manfred Schreckenberger; Datenerfassung: Gerda Beck —Willi Oksas; Bibliothekare: Lucia Berst — Dipl.Bibi. Erna Knorpp — Dipl.Bibi. Daniela R u ttlo ff — Dipl.Bibi. Eva T eubert — Ulrich W etz; Sekretärinnen: Anneliese Brants —Ingrid Karlsson; Com poser-Schreibkräfte: Ursula Blum — Ursula Erbe. V erwaltung und V orstandssekretariat Verwaltungsleiter: H erbert R heinnecker; Verwaltungsangestellte: Willi Balschbach — Annem arie Eisinger — H annelore Janovsky - Leonore Kadzik — Hildegard Magis — Marianne Wardein; Sekretariat: Doris Gerstel —Jacqueline L indauer; Telefonistin: Isolde Wetz; Hausm eister: Uwe Zipf; Reinigungsdienst: Lisa Bläß. 260 7.5. W issenschaftlicher Rat Ehrenm itglieder: Prof. Dr. Hans Eggers, Saarbrücken - Prof. Dr. Hans Glinz, Wädenswil —Prof. Dr. Paul Grebe, Wiesbaden —Prof. Dr. Hans N eum ann, G öttingen —Prof. Dr.Dr.h.c. Leo Weisgerber, Bonn. O rdentliche Mitglieder: Prof. Dr. Gerhard Augst, Siegen —Prof. Dr. Klaus Baum gärtner, S tuttgart —Prof. Dr. Karl-Richard Bausch, Bochum — Prof. Dr. Herm ann Bausinger, Tübingen — Prof. Dr. Werner Besch, Bonn —Prof. Dr. Karl-Dieter Bünting, Essen —Prof. Dr. Harald Burger, Zürich —Prof. Dr. Dr.h.c. Eugenio Coseriu, Tübingen —Prof. Dr. Friedhelm Debus, Kiel - Prof. Dr. W alther D ieckm ann, Berlin - Prof. Dr. Günther Drosdowski, M annheim —Prof. Dr. Helm ut Gipper, Münster — Prof. Dr. Jan Goossens, Münster —Prof. Dr. W alter Haas, M arburg — Prof. Dr. Franz-Josef Hausmann, Erlangen — Prof. Dr. Klaus Heger, Heidelberg —Prof. Dr. Hans Jürgen Heringer, Augsburg —Prof. Dr. W erner H offm ann, M annheim —Prof. Dr. KlausJürgen H utterer, Graz — G erhard K aufm ann, M ünchen — Prof. Dr. Johann Knobloch, Bonn — Prof. Dr. H erbert Kolb, München —Prof. Dr. D ieter Krallm ann, Essen — Prof. Dr. T heodor Lewandowski, Köln — Prof. Dr. Heinrich Löffler, Basel — Prof. Dr. Hans Moser, Innsbruck — Prof. Dr. Horst Munske, Erlangen - Prof. Dr. Günter N eum ann, Würzburg —Prof. Dr. G erhard Nickel, S tu ttg art — Prof. Dr. Eis Oksaar, Ham burg —Prof. Dr. R ainer R ath, Saarbrücken — Prof. Dr. O skar Reichm ann, Heidelberg —Prof. Dr. Marga Reis, Köln —Prof. Dr. Barbara Sandig, Saarbrücken — Prof. Dr. Helm ut Schnelle, Bochum —Prof. Dr. A lbrecht Schöne, G öttingen — Prof. Dr. R udolf Schützeichel, Münster —Prof. Dr. Hansjakob Seiler, Köln —Prof. Dr. Stefan Sonderegger, U etikon —Prof. Dr. D ieter Stellm acher, G öttingen —Prof. Dr. Georg Stötzel, Düsseldorf —Prof. Dr. Erich Straßner, Tübingen — Prof. Dr. Heinz Vater, Köln —Prof. Dr. Harald Weinrich, München —Prof. Dr. W alter Weiss, Salzburg —Prof. Dr. O tm ar Werner, Freiburg — Prof. Dr. P eter Wiesinger, Wien — Prof. Dr. Werner W inter, Kiel —Prof. Dr. D ieter W underlich, Düsseldorf. E m eritiert: Prof. Dr. Hennig Brinkm ann, Münster — Prof. Dr. G erhard Cordes, G öttingen — Prof. Dr. G erhard H eilfurth, Marburg —Prof. Dr. O tto Höfler, Wien — Prof. Dr. Blanka Horacek, Wien — Dr. Karl Korn, Bad H om burg —Prof. Dr. Reinhold Olesch, Köln —Prof. Dr. Ludwig Erich Schm itt, M arburg —Prof. Dr. Mario W andruszka, Salzburg — Prof. Dr. Christian Winkler, M arburg — Prof. Dr. Paul Zinsli, Bem. Korrespondierende M itglieder in Europa: Prof. Dr. Pierre Bange, Lyon, Frankreich — Prof. Dr. Jan Czochralski, Warschau, Polen — Prof. Dr. Jean David, Metz, Frankreich — Dr. Jovan Djukanovic, Belgrad, Jugoslawien — Prof. Dr. M artin Durrell, M anchester, England — Prof. Dr. Erik Eräm etsä, T urku, Finnland —Prof. Dr. Sandor G ardonyi, Debrecen, Ungarn — Prof. Dr. habil. Franciszek Grucza, Warschau, Polen — Prof. Dr. Mirra Guchm ann, Moskau, UdSSR —Prof. Dr. K. Hyldgaard-Jensen, K openhagen, Dänem ark —Prof. Dr. M. Isbi^escu, Bukarest, Rum änien —Prof. Dr. William Jones, London, England — Doz. Dr. J&nos Juhasz, Budapest, Ungarn — Prof. Dr. R udolf E. Keller, Manchester, England —Prof. Dr. Wolfgang Klein, Nijmegen, Holland — Prof. Dr. G ottfried Kolde, Genf, Schweiz — Prof. Dr. Jacques L erot, Löwen, Belgien —Prof. Dr. Odo Leys, Löwen, Belgien —Prof. Dr. Kaj B. Lindgren, Helsinki, Finnland —Dr. Zdenek Massarik, Bm o, CSSR — Prof. Dr. S. M ironoff, Moskau, UdSSR —Prof. Dr. Karl 261 Mollay, Budapest, Ungarn — Prof. Dr. Pavica Mrazovuf, Novi Sad, Jugoslawien — Prof. Dr. Pavel Petkov, Sofia, Bulgarien —Prof. Dr. M arthe Philipp, Straßburg, Frankreich —Prof. Dr. H anna Popadic, Sarajevo, Jugoslawien — Prof. Dr. Inger Rosengren, Lund, Schweden — Prof. Dr. Viliam Schwänzer, Bratislava, CSSR — Prof. Dr. Leslie Seiffert, O xford, England — Doc.Dr.Dr. Emil Skala, Prag, CSSR — Prof. Dr.Dr.h.c. G ilbert de Sm et, G ent, Belgien — Prof. Dr. A nthony William S tanforth, Edinburgh, England —Prof. Dr. Birgit S tolt, Stockholm , Schweden — Prof. Dr. Kalevi Tarvainen, Jyväskylä, Finnland —Prof. Dr. Bjame Ulvestad, Bergen, Norwegen —Prof. Dr. Paul V alentin, Paris, Frankreich —Prof. Dr. R.A. Wisbey, L ondon, England — Prof. Dr. Jean-M arie Zemb, Paris, Frankreich — Prof. Dr. Stanislav 2epic, Zagreb, Jugoslawien. Em eritiert: Prof. Dr. W. A dm oni, Leningrad, UdSSR — Dr. E duard Benes, Prag, CSSR —Prof. Dr. T orsten Dahlberg, Sävedalen, Schweden — Prof. Dr. Ingerid Dal, Oslo, Norwegen - Prof. Dr. Jean F ourquet, Fresnes, Frankreich —Prof. Dr. Gustav Korlen, Stockholm , Schweden - Prof. Dr. Ivar Ljungerud, Lund, Schweden —Prof. Dr. Cola Minis, Am sterdam , N iederlande — Prof. Dr. Emil ö h m an n , Helsinki, Finn land — Prof. Dr. L aurits Saltveit, Oslo, Norwegen — Prof. Dr. C. Soetem an, Leiden, Niederlande — Prof. Dr. Pavel T rost, Prag, CSSR. Korrespondierende M itglieder in Übersee: Prof. Dr. Eim er H. A ntonsen, Urbana, 111., USA — Prof. Dr. Em m on Bach, Austin, Texas, USA — Prof. Dr. Michael Clyne, Clayton, V ictoria, Australien —Prof. Dr. F . van Coetsem , Ithaca, N .Y., USA —Prof. Dr. Jürgen Eichhoff, Madison, Wiscon sin, USA — Prof. Dr. Marvin H. Folsom , Provo, U tah, USA — Prof. Dr. Tozo Hayakawa, T okyo, Japan — Prof. Eijiro Iwasaki, Kam akura, Japan —Prof. Dr. R obert D. King, A ustin, Texas, USA —Prof. Dr. Byron J. Koekkoek, Buffalo, N.Y., USA — Prof. Dr. H erbert L. K ufner, Ithaca, N.Y., USA —Prof. Dr. Hans Kuhn, Canberra, Australien — Prof. Dr. W.P. Lehm ann, A ustin, Texas, USA — Prof. Dr. A lbert L. L loyd, Philadelphia, Pennsylvania, USA —Prof. Dr. Georg J. M etcalf, Chicago, 111., USA —Prof. Dr. William G. M oulton, Princeton, N.Y., USA — Prof. Dr. Carroll E. R eed, A m herst, Mass., USA —Prof. Dr. Erwin T heodor R osen thal, Sao Paulo, Brasilien. Em eritiert: Prof. Dr. Einar Haugen, Cambridge, Mass., USA —Prof. Dr. H erbert Penzl, Berkeley, Calif., USA — Prof. Dr. O tto Springer, Philadelphia, Pennsylvania, USA — Prof. Dr. William F. Twaddell, Providence, R .I., USA. 7.6. Kommissionen Kommission für Rechtschreibfragen Prof. Dr. Hans Glinz, Wädenswil, Schweiz (V orsitzender) —Prof. Dr. Günther Drosdowski, M annheim (Stellvertr. V orsitzender) —Prof. Dr. Gerhard Augst, Siegen — Prof. Dr. Johann K nobloch, Bonn — Dr. Wolfgang M entrup, IdS —Prof. Dr. Hans M oser, Innsbruck — D r.h.c. O tto Nüssler, Wiesbaden — Dr. B urkhard Schaeder, Essen —Prof. Dr. H orst Sitta, Zürich —Prof. Dr. Bernhard Weisgerber, Bonn — Prof. Dr. Herm ann Zabel, Bonn. Kommission für Fragen der Sprachentw icklung Prof. Dr. Siegfried Grosse, Bochum (V orsitzender) — Dr. Karl-Heinz Bausch, IdS (Stellvertr. V orsitzender) — Prof. Dr. G ünther Drosdowski, M annheim — Dr. H. Fotheringham , Wiesbaden - Prof. Dr. R udolf Hoberg, D arm stadt — 262 Dr. W erner Kallmeyer, Id s — Prof. Dr. Hans H. Reich, Landau —Prof. Dr. Gert Rickheit, Bielefeld — Prof. Dr. H orst S itta, Zürich — Prof. Dr. Hugo Steger, Freiburg, — Dr. H elm ut W alther, Wiesbaden. 7.7. Beiräte Beirat “ L ehnw ort” Prof. Dr. Johannes Erben, Bonn — Prof. Dr. M anfred Höfler, Düsseldorf — Prof. Dr. Horst Munske, Erlangen — Prof. Dr. Peter von Polenz, Trier. Beirat “ Fachexterne K om m unikation” Dr. R udolf Beier, Ham burg — Prof. Dr. W alther D ieckm ann, Berlin — Prof. Dr. Franz-Josef Hausmann, Erlangen —Prof. Dr. H erbert Ernst Wiegand, Heidelberg. Beirat “ Schlichtung” Prof. Dr. Konrad Ehlich, D ortm und — Prof. Dr. Klaus F. Röhl, Bochum — Prof. Dr. Hugo Steger, Freiburg. Beirat “ K om m unikation in der S ta d t” Prof. Dr. Friedhelm Debus, Kiel — Prof. Dr. Siegfried Grosse, Bochum - Prof. Dr. G ottfried Kolde, G enf — Prof. Dr. Heinrich Löffler, Basel —Prof. Dr. Brigitte Schlieben-Lange, Frankfurt/M . —Prof. Dr. Fritz Schütze, Kassel. 8. Besondere N achrichten Im Berichtsjahr verstarben vier Mitglieder des W issenschaftlichen Rats: Prof. Dr. H. Bach, Arhus, D änem ark; Prof. Dr. Peter Hartm ann, K onstanz; Prof. Dr.Dr.h.c. Friedrich Maurer, Freiburg; Prof. Dr.Dr. Eberhard Zwirner, Münster. 9. Personalstärke, A nschriften, finanzielle Angaben 9.1. Personalstärke (Stand: 1.10.1984) M itarbeiter (einschl. T eilzeitm itarbeiter): wissenschaftliche Angestellte Verwaltungs-Aechnische Angestellte A rbeiter insgesamt: davon auf Planstellen wiss. Angestellte Verw.-/techn. Angestellte A rbeiter 39 34 1 Summen 74 40 (+ 3 beurlaubt) 34 1 75 Projektstellen 1 Zusammen 40 34 1 1 75 263 9.2. A nschriften Institut für deutsche Sprache Friedrich-Karl-Straße 12 Postfach 5409 6800 Mannheim 1, Telefon (0621) 44011 Außenstellen: Forschungsstelle Innsbruck Innrain 52 A-6020 Innsbruck, Telefon 26741 Redaktion GERMANISTIK Vogtshaldenstraße 24 Postfach 2140 7400 Tübingen, Telefon (07071) 24185 9.3. Haushalte des Instituts im Berichtsjahr O rdentlicher Haushalt Einnahm en: Bundesm inisterium für Forschung und Technologie M inisterium für W issenschaft und Kunst, Baden-Württemberg eigene Einnahm en DM 3 .2 3 1 .6 5 0 ,DM 3 .2 3 1 .6 5 0 ,DM 1 0 6 .0 0 0 ,DM 6 .5 6 9 .3 0 0 ,- Ausgaben: Personalausgaben Sachausgaben Investitionen DM 5 .0 0 7 .5 0 0 ,DM 1 .5 3 2 .8 0 0 ,DM 2 9 .0 0 0 ,DM 6 .5 6 9 .3 0 0 ,- Projekt “Verbale In tera k tio n ” Zuschußgeber: DFG Personalausgaben Sachausgaben DM DM 1 1 0 .0 0 0 ,- DM 1 1 0 .0 0 0 ,- Summe der Projektm ittel O rdentlicher Haushalt DM 1 1 0 .0 0 0 ,DM 6 .5 6 9 .3 0 0 ,- Haushaltsm ittel ingesamt DM 6 .6 7 9 .3 0 0 ,- 264 10. V eröffentlichungen des In stitu ts für deutsche Sprache SPRACHE DER GEGENWART Schriften des Instituts für deutsche Sprache Herausgegeben im A uftrag des Instituts für deutsche Sprache von Joachim Ball weg, Inken Keim, Hugo Steger und Rainer Wimmer Schriftleitung: Ursula Hoberg Pädagogischer Verlag Schwann-Bagel, Düsseldorf Band 1: Satz und W ort im heutigen Deutsch. Jahrbuch 1965/66. Erschienen 1967. Band 2: Sprachnorm , Sprachpflege, Sprachkritik. Jahrbuch 1966/67. Er schienen 1968. Band 3: Hans Jürgen Heringer, Die O pposition von ‘kom m en’ und ‘bringen’ als Funktionsverben. U ntersuchungen zur gram m atischen W ertigkeit und A ktionsart. 1968. Band 4: R uth Röm er, Die Sprache der Anzeigenwerbung. 4 1974. Band 5: Sprache — Gegenwart und G eschichte. Problem e der Synchronie und D iachronie. Jahrbuch 1968. Erschienen 1970. Band 6: Studien zur Syntax des heutigen Deutsch. ^1971. Band 7: Jean Fourquet, Prolegomena zu einer deutschen Gram m atik. 4 1973. Band 8: Problem e der kontrastiven G ram m atik. Jahrbuch 1969. Erschienen 1970. Band 9: Hildegard Wagner, Die deutsche Verwaltungssprache der Gegenwart. Eine U ntersuchung der sprachlichen Sonderform und ihrer Leistung. 31984. Band 10: Em pfehlungen zum G ebrauch des Konjunktivs in der deutschen ge schriebenen Hochsprache der Gegenwart. Beschlossen von der Kom mission für wissenschaftlich begründete Sprachpflege des Instituts für deutsche Sprache. Form uliert von Siegfried Jäger. 31973. Band 11 : R udolf Hoberg, Die Lehre vom sprachlichen Feld. Ein Beitrag zu ihrer Geschichte, M ethodik und A nw endung. ^1973. Band 12: R ainer R ath, Die Partizipialgruppe in der deutschen Gegenwarts sprache. 1971. Band 13: Sprache und Gesellschaft. Beiträge zur soziolinguistischen Beschrei bung der deutschen Gegenwartssprache. Jahrbuch 1970. Erschienen 1971. Band 14: Werner Ingendahl, Der m etaphorische Prozeß. M ethodologie zu sei ner Erforschung und System atisierung. ^1973. Band 15 : Leo Weisgerber, Die geistige Seite der Sprache und ihre Erforschung. 1971. Band 16: Bibliographie zum öffentlichen Sprachgebrauch in der Bundesrepu blik D eutschland und in der DDR. Zusam m engestellt und kom m en tie rt von einer A rbeitsgruppe unter der Leitung von Manfred W. Hellmann. 1975. 265 Band 17: Fragen der strukturellen Syntax und der kontrastiven Gram m atik. 1971. Band 18: Zum öffentlichen Sprachgebrauch in der Bundesrepublik D eutsch land und in der DDR. M ethoden und Problem e seiner Erforschung. Aus den Referaten einer Tagung zusam m engestellt von M anfred W. Hellmann. 1973. Band 19: Linguistische Studien I. 1972. Band 20: Neue G ram m atiktheorien und ihre A nw endung auf das heutige Deutsch. Jahrbuch 1971. Erschienen 1972. Band 21: Heidi Lehm ann, Russisch-deutsche Lehnbeziehungen im W ortschatz offizieller W irtschaftstexte der DDR (bis 1968). 1972. Band 22: Linguistische Studien II. 1972. Band 23: Linguistische Studien III. Festgabe für Paul Grebe zum 65. G eburts tag. Teil 1. 1973. Band 24: Linguistische Studien IV. Festgabe für Paul Grebe zum 65. G eburts tag. Teil 2. 1973. Band 25: Eis Oksaar, Berufsbezeichnungen im heutigen D eutsch. Soziosemantische U ntersuchungen. Mit deutschen und schwedischen experim en tellen K ontrastierungen. 1976. Band 26: G esprochene Sprache. Jahrbuch 1972. Erschienen 1974. Band 27: N estor Schum acher, Der W ortschatz der europäischen Integration. Eine onom asiologische U ntersuchung des sog. ‘europäischen Sprach gebrauchs’ im politischen und institutionellen Bereich. 1976. Band 28: H elm ut Graser, Die Sem antik von Bildungen aus über- und Adjektiv in der deutschen Gegenwartssprache. 1973. Band 29: Deutsche W ortbildung. Typen und T endenzen in der Gegenwarts sprache. Eine Bestandsaufnahm e des Instituts für deutsche Sprache, Forschungsstelle Innsbruck. Erster H auptteil. Ingeburg Kühnhold — Hans Wellmann, Das Verb. 1973. Band 30: Studien zur T exttheorie und zur deutschen G ram m atik. Festgabe für Hans Glinz zum 60. G eburtstag. Herausgegeben von Horst Sitta und Klaus Brinker. 1973. Band 31: Andreas Weiss, Syntax spontaner Gespräche. Einfluß von Situation und Them a auf das Sprachverhalten. 1975. Band 32: Deutsche W ortbildung. T ypen und Tendenzen in der Gegenwarts sprache. Zw eiter H auptteil. Hans Wellmann, Das Substantiv. 1975. Band 33: Sprachsystem und Sprachgebrauch. Festschrift für Hugo Moser zum 65. G eburtstag. Herausgegeben von Ulrich Engel und Paul Grebe, Teil 1. 1974. Band 34: Sprachsystem und Sprachgebrauch. Festschrift für Hugo Moser zum 65. G eburtstag. Herausgegeben von Ulrich Engel und Paul Grebe, Teil 2. 1975. 266 Band 35: Linguistische Problem e der T extanalyse. Jahrbuch 1973. Erschienen 1975. Band 36: Sprachwissenschaft und Sprachdidaktik. Jahrbuch 1974. Erschienen 1975. Band 37: Heinz Kloss, Die Entw icklung neuer germanischer K ultursprachen seit 1800. 1978. Band 38: T heo Bungarten, Präsentische Partizipialkonstruktionen in der d e u t schen Gegenwartssprache. 1976. Band 39; Problem e der Lexikologie und Lexikographie. Jahrbuch 1975. Erschienen 1976. Band 40: Wolfgang Steinig, Soziolekt und soziale Rolle. Untersuchungen zu Bedingungen und Wirkungen von Sprachverhalten unterschiedlicher gesellschaftlicher G ruppen in verschiedenen sozialen Situationen. 1976. Band 41: Sprachwandel und Sprachgeschichtsschreibung. Jahrbuch 1976. E r schienen 1977. Band 42: G .S .S cur, Feldtheorien in der Linguistik. 1977. Band 43: Deutsche W ortbildung. D ritter H auptteil. Ingeburg K ühnhold/O skar Putzer/H ans Wellmann, Das Adjektiv. 1978. Band 44: Ulrich Engel/Siegfried Grosse (Hrsg.), G ram m atik und D eutschunter richt. Jahrbuch 1977. Erschienen 1978. Band 45: H elm ut Henne/W olfgang M entrup/D ieter M öhn/H arald Weinrich (Hrsg.), Interdisziplinäres deutsches W örterbuch in der Diskussion. 1978. Band 46: Wolfgang M entrup (Hrsg.), Fachsprachen und Gem einsprache. Ja h r buch 1978. Erschienen 1979. Band 47: H elm ut Heinze, G esprochenes und geschriebenes Deutsch. Verglei chende Untersuchungen von Bundestagsreden und deren schriftlich aufgezeichnete Version. 1979. Band 48: Barbara M arzahn, Der D eutschlandbegriff der DDR. Dargestellt vor nehmlich an der Sprache des “ Neuen D eutschland” . 1979. Band 49: Wolfgang T eubert, Valenz des Substantivs. A ttributive Ergänzungen und Angaben. 1979. Band 50: Joachim Ballweg/Hans Glinz (Hrsg.), G ram m atik und Logik. Ja h r buch 1979. Erschienen 1980. Band 51: Erwin M orgenthaler, K om m unikationsorientierte Textgram m atik. Ein Versuch, die kom m unikative K om petenz zur T extbildung und -rezeption aus natürlichem Sprachvorkom m en zu erschließen. 1980. Band 52: Hanspeter O rtner, W ortschatz der Mode. 1981. Band 5 3: Lorelies O rtner, W ortschatz der Pop /R ockm usik. 1982. Band 54: Peter Schröder/H ugo Steger (Hrsg.), Dialogforschung. Jahrbuch 1980. Erschienen 1981. 267 Band 55: Hennig Brinkmann, Sprache als Teilhabe. A ufsätze zur Sprachwissen schaft. Zu seinem achtzigsten G eburtstag ausgewählt und herausge geben von Maximilian Scherner. 1981. Band 56: Karl-Heinz Bausch (Hrsg.), M ehrsprachigkeit in der Stadtregion. Jahrbuch 1981. Erschienen 1982. Band 57: H elm ut Henne/W olfgang M entrup (Hrsg.), W ortschatz und V erstän digungsproblem e. Jahrbuch 1982. Erschienen 1983. Band 58: Sdrawka M etschkowa-Atanassowa, T em porale und konditionale wenn- Sätze. 1983. Band 59: Siegfried Grosse (Hrsg.), Schriftsprachlichkeit. 1983. Band 60: G erhard Stickel (Hrsg.), Pragm atik in der G ram m atik. Jahrbuch 1983. Erschienen 1984. Band 61: Hans-Georg Küppers, O rthographiereform und Ö ffentlichkeit. 1984. Band 62: Deutsche W ortbildung. T ypen und Tendenzen in der Gegenwarts sprache. M orphem - und Sachregister zu Band I - III. Bearb. von Ingeburg Kühnhold und Heinz-Peter Prell. 1984. Band 63: Rainer W immer (Hrsg.), Sprachkultur. Jahrbuch 1984. E rscheint 1985. HEUTIGES DEUTSCH Linguistische und didaktische Beiträge für den deutschen Sprachunterricht. V er öffentlicht vom In stitu t für deutsche Sprache und vom G oethe-Institut. (Folge in drei U nterreihen 1979 abgeschlossen) Max Hueber Verlag, München Reihe I : Linguistische G rundlagen. Forschungen des Instituts für deutsche Sprache Band 1: Siegfried Jäger, Der Konjunktiv in der deutschen Sprache der Gegen w art. U ntersuchungen an ausgewählten T exten. 1971. Band 2: Klaus Brinker, Das Passiv im heutigen D eutsch. Form und F unktion. 1971. Band 3.1,2.: Bernhard Engelen, Untersuchungen zu Satzbauplan und W ortfeld in der deutschen geschriebenen Sprache der Gegenwart. 1975. Band 4: Ulrike Hauser-Suida/Gabriele Hoppe-Beugel, Die ‘Vergangenheits tem p o ra’ in der deutschen geschriebenen Sprache der Gegenwart. Untersuchungen an ausgewählten T exten. 1972. Band 5: Herm ann Gelhaus, Das F u tu r in der deutschen geschriebenen Sprache der Gegenwart. Studien zum Tem pussystem . 1975. Band 6: Franz-Josef Berens, Analyse des Sprachverhaltens im Redekonstella tionstyp “ Interview ” . Eine empirische Untersuchung. 1975. Band 7: Gisela Schoenthal, Das Passiv in der deutschen Standardsprache. D ar stellung in der neueren G ram m atiktheorie und V erwendung in ge sprochener Sprache. 1975. 268 Band 8: Band 9.1.: Jürgen D ittm ann, Sprechhandlungstheorie und Tem pusgram m atik. Futurform en und Zukunftsbezug in der gesprochenen deutschen Standardsprache. 1976. Karl-Heinz Bausch, M odalität und Konjunktivgebrauch in der ge sprochenen deutschen Standardsprache. Teil I. 1979. Band 10: Ursula Hoberg, Die W ortstellung in der geschriebenen deutschen Ge genwartssprache. Untersuchungen zur Elem entenfolge im einfachen Verbalsatz. 1981. Band 11: Karl-Heinz Jäger, Untersuchungen zur Klassifikation gesprochener deutscher Standardsprache. R edekonstellationstypen und argumen tative D ialogstrukturen. 1976. Band 12: Franz-Josef Berens/Karl-Heinz Jäger/G erd Schank/Johannes Schwitalla, Projekt D ialogstrukturen. Ein A rbeitsbericht. 1976. Band 13: Angelika Wenzel, Stereotype in gesprochener Sprache. Form , Vor kom m en und Funktion in Dialogen. 1978. Band 14: G erd Schank, U ntersuchungen zum A blauf natürlicher Dialoge. 1981. Band 15: Johannes Schwitalla, Dialogsteuerung in Interviews. Ansätze zu einer T heorie der Dialogsteuerung m it em pirischen Untersuchungen. 1979. Band 16: Christian Winkler, Untersuchungen zur Kadenzbildung in deutscher Rede. 1979. Band 17: M arita Sennekam p, Die Verwendungsm öglichkeiten von Negations zeichen in Dialogen. Ein dialoggram m atischer A nsatz m it empirischer Überprüfung an T exten gesprochener deutscher Standardsprache. 1979. Reihe I I : Texte Band 1: T exte gesprochener deutscher Standardsprache I. E rarbeitet vom In stitu t für deutsche Sprache, Forschungsstelle Freiburg. ^1978. Band 2: T exte gesprochener deutscher Standardsprache II. “ Meinung gegen M einung” . Diskussionen über aktuelle T hem en. Ausgewählt, redi giert und eingeleitet von Charles van Os. 1974. Band 3: T exte gesprochener deutscher Standardsprache III. “Alltagsgesprä che” . Ausgewählt von H.P. Fuchs und G. Schank. 1975. Band 4: T exte gesprochener deutscher Standardsprache IV. “ Beratungen und Dienstleistungsdialoge” . Herausgegeben und eingeleitet von KarlHeinz Jäger. 1979. Reihe III: Linguistisch-didaktische U ntersuchungen des G oethe-Instituts Band 1: G erhard K aufm ann, Die indirekte Rede und m it ihr konkurrierende Form en der Redeerwähnung. 1976. Band 2: Sigbert Latzei, Die deutschen Tem pora Perfekt und Präteritum . Eine D arstellung m it Bezug auf Erfordernisse des Faches “Deutsch als Frem dsprache” . 1977. 269 Band 3: L utz G ötze, V alenzstrukturen deutscher Verben und Adjektive. Eine didaktische Darstellung für das Fach Deutsch als Frem dsprache. 1979. FORSCHUNGSBERICHTE DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Herausgegeben von Rainer Wimmer und Gisela Zifonun Verlag G unter Narr, Tübingen Band 1: 1968. Band 2: 1968. Band 3: 1969. Band 4. 1970. Band 5: 1970. Band 6: 1971. Band 7: ^ Sam m elbände . Gesprochene Sprache. Bericht der Forschungsstelle Freiburg des In stitu ts für deutsche Sprache. 1975. Band 8: S. Jäger/J. Huber/P. Schätzle, Sprache und Sozialisation. Vorüber legungen zu em pirischen Untersuchungen. 1972. Band 9: H. Popadic, U ntersuchungen zur Frage der Nom inalisierung des Ver balausdrucks im heutigen Zeitungsdeutsch. 1972. Band 10: H. Fenske, Schweizerische und österreichische Besonderheiten in deutschen W örterbüchern. 1973. Band 11: I. Neum ann, T em porale Subjunktionen. Syntaktisch-sem antische Be ziehungen im heutigen Deutsch. 1972. Band 12: G. Kaufm ann, Das konjunktivische Bedingungsgefüge im heutigen Deutsch. 1972. Band 13: P. N ikitopoulos, Statistik für Linguisten. Eine m ethodische Darstel lung. Teil 1. 1973. Band 14: K. Bayer/K. Kurbel/B. Epp, Maschinelle Sprachbeschreibung im Insitut für deutsche Sprache. 1974. Band 15: H. Gelhaus/S. Latzei, Studien zum Tem pusgebrauch im Deutschen. 1974. Band 16: H. Raabe (Hrsg.), T rends in kontrastiver Linguistik I. Interim sprache und kontrastive Analyse. Das Zagreber Projekt zur angew andten Lin guistik. 1974. Band 17: S. Marx-Nordin, U ntersuchungen zur M ethode und Praxis der Analyse aktueller W ortverwendungen. Aspekte des Gebrauchs der W örter ‘Sozialism us’ und ‘sozialistisch’ in der politischen Sprache der DDR. 1974. Band 18: Arbeitsgruppe MasA: Zur m aschinellen Syntaxanalyse I. M orphosyntaktische V oraussetzungen für eine maschinelle Sprachanalyse des D eutschen. 1974. 2 Teilbände. 270 Band 19: A rbeitsgruppe MasA: Zur m aschinellen Syntaxanalyse II. Ein Lexi kon für eine maschinelle Sprachanalyse des Deutschen. 1974. Band 20: H. Kloss (Hrsg.), Deutsch in der Begegnung m it anderen Sprachen: im Frem dsprachen-W ettbew erb, als M uttersprache in Übersee, als Bildungsbarriere für G astarbeiter. Beiträge zur Soziologie der Spra chen. 1974. Band 21: G. Harlass/H. Vater, Zum aktuellen deutschen W ortschatz. 1974. Band 22: I. Tañeré,Transform ationelle Analyse von A bstraktkom posita. 1975. Band 23: H. Kubczak, Das V erhältnis von Intension und E xtension als sprach wissenschaftliches Problem . 1975. Band 24: G. Augst, Lexikon zur W ortbildung. Band 24.1: M orphem inventar A - G. Band 24.2: M orphem inventar H - R. Band 24.3: M orphem inventar S - Z. Band 25: G. Augst, Untersuchungen zum M orphem inventar der deutschen Ge genwartssprache. 1975. Band 26: A. Kirkness, Zur Sprachreinigung im Deutschen 1789-1871. Eine historische D okum entation. Teil I und II. 1975. Band 27: A .J. Pfeffer, G runddeutsch. E rarbeitung und W ertung dreier deut scher Korpora. Ein Bericht aus dem “ Institute for Basic G erm an” , Pittsburgh. 1975. Band 28: H. Raabe (Hrsg.), Trends in kontrastiver Linguistik II. 1975. Band 29: G. Stickel (Hrsg.), Deutsch-japanische K ontraste. V orstudien zu einer kontrastiven G ram m atik. 1976. Band 30: H. Schum acher (Hrsg.), Untersuchungen zur Verbvalenz. 1976. Band 31: U. Engel/H. Schum acher, Kleines Valenzlexikon deutscher Verben. 2 1978. Band 32: N. Filipovic, Die Partizipialkonstruktion in der deutschen dichteri schen Prosa von heute. 1977. Band 33: L. Siegrist, Bibliographie zu Studien über das deutsche und englische Adverbial. 1977. Band 34: H. Droop, Das präpositionale A ttrib u t. G ram m atische Darstellung und Korpusanalyse. 1977. Band 35: H. Gelhaus, Der m odale Infinitiv. 1977. Band 36: U. Engel (Hrsg.), Deutsche Sprache im K ontrast. 1977. Band 37: A. Ballweg-Schramm/A. L ötscher (Hrsg.), Sem antische Studien. 1977. Band 38: J. Ballweg, Sem antische Grundlagen einer T heorie der deutschen kau sativen Verben. 1977. Band 39: K. Zim m erm ann, Erkundungen zur T exttypologie. 1978. Band 40: M. D yhr, Die Satzspaltung im Deutschen und Dänischen. Eine kon trastive Analyse. 1978. 271 Band 41: I. Keim, Studien zum Sprachverhalten ausländischer A rbeitnehm er. Dargestellt an türkischen G astarbeitern im Raum M annheim. 1978. Band 42: M. Kolvenbach/A . L ötscher/H .D . L utz (Hrsg.), Künstliche Intelli genz und natürliche Sprache: Sprachverstehen und Problemlosen m it dem C om puter. 1979. Band 43: L. A uburger/H . Kloss, Deutsche Sprachkontakte in Obersee. 1979. Band 45: Projektgruppe Verbvalenz, K onzeption eines W örterbuchs deutscher Verben. Zu Theorie und Praxis einer sem antisch orientierten Valenz lexikographie. 1981. Band 46: H. Wulz, Form alism en einer Übersetzungsgram m atik. 1979. Band 47: W. M entrup, Die Groß- und Kleinschreibung im Deutschen und ihre Regeln. Historische E ntw icklung und Vorschlag zur Neuregelung. 1979. Band 48: M. W. Hellm ann (Hrsg.), Ost-West-Wortschatzvergleiche. Maschinell gestützte Untersuchungen zum V okabular von Zeitungstexten aus der BRD und der DDR. 1984. Band 49: W. M entrup (Hrsg.), R echtschreibreform in der Diskussion. W issenschaftliche A rbeitstagung zur deutschen Orthographie, M annheim , Mai 1979. 1979. Band 50: I. Keim, U ntersuchungen zum Deutsch türkischer A rbeiter. 1984. Band 5 1: S. Grosse/W. M entrup (Hrsg.), Bürger — Form ulare — Behörde. W issenschaftliche A rbeitstagung zum K om m unikationsm ittel ‘F orm ular’. M annheim , O ktober 1979. Mit einer ausführlichen Bibliographie. 1980. Band 52: D. K rallm ann/G . Stickel (Hrsg.), Zur Theorie der Frage. Vorträge des Bad Hom burger Kolloquium s im N ovem ber 1978. 1981. Band 5 3: I. Keim/P. N ikitopoulos/M . Kepp, K om m unikation ausländischer A rbeiter. 1982. Band 54: S. Grosse/W. M entrup (Hrsg.), A nw eisungstexte. 1982. Band 55: H. O rtner/L . O rtner, Zur Theorie und Praxis der Kom positaforschung. M it einer ausführlichen Bibliographie. 1984. Band 56: U. Reitem eier, Juristische K om m unikation. K om m entierte Biblio graphie. (im Druck) Band 57: W. N othdurft, "... äh folgendes problem äh ...” . Die interaktive A us arbeitung “des Problem s” in Beratungsgesprächen. 1984. Band 58: G. Strauß/G . Z ifonun, Die Sem antik schwerer W örter im Deutschen, (im Druck) Band 59: P. Schröder (Hrsg.), Beratungsgespräche — Ein kom m entierter T ex t band. (im Druck) VERGLEICHENDE GRAMMATIKEN Herausgegeben vom In stitu t für deutsche Sprache Bibliographisches Institut, M annheim Band 1, Teil 1: Jean-M arie Zemb, Vergleichende G ram m atik Französisch-Deutsch, Com paraison de deux systfcmes. Mit Beiträgen von Monica Belin, Jean David, Jean Janitza, Hans-Ludwig Scheel. Band 1, Teil 2: Jean-M arie Zemb, Vergleichende G ram m atik Französisch-Deutsch, L ’& onom ie de la langue et le jeu de la parole. Mit Beiträgen von Pierre Dim on, Irene Freitag-Boswell, F rld eric Hartweg, Paul Imbs, Jean Janitza, Jean-R en? Ladmiral, Herm ann Möcker, Boris Rybak, Francois Schanen, Elm ar T ophoven, Louis T ruffaut. In V orbereitung: Spanisch-Deutsch Serbokroatisch-D eutsch Rum änisch-Deutsch DEUTSCH IM KONTRAST Herausgegeben im A uftrag des Instituts für deutsche Sprache von Ulrich Engel, Hans Glinz und G erhard Jakob Julius Groos Verlag, Heidelberg Band 1: P. Mrazovic (u n ter M itarb. von U. Engel), Die Stellung der Satzele m ente im Deutschen und im Serbokroatischen. Eine kontrastive Darstellung. 1982. Band 2: M. Djordjevic, Verbalphrase und Verbvalenz. U ntersuchungen zur deutsch-serbokroatischen kontrastiven G ram m atik. 1983. Band 3: U. Engei/E. Savin, Valenzlexikon deutsch-rum änisch/D icjionar de valenta germ an-rom an. 1983. Band 4: K. Tarvainen, K ontrastive Syntax Deutsch-Finnisch. 1984. Band 5: S. StSnescu, S atzstrukturen im Deutschen und im Rum änischen. (im Druck) DEUTSCH UND JAPANISCH IM KONTRAST Herausgegeben im A uftrag des Instituts für deutsche Sprache von T ohru Kaneko und G erhard Stickel Julius Groos Verlag, Heidelberg Band 1: Schrift — L autstrukturen — W ortbildung. 1984. Band 2: J. Rickm eyer, M orphosyntax der japanischen Gegenwartssprache. 1983. 273 PHONAI Bis einschließlich Bd. 27: L autbibliothek der europäischen Sprachen und M undarten Herausgegeben von der Internationalen Vereinigung sprachw issenschaftlicher Schallarchive Deutsche Reihe Herausgegeben vom Deutschen Spracharchiv im In stitu t für deutsche Sprache ab Bd. 28: L autbibliothek der deutschen Sprache Herausgegeben vom In stitu t für deutsche Sprache Herausgeber: Walter Haas, E deltraud Knetschke, M argret Sperlbaum Schriftleitung und L eitung der Herstellung: E deltraud K netschke, Margret Sperlbaum Max Niem eyer Verlag, Tübingen Band 1: L. Levine/W. A rndt, Grundzüge m oderner Sprachbeschreibung. 1969. Band 2: E. K netschke/M . Sperlbaum , A nleitung für die H erstellung der M onographien der L autbibliothek. S. Karger Verlag, Basel 1967. Band 3: H. Richter, G rundsätze und System der Transkription-IPA(G)-, 1973. Band 4: M onum enta Germ aniae Acustica. Katalog 1965. Bearbeiter: E. Knetschke/M . Sperlbaum u.a. S. Karger Verlag, Basel 1965. Band 5: W. Bethge/G. M. Bonnin, Proben deutscher M undarten. 1969. Band 6: (M onographien 1.) W. Bethge: Riesenbeck Kr. Tecklenburg; G. Heike: Gleuel Kr. Köln; E. G rubacii: Kriva B ara/Banat; P. Paul: Barossatal/ Südaustralien. 1970. Band 7: (M onographien 2.) R.E. Keller: Jeste tte n Kr. W aldshut; L.G. Z ehetner: Freising; H. Schudt: E rbstadt Kr. H anau. 1970. Band 8: M onum enta Germaniae Acustica. Katalog 1967. Bearbeiter: E. K netschke/M . Sperlbaum u.a. 1969. Band (M onographien 3.) E. Grubacic: K nicanin/B anat; W.H. Veith: Bockwitz Kr. S prottau. 1971. 9. Band 10: (M onographien 4.) W.W. Moelleken: N iederdeutsch der M olotschna — und C hortitzam ennoniter in British C olum bia/K anada. 1972. Band 11: (M onographien 5.) D. Karch: G roßbockenheim Kr. F rankenthal/ K allstadt Kr. N eustadt a.d. W einstraße. 1972. Band 12: M onum enta Germ aniae Acustica. Katalog 1970. Bearbeiter: E. Knetschke/M . Sperlbaum u.a. 1972. 274 Band 13: (M onographien 6.) D. Karch: Gim meldingen Kr. N eustadt a.d. W einstraße/M utterstadt Kr. Ludwigshafen a. Rhein. 1973. Band 14: Festschrift für E berhard Zwirner, Teil 1 (W. Bethge: T extliste zu III/50). 1974. Band 15: (M onographien 7.) Festschrift für E berhard Zwirner, Teil II S. Gersic: Hodschag/Batschka; W.O. Droescher: Pohoi —eine egerländer M undart in Neuseeland. 1974. Band 16: (M onographien 8.) D. Karch: Mannheim. Umgangssprache. 1975. Band 17: M. Sperlbaum : Proben deutscher Umgangssprache. 1975. Band 18: (M onographien 9.) D. Karch/W.W. M oelleken: Siedlungspfälzisch im Kreis W aterloo. O ntario, Kanada. 1977. Band 19: (M onographien 10.) H. Popadic: Deutsche Siedlungsm undarten aus Slawonien/Jugoslawien. 1978. Band 20: (M onographien 11.) D. Karch: Braunschweig — V eltenhof —Pfälzi sche Sprachinsel im Ostfälischen —. 1978. Band 21: (M onographien 12.) P. McGraw: Dane C ounty Kölsch, Wisconsin, USA. 1979. Band 22: (M onographien 13.) D. Karch: Jockgrim Kr. Germ ersheim /N ieder horbach Kr. Bad Bergzabern. 1979. Band 23: (M onographien 14.) I. G uentherodt: D udenrode Kr. W itzenhausen/ N etra Kr. Eschwege. 1982. Band 24: M onum enta Germaniae Acustica. Katalog 1978. Bearbeiter: E. Knetschke/M . Sperlbaum . 1980. Band 25: (M onographien 15.) D. Karch: Dahn Kr. Pirmasens/Wilgartswiesen Kr. Pirmasens/Iggelbach Kr. Bad Dürkheim. 1980. Band 26: (M onographien 16.) G. Lipoid: G ottschee in Jugoslawien — System, Stil und Prozeß —Phonologie einer Sprachinselm undart; 1. Teil: Suchen, H interland, Zentralgebiet. 1984. Band 27: (M onographien 17.) H.W. R oye: Segm entierung und Hervorhebung in gesprochener deutscher Standardsprache — Analyse eines Polylogs. 1983. Band 28: (T extkorpora 1) J.A . Pfeffer/W.F.W. Lohnes: G runddeutsch — Texte zur gesprochenen deutschen Gegenwartssprache — Einführungs- und Registerband. 1984. Band 29: (T extkorpora 1) J.A . Pfeffer/W .F.W . Lohnes: G runddeutsch — Texte zur gesprochenen deutschen Gegenwartssprache — Texte, Teil 1. 1984. Band 30: (T extkorpora 1) J.A . Pfeffer/W .F.W . Lohnes: G runddeutsch — Texte zur gesprochenen deutschen Gegenwartssprache - Texte, Teil 2. 1984. Band 31: (M onographien 18.) A. Rowley: Fersental/V al Fersina. (im Druck) 275 Band 32: (M onographien 19.) Ch. W ickham /R. Hinderling: D iendorf Kr. N abburg/Zinzenzell Kr. Bogen, (im Druck) Beiheft 1: W. Bethge: Beschreibung einer hochsprachlichen T onbandauf nahm e. 1973. Beiheft 2: Festschrift für Eberhard Zwirner, Teil 111. (H. Richter, K.-H. Rensch, M. Sperlbaum , E. K netschke). 1974. Beiheft 3 D. Karch: Zur M orphologie der vorderpfälzischen Dialekte. 1975. Beiheft 4 K. Waniek: Die M undart von Ratiborham m er. 1977. Beiheft 5 Zur gesprochenen deutschen Umgangssprache I. (D. Bresson, M. Sperlbaum , H. Richter, E. Knetschke, W.O. Droescher). 1982. DEUTSCHE SPRACHE IN EUROPA UND ÜBERSEE Berichte und Forschungen Herausgegeben vom In stitu t für deutsche Sprache und dem G oethe-Institut Herausgeber des IdS: G erhard Jakob, G ottfried Kolde; des G l: Josef Gerighausen, Hans-Peter Krüger Franz Steiner Verlag, Wiesbaden Band 1: Deutsch als M uttersprache in Kanada. Berichte zur Gegenwartslage. 1977. Band 2: Walter Hoffm eister, Sprach Wechsel in Ost-Lothringen. Soziolinguistische U ntersuchungen über die Sprachwahl von Schülern in bestim m ten Sprechsituationen. 1977. Band 3: Hans-Peter Müller, Die schweizerische Sprachenfrage vor 1914. Eine historische U ntersuchung über das V erhältnis zwischen Deutsch und Welsch bis zum Ersten Weltkrieg. 1977. Band 4: Deutsch als M uttersprache in den Vereinigten Staaten. Teil I: Der M ittelwesten. 1979. (Sam melband) Band 5: Deutsch als M uttersprache in Belgien (in Zusam m enarbeit m it der “ Forschungsstelle für M ehrsprachigkeit” , Brüssel). 1979. (Sammel band) Band 6: Fernand H offm ann, Sprachen in Luxem burg. Beschreibung einer Triglossie-Situation. 1979. Band 7: Hildegard Irm a Stielau, N ataler Deutsch. Eine D okum entation unter besonderer Berücksichtigung des englischen und afrikaansen Ein flusses auf die deutsche Sprache in Natal. 1980. Band 8: Michael Clyne, Deutsch als M uttersprache in A ustralien. Zur Ö kolo gie einer Ein W anderersprache. 1981. Band 9: N orbert Kleinz, Deutsche Sprache im K ontakt in Südwestafrika. Der heutige G ebrauch der Sprachen Deutsch, Afrikaans und Englisch in Namibia. 1984. Band 10: 276 Heinz Kloss (Hrsg.), Deutsch als M uttersprache in den Vereinigten Staaten. Teil II: Regionale und funktionale A spekte. (Sam melband, im Druck) DEUTSCHES FREMDWÖRTERBUCH Begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von O tto Basler, w eitergeführt im Institut für deutsche Sprache Verlag Walter de G ruyter, Berlin Band 3: Q /R . Q bearbeitet von O tto Basler. R b earbeitet von Alan Kirkness, Elisabeth Link, Isolde N ortm eyer, G erhard Strauß unter M itwirkung von Paul Grebe. 1977. Band 4: S. B earbeitet von Alan Kirkness, Elisabeth Link, Isolde N ortm eyer, G erhard Strauß u nter M itwirkung von Paul Grebe. 1977 ff. Band 5: T. B earbeitet von Alan Kirkness, Elisabeth Link, Isolde N ortm eyer, Gerhard Strauß u nter M itwirkung von Paul Grebe. 1981. Band 6: U - Z und Quellenverzeichnis. B earbeitet von Alan Kirkness, Elisabeth Link, Isolde N ortm eyer, Gerhard Strauß unter M itwirkung von Paul Grebe. 1982. Band 7: System atische W ortregister und Quellenverzeichnis, (im Druck) DEUTSCHE SPRACHE Zeitschrift für T heorie, Praxis, D okum entation Im A uftrag des Instituts für deutsche Sprache, Mannheim, herausgegeben von Hugo Steger, Freiburg (G eschäftsführung); Odo Leys, Leuven; Johannes Schwitalla, M annheim; Gerhard Stickel, M annheim. Pro Jahr 4 Hefte 1973 - 1974: Hueber Verlag, München seit 1975: Erich Schm idt Verlag, Berlin GERMANISTIK Internationales Referatenorgan m it bibliographischen Hinweisen Herausgegeben von H.W. Bähr u.a. gemeinsam m it dem In stitu t für deutsche Sprache Schriftleitung: Tilm an Kröm er Max Niemeyer Verlag, Tübingen Erscheint vierteljährlich INTERNATIONALES GERMANISTENVERZEICHNIS Herausgegeben gemeinsam vom In stitu t für deutsche Sprache und der Redaktion des Jahrbuchs für Internationale Germ anistik (Hrsg.: A loys M. Hagspihl, Hans-Gert R oloff, Wolfgang T eubert) Erscheint im Jahrbuch für Internationale G erm anistik, Reihe D Verlag Peter Lang, Bern Teil I: Institutionen. 1980. Teil II: W issenschaftler, (im Druck) 277 VERÖFFENTLICHUNGEN IM EIGENVERLAG DES INSTITUTS M itteilungen. Berichte über A rbeiten und V eranstaltungen des Instituts. Die Hefte erscheinen in loser Folge; im D urchschnitt erscheint jährlich ein Heft. D okum entation sprachw issenschaftlicher Lehrveranstaltungen an Hochschulen der Bundesrepublik D eutschland, Österreichs und der deutschsprachigen Schweiz. Erscheinungsweise: halbjährlich. D okum entation sprachw issenschaftlicher Forschungsvorhaben 1981/1982. Erschienen Frühjahr 1983. LDV-Info. Inform ationsschrift der A rbeitsstelle Linguistische Datenverarbeitung. Erscheinungsweise: 1-2 mal jährlich. PLIDIS-Dokum entation. Verfasser: H.D. Lutz, M. Kolvenbach, G. Zifonun u.a., M annheim, 1980. INTERLISP Program m ierhandbuch. Verfasser: B. Epp. M annheim , ^1981. D okum entation: T extkorpora des neueren Deutsch. M annheim, 1982. Linguistische Datenverarbeitungs-Software. Herausgegeben vom In stitu t für deutsche Sprache und dem Inform ationszentrum Sozialwissenschaften. M annheim und Bonn, 1982. Bibliographie von A rbeiten zur linguistischen Beschreibung der serbokroatischen Gegenwartssprache. Projektgruppe Deutsch-Serbokroatische Kontrastive Gram m atik. Mannheim, ^ 1983. Rückläufige W ortliste zum heutigen Deutsch. 2 Bde. Bearbeitet von T. Brückner und Chr. Sauter. Mannheim, 1984. 278 . . . die große D arstellung von G estalt und Leistung der deutschen Sprache: H ennig Brinkm ann D ie d e u tsc h e S p rach e G estalt und Leistung 2., neubearbeitete und erw eiterte Auflage X X X I, 939 Seiten, Leinen - ISBN 3-590-15011-4 Aus Besprechungen der ersten Auflage „B rinkm anns W erk ist für unsere Zeit zweifellos die große D arstellung von G estalt und Leistung der deutschen Sprache. Das Buch hebt alle neuen Ansätze gram m atischer B etrachtung in sich auf, stellt sie aber nicht kom pilatorisch zusam m en, sondern führt sie w eiter.“ (M itteilungen des D eutschen G erm anisten-V erbandes) D ie innere G eschlossenheit und m ethodische Stärke des Buches m acht das ständig zu beobachtende gute Einvernehm en aus, das zwischen D eskription und Sinndeutung herrscht. A uch die alten G egensätze zwischen dem Inhalts- und dem F orm gesichtspunkt der Sprache w erden m ethodisch geschickt ausgeglichen. Das fundam entale W erk ist Zeugnis einer eindrucksvollen gedanklichen Leistung des V erfassers.“ (wissenschaftlicher literaturanzeiger) S ch w a n n F a ch sp ra ch e u n d S p ra ch g eb ra u ch in d er P o litik , in T e c h n ik u n d W irtschaft B ib lio g r a p h ie z u m ö ffe n tlic h e n S p ra ch g eb ra u ch in der B u n d e sr e p u b lik D e u ts c h la n d u n d in der D D R Zusam m engestellt und kom m entiert von einer A rbeitsgruppe u nter der L eitung von M anfred W. H ellm ann Sprache der G egenw art 16 — ISBN 3-590-15616-2 W ortsch atz der M o d e V on H anspeter O rtn er Sprache der G egenw art 52 - ISBN 3-590-15652-X W o rtsch atz u n d V e r stä n d ig u n g sp r o b le m e Was sind „schw ere W örter“ im Deutschen? Jahrbuch 1982 Sprache der G egenw art 57 - ISBN 3-590-15657-0 S ch w a n n